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Veröffentlicht am 28.09.2023

Wenn du glaubst, Du verschwendest dein Leben mit mir, dann geh doch (H. Carpendale)

Das leise Platzen unserer Träume
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Jule und David leben ihren großen Traum vom Haus auf dem Land, aber glücklich sind sie nicht wirklich. Seit Jahren versucht das Ehepaar, das Glück mit einem Kind zu vervollkommnen, aber es will und will ...

Jule und David leben ihren großen Traum vom Haus auf dem Land, aber glücklich sind sie nicht wirklich. Seit Jahren versucht das Ehepaar, das Glück mit einem Kind zu vervollkommnen, aber es will und will nicht klappen. Ganz anders Hellen, denn die Mittvierzigerin hat sich freigeschwommen, vom Ehemann getrennt und versucht nun, als Alleinerziehende Alltag und Job unter einen Hut zu bringen. Was beide Frauen eint: David. Denn David sucht bei Hellen, was er bei Jule schon lange nicht mehr findet. Aber gehen kommt für ihn nicht in Frage....


Eva Lohmann lässt Hellen und Jule in sehr ehrlichen Worten von Lebensplänen, Träumen und Vorhaben erzählen, die sich zu Beginn einer Beziehung immer in rosaroten Farben wunderschönen zu Luftschlössern bauen lassen und dann, wenn das Leben sich verselbstständigt, einfach einstürzen.

Bei Jule und David hat sich die Liebe zu einem wurmstichigen Apfel entwickelt, der langsam aber sicher von innen verfault. Alles Drehen und Wenden nützt nichts mehr, denn sie haben die Basis verloren und das große Schweigen nimmt immer mehr Raum ein. Hellen lebt mit David in einer unkomplizierten Affäre, legt es aber darauf an, das Jule von all dem Wind bekommt.

Es sind all die ungesagten Worte, die in einer Beziehung, die sich längst totgelaufen hat, wie ein Damoklesschwert über den Köpfen schweben und einen Part dazu verleiten/zwingen, sich an anderer Stelle das zu holen, was Zuhause vermisst wird. Lohmann beschreibt das langsame Sterben einer Liebe, die immer nach Plan funktioniert hat, da sich der sehnliche Wunsch nach Kindern einfach nicht erfüllt. Und dann sind da noch die Hürden des Alltags, die Alleinerziehende fast zur Selbstaufgabe zwingen, um den Spagat zwischen Kindern und eigenem Leben doch irgenwie Raum zu geben.

Es ist keine bittere Abrechnung mit schmutziger Wäsche, sondern eine sehr einfühlsam erzählte Geschichte, die wir alle irgendwie kennen- sei es, weil wir einmal selbst betroffen gewesen sind oder im Freundeskreis genau das erlebt haben, was sich hier auf den Seiten sehr authentisch abspielt.

Der Schreibenden gelingt auf gerade einmal 216 Seiten, Träume schweben und zugleich platzen zu lassen, um dann wiederum die schmerzenden Erkenntnisse zu verarbeiten, die das verzweifelte Festhalten an alten Gewohnheiten mit sich bringt. Manchmal wird aus dem Schweigen etwas Neues, Großes, das so sicherlich nicht geplant war. Aber wer nicht den ersten Schritt wagt, wird nie erfahren, was an großen Träumen noch möglich ist, auch wenn der alte ausgeträumt ist.

Ein sehr bewegendes Buch, das immer den richtigen Ton trifft und trotzdem seine Wirkung nicht verfehlt - es geht direkt ins Herz und macht nachdenklich

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Veröffentlicht am 27.09.2023

Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen (Arthur Schopenhauer)

Der Milchhof – Das Rauschen der Brandung
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Um die familieneigene Molkerei weiterhin am Laufen zu halten, geht Lina eine Zweckehe mit Thees ein. Als Frau ist es ihr nicht gestattet, die Geschicke des Betriebes zu lenken, aber auch Thees hat nicht ...

