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Veröffentlicht am 24.04.2022

Zwänge, Ängste und Neurosen erdrücken die Handlung

Schwarzlicht
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Ist hier wirklich nur ein Zaubertrick missglückt oder hat jemand eine gute Illusion dafür missbraucht, um das Opfer gefügig zu machen, um am Ende doch gnadenlos zuzustechen? Diese Frage muss sich Mina ...

Ist hier wirklich nur ein Zaubertrick missglückt oder hat jemand eine gute Illusion dafür missbraucht, um das Opfer gefügig zu machen, um am Ende doch gnadenlos zuzustechen? Diese Frage muss sich Mina Dabiri stellen, als sie die Ermittlung zu ihren neuen Fall aufnimmt. Sie kommt nicht weiter und sucht Hilfe und psychologische Unterstüzung bei Vincent Walder, der als Mentalist auftritt. Kann er die erhoffte Wendung im Fall bringen, weil er weiß, wie man Menschen liest und manipuliert?


Die ersten Seiten des Buches sind der Hammer - die klaustrophische Enge in der Box, Todesangst und die Erkenntnis, dass aus dieser Gefangenschaft kein Entkommen ist, lassen die Gänsehaut auf die Arme kriechen und die Finger kalt vor Anspannung werden. Wenn der Beginn schon so ein Knüller ist, wie wird dann der Rest der 600 Seiten?

Ernüchternde Feststellung nach wenigen Kapiteln - leider kann das Autoren-Duo sie Versprechungen der ersten Seiten nicht halten und stürzt die Leser,innen in tiefe Verzweiflung, weil die Spannung immer mehr abflaut und die Handlung von den Zwängen und Neurosen des Ermittler-Duos erdrückt werden.

Die Kombination aus einem Asperger-Autisten und einer Ermittlerin mit Mysophobie klingt außergewöhnlich und reizvoll. Aber aus den generalisierten Angststörungen und Ticks werden langsam aber sicher enervierende Eigenarten, die den Lesenden die Freude am Krimi nehmen und sie regelrecht weg ätzen.

Der Fall an und für sich ist gut erdacht und polarisiert, bietet er doch jede Menge visuelle und psychische Reize, die es zu entschlüsseln gilt. Aber von Magie zu sprechen, die die Lesenden gefangen nimmt und ihnen die Welt der paranormalen Phänomene zeigt, ist das Buch weit entfernt.Ich vermisse das Einfühlen in die Personen, das Lesen der Körpersprache und vor allen Dingen die "Gedankenkontrolle", die als Nebeneffekt bzw. Übersprunghandlung auf die Leser:innen übergehen sollte.

Was folgt ist eine mehr oder weniger routinierte Abhandlung von Ereignissen, die schon recht früh des Rätsels Lösung bereit hält. Wer ein bisschen Geschick und Kombinationsgabe besitzt, kommt recht schnell zum Erkennen der Zusammenhänge und "enttarnt" den Täter.

Die Figuren bleiben weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und vermitteln das Gefühl, mehr mit sich selbst als mit dem Fall beschäftigt zu sein. Psychologische Spielchen, Täuschungen und das Knacken eines Codes sind die Schlagwörter, die verlocken. Allerdings ist davon nicht viel im Buch vorhanden und die 600 Seiten sind eine recht zähe Lektüre.Leider eine herbe Enttäuschung und es ist fraglich, ob ich hier am Ball bleiben werde.

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Veröffentlicht am 24.04.2022

Selbst Engel weinen, Engel leiden, Engel fühlen sich mal alleine, sie verzweifeln wie jeder andere, fallen tief und haben Feinde. (Ben)

Die Engel von Berlin
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Martha steht 1931 mitten in Berlin und ist fasziniert von dieser pulsierenden Stadt - aufregend, neu und voller Überraschungen. Welche Erfahrungen wird dann das Pfadfinderinnenlager mit sich bringen, das ...

Martha steht 1931 mitten in Berlin und ist fasziniert von dieser pulsierenden Stadt - aufregend, neu und voller Überraschungen. Welche Erfahrungen wird dann das Pfadfinderinnenlager mit sich bringen, das sie zusammen mit Annegret in Grunewald leiten soll. Aus dem anfänglichen Beschnuppern entsteht schon bald eine echte Freundschaft und beide Frauen sehen sich den Problemen gegenüber gestellt, die die aktuelle politische Situation mit sich bringt. Während Annegret alles versucht, um jüdische Kinder vor der Deportation zu retten, muss Martha, wieder zurück in England, erfahren, wie sich die Denkweise der Engländer:innen gegenüber den Deutschen ändert. Erst nach dem Krieg treffen beide wieder zusammen und versuchen, das Geschehene zu verarbeiten und an alte Zeiten anzuknüpfen...


