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Veröffentlicht am 07.09.2022

"Guten Tag, guten Tag, ich will mein Leben zurück (J. Holofernes)

Die Träume anderer Leute
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Als Judith Holofernes zusammen mit ihrer Band "Wir sind Helden" die Textzeilen " Guten Tag, guten Tag, ich will mein Leben zurück" in die Welt der Pop-Songs hinaus schmettert, ahnt sie nicht, dass es genau ...

Als Judith Holofernes zusammen mit ihrer Band "Wir sind Helden" die Textzeilen " Guten Tag, guten Tag, ich will mein Leben zurück" in die Welt der Pop-Songs hinaus schmettert, ahnt sie nicht, dass es genau diese Worte sind, die sie zum Umdenken bewegen.

Der große Erfolg der "Helden" ist bahnbrechend und die teilweise rotzig-frechen Songtexte sind einfach anders. Auch sie erzählen Geschichten, denen man zuhören muss, um sie zu verstehen. Wer sich die Mühe macht, einmal hinter den Melodien die Menschen zu sehen, die für die Musik verantwortlich sind, der kann unglaublich viel von ihrem Innersten entdecken.

Doch als es mit den "Helden" vorbei ist, beginnt für Judith Holofernes das, was sich ein Hamsterrad nennt. Sie rennt und rennt, dreht und dreht immer weiter, stößt neue Soloprojekte an und folgt dabei Vorgaben, die andere aus ihrem Umfeld machen. Dabei vergisst sie wirklich sich selbst und verliert sich aus den Augen. Ihr Leben fühlt sich für sie selbst fremd und ferngesteuert an.

Die Folge davon ist, dass sie 10 Jahre und einige bittere und dunkle Erfahrungen braucht, um endgültig die Reißleine zu ziehen, um endlich die Judith zu werden, die sie sein möchte.

Es sind schmerzhafte Erinnerungen, die im Rückblick zwar immer noch weh tun, aber manchmal muss man über Scherben gehen und sich blutige Füße holen, bevor der Rückweg aus der Krise bis hin zur Verwirklichung eines Traumes möglich ist.

Holofernes nimmt kein Blatt vor den Mund, ist ehrlich zu sich selbst, zeigt unglaublich intime Einblicke in ihre Gefühl-, Gedanken- und Familienwelt und tritt den Beweis an, dass Erfolg eben nicht unbedingt glücklich macht, sondern immer den schmalen Grat zwischen Fluch und Segen beschreitet.

Ein Buch der leisen Töne, stummen Schreie und ganz viel Licht, das ein lang geträumtes Märchen wahr werden lässt. Hier erzählt eine einfühlsame Judith Holofernes von ganz persönlichen Wunden, Narben und Erkenntnissen, die so wahrscheinlich niemand hinter der witzig-schrägen Fassade der früheren "Heldin" vermutet hätte.

Absolut empfehlenswert !

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Veröffentlicht am 06.09.2022

Von allem zu viel und doch zu wenig

Bad Regina
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Die einst mondänen Fassaden sind nur noch bröckelige Makulatur, der Ausverkauf hat längst begonnen und doch ist da einer, der ein scheinbares Interesse daran hat, das Alte zu bewahren. Doch was hat der ...

Die einst mondänen Fassaden sind nur noch bröckelige Makulatur, der Ausverkauf hat längst begonnen und doch ist da einer, der ein scheinbares Interesse daran hat, das Alte zu bewahren. Doch was hat der chinesische Investor wirklich mit all den Gebäuden vor, die er erst für teures Geld erwirbt, nur um sie dann doch als Lost Places enden zu lassen ? Jetzt will der Immotycoon auch noch das alte Schloss kaufen ....aber was hat der damit vor ? Othmar, früher King in seinem eigenen Club, kann und will nicht hinnehmen, dass Bad Regina zur Resterampe verkommt und so reckt er seine Gicht geplagten Glieder, um zu zu verhindern, dass auch das letzte "gute Stück" verhökert wird. Aber das Böse schläft nicht....