Um die familieneigene Molkerei weiterhin am Laufen zu halten, geht Lina eine Zweckehe mit Thees ein. Als Frau ist es ihr nicht gestattet, die Geschicke des Betriebes zu lenken, aber auch Thees hat nicht unbedingt das glückliche Händchen, wenn es ums Geschäft geht. Als Derk Voigt als neuer Obermeier eingestellt wird, weht ein frischer Wind an der Nordseeküste, denn er bringt Ideen aus Dresden mit, die sich dort bereits etabliert haben. Je länger Derk auf dem Hof ist, desto mehr fühlt sich Lina zu ihm hingezogen. Aber es kann nicht sein, was nicht sein darf und Lina wird vom Schicksal immer wieder heimgesucht....


Regine Kölpin erzählt in ihren Büchern historische Geschichten über starke Frauen, die ihren Weg gehen und somit ihrer Zeit weit voraus sind. In "Der Milchhof" krempelt Lina das Frauenbild Ausgangs des 19. Jahrhunderts ordentlich um und nimmt die Leser:innen mit auf ihren Milchhof. Kölpin hat wieder wunderbar recherchiert, um nicht nur die örtlichen Gegebenheiten so genau wie möglich zu beschrieben, sondern auch zeitliches und weltliches Geschehen sowie den technischen Fortschritt sehr authentisch in die Handlung einzubinden.

Ihr Schreibstil ist wie immer flüssig zu lesen, bietet abwechslungsreiche Charaktere , die von liebreizend und warmherzig bis hin zu eiskalt, abschätzig und berechnend reichen und mit ihren Wesenszügen für ordentlich Aufruhr sorgen. Gerade die weniger sympathischen Figuren Talke und Thees zeigen hier ungeschönt ihre wahres Gesicht und es gelingt Kölpin, die Antipathie und Abneigung für diese beiden Personen immer wieder anzustacheln und Ö ins Feuer zu gießen.

Derk ist mir fast ein wenig zu weichgespült, denn er kann/will sich nicht wirklich durchsetzen, gibt zu oft klein bei und lässt sich von der Frauenwelt, die sich gar zu bereitwillig in seine Arme sinken lässt, auf der Nase herumtanzen. Lina hingegen wirkt dagegen fast übermächtig, steht immer einmal mehr auf, als sie gefallen ist und steckt alle Schicksalsschläge weg, nur um die Molkerie zu retten.

Die Schreibende lässt das Schicksal immer wieder hart zuschlagen und spinnt eine Intrige nach der anderen, sodass sich bereits im ersten Band ihrer Trilogie über den Zeitraum von 1890 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges unglaublich viele Dinge ereignen. Manchmal überschlagen sich geradezu die Dinge und dadurch wirkt das Buch ein wenig überfrachtet. Weniger ist manchmal mehr und ich hätte gut und gerne auf ein paar Lügen, hinterfotzig geplante Gemeinheiten und falsche Fuffziger verzichten können.

Der Start in die neue Trilogie ist somit ein wenig verhalten, aber trotzdem bin ich neugierig, wie es auf dem Milchhof weitergehen wird.

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Veröffentlicht am 25.09.2023

Meilenweit davon entfernt, ein echter Thriller zu sein

Wer vom Teufel spricht
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Das neue Jahrtausend soll aufregend und glitzernd beginnen, doch für sieben Frauen spielt sich am Silvesterabend 1999 das Grauen vor ihren Augen ab. Ausgerechnet in einer heruntergekommen Spelunke stehen ...

Das neue Jahrtausend soll aufregend und glitzernd beginnen, doch für sieben Frauen spielt sich am Silvesterabend 1999 das Grauen vor ihren Augen ab. Ausgerechnet in einer heruntergekommen Spelunke stehen sie sich gegenüber und müssen feststellen, dass ihnen der Kopf von Jamie Spellmann als Abschiedsgeschenk regelrecht präsentiert wird. Alle sieben eint eine gemeinsame Vergangenheit, in der Jamie eine nicht unwichtige Rolle gespielt hat. Aber wer von ihnen hat wirklich den Mut, dem Teufel in Personalunion endlich den Garaus zu machen ? Detective Nova Stoke muss ermitteln und stößt dabei auf eine alte Bekannte....


