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Veröffentlicht am 31.07.2022

Freundschaft gibt Halt in den stürmischen Zeiten des Lebens

Und wenn wir wieder tanzen
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Bisher ist die Welt von Marie auf ihre Tätigkeit im Hotel Atlantic und ihre spärliche Behausung in der Kleingartensiedlung beschränkt. Doch die Sturmflut reißt ihr auch noch das wenige Hab und Gut weg. ...

Bisher ist die Welt von Marie auf ihre Tätigkeit im Hotel Atlantic und ihre spärliche Behausung in der Kleingartensiedlung beschränkt. Doch die Sturmflut reißt ihr auch noch das wenige Hab und Gut weg. Marie steht vor dem Nichts und muss ganz von vorne beginnen. Bei Effi von Tieck findet sie Unterschlupf und die alte Dame gibt ihr so etwas wie Halt in dieser schwierigen Zeit. Aber auch Frau von Tieck hat einen herben Verlust zu beklagen und der besteht nicht nur darin, dass ihr Tanzlokal in der Speicherstadt ebenfalls ein Opfer der Flut geworden ist. Langsam nähern sich die beiden Frauen an und bauen nicht nur das Tanzlokal wieder auf...


"Und wenn wir wieder tanzen" ein ist ganz leiser Roman, der mit einfühlsamen Worte die große Sturmflut von Hamburg beschreibt. Die Bilder der Flutkatastrophe von Ahrtal sind noch in den Köpfen , legen sich über die historischen Bilder und lassen somit ältere und jüngere Leser:innen das ganze Ausmaß der Katastrophe von 1962 erleben.

Die Autorin erzählt auf zwei Zeitebenen und verknüpft zwei interessante Lebensgeschichten miteinander, die von Verlust, Trauer und echter Freundschaft erzählen. Marie ist eine unglaublich sympathische Figur, die als Zimmermädchen im Hotel Atlantic für ihren Unterhalt sorgt. Ihre Vorgesetzte hat schon ein wenig Haare auf den Zähnen und lässt Marie immer wieder spüren, dass sie möglichst unauffällig und unsichtbar zu sein hat. Mit fortschreitenden Kapiteln streift sich Marie aber diese grauen Tarnmantel ab und blüht auf - sie wird zu einer lebensfrohen, aufgeschlossenen jungen Frau, die beherzt anpackt und alles daran setzt, um Träume wahr werden zu lassen.

Mit Frieda haben ich gelitten, geweint und gehofft - ihr Martyrium ist fast unerträglich zu lesen und ich habe aufgeatmet, als sie endlich den entscheidenden Schritt geht. Unverständnis bringe ich hingegen für ihre Mutter auf, die noch einmal Salz in die Wunde streut. Aber so war eben damals die Denkweise und ich bin froh und dankbar, dass sich die Stellung der Frau in der der Gesellschaft nicht nur gewandelt hat, sondern dass es immer wieder Frauen gibt, die mutig genug sind, alte Zöpfe abzuschneiden und den ersten Schritt in eine selbstbestimmte Zukunft zu gehen.

Auf den ersten Blick sind die Zusammenhänge zwischen den beiden Frauen nicht erkennbar, aber die Schreibende verknüpft beide Schicksale geschickt miteinander, lässt die Leser:innen hinter die Kulissen blicken und an der Entwicklung ihrer Figuren teilhaben. Aus der zaghaften schrittweisen Annäherung entsteht eine wunderbare Frauenfreundschaft, die nicht nur Halt gibt, sondern auch Mut macht, um in den stürmischen Zeiten des Lebens gemeinsam den Weg zu gehen.

Das Tanzlokal spielt eine wichtige Rolle, wird entrümpelt und funkelt in neuem Glanz. Es wird zur strahlenden Mittelpunkt für beide Frauen und zieht die Aufmerksamkeit der Lesenden auf sich. Ein Ort voller Erinnerungen, die wehmütig und schmerzhaft sind, aber auch ein Ort voller Träume, Liebe und Hoffnung.

Der Roman zeigt viele unterschiedliche Facetten, verbindet historisch belegte Fakten mit den Ideen der Schreibenden und bietet gute Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 28.07.2022

Leider etwas langatmig

Kaiserstuhl
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Wenn die Liebe Einzug hält, prickelt es wie Champagner im Glas. So ist es auch , als sich Henny und Paul gegenüberstehen. Aber die Beziehung ist nicht für die Ewigkeit gemacht und genauso schnell, sie ...