Als Vorlage für den vom rasenden Verfall geplagten Ort Bad Regina dient Bad Gastein, einst selbst mondäner Kurort in den Alpen. Dabei krankt der Ort mit all seinen Luxus- & Prachtbauten selbst und bedarf dringend einer Generalüberholung.

Schalko zeigt was passiert, wenn solvente Kunden, die den protzig-verschwenderischen Luxus lieben, ausbleiben und am Ende nur noch ein vergammelter löchriger Käse übrig bleibt, der keine Maus mehr hinter dem Ofen hervorlockt.

Mit einer unglaublich großen Portion Ironie, Sarkasmus und rassenideologischem Gedankengut (vor dem der Verlag gleich zu Beginn des Buches warnt) schickt der Autor seine Figuren ins Rennen, um beim Ausverkauf der Eitelkeiten die beste Position zu ergattern. Dabei überspannt der Autor ab und zu den Bogen einfach zu heftig, sodass eine groteske Persiflage auf Glanz und Glamour, Verfall und Urban Exploring entsteht. Die Protagonist:innen wirken steif und unbeholfen, sind eigenwillig und mitunter mehr als bizarr. Selbst Othmar, aus dessen Sicht die Story erzählt wird, wird ein Statist in seiner eigenen Geschichte.

Ich lese die Handlung, ohne ihr wirklich folgen zu können, denn sie wirkt hektisch, sprunghaft und zusammengestückelt. Ein Spannungsbogen fehlt, da viele Bagatellen und persönliche Eitelkeiten hochgekocht werden, ohne dass etwas Nennenswertes passiert.

Es fällt schwer, hier am Ball zu bleiben und dem Roman ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit zu zollen, da hier von allem zu viel vorhanden ist, aber im Grunde einfach zu wenig daraus gemacht wird. Für mich bleibt es ein Buch der Kuriositäten und Exzentriker, die alle ihren Auftritt im Rampenlicht erhalten, ohne dass sie einen blieben Eindruck hinterlassen.

Fans von Satire a la Jan Böhmermann werden dieses Buch lieben, ich bin leider kein Fan dieser Lektüre

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Veröffentlicht am 05.09.2022

Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können (Jaures)

Wo die Winterrose blüht
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Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, den Addie antritt, um den Kampf gegen den Krebs, an dem ihr Ersatzvater Charlie erkrankt ist, nicht zu verlieren. Sie legt ihre ganze Hoffnung in die Suche nach Verwandten, ...

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, den Addie antritt, um den Kampf gegen den Krebs, an dem ihr Ersatzvater Charlie erkrankt ist, nicht zu verlieren. Sie legt ihre ganze Hoffnung in die Suche nach Verwandten, die als Spender:in in Frage kommen könnten. Je mehr sie sucht, desto mehr taucht sie in die familiäre Vergangenheit ein, die ein großes Geheimnis verbirgt...


Melanie Dobson schreibt eindringlich und sehr aufwühlend von den Ereignissen während des Zweiten Weltkrieges. Die Schrecken des Holocaust sind allgegenwärtig und trotzdem gibt es Menschen, die sich von den falschen Idealen nicht leiten lassen, sondern an ihrem Glauben zu Gott festhalten und Gutes tun. Grace hat es sich zur Aufgabe gemacht, jüdische Kinder vor dem sicheren Tod zu retten und bringt sich auf nicht ungefährlichen Wegen über die französische Grenze.

Der Sprung in die Gegenwart zeigt einen ebenfalls unermüdlichen Einsatz - nämlich den von Addie, die alles dafür tut, um ihren geliebten Ersatzvater Charlie zu retten. Auch wenn Charlie sich über seine Vergangenheit beharrlich ausschweigt, kann er nicht verhindern, dass Addie weiter in Geheimnissen von einst wühlt, nur um in Erfahrung zu bringen, wie ein/e geeigenete/r Spender/in gefunden werden kann.

