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Veröffentlicht am 05.11.2021

Oftmals reicht ein einzelner Mensch, um die Welt zum Leuchten zu bringen

Die Stunde zwischen Nacht und Morgen
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Das kann es doch noch nicht gewesen sein- ein fest vorgezeichneter Lebensweg mit einer Heirat, die nicht aus Liebe, sondern aus Pflichtgefühl geschlossen wird. Da muss es doch auch noch etwas anders geben, ...

Das kann es doch noch nicht gewesen sein- ein fest vorgezeichneter Lebensweg mit einer Heirat, die nicht aus Liebe, sondern aus Pflichtgefühl geschlossen wird. Da muss es doch auch noch etwas anders geben, um wirklich richtig glücklich zu werden. Diese Gedanken gehen Eli, einer jungen Schweizerin, durch den Kopf, als sie fluchtartig das behütete Elternhaus verlässt und als Mitglied einer Hilfsorganisation nach Köln geht, um dort im Nachkriegsjahr 1946 die Not leidende Bevölkerung zu versorgen. Zwischen Trümmern und Elend steht sie plötzlich einem verhärmt aussehenden ehemaligen Soldaten gegenüber, der ihr auf der einen Seite unheimlich und abweisend erscheint und auf der anderen Seite rührt es an Elis Herz, wie sich Helmut um seinen kleinen Bruder Mattes kümmert...

"Die Stunde zwischen Nacht und Morgen" lässt mit aller Deutlichkeit die verheerende Situation im Hungerwinter 1946 wieder lebendig werden und katapultiert die Leser:innen direkt in das zerbombte Köln, wo zwischen pechschwarzen Häusergerippen, Bombentrichtern und Trümmern Eli Gutes tut.

Die Handlung rund um das Schweizer Dorf in Köln ist von der Schreibenden mit eindringlichen Worten, aber auch mit sehr plastischen Bildern beschrieben. Man sieht die Baracken in der Nähe des Westbahnhofs regelrecht aus den Seiten steigen und wird so zum Zeitzeugen. Aus den Helfer:innen werden ganz schnell regelrechte Engel, denn mit ihrer menschlichen Zuwendung und den kleinen Köstlichkeiten wie Ovomaltine und Schokolade sind sie echte Lichtblicke in dieser schwierigen Zeit.

Mittendrin Eli, die das Herz auf dem rechten Fleck hat - eine junge Frau, die schnell zur Freundin wird und mit der man sich gemeinsam um die Not Leidenden kümmert. Ihre Geschichte ist für die Leser:innen so erzählt, als würde man mit ihr verschmelzen und so ein Teil von ihr werden.

Deutlich ist zu spüren, wie sich Eli von der Tochter aus gutem Hause zu einer jungen Frau entwickelt, die weiß was sie möchte und die mit beiden Beinen fest im Leben steht. Es macht Spaß, diese Veränderungen zu sehen, mitzuerleben und Eli auf ihrem Weg zu begleiten.

Kriegsheimkehrer Helmut hat es erst noch schwer, sich an die neue Freiheit zu gewöhnen, aber auch er geht seinen Weg, kümmert ich liebevoll um seinen kleinen Bruder Mattes und kann so nach und nach die schmerzhaften Erinnerungen verarbeiten. Er gesteht sich sogar wieder ein, Träume haben zu dürfen.

Der Roman ist mit leisen Worten erzählt und bietet ein sehr genaues Bild vom Durchhaltewillen der notleidenden Bevölkerung, ermöglicht aber auch, dass sich das kleine Pflänzchen Liebe in den Trümmern einnisten kann und dort aufgeht. Eine Romanze, die auch bei den Leser:innen für Herzklopfen sorgt und bei der man die Zerrissenheit und die Hoffnung nachfühlen kann.

Das Buch berührt, besticht durch akribische Recherche und überzeugt mit warmherzigen Figuren, die die Leser:innen an die Hand nehmen, um ihnen ihre Vergangenheit zeigen zu können.

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Veröffentlicht am 04.11.2021

Zwischen Heimatfilm und Schweigen brodelt es gewaltig

Sie waren nie weg
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Auch 6 Jahre nach Kriegsende sind noch längst nicht alle Trümmer weggeräumt. Die sichtbaren, als auch die, die für immer Spuren hinterlassen werden. Doch Deutschland hat sich berappelt, ist im Wiederaufbau, ...