Wenn die Liebe Einzug hält, prickelt es wie Champagner im Glas. So ist es auch , als sich Henny und Paul gegenüberstehen. Aber die Beziehung ist nicht für die Ewigkeit gemacht und genauso schnell, sie begonnen hat, zerbricht sie auch wieder. Jahre später stehen sich beide wieder gegenüber und die Spannung zwischen beiden ist sofort wieder vorhanden. Denn Paul sucht nach einer Flache Champagner, die Henny besitzt und die nicht nur als Symbol für die Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich steht, sondern auch das widerspiegelt, was zwischen dem einstigen Liebespaar an Gefühlen vorhanden war....


Der Klappentext verführt regelrecht, zu diesem Buch zu greifen und verspricht eine aufregende Geschichte, in der die Aufarbeitung von alten Wunden, geschichtsträchtigen Ereignissen und eine Menge Emotionen eine große Rolle spielen.

Nach "Bühlerhöhe" und "Rheinblick" ist dies nun mein drittes Buch von Brigitte Glaser, aber ich muss gestehen, dass sie mich dieses Mal nicht wirklich abholen und begeistern kann. Zwar malt sie mit einer unglaublich authentischen Kulissen wundervolle Landschaftsbilder und lässt den Blick immer wieder über die malerische Gegend bis hin zu den Vogesen schweifen, aber von einem schönen Teller wird man leider nicht satt.

Die kurzen Kapitel bewirken, dass sich die Leser;innen wie beim ständigen An- und Ausknipsen einer Leselampe fühlen, bei der mal mehr, mal weniger Licht auf die Seiten fällt. Die Geschichte wirkt dadurch abgehackt und der Lesefluss wird immer wieder unterbrochen.

Die Mischung der Themen finde ich zwar nach wie vor gut gelungen (Romanze, Vergangenheitsbewältigung, Selbstverwirklichung, Historisches), aber aufgrund ihrer Vielfalt tragen sie dazu bei, dass sich die Autorin in ihnen verliert und dadurch der Roman etwas langatmig wird.

Glaser versucht einen Spannungsbogen aufzubauen, der in Ansätzen gelungen ist, aber nicht konstant weiter verfolgt wird, sodass sich die Dramatik in Grenzen hält. Vieles wird angedeutet, jedoch behält sich die Schreibende vor, hier vage zu bleiben und bereits begonnene Gedanken nicht zu Ende zu denken und zu Papier zu bringen. Die Leser:innen hängen oftmals in der Luft und können/müssen sich ihren Teil denken.

Mir fehlt ein wenig Farbe und das Prickeln des Champagners, um hier bestimmte Momente zu unterstreichen bzw. hervorzuheben. Die Geschichte bleibt daher schlicht, ohne Schnörkel und in ihrer Einfachheit ohne großartige Überraschungen.

Nett zu lesen, aber leider nicht das, was ich erwartet habe.

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Veröffentlicht am 27.07.2022

Familienbande

Flüchtiges Glück
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Milla macht die schönste Erfahrung im Leben einer Frau und doch fühlt sich alles so vage und fremd an. Mit ihrer Schwangerschaft tauchen nämlich plötzlich Fragen auf, denen sie vorher nicht nachgegangen ...

Milla macht die schönste Erfahrung im Leben einer Frau und doch fühlt sich alles so vage und fremd an. Mit ihrer Schwangerschaft tauchen nämlich plötzlich Fragen auf, denen sie vorher nicht nachgegangen ist. Sie hat nie ihren Vater vermisst, aber ausgerechnet jetzt stellt ihr Freund Navid die Frage, ob es nicht vielleicht besser wäre, auch diesen dunklen Fleck in ihrer Vergangenheit zu klären. Aber mit dieser Frage stechen beide in ein Wespennest und lernen Teile von Lebensgeschichten kenne, die bisher im Verbogenen gelegen haben..


Ulla Mothes schreibt sehr einfühlsam über die Suche nach den eigenen Wurzeln und blättert dabei im Album der DDR-Geschichte, um ihren Leser;innen Zugang zu Thematiken zu gewähren, die bis heute in vielen Familien eher unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit verschwunden sind.

