Grandios geschrieben !
Der GoldhügelEs soll eine Zeit der Erholung, der Genesung und des Umdenkens sein, die Erich Kästner auf dem Goldhügel hoch über dem Luganer See verbringt Ganz egal, ob mit Engelszungen oder ein wenig Schärfe in der ...
Es soll eine Zeit der Erholung, der Genesung und des Umdenkens sein, die Erich Kästner auf dem Goldhügel hoch über dem Luganer See verbringt Ganz egal, ob mit Engelszungen oder ein wenig Schärfe in der Stimme, die Anweisungen des Professors dringen nicht in das Innere des Dichters vor. Zu sehr ist er in seinem eigenen kleine goldenen Käfig als Selbstzweifeln, Schreibkrise und diversen Lastern gefangen, die ihm mehr im Weg stehen, als ihn frei atmen lassen. Erst die Begegnung mit seiner jungen Tischdame scheint die Wendung zu bringen...
Tobias Roller gelingt mit "Der Goldhügel" eine sehr feinsinnige Hommage an Erich Kästner, die mit subtilem Humor gekrönt wird. Roller selbst wird zum Wortpoeten, der zwar nicht den Stil des großen Dichtes kopiert, ihn aber so sehr verinnerlicht hat, dass seine eigenen Worte eine wunderbare Symbiose mit denen des Dichters eingehen und so eine ganz eine Stimmung erschaffen (S. 122 "Wer nicht richtig atmen kann, kann nicht richtig leben.", S. 175 "Ich kann tiefe, klare Atemzüge nehmen, und jeder davon zieht mich mehr ins Leben hinein, in mein eigenes Leben. Ich habe beschlossen, es zu beginnen, und zwar jetzt.")
Die Zwänge des Sanatoriums machen Kästner zu schaffen, sieht er doch nicht ein, sich den Anweisungen des Professors und des pflegenden Personals zu unterwerfen. Getrieben von seinen Ängsten und Süchten plagen ihn die Zweifel, die ihn wie in einer Schraubzwinge gefangen halten. Auch die Wahl der Tischdamen ist mitunter nicht ganz so anregend und förderlich, wie vielleicht zunächst erhofft. Jedoch machen eben jene Tischkonversationen etwas mit Kästner, das vielleicht nachhaltiger und eindringlicher ist als jede ärztliche Behandlung.
Die Gattin des Richters a.D hat schon eine sehr einnehmende und fast schon herrische Art, sodass selbst die Lesenden in ihrer Gegenwart verstummen und den Blick zu Boden senken. Ganz anders die junge Frau, die durch ihre Verehrung zu Kästner regelrecht aufblüht und auf sämtliche Konventionen und gesellschaftlichen Ketten pfeift und sich nach und nach freischiwmmt. An ihrer Entwicklung teilhaben zu können, ist erfrischend und freudig zugleich, denn hier zeigt Roller, dass klischeebehaftete und eingefahrene Rollenbilder dank Selbsterkenntnis und dem Mut, eigene Wege zu gehen, der Vergangenheit angehören.
Auch vermittelt der Schreibende sehr gut das Gefühl Kästners, immer irgendwie zwischen den Stühlen zu sitzen, sich sowohl zu der einen Herzensdame als auch der anderen mitsamt Sohn hingezogen zu fühlen, aber so ganz entscheiden will er sich dann doch nicht. Die Zeit im Sanatorium wird lebendig und anschaulich dargestellt, sodass sich die Leserschaft bereitwillig zu einem kleinen Plausch während der Liegekur oder bei einer guten Tasse Tee im Salon einfindet, um am Kuralltag teilhaben zu können.
Wer Kästner mag, wie Roller lieben - absolut lesenswert !