Ich brauch frische Luft, damit ich wieder bisschen atmen kann... (Wincent Weiss)
Die InselhebammeFür Nela ist es das Schönste auf der Welt, als Hebamme zu arbeiten und den kleinen Erdenbürgern beim Start ins Leben zu helfen. Aber im Krankenhaus geht immer mehr das Menschliche verloren und ihr macht ...
Für Nela ist es das Schönste auf der Welt, als Hebamme zu arbeiten und den kleinen Erdenbürgern beim Start ins Leben zu helfen. Aber im Krankenhaus geht immer mehr das Menschliche verloren und ihr macht das Gefangen sein im Hamster-Rad zwischen Zeitdruck und Effizienz immer mehr zu schaffen, ebenso wie die Trennung von ihrem Ex. Es ist Zeit, an der Reißleine zu ziehen und das Leben zu überdenken. Und wo geht das besser, als Zuhause auf Norderney ? Aber auf der Insel in der Nordsee hat sich einiges getan und so sieht sich Nela vor Entscheidungen gestellt, die von ihr mehr als Mut und Zuversicht erfordern...
Emma Jacobsen lässt mit ihrem Roman eine ordentliche Portion Nordseezauber und Inselfeeling in das heimische Wohnzimmer einziehen, denn die landschaftlichen Beschreibungen von Norderney sind wirklich kleine Auszeiten im imaginären Strandkorb, die man als Leser erleben darf.
Aber mit dem Verlauf der Geschichte bin ich nicht ganz so glücklich, denn trotz sympathischer Titelfigur fehlt mir hier Einiges, um wirklich von einem echten Schmöker zu sprechen. Zwar kann ich mit Nela den Weg aus der Tretmühle des stressigen Alltags gemeinsam gehen, aber sie wirkt mir immer noch ein bisschen unausgereift und in ihren Entscheidungen unsicher. Es bedarf mehr als einmal des berühmten Tritts in den Hintern, damit sie in die Puschen kommt und ihren Traum verwirklicht.
Was mir gar bitter aufstößt ist die Tatsache, dass Nelas Eltern sich einfach so sang- & klanglos aus dem Staub machen und Omama Alma mehr oder weniger allein auf der Insel zurücklassen. Die alte Dame hat nicht nur eine beginnende Demenz, sondern ein echtes Alkoholproblem, für das sich keiner zu interessieren scheint (täglich backt sie Kuchen, der mit ordentlich Rum oder Eierlikör als Topping verzehrt wird, in jede Tasse Tee gehört ein kräftiger Schluck Rum). Sind denn alle blind und taub oder verschließen wirklich nur geschickt die Augen ?
Was mir hingegen sehr gut gefällt ist der kritische Umgang mit der Scheinwelt in den sozialen Medien, deren Opfer Tini wird - solange man möglichst ausgefallene Storys mit noch außergöhlicheren Fotos auf Insta postet und somit die breite Masse bedeent , ist alles in Ordnung. Aber ein Fehltritt und schon bist du im Reißwolf der Hetzer und wirst, dank der Anonymität im Netz, mit einem Shitstorm regelrecht in der Luft zerrissen. Es ist eben doch mehr Schein als sein- Tini merkt, dass sie keine echten Freunde hat und fällt in ein tiefes Loch.
Das eigentliche Thema des Buches, nämlich dass Nela sich dazu entscheidet, wieder zurück nach Norderney zu gehen und dort als Hebamme glücklich zu werden, gerät aufgrund der Fülle der Nebenhandlungen eher in den Hintergrund und kommt erst auf den letzten 50 Seiten zum Zug. Die Entwicklung zu dieser Entscheidung läuft eher im Hintergrund ab und wird dann als Happy End präsentiert. Hier hätte ich mir gewünscht, dass ich als Leser mehr mit in die Gefühle und Gedanken von Nela einbezogen werden, um an ihren Entscheidung teilhaben zu können..
Das Buch liest sich schnell von der Hand weg, bleibt aber leider hinter meinen Erwartungen zurück.