Der Geist der Erinnerung ist schön und schrecklich zugleich
Aenne und ihre BrüderReinhold Beckmann erzählt in leisen, aber sehr eindringlich Worten seine Familiengeschichte und lässt die Generation der Nachkriegskinder und - Enkel:innen an schönen, aber auch sehr schmerzhaften Erinnerungen ...
Reinhold Beckmann erzählt in leisen, aber sehr eindringlich Worten seine Familiengeschichte und lässt die Generation der Nachkriegskinder und - Enkel:innen an schönen, aber auch sehr schmerzhaften Erinnerungen seiner Mutter teilhaben. Schon als Kind erlebt Aenne zwei Verluste, die erschütternd sind und doch verliert sie nie den Glauben an das Gute, hat Gottvertrauen und sieht positiv ihrer Zukunft entgegen.
Es ist schön, die Geschwister aufwachsen zu sehen und ihre Entwicklung miterleben zu dürfen und Beckmann findet auch hier jederzeit die richtigen Worte, um die Leser:innen nicht auf Distanz zu halten, sondern sie mit in eine Zeit zu nehmen, als sich in Deutschland der Wind dreht und von rechts weht.
Die Erinnerungen seiner Mutter gehen zu Herzen und bringen eine Saite zum Klingen, die voller Emotionen und Mitgefühl schwingt. Dabei drückt Beckmann nicht auf die Tränendrüse, sondern schreibt die Gedanken und Gefühle seiner Mutter nieder und veröffentlicht die Feldpost seiner Onkel. Es schwingt Empathie, Achtung und Respekt mit und die Leserschaft spürt deutlich das innige Band zwischen Mutter und Sohn, aber auch zwischen Aenne und ihren Brüdern, das viel erträgt, duldet und verarbeitet.
Es sind die Stimmen derer, die im Krieg geblieben sind, die hier wieder laut werden dürfen um zu erzählen, welche grausame Fratze das Nazi-Regime zeigt und was Krieg und Soldat sein wirklich bedeutet. Es sind Fragen, die in vielen Familien nie gestellt oder nicht beantwortet wurden, die hier ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Fragen, die uns Nachkommen ermöglichen, ein wenig zu verstehen, was sich ereignet hat und wie geliebte Menschen in den Herzen derer weiterleben, die sie allzu früh loslassen mussten.
Gerade weil das Buch auch einen näheren Bezug zu meiner unmittelbaren Umgebung hat, gehen mir gewisse Schilderungen unglaublich nah und lassen mich mehr als einmal das Buch aus der Hand legen. Bilder, die sich vor dem inneren Auge abspulen, wirken noch lange nach und machen betroffen.
Es gelingt Beckmann, seine Onkel als die Menschen darzustellen, die sie wirklich gewesen sind - mit all ihren Ecken, Kanten, Sorgen, Ängsten und Träumen. Menschen, die zum Dienst an der Waffe gegen ihren Willen gezwungen wurden und mit ihrem Leben bezahlt haben.
Gerade weil aktuell der Krieg in der Ukraine und am Gaza-Streifen wieder unschuldige Menschenleben fordert, geht dieses Buch unter die Haut und sendet eine unausgesprochene Botschaft aus, die wir alle im Herzen tragen sollten.
Eine sehr intensive und nachdenklich stimmende Lektüre