Beide Frauenfiguren eint, dass sie ihr Leben dem christlichen Glauben gewidmet haben und so Halt und Zuversicht in ihrer Zwiesprache mit Gott finden. Gerade bei Grace wird deutlich, wie viel Hoffnung sie aus dem Glauben schöpfen kann, während um sie herum die Welt in Stücke zerbricht. Dobson zeigt mit einer ungeahnten Eindringlichkeit, mit welcher Wucht der Krieg seine Wunden hinterlässt und dass diese Narben die Betroffenen ein Leben lang begleiten.

Addie ist eine starke Frau, deren Innerstes mit Dankbarkeit gefüllt ist und von dieser Dankbarkeit möchte sie ein Stück zurückgeben. Ihre unermüdliche Suche zeigt nicht nur, wie stark ihre Bindung zu ihrem Ziehavater ist, sondern auch, dass sie breit ist, steinige Wege zu gehen, um ihm zu helfen. Eine unglaublich innige Beziehung, die zwischen Addie und Charlie besteht und deren Band die Leser:innen deutlich spüren können.

Die beiden Zeitränge sind, jeder für sich betrachtet, sehr gut ausgearbeitet und mitreißend erzählt und doch ergeben sie nur zusammengenommen eine berührende und emotionale Geschichte, die von Glauben, Hoffnung und Vergebung erzählt. Mir persönlich gefällt der Blick in die Vergangenheit etwas besser, da ich mich mehr zu Grace, statt zu Addie, hingezogen fühle. Ich habe daher ihre Geschichte mit ein wenig mehr Interesse verfolgt, denn sie besitzt für ich mehr Tiefe.

Zusammengefasst ergibt sich hier ein sehr abwechslungsreiche Geschichte, die die Schmerzen der inneren Heilung fühlbar machen und zeigen, wie Menschen über sich hinauswachsen können, nur um anderen Hoffnung zu schenken und ihnen ein Weg zurück ins Licht zeigen.

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Vor der Vergangenheit kannst du nicht fliehen

Elbpakt
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Komisch ist sie schon, die Neumann, denkt sich Goldberg und wundert sich. Erst ruft sie an und meldet einen Einbruch und dann knallt sie ihnen einfach die Tür vor der Nase zu. Da stimmt doch was nicht...aber ...

Komisch ist sie schon, die Neumann, denkt sich Goldberg und wundert sich. Erst ruft sie an und meldet einen Einbruch und dann knallt sie ihnen einfach die Tür vor der Nase zu. Da stimmt doch was nicht...aber was ? Die Situation wird nicht besser, denn bereits am nächsten Tag steht Goldberg erneut vor einem Rätsel. Was hat das symbolische Grabkreuz im Park der Seniorenresidenz und der grausige Fund in der Grabbeigabe zu bedeuten ? Als Ursula Neumann verschwindet steht fest, dass es einen Zusammenhang zwischen ihr und dem Kreuz geben muss. Aber welchen ?


Es ist einfach der helle Wahnsinn, was Nicole Wollschläger mit Band sieben ihrer Elb-Reihe aufs Papier bringt. Makabere Funde, perfide Ideen und niederträchtige Menschen sind dieses Mal die Zutaten für einen Krimi, der es mehr als in sich hat.

Es sind wahrhaft echte Schockmomente und Gänsehautverursacher, die hier in Wort und Bild als sehr gut konstruiertem Plot überzeugen. Dabei muss Goldberg feststellen, dass hinter einer schönen Fassade ein grausamer Geist wohnt, der sich bis heute seiner Taten rühmt und keinerlei Einsicht zeigt.

Die Reise zurück in die Vergangenheit bringt so einiges an Tageslicht und zeigt, wie rücksichtslos und selbstsüchtig manche Menschen sind, nur um ihr Ziel zu erreichen. Dass dabei eine emotionale Abhängigkeit entsteht und kleine unschuldige Seelen gebrochen werden, nehmen sie billigend in Kauf.