Auch 6 Jahre nach Kriegsende sind noch längst nicht alle Trümmer weggeräumt. Die sichtbaren, als auch die, die für immer Spuren hinterlassen werden. Doch Deutschland hat sich berappelt, ist im Wiederaufbau, das Wirtschaftswunder beginnt so langsam seinen Arme auszustrecken und das Nachkriegsdeutschland zu verändern. Und trotzdem bleibt da ein dunkler Schleier, denn die Nazis kriechen wieder aus ihren Verstecken und übernehmen gut dotierte Posten in Parteien, Parlamenten und Presse. Wie fühlt sich eine Jugend an, in der man erkennen muss, dass der eigene Vater nicht doch so unbescholten ist, wie man vermutet hat. Ludwig wird nämlich mit der Vergangenheit konfrontiert und weiß, dass er hier nicht wegsehen darf...

Paul Kohl, Jahrgang 1937, hat selbst die schreckliche Zeit des Krieges und den wirtschaftlichen Umschwung in den 50er Jahren miterlebt und kann daher eigene Erlebnisse mit einer fiktiven Handlung brillant verweben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn es ist nicht nur ein Spiegel der damaligen Zeit, sondern auch eine Art Verarbeitung der eigenen Erinnerungen..

Mit sehr eindrucksvollen Worten und einer sehr plastischen Beschreibung der Szenen entsteht so ein gelungenes Bild der vorherrschenden Normen und Gepflogenheiten (formvollendeter Handkuss, Tragen von Trauerkleidung, das "richtige" Grüßen"), der moralischen Gesinnung und der täglichen Entwicklung des Umschwungs.

Mittendrin Ludwig - ein Junge, der auf schmerzliche Art und Weise erkennen muss, dass sein Vater nicht der ist, für den er ihn gehalten hat. Einer von denen, die mitgemacht haben, die dafür verantwortlich sind, was geschehen ist. Gemeinsam mit ihm und Luise, eine Überlende des Holocaust, finden sich die Leser:innen vor Ort wieder, erleben die Zerrissenheit, die zwischen Heimatfilmen und Schlagerwelt ( das Traumpaar der Nachkriegszeit Sonja Ziemann und Rudolf Prack in "Schwarzwaldmädel" und "Grün ist die Heide", Conny Froboess trällert "Pack die Badehose ein", das Hazy- Osterwald-Sextett spielt die Titelmelodie "Krimialtango" zum gleichnamigen Film mit Peter Alexander, Vivi Bach und Susi Nicoletti) und den aufregenden Spielen der Fußballweltmeisterschaft 1954 herrscht.

Die Figuren sind authentisch und können mit ihren Handlungen und vor allen Dingen mit ihren Charakterzügen überzeugen. Die Bemühungen der Alt-Nazis, im Hier und Jetzt wieder Fuß zu fassen, ihre Weltanschauung weiterhin der Bevölkerung aufs Auge zu drücken und das Deckmäntelchen des Schweigens über alles auszubreiten, sind sehr eindringlich beschrieben und zeigen die verstörende Wahrheit auf.

Der Roman ist sehr gut recherchiert, trägt eine sehr persönliche Handschrift und ist aktueller denn je. Denn wer sich das politische Zeitgeschehen anschaut, geht mit dem Buchtitel konform - "Sie waren nie weg".

Ein empfehlenswertes Buch, das sehr anschaulich zusammenfasst, was damals bewegt hat und heute immer noch für Aufruhr sorgt.

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Veröffentlicht am 03.11.2021

Dreck am Stecken

Kehrwoche
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Die Zeit vor Weihnachten wäre doch eine gute Gelegenheit, endlich einmal etwas kürzer zu treten. Kommissar Brander sieht sich schon genüsslich einen guten Whisky trinken, als sein Vorhaben platzt wie eine ...

Die Zeit vor Weihnachten wäre doch eine gute Gelegenheit, endlich einmal etwas kürzer zu treten. Kommissar Brander sieht sich schon genüsslich einen guten Whisky trinken, als sein Vorhaben platzt wie eine Seifenblase. Der nächste Fall klopft nämlich an die Tür und dieses Mal trifft es ihn persönlich - die leibliche Mutter seiner Adoptivtochter Nathalie ist im Neckar ertrunken und das wirft Fragen auf. Steckt wirklich Nathalie dahinter ? Als eine zweite weibliche Leiche gefunden wird und die Ermittlungen weiter fortschreiten, findet sich Brander in einem Geflecht aus Lügen wieder....

