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Veröffentlicht am 15.09.2016

Wasser bis zum Hals

Die Flut
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Julia und Michael machen gemeinsam mit einem Kollegen und seiner Frau Urlaub auf der Nordseeinsel Amrum. Doch kaum sind sie angekommen, verwandelt sich die landschaftliche Idylle in einen Ort des Grauens. ...

Julia und Michael machen gemeinsam mit einem Kollegen und seiner Frau Urlaub auf der Nordseeinsel Amrum. Doch kaum sind sie angekommen, verwandelt sich die landschaftliche Idylle in einen Ort des Grauens. In der Nacht werden Ehepaare entführt, die Frauen in den Sand eingegraben und die Männer in unmittelbarer Nähe an einen Mast angebunden. Der Täter trägt eine Stirnlampe und beobachtet das Geschehen, er wartet, bis die Flut kommt und die Frauen qualvoll ertrinken, während die hilflosen Männer zusehen müssen. Schon bald ermittelt die Sonderkommission „Flut“ in den spektakulären Mordfällen und der Kreis um Julia und Michael zieht sich immer enger. Werden sie selbst Opfer des perfiden Mörders werden oder verbirgt sich hinter den Anschuldigungen des Kommissars Harmsen etwas mehr als nur ein untrügliches Gefühl…
Auch dieser spannende Thriller aus der Feder des Bestseller Autors Arno Strobel konnte mich auf Anhieb in seinen Bann ziehen. Sehr alltäglich und unmittelbar werden die Ereignisse auf der beschaulichen Insel beschrieben und schon allein das Tötungsdelikt lässt ein Gänsehautfeeling entstehen. Harmlose Ehepaare werden scheinbar grundlos am Strand gerichtet, welch schaurige Vorstellung …
Ein flüssiger Schreibstil und kurze Kapitel sorgen dafür, dass die Lesezeit wie im Flug vergeht. Auch die geschickt gewählten Erzählperspektiven sprechen für sich. Einerseits der strategisch planende Serienmörder, der auf der Suche nach einer gewissen Empfindung zwischen den Opfern ist und auf der anderen Seite ein unsicheres Ermittlerteam mit einem wahren Kotzbrocken als Hauptkommissar. Leider verliert sich das Buch auf halber Strecke in diesem Erzählstrang, so dass die unterschwellige Feindseligkeit und die privaten Fehltritte der Polizisten in den Mittelpunkt rücken. Auch die möglichen Täter, die infrage kämen werden nun zahlreicher, da förmlich jeder der auftritt etwas aus seiner Vergangenheit zu verbergen hat. Auch das Ende des Buches wird sehr abrupt abgehandelt und die Auflösung des Falles ging mir persönlich zu schnell und holprig vonstatten.
Fazit: Ich vergebe 4 Sterne für einen kurzweiligen, spannenden Psychothriller mit interessanter Rahmenhandlung und zwielichtigen Charakteren, der mich fesseln konnte. Dennoch bleibt hier Luft nach oben und das vorhandene Potential des Buches wurde an manchen Stellen leider nicht genutzt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Leben ist kein Nullsummenspiel

Vom Ende der Einsamkeit
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Jules Moreau ist der jüngste von drei Geschwistern, deren Leben nach dem Unfalltod der Eltern einen komplett anderen Verlauf nimmt, als sich jeder Einzelne von ihnen erhofft hat. Ihre restliche Jugend ...

