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Veröffentlicht am 28.02.2020

Ein ungleiches Paar

Ein Freund wie kein anderer 2: Im Tal der Wölfe
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„Dafür hatte er in Habbi einen echten Freund. Einen Freund, der wie kein anderer war und dem er selbst von nun an immer zur Seite stand.“

Das Erdhörnchen Habbi hat Winterschlaf im Bau seiner großen Familie ...

„Dafür hatte er in Habbi einen echten Freund. Einen Freund, der wie kein anderer war und dem er selbst von nun an immer zur Seite stand.“

Das Erdhörnchen Habbi hat Winterschlaf im Bau seiner großen Familie gemacht. Doch kaum wittert er die erste Frühlingsluft, ist er hellwach und macht sich sogleich auf den Weg, um seinen Freund Yaruk endlich wiederzusehen. Doch Yaruk ist kein anderes Erdhörnchen, sondern ein Wolf, dem Habbi im letzten Jahr das Leben gerettet hat.

Viele Leser kennen vermutlich den ersten Band dieser zauberhaften Geschichte. Wir leider nicht. Das hat dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch getan. Oliver Scherz hat so eine wunderbare Sprache in seinen Kinderbüchern, fast ein wenig geschwollen und pathetisch. Aber gerade noch unter der Kitschgrenze.

Die Geschichte um Habbi und Yaruk hat mir sehr gut gefallen, war meinem Sohn aber fast ein wenig zu langweilig. Er fand „Wir sind nachher wieder da, wir müssen kurz nach Afrika“ deutlich spannender. (In diesem Buch machen sich zwei Kinder mit einem Elefanten auf eine abenteuerliche Gedankenreise nach Afrika).

In „Ein Freund wie kein anderer“ geht es verstärkt um Loyalität, Freundschaft und Familie. Spannungen gibt es eher aufgrund der Verschiedenheit der beiden Freunde, die natürlich auch sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. Es werden auch die Themen Tod der Eltern, Krankheit und Alleinsein thematisiert. Damit ist es vielleicht nicht unbedingt die richtige Lektüre für ganz junge Kinder.

Auch die wunderschönen, zarten Illustrationen von Barbara Scholz möchte ich nicht unerwähnt lassen. Sie hat ihren ganz eigenen Stil, den man auf den ersten Blick wieder erkennt. Ich mag ihre realitätsnahen, aber auch ausdrucksstarken Bilder sehr. Die gezeichneten Tiere sagen sehr viel über Mimik und Gestik aus. Kinder, die selbst noch nicht lesen können, profitieren davon besonders.

Alles in allem ein sehr gelungenes Kinderbuch, das nur nicht zu Hundertprozent den Geschmack meines Kindes getroffen hat.

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Veröffentlicht am 02.10.2019

Bilderbuch für Erwachsene

Jane Austen
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"Little People, Big Dreams erzählt von den beeindruckenden Lebensgeschichten großer Persönlichkeiten."

Hier also von Jane Austen, die vom aufgeweckten jungen Mädchen zur Schriftstellerin wird. In einer ...

"Little People, Big Dreams erzählt von den beeindruckenden Lebensgeschichten großer Persönlichkeiten."

Hier also von Jane Austen, die vom aufgeweckten jungen Mädchen zur Schriftstellerin wird. In einer Zeit, in der das nicht typisch und bestimmt auch nicht einfach war.

Schon lange liebäugle ich mit Büchern aus dieser Serie und es wird auch bestimmt nicht mein einziges Exemplar bleiben.
Das Cover und die edle Aufmachung des Buches - eher raues Papier, Textilbindung und dadurch ein farblich abgesetzter Buchrücken - ziehen die Aufmerksamkeit auf sich: Jedes Buch dieser Serie ist in einer anderen Farbe gehalten (Jane kommt in einem zarten Pastellgrün daher), darauf die stilisierte Zeichnung der berühmten Persönlichkeit. Und ihr Name und gleichzeitig Titel des Buches ist in der Originalunterschrift typographiert.
Allein aufgrund dieser äußerlichen Gestaltung möchte man sich das Buch unbedingt ins Regal stellen.

Inhaltlich war ich dann aber sehr enttäuscht. Das Buch soll sich offiziell an Kinder ab vier Jahren richten. Natürlich muss die Lebensgeschichte von Jane Austen dafür sehr verknappt und mit dem Schwerpunkt auf den Illustrationen erzählt werden. Doch das ist nur mäßig gelungen. Ein Satz, maximal zwei Sätze pro Doppelseite und wenig aussagekräftige Bilder reichen einfach nicht. Gleichzeitig schaffen es die wenigen Sätze aber kompliziert und voller Ausdrücke zu sein, die einem Vierjährigen fremd sind. Die Figuren werden sprunghaft älter, ohne dass dies erzählerisch oder bildlich deutlich gemacht wird. Außerdem ist das Buch in seiner Gestaltung langweilig für Kinder.