Zugegeben, die ersten Bilder des Buches gehen wirklich an die Nieren und sind sehr plastisch beschrieben. Wenn schon der Aufmacher des Romans mit solchen Knaller aufwartet, wie wird dann der weitere Verlauf ? Die ernüchternde Antwort nach Beendigung des Buches lautet: langweilig, überfrachtet und meilenweit davon entfernt, ein echter Thriller zu sein

Rose Wilding schickt zwar mit Jamie Spellmann einen absoluten Kotzbrocken ins Rennen, der es sich zum Hobby gemacht hat, Frauen nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, sie zu manipulieren und zu betrügen. Es reicht alleine, dass er den Mund aufmacht und schon sprudeln die Lügen hervor wie Konfetti aus einer Konfettikanone. Er zieht meine Antipathie regelrecht auf sich und ich ertappe mich oft dabei, wie ich beim Lesen wütend und zornig die Faust balle.

Es fällt aber unglaublich schwer, bei aller Abneigung seine unglaubliche Anziehungskraft auf die Frauenwelt zu erkennen, die sich nur allzu bereit in seine verlogenen Arme fallen lässt. Es sind derer Namen viele und somit geht ganz schnell der Überblick verloren, da sich die Autorin darin verliert, in Rückblenden die Geschichte einer jeden Einzelnen zu erzählen und somit die Zusammenhänge offen zu legen.

Spannung oder gar Nervenkitzel ist nicht wirklich vorhanden, denn alle sieben haben einen mehr als guten Grund ihrem Peiniger den Kopf abzuschlagen. Es kristallisiert sich aber ganz schnell heraus, wer letztendlich den befreienden Schlag ausgeführt hat, sodass die Leseneugier komplett abflaut. Die ausufernden Erzählungen und Darstellungen der einzelnen Frauenfiguren werden schnell langweilig, da sich die schockierenden Enthüllungen als Ablenkungsmanöver entpuppen. Das Buch ist randvoll mit Themen, die triggern können und es erfolgt zum Glück ein rechtzeitiger Hinweis auf eben jene Handlungen, die bei betroffenen Personen negative Reaktionen auslösen könnten.

Ich hatte mir irgendwie erhofft, dass dieser Roman ein wenig an "Der Club der Teufelinnen" erinnert und ich von abwechslungsreichen Charakteren und einer faszinierend Handlung regelrecht eingefangen werden. Hier allerdings überwiegt die Enttäuschung, sodass ich nach gut der Hälfte dazu übergegangen bin, das Buch quer zu lesen. Es sind einfach zu viele negative Themen, die auf das Schicksal von Frauen in toxischen Beziehungen aufmerksam machen.

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Veröffentlicht am 24.09.2023

Hurra, wir leben noch (Milva)

Pericallosa
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Wie stark ist der Mensch, wie stark?
Wie viel Ängste, wie viel Druck kann er ertragen?
Ist er überhaupt so stark, wie er oft glaubt?
Wer kann das sagen?

Hurra, wir leben noch
Was mussten wir nicht alles ...

Wie stark ist der Mensch, wie stark?
Wie viel Ängste, wie viel Druck kann er ertragen?
Ist er überhaupt so stark, wie er oft glaubt?
Wer kann das sagen?

Hurra, wir leben noch
Was mussten wir nicht alles übersteh'n?
Und leben noch
Was ließen wir nicht über uns ergehen?
Der blaue Fleck auf unsrer Seele geht schon wieder weg
Wir leben noch

(Milva)

Es ist nur ein winziger Augenblick, der das Leben von Evelyn Roll von jetzt auf gleich verändert. Ein geplatztes Aneurysma wirft ie aus der Bahn und zwingt sie dazu, ihr Leben noch einmal ganz von vorn zu beginnen. Was einmal klar und deutlich vor ihr gelegen hat, verschwimmt und doch sind da immer wieder Erinnerungsfetzen und Musik, die sie aus den Tiefen zurückholen.

