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Veröffentlicht am 11.08.2023

Der morbide Charme einer Großstadt

Lost & Dark Places Köln
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Verwahrlost, schaurig schön, gefährlich und voller Geschichten, die eigentlich längst in Vergessenheit geraten sind - das sind Lost Places. Auch Köln reiht sich in die Riege der unheimlichen und verlassenen ...

Verwahrlost, schaurig schön, gefährlich und voller Geschichten, die eigentlich längst in Vergessenheit geraten sind - das sind Lost Places. Auch Köln reiht sich in die Riege der unheimlichen und verlassenen Orte ein und erhält einen eigenen Dark-Tourism-Guide.

Der Torjubel ist längst verklungen, süße Schokoladenträume schon lange geschmolzen, die Lichter an den Fahrgeschäften erloschen und das Western-Feeling hat sich wie Schall und Rauch quasi in Luft aufgelöst. Bettina Sons und Manuel Jansen haben die Lost Places in Köln aufgesucht, in Wort und Bild, sowie mit GPS-Koordinaten versehen, zugänglich gemacht und begleiten ihre Leser;innen an Orte wie ehemalige Fabrik, Krankenhaus, Freizeitpark, Friedhof und Militärgebäude, um ihre Geschichten zu erzählen, an geschehenes Unrecht zu erinnern und wachzurütteln.

Es ist das Gruselfeeling und das Verwahrloste, das den morbiden Charme der Lost Places ausmacht und eine immer größer werdende Urbexer:innen-Fangemeinde begeistert. Wenn altes Mauerwerk erzählen könnte, würde so mancher Stein unter der Last seiner Erlebnisse ächzen, denn das , was Sons hier zusammengetragen hat, lässt den Lesenden mitunter das Blut in den Adern gefrieren.

Tragische Ereignisse, dunkle Vergangenheit und skurrile Geschehnisse geben sich in diesem Reiseführer die Klinke in die Hand und zeigen das andere Gesicht von Köln - düster, unheimlich und gruselig. Ein bisschen fühlt man sich wie ein/e Geisterjäger:in und wenn ein trockener Zweig unter den Schuhen knackt, oder der Sand auf dem Weg knirscht der Wind in den Bäumen das Laub rascheln lässt, dann kriecht hier und da schon die ein oder andere Gänsehaut über die Arme.


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Veröffentlicht am 10.08.2023

Verliert sich in Stutenbissigkeit

Das Erbe unserer Zeit
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Gerda hat einen großen Traum, aber dieser wird sich wohl nie verwirklichen lassen. Obwohl sie mit Herz und Seele für das Familienunternehmen brennt, gute Ideen und Engagement vorweisen kann, steht ihr ...

Gerda hat einen großen Traum, aber dieser wird sich wohl nie verwirklichen lassen. Obwohl sie mit Herz und Seele für das Familienunternehmen brennt, gute Ideen und Engagement vorweisen kann, steht ihr eines im Weg: sie ist und bleibt eine Frau. Und als solche ist es per se für die Gesellschaft undenkbar, dass sie einmal die Weg weisenden Entscheidungen trifft. Selbst der eigene Vater sieht den Sohn lieber auf dem Chefsessel, obwohl dieser so gar keine Ambitionen für den Hopfen hegt. Ob Gerda wirklich zum Zug kommt und beweisen kann, dass hinter einem hübschen Aussehen auch noch viel mehr steckt ?


Clara Lindemann dreht die Zeit zurück und nimmt ihre Leser:innen mit in die Hallertau, in der Ende der 1950er Jahre noch eine sehr eingefahrene Denkweise herrscht und Frauen im Beruf oder gar in Führungspositionen nicht wirklich gerne gesehen sind. Die Autorin leiht genau diesen Frauen eine Stimme, macht sie stark und zeigt, dass es eben genau solchen Vorbildern und Kämpferinnen zu verdanken ist, dass sich auch in der Arbeitswelt so manches getan hat. Zwar herrscht immer noch ein Ungleichgewicht, aber ohne Gerda und Billie wären wir heute nicht da, wo wir sind.

Bei aller Liebe zur Emanzipation und dem Kampf der Geschlechter verliert sich die Autorin aber in einer Art Wettkampf der Stutenbissigkeit, denn fast alle weiblichen Figuren im Buch haben Haare auf den Zähnen und gerade Liesel ist eine Intrigantin in Personalunion. Wo sie auftaucht, gibt es Gezeter und sie weiß, wie sie Zweitracht und Lügen säen kann, um dann die aufgegangene Saat zu ihren Gunsten bzw. zum Vorteil ihres untreuen Mannes zu ernten.