Man hält hier also eher ein Sammlerstück für Erwachsene in Händen. Die Erwachsenen nämlich können sich an der bewusst kindlich gehaltenen Ästhetik der Illustrationen erfreuen, die wie Buntstiftzeichnungen aus Kinderhand wirken. Sie kennen die Geschichte der Protagonisten und begreifen sie in ihrer verknappten Darstellung als Kunstgriff. (Und falls sie sie nicht kennen, wird sie auf einer Doppelseite im Anhang nochmal zusammengefasst. Was übrigens zu beweisen scheint, dass das Buch selbst diese Aufgabe gar nicht erfüllen möchte.)

Ich bin angetan von diesem Bilderbuch für Erwachsene, weil ich es so schön gestaltet finde. Aber es stört mich, dass es als Kinderbuch verkauft wird. Damit versucht man wohl seine Schlichtheit zu begründen, seine kindlichen Zeichnungen und textlichen Schwächen. Das sollte man nicht nötig haben, wenn man einfach ein künstlerisches und ästhetisches Bilderbuch für Erwachsene herausbringen möchte. Was soll diese Verkaufsstrategie für eine Zielgruppe ansprechen? Erwachsene Frauen, die damit kokettieren im Herzen ein kleines Mädchen geblieben zu sein und deshalb ihre moderne Wohnung mit diesem Buch dekorieren.
Das geht mir etwas gegen den Strich und deshalb ziehe ich einen Stern ab.
Ansonsten ist es uneingeschränkt empfehlenswert. Ein wunderschönes, reizvolles Buch.

Veröffentlicht am 03.06.2024

Grusel in einer alten Villa

In unserer Schule spukt's – Das Geheimnis der Villa Einsiedel
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„Zufrieden nahm Direktor Knödel noch einen Schluck Kaffee. Sein Blick glitt wieder hinüber zu der Standuhr. Dann verschluckte er sich und musste husten. Was war denn das?
Schwerfällig erhob er sich aus ...


„Zufrieden nahm Direktor Knödel noch einen Schluck Kaffee. Sein Blick glitt wieder hinüber zu der Standuhr. Dann verschluckte er sich und musste husten. Was war denn das?
Schwerfällig erhob er sich aus seinem Sessel und stellte sich vor die Uhr. Tatsächlich. Sie war stehen-geblieben.
Beide Zeiger standen auf der Zwölf.
In diesem Moment gongte es zur großen Pause.“

Im fiktiven Ort Marode zerstört ein Tornado das Schulgebäude. Die Grundschüler kommen bald aus den Sommerferien zurück und eine schnelle Lösung muss her. Zur gleichen Zeit wird es für die alte Frau von Einsiedel unmöglich allein in ihrer großen Villa zu leben. Da liegt es doch nahe, das nun leer stehende Gebäude vorübergehend als Schulgebäude zu nutzen.
Aber lebt wirklich niemand mehr in der alten Villa? Immer wieder gesehen eigenartige Dinge und einige Schülerinnen beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen.

„In unserer Schule spukt’s“ ist eine schön erzählte Geschichte für junge Leser (der dritten Lesestufe etwa). Man kann mitfiebern, rätseln und sich gruseln. Allerdings endet die Geschichte doch sehr abrupt. Zumal der Klappentext vermuten lässt, dass es in der Geschichte um die Schüler und das Gespenst Otto geht. Dem ist aber nicht so. Otto hat seinen Auftritt erst wenige Seiten vor Ende des Buches. Vielmehr geht es darum, dass die Ereignisse unerklärlich scheinen und man noch nicht so recht weiß, ob es und wenn ja, wer denn da in der Villa Einsiedel spukt. Diese Spannung wird einem genommen, wenn man den Klappentext gelesen hat.
Zudem ist manches nicht ganz stimmig (Warum müssen die Geisterkatzen gefüttert werden?) und die demenzkranke Frau von Einsiedel, die gegen ihren Willen in einem Seniorenheim untergebracht wird („Es ist doch ein bisschen wie ein Gefängnis“), bringt eine sehr traurige Komponente in die Geschichte. Auch der Tod von Kindern wird thematisiert. Letzteres schien für meinen Sohn (8 Jahre) allerdings nicht belastend zu sein.

Er möchte der Geschichte 4 von 5 Sternen geben, denn er fand sie sehr spannend und unterhaltsam. Er wünscht sich allerdings, dass sie noch weiter erzählt wird, denn sie scheint am Ende des Buches gerade erst anzufangen.

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Veröffentlicht am 03.06.2024

All in the Family

Familienglück
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„Das Ausmaß ihrer Verzweiflung machte ihr Angst. Es ging nicht darum, dass sie sich in Lincoln verliebt hatte. Es ging um das, was ihre Bereitschaft, sich in Lincoln zu verlieben, enthüllte: dass alles ...