Sybille Baecker lässt Andreas Brander in dem wohl für ihn persönlichsten Fall ermitteln und zeigt in "Kehrwoche", wie schnell manch eine:r mit Vorurteilen sein kann, wenn die Vorgeschichte negativ behaftet ist.

Die Leser:innen fühlen sich ebenfalls persönlich stark eingebunden, denn der Fall geht doch sehr nahe. Was Baecker ebenfalls gut kann - Vorurteile schüren, Hinweise geben, die das Offensichtliche noch offensichtlicher machen und somit geschickt vom echten Täter ablenken.

Dieken ist mir von Anfang an unsympathisch. Wie er mit aller Macht versucht, seinen eigenen Dreck unter den Teppich zu kehren und dabei seine Mitarbeitenden mit in den Fall hineinzieht, indem er sie zum Lügen anstiftet- das geht gar nicht. Aber Brander lässt nicht locker, fragt und bohrt nach, bis er ihn endlich da hat, wo er ihn haben will.

Die Handlung baut sich logisch auf und ist für die Leser:innen nachvollziehbar. Es ist durchweg spannend zu lesen, wie hier in einem Geflecht aus Lügen, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit die kleinen Puzzleteilchen zur Lösung des Falles verteilt sind, die zur Ergreifung des Täters beitragen. Die Autorin animiert ihre Leser:innen somit zu eigener Ermittlungsarbeit und es macht Spaß, die Mosaiksteinchen so lange hin und her zu schieben, bis ein stimmiges Bild entsteht und der Fall gelöst ist.

Auch scheut sich Baecker nicht, einige brisante Themen anzusprechen und diese in die normalerweise glitzernd bunte Weihnachtszeit zu packen. Sorgen und Nöte lassen sich eben doch nicht von Lichterketten, Deko und ein paar Plätzchen auf dem Teller vertreiben - ein gelungener Spagat, der auch mal den Blick hinter die Türen ermöglicht und so das ein oder andere Schicksal offenbart.

Die Figuren wie Brander, Becks und Nathalie haben sich enorm weiterentwickelt und Baecker gelingt es, ihre Leser:innen immer wieder an den kleinen Veränderungen teilhaben zu lassen. Die Handlungen und Charakterzüge der Personen im aktuellen Fall sind gut durchdacht, vielschichtig angelegt und können durch die Bank weg überzeugen.

Brander darf zum Ende hin noch einmal sein ganzes Können als Polizist zeigen und ich muss ehrlich gestehen, dass mir die Szenen auf dem Parkdeck unter die Haut gehen. Es fröstelt mich, wenn ich mit ihm dort oben stehe und versuche, das Schlimmste abzuwenden.

Ein sehr interessanter Krimi um krumme Dinger im Ländle, viel Dreck am Stecken und dem Versuch, gewisse Dinge einfach unter den Teppich zu kehren. Aber erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt.

Sehr empfehlenswert !

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Veröffentlicht am 02.11.2021

Subtile Boshaftigkeit und nichts für zarte Gemüter

Mit mir die Nacht
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Madonna hat die Hölle hinter sich gelassen und doch ist sie gefangen in den Erinnerungen ihres Martyriums. Wie ein Mantra kreist Ruf nach Rache in ihren Gedanken, denn nur so kann sie Ruhe. Aber alles, ...

Madonna hat die Hölle hinter sich gelassen und doch ist sie gefangen in den Erinnerungen ihres Martyriums. Wie ein Mantra kreist Ruf nach Rache in ihren Gedanken, denn nur so kann sie Ruhe. Aber alles, was sie versucht, scheint ins Leere zu laufen. Erst als Jaxx ihren Weg kreuzt, eröffnen sich Möglichkeiten...

Michaela Kastel vollendet mit "Mit mir die Nacht", was sie in "Ich bin der Sturm" begonnen hat und liefert ihren Leser:innen einen ausgefeilten Plot mit viel Konfliktstoff. Missbrauch, Prostitution, Mord und Verstümmelungen sind nichts für schwache Nerven und hinterlassen eine blutige Spur der Machtdemonstrationen, die in schonungslosen Bildern auf die Leser:innen einprasseln.

