Imposante Kulisse, aber der Geschichte fehlt das gewisse Etwas
Die DünenvillaDer deutsche Arzt Friedrich Böhm hat einen Traum – an den langen Sandstränden von Martha’s Vineyard soll ein Sanatorium entstehen. Doch Böhms Kinder teilen seine Visionen nur bedingt. Sohn Thomas soll ...
Der deutsche Arzt Friedrich Böhm hat einen Traum – an den langen Sandstränden von Martha’s Vineyard soll ein Sanatorium entstehen. Doch Böhms Kinder teilen seine Visionen nur bedingt. Sohn Thomas soll laut Vaters Wunsch mit in das Sanatorium einsteigen, doch dessen Herz schlägt eher für die Psychologie. Tochter Julia ist der Wildfang der Familie und nur schwer zu bändigen. Ganz anders ihre Zwillingsschwester Sophia, die aufgrund einer Kinderlähmung in sich gekehrt und sehr zurückhaltend ist. Als Sophia ihr Herz an den Naturforscher Scott verliert, bremst sie sich erst aus und kämpft gegen ihre Gefühle an. Sie braucht erneut allen Mut, um wieder Fuß zu fassen…
„Die Dünenvilla“ wird vor der imposanten Kulisse der amerikanischen Ostküste erzählt und lässt das Amerika Ende des 19. Jahrhunderts wieder lebendig werden. Konventionen, Wilder Westen, interessante Erfindungen - all das lässt Nicole Winter in bunten Farben und bildhaften Schilderungen wieder lebendig werden und entführt so in die aufregende Zeit, als an diesem traumhaften Fleckchen Erde alles in Aufbruchsstimmung ist.
Jedoch gelingt es Nicole Winter nicht wirklich, diese flirrende Stimmung und die Neugier über das ganze Buch aufrecht zu halten.
Zum einen ist da Julia, die mit ihrer quirligen, weltoffenen Art den Leser fast vom Stuhl reißt, weil sie vor Eifer und Neugier fast überzuschäumen droht. Was sie an Energie zu viel hat, besitzt Sophia eindeutig zu wenig. Unterschiedlicher in ihrem Wesen könnten Zwillinge nicht sein.
Während Julia das Leben mit offenen Armen empfängt und in vollen Zügen genießt, bremst sich Sophia immer wieder selbst aus, versinkt in Selbstmitleid und nimmt ihre Behinderung als willkommene Ausrede.
Auf Dauer ist dies sehr ermüdend zu lesen und ich möchte mehr als einmal Sophia an den Schultern packen, kräftig durchschütteln und ihr den Kopf zurechtrücken.
Die Geschichte verliert sich im Mittelteil des öfteren in vielen Wiederholungen bereists gelesener Szenen, auch wenn sie immer wieder anders ausgestaltet sind. Eine Straffung hätte hier gut getan, um so den Leser bei der Stange zu halten.
Die Neugier auf die Fahrt mit dem Heißluftballon steht Sophie zwar auf der Nasenspitze, aber mir sind die Szene viel zu sehr mit angezogener Handbremse geschildert. Von Pioniergeist, Aufregung und Abenteuerlust spüre ich hier leider viel zu wenig.
Die Suche nach der großen Liebe, egal ob sie Thomas oder seine Schwestern betrifft, ist eher sehr verhalten geschildert und der Werdegang der Geschwister wird mir zu nüchtern wiedergegeben.
Der generationenübergreifende Interessenkonflikt bietet in meinen Augen sehr viel Potential für aufschlussreiche Gespräche, hitzige Diskussionen und intensive Gedankenaustausche, aber die Autorin kann diese Vorlagen nicht richtig umsetzen. Ich vermisse die Möglichkeit, mich in die Figur hineinversetzen, denn normalerweise leide, lache, weine und liebe ich mit den Romanfiguren – hier bliebe ich oft außen vor und bin eher stiller Beobachter.
Schade, ich hatte mir etwas mehr von diesem Buch erhofft und so gebe ich hier nur gemeinte 3 Sternchen.