„Das Ausmaß ihrer Verzweiflung machte ihr Angst. Es ging nicht darum, dass sie sich in Lincoln verliebt hatte. Es ging um das, was ihre Bereitschaft, sich in Lincoln zu verlieben, enthüllte: dass alles falsch war.“

Polly hat alles, was sie sich vom Leben gewünscht hat: Einen gut aussehenden, erfolgreichen Ehemann, zwei gelungene Kinder, ein schickes Zuhause in der Park Avenue, Haushaltshilfe und Kindermädchen. Sie kommt aus einer angesehenen, „intakten“ Familie. Alle sind erfolgreich, schön und tadellos.
Ihr Leben war immer darauf ausgerichtet, genau das zu erreichen.
Doch vor einigen Monaten hat sie sich Hals über Kopf in den Künstler Lincoln verliebt. Er lebt ganz anders als Polly und ihre Familie. Für ihn zählt nicht die Außenwirkung seines Lebens, sondern seine Bedürfnisse und die der Menschen, die er mag. So erlebt Polly erstmals in ihrem Leben, dass sich jemand für sie als Person interessiert. Sie beginnt Fragen zu stellen, ihr bisheriges Leben und ihre Beziehungen zu hinterfragen.

Es ist sehr spannend und aufschlussreich diesen Weg der Erkenntnis mit Polly zu gehen. Polly ist keine verabscheuenswürdige Ehebrecherin, wie sie häufig dargestellt wird. Ihre Affäre wird nicht per se verdammt, sondern als wichtiger Teil ihres Lebens gezeigt. Doch auch genau damit hat die Protagonistin Probleme: Ist sie ein schlechter Mensch, weil sie sich in Lincoln verliebt hat und ihre Beziehung sie alles hinterfragen lässt? Handelt sie nicht entgegen all ihrer Grundsätze? Darf ihre Unzufriedenheit als Entschuldigung für ihre Affäre dienen?

Polly erkennt Schritt für Schritt, was sie selbst vom Leben möchte. Nicht das, was ihre Familie in ihr sieht und von ihr verlangt.
Laurie Colwin hat eine fast schon zeitlose Geschichte geschrieben, in der eine Frau aus dem starren gesellschaftlichen Korsett ausbricht und ihren eigenen Weg findet.

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Veröffentlicht am 25.05.2024

Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt

Was macht KI mit unserer Sprache?
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„Wir sprechen und schreiben auch, um die Welt um uns herum zu verändern. Ein Sprachmodell [dagegen] hat nur eine einzige Intention: den Prompt des Users oder der Userin Wort für Wort fortzusetzen.“

Künstliche ...

„Wir sprechen und schreiben auch, um die Welt um uns herum zu verändern. Ein Sprachmodell [dagegen] hat nur eine einzige Intention: den Prompt des Users oder der Userin Wort für Wort fortzusetzen.“

Künstliche Intelligenz ist DAS Thema unserer Zeit. Viele Menschen halten es für die zukunftsträchtigste Erfindung schlechthin. Einige haben Angst davor. Und der ein oder andere versteht wohl auch gar nicht so recht, was das eigentlich sein soll und wie es in unseren Alltag geraten soll.

Meine Meinung zu dem Thema ist zurückhaltend. KI wird in einigen Bereichen eine gute Recherchemöglichkeit sein und den ein oder anderen informationslastigen Text oder eine (unperfekte) automatische Übersetzung beisteuern können. Darüber hinaus finde ich die sprachlichen Ergebnisse nicht unbedingt begeisternd.

Aber gerade aus linguistischer Sicht ist es spannend, sich mit künstlich generierter Sprache oder Texten auseinander zu setzen. Wie erstellt die KI Texte? Wie schafft sie es, einigermaßen zusammenhängend zu schreiben? Und hat diese technische Entwicklung Einfluss auf unsere natürliche Sprache?

Christopf Drösser erklärt in seinem Buch, wie die KI funktioniert, welche Datenbasis sie verwendet, welche Grenzen sie hat und Problematiken sie schafft. Er macht auch deutlich, dass zum Teil intransparent handelnde Unternehmen hinter den KI-Tools stehen, die mit Daten jonglieren und scheinbar willkürlichen (kostenlosen und kostenpflichtigen) Output bieten.

Und last but not least geht er auch auf die sprachlichen Aspekte ein? Wie gut ist der Output der KI tatsächlich? Wo kann man ihn nutzen, wo eher nicht? Welche Lebensbereiche könnte er auf den Kopf stellen? Er führt die Sprechakttheorie auf einer halben Seite ins Feld und nimmt diese als (einziges) Gegenargument dafür, dass die KI-generierte Sprache unsere natürliche ersetzen könnte. Sie imitiert sie und das mehr oder weniger intentionslos.

So lesen sich dann übrigens auch die Texte, die z.B. ChatGPT liefert. Sehr schlicht, informativ. Die einzelnen Sätze durch unmotivierte Konjunktionen verbunden und auch nicht immer zueinander passend.

Das Büchlein hätte stärker auf sprachwissenschaftliche Aspekte eingehen können. Es bietet aber dennoch einen guten Einstieg in die Thematik und zeigt die wichtigsten Diskussionspunkte auf.

*Der Titel meiner Rezension ist ein Zitat von Ludwig Wittgenstein

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