Gerade in der aufwühlenden und schicksalsträchtigen Zeit des Ukrainekrieges, hinterlässt eine so intensive Geschichte, wie sie Hanna Lucas hier erzählt, einen noch emotionaleren Eindruck.

Es gelingt der Schreibenden nämlich, nicht nur die schönen Bilder aus dem Pfadfinderinnenlager mit all ihren leuchtenden Farben und wundervollen Momenten für die Leser;innen erlebbar zu machen, sondern sie lässt die vergiftete Atmosphäre von Hass und Hetze ebenso aus den Seiten steigen und wie ein wildes Tier um sich schlagen.

Während Martha eine weltoffene Frau ist und mit beiden Beinen fest im Leben steht, ist Annegret zu Beginn noch etwas zurückhaltend und passt sehr gut in das Bild vom Heimchen am Herd. Doch schon bald verändert sich ihre Sichtweise und sie streift die Hausmütterchenrolle erfolgreich ab, kämpft für Recht und Gerechtigkeit und wirft sich schützend vor die jüdischen Kinder, wie eine Löwenmutter vor ihre Jungen.

Die Herrschaft des braunen Sumpfes und die Zeit des Zweiten Weltkrieges offenbart im Roman seine hässliche Fratze, macht vor Annegrets
Ehemann nicht Halt und bringt großes Unglück mit sich. Die Lesenden sind gefühlsmäßig in der Handlung fest verankert , kämpfen an der Seite von Annegret gegen das Unrecht, versuchen mit ihr zu Überleben und helfen Martha in England, alles für ein bisschen Gerechtigkeit zu tun.

Für die Leser,inne ist immer das tiefe Band der Freundschaft zu spüren, das Anngeret und Martha miteinander verbindet. Es spendet Hoffnung und Zuversicht, ist ein Licht in den dunklen Tagen und macht Mut, auch die widrigsten Schritte zu gehen. Es gelingt der Autorin, diese Wärme, die in dieser Verbundenheit steckt, an die Leser;innen abzugeben, damit sich sich in dieses kostbare Geschenk einfühlen können.

Bis zum Schluss sind die Seiten voller Emotionen, Überraschungen und ergreifender Momente, die sich einen Platz im Leser:innenherzen suchen und dort in Erinnerung bleiben.

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Veröffentlicht am 22.04.2022

Durchwachsener Auftakt mit Luft nach oben

Das Land, von dem wir träumen
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Nach dem Krieg ist alles anders - die Lebensumstände haben sich geändert, viele Verluste sind zu beklagen und Südtirol gehört nun zu Italien. Demzufolge ist die Amtssprache nicht mehr deutsch, sondern ...

Nach dem Krieg ist alles anders - die Lebensumstände haben sich geändert, viele Verluste sind zu beklagen und Südtirol gehört nun zu Italien. Demzufolge ist die Amtssprache nicht mehr deutsch, sondern italienisch und im Zuge dessen werden die Nachnamen auch angepasst. Franziska, die eigentlich als Lehrerin arbeiten möchte, bekommt ein Berufsverbot erteilt, da sie nicht italienisch spricht und kann sich mit der herrschenden Ungerechtigkeit nicht abfinden. Sie gründet eine geheime Schule, in der sie neben Deutsch auch Heimatkunde und Geschichte unterrichtet. Knecht Wilhelm steht ihr zu Seite, hegt er doch Gefühle für Franziska. Aber das ist längst noch nicht alles, denn in den Zeiten des Umbruchs scheinen Geheimnisse an der Tagesordnung zu sein...

Anna Thaler wählt einen wundervollen Landstrich zum Handlungsort für ihre neue Familiensaga und beschreibt die Gegend mit sehr bildhaften Worten. Die eindrucksvolle Bergkulisse steigt aus den Seiten auf und macht es den Leser:innen leicht, sich direkt vor Ort einzufinden.

Mit der Wahl ihrer Protagonist:innen bin ich allerdings nicht ganz so glücklich, denn gerade Franziska, die hier als Hauptfigur agiert, kann mich nicht wirklich von sich überzeugen. Sie wirkt sehr von sich eingenommen und drückt mit einer Vehemenz den Lesenden ihren Standpunkt auf, was sie verbissen und hartnäckig erscheinen lässt. Sicher hat sie auch ihre weichen, warmherzigen Seiten, aber diese rücken immer wieder in den Hintergrund, sodass ich es vorziehe, von Franziska Abstand zu nehmen.