Stasi-Vergangenheit, Umweltzerstörung durch chemische Belastungen und Giftmüll und das Leben in der DDR werden in Rückblenden aufgearbeitet und Mothes gelingt es, ein sehr authentisches Bild zu zeichnen. Es ist nicht einfach nur ein bloßes Herunterleiern von Worten, sondern die Leser;innen spüren deutlich, dass die Autorin weiß wovon sie spricht. So tauchen die Lesenden tief ein in die vom Staat gelenkte Struktur und lernen das Leben hinter der Mauer kennen und verstehen. Es sind viele Feinheiten, die die Personen lebendig werden lassen und die die Lesenden an die Hand nehmen, um ihnen den Blick in die DDR-Geschichte zu ermöglichen.

Ich finde es erschreckend, wie einfach billigend in Kauf genommen worden ist, dass durch die achtlose Zerstörung der Umwelt durch chemische Abfälle schwerwiegende Erkrankungen und das frühzeitige Ableben der Bevölkerung quasi einkalkuliert wurde.

Bewundernswert ist jedoch das Zusammengehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühl, dass die Menschen und die Generationen in der DDR miteinander verbindet.

Aus dem Roman geht allerdings auch hervor, dass gewisse Schemata und "eingeimpfte" Denkweisen nicht einfach abzustreifen sind und es lange braucht, um aus den Köpfen zu verschwinden.

Einziger Wehrmutstropfen sind in diesem großartigen Roman allerdings Milla und Navid - ich empfinde beide eher als störend, denn Milla wirkt zu naiv und Navid zu aufdringlich. Auch wenn seine eigene Familiengeschichte eher tragisch ist, kann und darf er Milla doch nicht dazu drängen, ihren Wurzeln nachzuforschen und Dingen auf den Grund zu gehen. Ein Partner/eine Partnerin sollte doch eher den unterstützende Part in einer Beziehung übernehmen und nicht dominieren.

Die Autorin erschafft ein sehr spannendes, aufwühlendes Zeitdokument und verwebt die Suche nach dem eigenen Ich mit dem Aufdecken von Verrat, Schuld und Geheimnissen. Eine gelungene Mischung, die gut unterhält und sehr aufschlussreiche Einblicke ermöglicht.


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Veröffentlicht am 26.07.2022

Hinterlässt keine bleibenden Eindrücke – genau wie eine Schneeflocke

Snowflake
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Debbie wagt den großen Schritt aus ihrer ländlichen Umgebung heraus und tritt ein Studium in Dublin an. Aber schon gleich der erste Tag wird für sie zu einer Zerreißprobe und die Flucht zurück in den schützenden ...

Debbie wagt den großen Schritt aus ihrer ländlichen Umgebung heraus und tritt ein Studium in Dublin an. Aber schon gleich der erste Tag wird für sie zu einer Zerreißprobe und die Flucht zurück in den schützenden Kokon der heimischen Farm scheint der einzige Weg zu sein. Aber auch hier gibt es kein idyllisches Landleben, denn ihre Mutter will lieber Träume deuten und ihr Onkel spricht dem Alkohol mehr zu, als ihm gut tut. Debbie muss als den Schritt ins Erwachsenwerden allein gehen und sich der Frage stellen, was sie will…