Jules Moreau ist der jüngste von drei Geschwistern, deren Leben nach dem Unfalltod der Eltern einen komplett anderen Verlauf nimmt, als sich jeder Einzelne von ihnen erhofft hat. Ihre restliche Jugend verbringen die Halbwüchsigen in einem Internat, abgeschnitten von engen persönlichen Verbindungen und einem harmonischen Familienleben gehen ihre Lebenswege bald auseinander. Doch trotz immer größerer Differenzen verlieren sie sich nie ganz aus den Augen und finden im Erwachsenenalter wieder zusammen. Und dann gibt es da noch Alva, Jules Jugendliebe, die für ihn lange Zeit vollkommen unerreichbar schien, die einen anderen geheiratet hat und erst nach dessen Tod in die Arme ihres Freundes findet. Doch kaum hat Jules sein Glück gefunden, schlägt das Schicksal ein weiteres Mal unerbittlich zu und der junge Mann muss lernen, dass sein Leben kein Nullsummenspiel ist, das es keine ausgleichende Gerechtigkeit gibt und dass man Geliebtes über kurz oder lang wieder loslassen muss.
Dieser intensive, melancholische Roman hat bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen, weil es ihm mit spielerischer Leichtigkeit gelingt, die großen, wichtigen Dinge des Lebens zu benennen, sie voller Ernsthaftigkeit wahrzunehmen und den Blick für die Realität und das große Ganze zu schärfen. Jede Handlung dieser Geschichte, könnte ganz genauso irgendwo in unserem direkten Umfeld stattfinden und ist dennoch ausgesprochen besonders und einzigartig. Die Erzählung selbst beschreibt den Lebensweg eines Mannes, der von Beginn an kein leichtes aber doch immer ein sinnerfülltes Leben hat. Er muss zahlreiche Rückschläge verkraften und seine Erwartungen werden oft enttäuscht. Aber auch ethische Werte wie Familiensinn, Verantwortung, Liebesfähigkeit und Vertrauen geben der Erzählung einen hoffnungsfrohen Unterton, der sich bis zum Ende durchsetzt, so dass man tatsächlich glauben mag, dass Dinge im Leben kommen und gehen und sich stetig wiederholen unabhängig von der Verhaltensweise und den Entscheidungen des Individuums.
Fazit: Ich vergebe 5 Sterne für ein bewegendes literarisches Werk in zeitgenössischer Sprache, welches mich mit Menschenkenntnis und Urvertrauen überzeugen konnte und viele wichtige Lebensthemen anspricht. Ein Roman über den Fluss des Lebens, der eindringlich das Kommen und Gehen guter und schlechter Zeiten beschreibt und mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Für mich definitiv ein Lesehighlight im Jahr 2016.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Tücken einer gescheiterten Beziehung

Es muss wohl an dir liegen
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Bisher war Delia Moss in erster Linie die Freundin von Paul, von ihrem strahlenden, lustigen, zuverlässigen und zuvorkommenden Freund, der ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat. Aber nach 10 Jahren ...

Bisher war Delia Moss in erster Linie die Freundin von Paul, von ihrem strahlenden, lustigen, zuverlässigen und zuvorkommenden Freund, der ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat. Aber nach 10 Jahren glücklicher Beziehung scheint Paul eine Abwechslung zu brauchen und geht mit einer viel jüngeren Frau ins Bett, um sein angeknackstes Selbstwertgefühl aufzupolieren. Und damit beginnt für Delia ein neuer Lebensabschnitt voller Ungewissheiten und Zweifel aber auch voller Hoffnung und ungeahnter Möglichkeiten.

Dieser locker, leichte Frauenroman richtet sich an alle, denen das Leben einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und die nun verzweifelt danach suchen, einen neuen, richtungsweisenden Weg einzuschlagen, der sie wieder in Einklang mit den eigenen Grundsätzen bringt.

Die Autorin greift hier ein ziemlich weit verbreitetes Thema auf und beschäftigt sich mit der Orientierungslosigkeit und dem Zweifel nach einer unfreiwillig, schmerzhaften Trennung vom Partner. Der Schreibstil ist locker, leicht gehalten und die Charaktere wirken manchmal etwas überspitzt in ihren Handlungen und Reaktionen. Eine Welt, die wenig Tiefe, wenig Wehmut und kaum hintergründige Gedanken kennt. Aber gerade diese intensive Auseinandersetzung habe ich etwas vermisst.