Zwischen Vergangenheitsbewältigung - dieser Erzählstrang hätte gerne noch ausführlicher sein dürfen - und dem Erhalt des Familienerbes dürfen die Leser.innen bei der Hopfenernte dabei sein, erhaschen den ein oder anderen Einblick hinter den Kulissen und schnuppern ein wenig 50er-Jahre-Luft. Diese ist zwar noch randvoll mit vorgefertigtem Schubladendenken, gestärkten Schürzen und Kochkünsten, aber die Zeit des Aufbruchs wird spürbar.

Trotzdem fehlt mir das gewisse Etwas, um mich von der Erzählung mitreißen zu lassen. Der Funke springt einfach nicht über, sodass ich neutrale 3 Sternchen vergebe.

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Veröffentlicht am 09.08.2023

Verstörender Alltag in der Vernichtungsmaschinerie

Willkommen in Auschwitz
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Tadeusz Borowski überlebt Auschwitz, aber die Schrecken dieses Ortes sitzen tief. So tief, dass er, der dem Tod durch Gas entkommen ist, Jahre später den Freitod durch Gas wählt, um einer Welt zu entfliehen, ...

Tadeusz Borowski überlebt Auschwitz, aber die Schrecken dieses Ortes sitzen tief. So tief, dass er, der dem Tod durch Gas entkommen ist, Jahre später den Freitod durch Gas wählt, um einer Welt zu entfliehen, in der er nie wieder Fuß fassen konnte. In seinem Buch "Willkommen in Auschwitz" berichtet er mit einer unglaublich ruhigen, distanzierten Art vom verstörenden Alltag der Vernichtungsmaschinerie und genau diese Distanz ist es, die den Leser:innen die Hölle auf Erden sehr nahe bringt.

Borowski erzählt vom Hunger, von immer mehr Menschen, die ermordet werden, sodass das Böse übermächtig wird und den Alltag beherrscht. Und doch blitzen immer wieder kleine weiße Punkte in all diesem Morden auf und streuen die Saat des Guten, der Hoffnung. Ein Ort, an dem das Schlimmste seit Menschengedenken grausame Realität ist und an dem Borowski mit einer fast schon stoischen Kälte die Selektion an Rampe beschreibt, die dadurch noch erschreckender wird.

Das Buch gibt in leisen, eindringlichen Worten die Steigerung des Grauens wieder, denn in Auschwitz zählt nicht das Leben eines Einzelnen, sondern nur der Tod, das Vernichten von Vielen. Es sind die Erinnerungen, die zu Dämonen werden, die Borowski nie mehr los lassen - genau so, wie das Gelesene die Leser:innen noch lange beschäftigen wird

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Veröffentlicht am 05.08.2023

Hab in meinem Herzen drinnen einen wundersamen Schmerz (R.Schock)

Der Liebende
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Monsieur Hansen hat in seinem Leben schon viele Romanzen gesehen, aber noch nie selbst eine wirklich erlebt. Als katholischer Priester hat er den weltlichen Dingen entsagt, ist aber trotzdem weltoffen ...

Monsieur Hansen hat in seinem Leben schon viele Romanzen gesehen, aber noch nie selbst eine wirklich erlebt. Als katholischer Priester hat er den weltlichen Dingen entsagt, ist aber trotzdem weltoffen geblieben. Als Madame Janssen seine neue Nachbarin wird, ändert sich das bisher so ruhige und doch eher zurückgezogene Leben des pensionierten Geistlichen. Denn Madame Janssen liebt und feiert das Leben und genau das scheint Monsieur Hansen gefehlt zu haben. Als sie schließlich das Unsagbare ausspricht und Monsieur Hansen um einen Gefallen bittet, drohen die Gefühle beide zu übermannen. Denn der Himmel hängt voller Geigen und öffnet gleichzeitig seine Pforten für den letzten Weg...

Martin Ehrenhauser hat mit "Der Liebende" ein sehr feinfühliges, tiefsinniges und zugleich sehr berührendes Buch geschrieben, das sich mit ganz vielen Tabuthemen befasst und trotzdem, oder gerade deswegen, den Weg in die Herzen der Leser:innen findet.