Wer den ersten Teil nicht gelesen hat, braucht ein paar Seiten, um sich zurecht zu finden, aber es ist auch für "Neulinge" möglich, diesen absolut bösen und spannenden Thriller zu lesen, ohne dass großartige Logiklücken zu verzeichnen sind.

Die Figuren sind eine Mischung aus subtiler Boshaftigkeit (Vendetta), Teufel mit Engelsflügeln (Jaxx) und geschundenen Seelen (Madonna, Flora) , die sich in einem düsteren Szenario bewegen. Die Gewaltspirale kennt keine Grenzen, die Handlung ist verstörend, provokant und trotzdem jederzeit spannend, sodass man einfach nicht anders kann, als Seite um Seite dem Ruf nach Rache zu folgen. Manchmal ist es mir aber einfach etwas zu viel des Bösen und ich fühle mich regelrecht erschlagen von der Brutalität, die hier tonangebend ist.

Die Brut des Bösen wird hier personifiziert und treibt ihr Unwesen. An Madonnas Seite erleben die Leser:innen, wie sich durchschlägt, um dem Ganzen ein Ende zu setzen.

Der Sprachjargon ist mitunter sehr gewöhnungsbedürftig, passt aber zu den polarisierenden Akteuren, die eher nicht zur feinen Gesellschaft gehören und mit aller Macht im Buch demonstrieren, zu welchen erlebbarem Horror sie fähig sind.

Das Buch ist ein gelungener Abschluss, überzeugt mit raffiniert gesponnenen Abläufen und Nervenkitzel auf so gut wie jeder Seite.


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Veröffentlicht am 01.11.2021

Niemals geht man so ganz...(Trude Herr)

Melaten
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Melaten - dieser Friedhof steht wie kein anderer für Stadtgeschichte, bemerkenswerte Grabmale und bekannte Namen aus Politik, Film, Karneval und Fernsehen.

Die außergewöhnliche Grünanlage lädt nicht nur ...

Melaten - dieser Friedhof steht wie kein anderer für Stadtgeschichte, bemerkenswerte Grabmale und bekannte Namen aus Politik, Film, Karneval und Fernsehen.

Die außergewöhnliche Grünanlage lädt nicht nur Trauernde ein, zu verweilen und ihrer Toten zu Gedenken, sie ist auch immer wieder Anziehungspunkt für Besucher, die die bemerkenswerten Skulpturen, Stelen und ganz individuell gestalteten Gräber betrachten möchten.

So interessant und informativ das Buch auch gestaltet ist, kann es leider nicht wirklich überzeugen. Als Orientierungshilfe von ortsfremden Personen ist es nur bedingt geeignet, da sich die Übersichtskarten als zu klein und wenig hilfreich herausstellen.

Auch finden sich relativ wenige, qualitativ nicht ganz so gut gelungene Fotos im Buch. Gerade der Hinweis auf besondere Merkmale dieser oder jener Grabstätte erfolgt oft nur textlich, sodass hier die Vorstellungskraft der Leser:innen gefragt ist, um sich die beschriebenen Details vor Augen führen zu können. So zum Beispiel das Grab von Manfred Hövel , Plan E 30, das für den Autor "eines der schönsten modernen Gräber auf Melaten ist" - hier fehlt ein aussagekräftiges Foto, das diese Bemerkung unterstützt.

Der Autor widmet den Beschreibungen der vorhandenen Grabstellen unterschiedlich viel Aufmerksamkeit - es gibt kurze, knappe Sätze (Schlichtes Wandgrab mit zwei seitlichen Bänken zum Ausruhen und Gedenken, Eine Halbedelsteindruse schmückt diesen schlichten Stein) und sehr detaillierte Schilderungen, die von halbseitig bis mehrseitig reichen.

Allerdings ist das im Anhang aufgeführte Personenverzeichnis übersichtlich gestaltet, um hier einmal schnell nachschlagen zu können und nachzuschauen, welcher bekannte oder weniger prominente Name in welchem Planquadrat zu finden ist.

Die ausgesprochene Einladung, den bekanntesten Friedhof Kölns zu besuchen ist herzlich und gut gemeint, die Umsetzung ist aber nicht ganz so gut gelungen.

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