Ein Highlight 2020 !
Turmschatten„Wenn man Bestien jagt, wird man selbst zur Bestie“
Ephraim Zamirs Haushälterin wurde brutal niedergeschossen – von einem 13-jähringen, glühenden Anhänger des NS-Regimes. Seine braunen Kameraden dringen ...
„Wenn man Bestien jagt, wird man selbst zur Bestie“
Ephraim Zamirs Haushälterin wurde brutal niedergeschossen – von einem 13-jähringen, glühenden Anhänger des NS-Regimes. Seine braunen Kameraden dringen in den Turm ein, der Zamir als Wohnung dient. Sie ahnen nicht, dass sie dabei eine Tragödie auslösen, die es so in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben hat. Denn Zamir will Gleiches mit Gleichem vergelten…
Noch nie habe ich ein Buch gelesen, das mich so bewegt hat wie „Turmschatten“. Ich bin noch immer hin und weg von dieser Intensität, mit der die fiktive Geschichte vor den Hintergründen von realen Straftaten in der Bundessrepublik Deutschland erzählt wird.
Ephraim Zamir hat als jüdisches Kind im Zweiten Wellkrieg durch die Nazis seine Eltern und seine Geschwister verloren, war in Auschwitz Zeuge des Holocausts und schwört auf Rache. Sein Plan ist gut durchdacht und lässt die Mitglieder des braunen Sumpfes an eigenen Leib spüren, wie sich Leid, Folter, Qualen und Todesangst anfühlen.
Peter Grandl bindet hier die schrecklichen Szenen des Geiseldramas von Gladbeck, das Oktoberfest-Attentat und viele andere brutalen Verbrechen aus der jüngeren Vergangenheit in seinen Roman ein und lässt sie wieder erschreckend lebendig werden.
Vor dem Hintergrund der verbrannten Nazi-Ideologie zeigt er auf, was passieren kann, wenn man auf Rache pocht und welche Ausmaße die falschen Ideale annehmen können.
Das wahrgenommene Bild verzerrt sich im Verlauf des Buches und lässt so die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmen.
Schlägt man sich erst noch auf die Seite von Ephraim Zamir, weil ihm, seiner Familie und Millionen von Juden Unrecht getan wurde, so erschreckt man im Verlauf des Buches immer mehr über die Rachegelüste dieses Mannes, die all das Böse und Schlechte in ihm hervorbringen. Dass dieser Mann mit seinen mehr als siebzig Jahren zu solchen Gräueltaten fähig ist, die mit einer Akribie und Perfektion ausgeführt werden, lässt mir kalte Schauer über den Rücken jagen. Auch er hat Helfershelfer und ich bin über seine Verbindungen erschüttert. Hier wird mit technischen Raffinessen gearbeitet, die mich nachdenklich stimmen und ins Grübeln kommen lassen.
Seine Opfer, allesamt Mitglieder der braunen Vereinigung, werden hier weder beschönigt noch verherrlicht, sondern bekommen vom Autor die Fratze des Bösen auf den Leib geschneidert. Hinter jedem Eiferer der braunen Werte steht ein ganz persönliches Schicksal und der Autor erklärt, wie es dazu gekommen ist, dass jeder Einzelne zum glühenden Verehrer der hirnverbrannten Ideen eines einzelnen Phantasten geworden ist.
Fehlentscheidungen der vor Ort anwesenden Polizei werden ebenso an den Pranger gestellt wie die Quotengeilheit der Presse und des Fernsehens – für eine gute Story sind viele bereit, ihr eigenes Ich aufzugeben, zu verkaufen und Menschenleben zu aufs Spiel zu setzten, anstatt sie zu retten.
Das Ganze gipfelt in einer Aufforderung der Öffentlichkeit, per Online-Voting auf Hinrichtung oder Gnade mit den Tätern abzustimmen.
Mit jeder schrecklichen Szene, mit jeder Misshandlung und jedem Detail, das aus dem Leben der Geiseln bekannt wird erhöhen sich die Klicks…wie es ausgeht, müsst ihr selbst lesen, denn es fehlen mir ehrlich gesagt die richtigen Worte, um dieses Buch treffend zu beschreiben.
Nur so viel – ein Pageturner mit packenden, erschreckenden, voyeuristischen Szenen, die mich nicht mehr loslassen.
Für mich ein Highlight !