Gerade was die Beziehung zu Wilhelm betrifft, wirkt vieles unglaubwürdig und gestellt. Die Bedenken von Franziska, sich mit dem Knecht ihres Vaters einzulassen lösen sich plötzlich in Luft auf und beide werden ein Paar . Welche Hintergründe und Ursachen haben Franziska zum Umdenken beweg ? Ist es tatsächlich Liebe ?

Auch bleibt vieles als loser Faden in der Luft hängen, ohne dass die Autorin ein wenig Ordnung und Struktur in die Erzählung hineinbringt. Das Wirken des Widerstandes und das Verteilen der Flugblätter taucht immer wieder mal am Rande auf, aber so richtig vertieft wird diese Thematik nicht. Dem politischen Hintergrund mit den schwelend heißen Themen, dem Aufkommen des Antisemitismus und den bereits spürbaren Folgen wird für mein Empfinden zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet.

Vielmehr erzählt die Schreibende eine Familiengeschichte, wie sie gerade aktuell "in" ist - junge Frau begehrt auf, stellt sich der Frage, ob ihr Lebensweg in alter Form weiter beschritten werden kann und stellt sich der historisch belegten politischen Situation.

Der zeitgeschichtliche Hintergrund bietet extrem viel Potenzial, um eine mitreißende, mehrteilige Familiensage daraus zu stricken. Mir brennen die Fragen unter den Nägeln, wie es sich anfühlt, wenn man der Traditionen beraubt wird, mit Verboten leben muss, die den Alltag harsch beschneiden und was das mit der eigenen Gefühls- & Gedankenwelt anstellt. Antworten finde ich leider nicht in diesem Buch, sodass der Auftakt eher durchwachsen ist und ich enttäuscht zurück bleibe.

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Veröffentlicht am 21.04.2022

Falsches Spiel

Tod im Olivenfass
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Che disastro - ausgerechnet ein gemeiner Taschendieb stiehlt mit dem ältesten Trick die Geldbörse von Sophia. So hat sie sich die Begrüßung in ihrer alten Heimat Salò am Gardasee nicht vorgestellt. Sie ...

Che disastro - ausgerechnet ein gemeiner Taschendieb stiehlt mit dem ältesten Trick die Geldbörse von Sophia. So hat sie sich die Begrüßung in ihrer alten Heimat Salò am Gardasee nicht vorgestellt. Sie bringt bei Commissario Andreotti das Ganz zur Anzeige und schlittert unbewusst in einen Fall, bei dem es auf ihr Fachwissen als Geigenbauerin ankommt. Denn zwei Tote, die ein Faible für historische Geigen haben, gehen auf das Konto eines vermeintlichen Täters, der Sophia nur allzu bekannt ist...

Renato Pozzi weckt mit den wundervollen Landschafts- und Ortsbeschreibungen die Sehnsucht nach einer Auszeit am Gardasee und lenkt die Gedanken seiner Leser:innen geschickt an dessen Ufer.

Mit Geigenbauerin Sophia und Commissario Andreotti ist ihm ein sehr außergewöhnliches Ermittlerduo gelungen, das unterschiedlicher nicht sein könnte und trotzdem sehr harmonisch zusammenarbeitet. Zugegeben, die Ermittlungsmethoden sind mehr als unkonventionell und ab und an mit einer großen Portion Augenzwinkern versehen, aber genau diese laxe Art bringt frischen Wind in die Krimi-Landschaft. Es geht nicht bierernst und verbissen zu , sondern die italienische Lebensart und ein gewisses Flair sorgen dafür, dass eine Wohlfühlatmosphäre entsteht, die immer wieder durch spannende Momente und unvorhergesehen Ereignisse unterbrochen wird. Somit ist der Krimi in der Sparte Cosy-Crime beheimatet, was auch sehr gut zu ihm passt.

Zwar führt der Titel ein wenig in die Irre, denn Oliven spielen eher eine untergeordnete Rolle. Vielmehr erfahren die Lesenden unglaublich viel aus der beruflichen Sparte des Geigenbaus und lernen nicht nur die musikalischen, sondern auch fachlichen Vorzüge dieses Musikintruments kennen. Hier scheint sich der Autor bestens auszukennen, denn ein solch fundiertes Fachwissen zeugt nicht nur von akribischer Recherche. Es muss also eine persönliche Verbindung zum Beruf Geigenbauer:in oder Violinist:in vorhanden sein, um derart in die Tiefe zu gehen und den Leser:innen die Thematik schmackhaft zu machen.