Liebe und Sex im Alter, Sinnhaftigkeit des Zölibats, Sterbehilfe und Liebe über den Tod hinaus prägen die Seiten, ohne reißerisch zu wirken oder als Schlagzeile gedacht zu sein. Vielmehr hat Ehrenhauser ein ganz feines Gespür für die leisen Töne, die viel mehr bewirken, als laute Worte es jemals könnten. Seine Hauptfiguren stehen am Scheideweg des Lebens - beide aus unterschiedlichen Beweggründen und es gelingt dem Schreibenden, ihre Gefühls- & Gedankenwelt zugänglich zu machen. Zweifel, Angst, Hoffnung und Hingabe werden zu emotionalen Begleitern während der gesamten Lektüre und tragen die Leser:innen mal auf einer hellen, mal auf einer grauen Schleierwolke durch den Roman.

Auch wenn der Ausgang der Handlung traurig und tragisch ist, weht ein Hauch von Romantik, Melancholie und gegenseitigem Respekt durch die Seiten und ich bewundere sowohl Monsieur Hansen als auch Madame Janssen für ihre mentale Stärke, ihre gegenseitige Achtung, das Begegnen auf Augenhöhe und ihre echten, ehrliche Gefühle. Je stärker die Schmerzen werden und Madame Janssen in der Bewältigung ihres Alltages beschneiden, desto stärker wird die Liebe von Monsieur Hansen zu dieser Frau, die ihn die Liebe gelehrt hat.

Des sanfte Hinübergleiten in seinen Armen ist eine Szene, die mir tief unter die Haut geht und ich muss einige Augenblicke innehalten, um weiterlesen zu können. Ein Buch, das trotz der vielen ersten Themen auch ganz viel Leichtigkeit und Poesie in sich trägt und uns allen zeigt, dass die Liebe alle Hürden und selbst den Tod überwinden kann.

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Veröffentlicht am 05.08.2023

Ein Tag in den Bergen ist auch immer ein bisschen wie Herzhüpfen

Bayerns schönste Gipfel
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Seit Jahren begleiten mich die Reise- & Wanderführer von Lisa und Wilfried Bahnmüller durch Bayern, denn dieses schöne Fleckchen Erde ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Mit dem neuen Wanderführer "Bayerns ...

Seit Jahren begleiten mich die Reise- & Wanderführer von Lisa und Wilfried Bahnmüller durch Bayern, denn dieses schöne Fleckchen Erde ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Mit dem neuen Wanderführer "Bayerns schönste Gipfel" setzt das Autoren-Duo dem Wanderglück nicht nur das Sahnehäubchen auf, sondern garniert es zusätzlich noch mit einer roten Kirsche.

Die Bayerischen Hausberge laden dazu ein, unvergesslich schöne Momente auf und mit ihnen zu erleben, die nicht nur verrückt nach Gipfelglück machen, sondern auch für jeden Konditionslevel etwas zu bieten haben.

Das vorliegende Buch ist so konzipiert, dass nicht nur die begeisternden Worte der beiden Bahnmüllers ansteckend wirken, sondern die Streckenbeschreibungen sind so detailliert erläutert, dass es ein Leichtes ist, diese ohne zu Verlaufen nachzugehen. Die Informationen sind nicht nur im Infokasten ersichtlich, sondern auch in Detailkarten und GPS-Tracks zum Downloaden zusammengefasst und machen eine Planung unglaublich einfach. Es gibt leichte Rundtouren, Wadenzwickerwanderungen und auch für geübte Bergfexe mit Erfahrung und Trittsicherheit findet sich die ein oder andere Wanderung, die begleitet werden vom Duft der Almkräuter auf den saftig grünen Wiesen und dem Klingen der Kuhglocken, das schon irgendwie etwas Meditatives an sich hat.

Bekannte Wanderwege, aber auch noch unbekanntes Terrain wird hier beschritten und biete neben eindrucksvollen Panoramen wirklich tolle Bergerlebnisse, die im absoluten Gipfelglück enden. Rote Wangen und Appetit auf Hüttenschmankerl inklusive. Romantisch wird es am Wallbergkirchlein, ein bisschen goldene Olympialuft kann am Eckbauer geschnuppert werden und der Weg auf den Kofel wird von Feen, Engeln und anderen himmlischen Wesen in der Feengrotte begleitet.

Jetzt heißt es nur noch Rucksack packen, Proviant nicht vergessen und rein in die Wanderschuhe, damit "Bayerns schönste Gipfel" den Wandernden demnächst zu Füßen liegen.


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