Es ist ein Buch, das unter die Haut geht, weil es so persönlich, so ehrlich und selbstkritisch ist und doch keine Abrechnung mit dem was war, sondern was wahr ist . Eine Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte, die blinde Flecken aufweist und die ein oder andere Frage aufwirft. Es sind Fragen, die die Nachkriegsgeneration von ihren Eltern nie beantwortet bekommen hat und die uns als Enkel:innengeneration noch mehr beschäftigen, da wir oftmals keine Möglichkeit mehr haben uns an diejenigen zu wenden, die Licht ins Dunkel bringen können.

Der Weg zurück ins Leben ist gepflastert mit Träumen, Zerrbildern und jeder Menge Erinnerungen, die sich zunächst nicht eindeutig zuordnen lassen. Immer präsent - die Lieder der jeweiligen Epoche, die es sich als Ohrwürmer bei Evelyn Roll herrlich bequem eingerichtet haben und auch flugs ins Ohr der Leser:innen schlüpfen.

Aber Roll wühlt nicht nur in Erinnerungen und den daraus resultierenden Zusammenhängen, sie befasst sich auch mit der Komplexität unseres Gehirns, das alleine von der Macht des Lassens lebt: Zulassen, loslassen, weglassen. Und genau aus dieser gewagten Kombination entstehen Erinnerungen, formen sich zu neuen Bildern und graben sich ins Gedächtnis.

Während dem Lesen begleitet mich "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgski und unterlegt die Bilder von Rolls Familien-/Geschichte mit den Klängen, die ich schon lange vergessen glaubte. Das Buch liest sich wie eine Familienaufstellung, klärt Beziehungen und Unstimmigkeiten, erzählt von inniger Liebe und ist vor allen Dingen eines: der Neustart in ein Leben, das sich auf das Wesentliche reduziert, weil für alles andere eben kleinen Platz mehr ist.

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Veröffentlicht am 24.09.2023

Mächtige Zeitzeugen eines alten Handwerks

Baumtrotten
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Edle Tropfen aus der Traube zu pressen übernehmen heute höchst effiziente Maschinen. Doch was heute innerhalb von wenigen Augenblicken wie von Zauberhand geschieht, war einst Schwerstarbeit und echtes ...

Edle Tropfen aus der Traube zu pressen übernehmen heute höchst effiziente Maschinen. Doch was heute innerhalb von wenigen Augenblicken wie von Zauberhand geschieht, war einst Schwerstarbeit und echtes Handwerk.

Klaus Schilling stell in seinem Buch "Baumtrotten" eben jene hölzernen Bauwerke vor, die aus mächtigen Stämmen zusammengebaut die Kelterarbeit verrichten.

Die Trotten stehen noch gut da und es wirkt, als habe der Keltermeister mit seinen Gehilfen nur mal eben kurz den Raum für eine Pause verlassen, um dann wieder sein Tagwerk zu verrichten. Schilling erklärt sehr ausführlich und nachvollziehbar den Aufbau einer Trotte, zeigt anhand von vielen Zeichnungen und Beispielbildern die Funktionsweise der Kulturdenkmäler. Spindeln, Balken oder Ständerwerk - Präzisionsarbeit von Hand, die mal schlicht, mal prachtvoll im Aussehen ist und trotzdem immer wieder fasziniert.

Liebevoll restauriert, erstrahlen sie auf Weingütern, in Museen und sogar an einer Autobahnraststätte in neuem Glanz, um eine traditionsreiche Geschichte weiterzuerzählen. Es sind Geschichten, die von Schilling in mitreißende und mitunter auch kritische Worte zusammengefasst worden sind, um viele Menschen für diese Denkmäler zu begeistern. Leider müssen aber immer mehr Trotten aus finanziellen oder Platzgründen weichen und so geht ein Stück Winzergeschichte auf ewig verloren. Vielleicht trägt dieses Buch ja dazu bei, das Interesse für die Baumtrotten zu wecken, um möglichst viele verblieben enTrotten weiterhin mit Spenden erhalten zu können.

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