Die Charaktere sind hervorragend gewählt, um in der wunderschöne Kulisse zu agieren. Andreotti frönt eher dem Dolce far niente, während Sophia schon ein wenig mehr Biss zeigt und den den Dingen auf den Grund geht. Sie ergänzen sich perfekt und es macht Spaß, mit ihnen gemeinsam zu ermitteln, durch die Gassen und Gässchen zu streifen und die Puzzleteile zusammenzufügen.

Der erste Fall des ungleichen Ermittlerduos ist ein guter Start in diese Krimi-Reihe, dies sich hervorragend als Urlaubslektüre am Seeufer eignet - am besten mit einem Aperol Spritz und einer Portion Bigoli con le Sarde auf einer sonnigen Terrasse mit Blick auf den See genießen.

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Veröffentlicht am 20.04.2022

Wer bin ich wirklich ?

Für immer deine Tochter
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Paula ist gerade dabei, klar Schiff zu machen, denn das Elternhaus soll nach dem Tod ihrer Mutter verkauft werden. Ihr Vater ist auch gesundheitlich nicht mehr ganz auf der Höhe und da scheint die Entscheidung, ...

Paula ist gerade dabei, klar Schiff zu machen, denn das Elternhaus soll nach dem Tod ihrer Mutter verkauft werden. Ihr Vater ist auch gesundheitlich nicht mehr ganz auf der Höhe und da scheint die Entscheidung, alles aufzulösen, genau die richtige zu sein. Doch als Paula in der Küchenschublade das Tagebuch ihrer Mutter findet, verändert sich ihr ganzer Lebenslauf...


Hera Lind hat erneut einen berührenden Schicksalsroman geschrieben, der von den dunkelsten Tagen der deutschen Vergangenheit erzählt und in unglaublich realen Bildern die schrecklichen Szenarien wieder heraufbeschwört, die eine ganze Generation mit sich getragen hat, ohne jemals darüber ein Wort zu verlieren. Doch bevor diese Stimmen für immer verstummen, da die Zeitzeug:innen leider nach und nach sterben, nimmt die Autorin die Gelegenheit wahr und leiht zwei starken Frauen ihre Stimme, die stellvertretend für all die Frauen stehen, die in den wirren der letzten Kriegstage unendliches Leid ertragen mussten. Geschändet, gedemütigt und dem Tode näher als dem Leben, opfern sie sich auf und schultern eine Bürde, die sie ein Leben lang nicht mehr los werden.

Mit Anna und Karl lernen die Leser:innen zwei unglaublich sympathische Menschen kennen, die ihre Geschichte nicht nur erzählen, sondern denen es durch die geschickte Federführung von Hera Lind gelingt, ihre Gefühls- & Gedankenwelt direkt vor den Leser;innen auszubreiten. Die Landschaft Pommerns steigt aus den Seiten, die Einschläge der Bomben dröhnen im Ohr und die Schreie der unschuldigen Opfer gehen ins Herz und hinterlassen dort Spuren.

Die Flucht aus Pommern mit einem klein Baby wird plötzlich Realität und die Bilder gleichen denen des aktuellen Tagesgeschehen, da Flucht und Vertreibung seit Beginn des unsinnigen Ukrainekrieges wieder allzu präsent sind. Umso deutlicher stehen die Szenen vor dem geistigen Auge und dringen in die Leser:innen ein, was dieses Buch zu einer hoch emotionalen Lektüre werden lässt.

Die Kriegswirren verlangen Anna und Karl einiges ab, sodass hier ständig ein Hoffen und Bangen wie eine nie enden wollende Welle aus den Seiten schwappt. Es gelingt Hera Lind, die Leser:innen mit in die Handlung zu ziehen, sodass sie alles hautnah miterleben. "Des Menschen grausamster Feind ist der Mensch" - dieses Zitat von Johann Gottlieb Fichte begleitet mich durch die gesamte Handlung des Romans, den ich bestürzt, fassungslos und mit Tränen in den Augen lese. Es gibt aber auch warme, herzliche Momente, die ein innerliches Aufatmen möglich machen und in den sich ungehindert Freude ausbreitet.

Paulas Suche nach Antworten, nach dem eigenen Ich und ihren Wurzeln ist ein berührender, emotionaler Roman, der zwei Schicksale miteinander vereint, der Spuren hinterlässt und lange in Erinnerung bleibt.

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