Fazit: Ich vergebe 3,5 Sterne (aufgerundet 4) für einen humorvollen Frauenroman, der an die Kraft der Weiterentwicklung nach einem persönlichen Tiefschlag appelliert und für unterhaltsame Lesestunden sorgt aber leider keinen großen Nachklang erzeugt. Vielleicht liegt das auch am Genre generell, welches nicht direkt in mein Beuteschema fällt. Ich spreche eine Leseempfehlung aus, für alle die einen abwechslungsreichen Unterhaltungsroman suchen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die späte Dramatik einer Lebenslüge

Als die Liebe endlich war
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„In einer Welt, in der die eine Hälfte uns verfolgt und die andere uns nicht haben will, ist ein Ort, der uns nur als Fremde sieht, wohl wirklich das Paradies.“
Der junge Carl Schwarz besteigt zusammen ...

„In einer Welt, in der die eine Hälfte uns verfolgt und die andere uns nicht haben will, ist ein Ort, der uns nur als Fremde sieht, wohl wirklich das Paradies.“
Der junge Carl Schwarz besteigt zusammen mit Mutter, Vater und Schwester die Conte Biancamano, ein Schiff, welches die jüdische Familie nach Shanghai bringen soll. Doch im letzten Moment überlegt es sich sein Vater Erwin anders und verlässt das Schiff, denn er kann sich nicht vorstellen, dass die Judenverfolgung in Deutschland einen weiteren Höhepunkt erlangen wird. In der Fremde angekommen müssen sich die Emigranten nicht nur eine Bleibe suchen, sondern auch den täglichen Kampf ums Überleben führen, denn auch in Shanghai steht die Zeit nicht still und der ferne Krieg rückt in bedrohliche Nähe. Jahre später lebt Carl zusammen mit seiner Frau Emmi in Amerika und bemüht sich die Schrecken seiner Vergangenheit zu vergessen, doch durch längst vergessene Dokumente, stößt er auf eine unheilvolle Verbindung zwischen der Liebe seines Lebens und den Gräueltaten der Nationalsozialisten. Doch welche Schuld gilt es zu vergeben und welche Lüge tatsächlich zu verzeihen?
Dieser Roman ist mein zweiter aus der Feder der Autorin, den ich nach dem Kriminalroman „Kalteis“ gelesen habe. Auf sehr unterhaltsame, erzählerische Weise gewinnt hier die Thematik Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges und die damit verbundene Möglichkeit der Emigration eine große Bedeutung. Anders als in vielen Romanen, die sich mit dieser dunklen Epoche deutscher Geschichte auseinandersetzen, geht es hier weit weniger um die Ereignisse in Deutschland, als vielmehr um das Leben einer Emigrantenfamilie, der es durch Glück gelungen ist, ihrer unwilligen Heimat den Rücken zu kehren und dafür in der Fremde ein neues Leben aufzubauen. Doch damit verbunden bleibt auch ein Gefühl der inneren Zerrissenheit, der Wunsch eines Tages wieder zurückzukehren und ein loses Heimatgefühl, welches es den Betroffenen nicht erlaubt sich wirklich heimisch und sicher zu fühlen. Wie ein dunkler Schatten verfolgt sie die Bedrohung und lässt viele erst nach dem Kriegsende zur Ruhe kommen.
Die Erzählung besticht durch ein ausgewogenes Verhältnis historischer Rahmenbedingungen und einer persönlichen Lebensgeschichte, die unweigerlich miteinander verwoben sind. Eine leichte Sprache und wechselnde Schauplätze machen den besonderen Reiz aus und die verschiedenen Zeitebenen bringen Spannung und Leben in das geschriebene Wort. Und letztlich wirkt das Geheimnis um Emmi wie ein Magnet, der den Leser an die Geschichte fesselt, denn nur zu gern möchte man über die gut 300 Seiten des Buches wissen, was denn nun wirklich geschah – damals im Leben einer jungen Frau, die nicht die zu sein scheint, die sie zeitlebens vorgab …
Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne (aufgerundet 5) für einen unterhaltsamen, historisch angelehnten Roman, der sich intensiv mit der Frage nach einer Heimat und deren Bedeutung für die eigene Identität beschäftigt. Und gleichermaßen mit der Frage nach der Endlichkeit der Liebe, wenn man feststellt, dass eine Lebenslüge den geliebten Menschen in ein ganz anderes Licht rückt. Das Buch bekommt von mir eine Leseempfehlung und macht mich neugierig auf weitere Romane der Autorin.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Verpasste Abzweigungen auf dem Lebensweg