Auf der Buchrückseite wird mit dem Zitat von Roddy Doyle geworben, dass dieses Buch verrückt und wunderbar sei und er immer wieder dachte, er habe begriffen was er lese und dass es dann doch ganz anders, besser gewesen sei.
Ich kann mich diesem Zitat leider in keinem einzigen Punkt anschließen und bin ehrlich gesagt mehr als enttäuscht von diesem Buch. Irgendwie sind alle Charaktere im Buch verkorkst und psychisch instabil, haben ihren Platz im Leben noch nicht gefunden und versuchen die Defizite mit unsicheren, teilweise provokanten Auftritten zu überspielen.
Debbie und ihre Mutter haben ein sehr widersprüchliches Verhältnis, da es den Anschein hat, dass sie nicht miteinander, aber auch nicht wirklich ohne die jeweils andere sein können. Es entsteht eine Bindung, die die Ansätze von emotionaler Abhängigkeit zeigt und trotzdem immer wieder leichte Risse zulässt. Es gelingt der Autorin leider zu keiner Zeit, klare Verhältnisse zu schaffen und die Leser;innen gefühlsmäßig aufzuklären und ihnen die Gedanken und Emotionen ihrer Protas zugänglich zu machen.
Die Darstellung des studentischen Umfeldes von Debbie gefällt mir nicht, denn hier bedient sich die Schreibende gängiger Schablonen, um den Campus mit Figuren zu bestücken, die den Lesenden schon allzu oft begegnet sind. Es gibt niemanden, der polarisiert und aus der breiten Masse herausragt.
Manchmal versucht Nealon, humorvolle Szenen zu konstruieren und wirkt dabei viel zu sehr bemüht und verkrampft, sodass hier leider Wortwitz oder Situationskomik Fehlanzeige sind. Dafür werden über weite Strecken die psychischen Belastungen und die melancholische Stimmung mehr als deutlich herausgearbeitet, sodass hier eine gedrückte negative Grundstimmung spürbar ist, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht.
Ich muss gestehen, dass ich irgendwann angefangen haben, nur noch quer zu lesen, da mir von Anfang an die Verbindung zu den Figuren und ihrer Geschichte komplett gefehlt hat, um mich in sie hineinfühlen zu können und mit ihnen gemeinsam den Weg zu gehen.
Der Titel des Romans ist für mich das einzig Zutreffende – Schneeflocke, denn er hinterlässt wie diese keinerlei bleibende Spuren und Eindrücke

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Veröffentlicht am 25.07.2022

Wäre dieses Buch doch verschlossen geblieben...

Das verschlossene Zimmer
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Während in Polen alle Vorzeichen darauf deuten, dass ein Krieg immer wahrscheinlicher wird, versucht Marie ein gut gehütetes Geheimnis zu lüften. Denn Marie hat einen blinden Fleck in ihrer Vita und weiß ...

Während in Polen alle Vorzeichen darauf deuten, dass ein Krieg immer wahrscheinlicher wird, versucht Marie ein gut gehütetes Geheimnis zu lüften. Denn Marie hat einen blinden Fleck in ihrer Vita und weiß nicht, wer ihre Mutter gewesen und warum sie so plötzlich von der Bildfläche verschwunden ist. Der Vater lässt alle Nachfragen von Marie an sich abprallen und das macht Marie nur noch neugieriger...

Rachel Givney möchte ihre Leser;inne mit einer geheimnisvollen und zeitgleich eindringlichen Geschichte überraschen und stößt dabei gleich zu Beginn selbige weit von sich. Denn so viele Diskrepanzen und wirre Szenen, wie in diesem Buch, habe ich selten lesen müssen.

Zum einen stellt sich mir die Frage, warum Marie ausgerechent knappe 15 Minuten vor der Heimkehr ihres Vaters in dessen Schlafzimmer einbrechen möchte, wenn sie vorher dafür doch ein komfortables Zeitfenster zur Verfügung hatte, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Auch trägt der geradezu dilettantische Versuch des Einbruchs dazu bei, dass Marie eher unbeholfen statt taff wirkt.

So ziehen sich die Irritationen komplett durch den Roman und verdrängen dabei die historischen Ereignisse, die von Marie auch einfach nicht wahrgenommen werden (wollen?). Das völkische Gedankengut breitet sich immer mehr aus und Marie lächelt stur und naiv einfach alles weg...sie verhält sich einfach unglaubwürdig und ihr Auftreten ist mir mehr als suspekt. Die Chemie zwischen ihr und mir stimmt einfach überhaupt nicht. Auch wenn ich ihr mehrmals eine Chance gegeben habe, finden wir keinen gemeinsamen Nenner, damit ich ihre Geschichte mit Neugier und Interesse verfolge.

Auch verliert die Autorin meiner Meinung nach die Handlung vollkommen aus den Augen - es soll eigentlich um das Aufdecken von Familiengeheimnissen gehen, aber Givney packt immer neue Themen (u.a medizinischer Fortschritt, Kriegstraumata, Antisemitismus) an, verfolgt sie aber nicht weiter und lässt lose Enden im Roman hängen.

Irgendwann ist einfach nur noch die Luft raus und die Seiten werden überflogen -schade eigentlich, denn in dieser Thematik steckt unglaublich viel Potenzial, um einen sehr guten Roman daraus zu stricken. So fällt das Fazit eher ernüchternd aus: wäre dieses Buch doch verschlossen geblieben...

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