Der Fall verbindet Gegenwart und Vergangenheit auf eine sehr emotionale Art und Weise und die Autorin bindet ihre Leserschaft regelrecht an den Seiten fest. Einmal angefangen zu lesen, gibt es kein Entrinnen mehr und es fühlt sich wirklich so an, als würde man die blutige Spur selbst verfolgen, die der Schlüssel zu einem grausamen Pakt ist.

Zwischendurch gibt es aber immer wieder kleine Szenen zum Schmunzeln und Aufatmen, sodass die Nerven kurz entspannen können, bevor sie wirklich zerreißen.

Bis zum Schluss bleibt im Verbogenen, was den Täter antreibt und es gelingt Wollschläger, die Schatten von einst erst mit den letzten Seiten auszulösen. Ein sehr gut durchdachtes Puzzlespiel, das die vielen Facetten von Gut und Böse hervorragend zur Geltung bringt und zum Miträtseln und Ermitteln anstiftet.

Absolute Leseempfehlung !

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Veröffentlicht am 04.09.2022

Ein außergewöhnliches Kinderbuch

Hanno und der Notfall
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Hanno hat die Nase gestrichen voll und findet nicht nur Mums, sondern die ganze Welt ungerecht. Ausgerechnet für Pien soll er sein Zimmer räumen, damit dieses komische Mädchen bei ihnen ein Zuhause auf ...

Hanno hat die Nase gestrichen voll und findet nicht nur Mums, sondern die ganze Welt ungerecht. Ausgerechnet für Pien soll er sein Zimmer räumen, damit dieses komische Mädchen bei ihnen ein Zuhause auf Zeit finden kann. Pah, die kann ja nicht mal Rad fahren, hat Zöpfe und Beine wie eine Spinne. Hannos Welt bricht zusammen, denn alles das, was ihm vertraut und lieb gewesen ist, muss er nun mit Pein teilen. Doch wer ist Pien wirklich ?


Hanno ist ein aufgeweckter Junge, der unglaublich viel Fantasie besitzt, denn aus alten, weggeworfenen Dingen wie Fahrradspeichen, Handbremsen oder Fahrradketten fertig er Eisentiere an und schafft so kleine Kunstwerke. Er fühlt sich wohl und in seiner Familie geborgen. Seine kleine heile Welt wird vollkommen auf den Kopf gestellt, als Pien vorübergehend bei ihnen einzieht und Hanno sieht sich mit Dingen konfrontiert, die ihn unsicher machen.

Annejan Mieras versteht es sehr gut, die Sorgen und Ängste von Hanno für ihre junge Leserschaft zugänglich zu machen. Auch zeigt sie, dass eine vermeintlich gute Freundschaft auf wackligen Stützen gebaut ist, wenn sie lediglich aus Vorurteilen und Abneigungen besteht. Es gelingt ihr, die Jungen und Mädchen auf Piens Seite zu ziehen, um ihnen ihre Geschichte zu erzählen, damit sie sich sowohl in Pien, als auch in Hanno hinein versetzen können. Es sind teilweise sehr schmerzhafte Erfahrungen, die die Figuren im Buch machen müssen, da sie von Einsamkeit und Ignoranz, Armut und fehlendem Vertrauen handeln und doch ist immer ein Fünkchen Hoffnung und Freude mit einhalten.

Die Gedichte am Ende eines jeden Kapitels ziehen sich wie ein roter Faden durch die Handlung und drücken die innere Zerrissenheit aus. Mit diesen Gedichten gelingt, was tagsüber nicht oder nur kaum in Worte zu fassen ist. Eine sehr beeindruckende Variante, um Kindern zu zeigen, was Fehlverhalten jeglicher Art bewirken kann.

Die Erzählung berührt und bewegt, lädt Kinder wie Erwachsene zum Nachdenken ein und übermittelt sehr feinfühlig die Botschaften, die nicht nur zwischen den Zeilen zu finden sind.

Sehr empfehlenswert !

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