This is not a love song
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Vincent fährt auf Drängen seiner Ehefrau nach jahrelanger Abkehr endlich wieder einmal in sein Elternhaus, um dort nicht nur ein paar Stunden vorbei zu schauen, sondern auch um alte Freunde, seinen Bruder, ...

Vincent fährt auf Drängen seiner Ehefrau nach jahrelanger Abkehr endlich wieder einmal in sein Elternhaus, um dort nicht nur ein paar Stunden vorbei zu schauen, sondern auch um alte Freunde, seinen Bruder, die Ex-Freundin und andere Bekannte zu treffen.
Doch wie erwartet wird der Besuch zur inneren Zerreißprobe, denn alle Beteiligten haben ein vollkommen anderes Leben gelebt, als Vincent. Sie sind auch nicht mehr die guten Freunde von früher mit denen man sich locker unterhalten konnte, sondern schleppen ihre eigenen Probleme und Sehnsüchte mit sich herum und möchten diese nicht unbedingt mit dem "Freund aus Jugendtagen" teilen. Vincent selbst fiebert dem Ende der Woche entgegen, bis ihm seine Schwägerin ein Geheimnis offenbart, welches sonst niemand angesprochen hätte. Und er muss sich entscheiden, ob er die traurigen Details hören möchte oder doch lieber flieht in eine Zukunft mit dunklen Flecken...
Nach dem Bestseller 6 Uhr 41 von Jean-Philippe Blondel, der mir ausgesprochen gut gefallen hat, war ich sehr gespannt auf seinen neuen Roman, der sich ebenso wie der genannte Vorgänger mit den wichtigen Fragen des Lebens auseinandersetzt und zwischen den Zeilen nicht nur Melancholie vermittelt, sondern auch viele philosophische Denkansätze aufgreift. In "This is not a lovesong" kämpft ein junger Mann gegen seine unschöne Vergangenheit an, indem er sich bewusst an die Orte und zu den Menschen seiner Kindheit und Jugend begibt. Nicht um dort etwas zu finden, was er vermisst hat, sondern lediglich aus Interesse heraus. Denn gerade sein eigener Lebensweg verlief ganz anders als erwartet und hat ihn grundlegend verändert.

Für mich ist dieser Roman ein weiteres Lesehighlight im Jahr 2016, weil er auf wunderschöne Art und Weise erzählt, weil er Verbindungen knüpft und Menschen authentisch wirken lässt, weil er ein sehr bewegendes Thema aufgreift, welches von Identitätsfindung, Erinnerungen, verpassten Chancen, unterlassenen Handlungen und Fehlentscheidungen berichtet. Aber andererseits auch von der Kraft der Liebe, der Möglichkeiten eines Neuanfangs und der ungeahnten Entwicklungen im Laufe der Zeit. Dem Autor ist mit diesem Buch ein sehr einprägsamer Roman gelungen, der lange nachwirkt und ihm einen Platz in der Liste meiner Lieblingsautoren einbringt.

Fazit: Ich vergebe 5 Sterne für dieses ehrliche, manchmal traurige Buch, welches ausgesprochen facettenreich vom Leben selbst erzählt und von der Rolle des Einzelnen in einem sozialen Gefüge. Ich kann es absolut weiterempfehlen, vor allem für diejenigen Leser, die gerne reflektieren, über das Geschriebene Wort nachdenken und ihre eigenen Schlüsse ziehen möchten. Vieles, was hier benannt wird, kann man nicht nur nachempfinden, sondern hat es tatsächlich so oder ganz ähnlich erlebt. Einfach nur toll!