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Veröffentlicht am 29.04.2023

Nicht aufgeben, sondern immer weiter gehen...auch wenn es manchmal schwer fällt

Und trotzdem leben wir
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Auch wenn die erlösende Nachricht, dass der Krieg zu Ende ist, für allgemeines Aufatmen sorgt, beginnt für alle der schwierige Teil, um zurück zur Normalität zu gelangen. Zwischen Trümmern, Ruinen und ...

Auch wenn die erlösende Nachricht, dass der Krieg zu Ende ist, für allgemeines Aufatmen sorgt, beginnt für alle der schwierige Teil, um zurück zur Normalität zu gelangen. Zwischen Trümmern, Ruinen und der Hoffnung, dass die Zukunft besser wird, suchen Geflüchtete ein neues Zuhause. Gerrit Mann hat gelernt sich durchzuboxen und jeder Widrigkeit ins Auge zu blicken. In ihrem ihrem Haus finden viele Menschen Unterschlupf und so kommt es, dass auch Eva bei Gerrit ein neues Zuhause findet. Auch Emil Radek wohnt mit seiner Mutter bei Manns und er weiß, wie sich durch Tauschhandel und manches, nicht ganz so legales, Geschäft der Teller besser füllen lässt, wie mit den Rationen der Lebensmittelmarken. Das Haus der Manns wird zu einem Umschlagplatz für Trauer, Hoffnungen und unvorhergesehenen Ereignissen...


Bisher habe ich alle Roman von Michaela Küpper regelrecht verschlungen, denn sie weiß ihre Leser;innen mit einer sehr aktribischen Recherche und einer authentischen Schilderung der Szenerie zu begeistern. Mit "Und trotzdem leben wir" ist es ihr aber leider nicht so ganz gelungen, an die bisherige sehr gute Qualität ihrer Romane anzuknüpfen.

Ganz zu Beginn gibt es eine Schlüsselszene, die für Spannung und Rätselraten sorgt, doch geht die Autorin im Verlauf des Buches nicht weiter darauf ein und löst die Ereignisse erst ganz zum Schluss auf. Der Schreibstil ist gewohnt flüssig und gut zu lesen, aber mir fehlen die Emotionen, die mich an die Figuren binden. Die Erzählung ist an machen Stellen einfach zu nüchtern und sachlich, sodass mich das Gelesene nicht wirklich berührt.

Alle weiblichen Figuren versuchen den Überlebenskampf, den Hunger und die Not unmittelbar nach dem Krieg darzustellen, aber es gelingt ihnen nicht wirklich. Küpper zeigt zwar auf, dass sich die Stellung der Frau nach dem Krieg wieder wandelt - im Krieg waren sie alle gut genug, um die fehlende Arbeitskraft der Männer zu ersetzen, nach dem Krieg sollen wieder zurück ins Klischee Kinder, Küche, Kirche und dagegen lehnen sie sich auf. Hier hätte ich mir mehr Einfühlungsvermögen gewünscht, um den Mut der Frauen, für ihre Rechte einzustehen, auch wirklich spüren zu können.

Auch Emil bleibt recht blass, obwohl er recht pfiffig ist und es faustdick hinter den Ohren hat. Er hat es wirklich drauf, wenn es darum geht, begehrte Ware zu organisieren und gegen dringend benötigte Lebensmittel zu tauschen. Sein Einfallsreichtum ist schier unerschöpflich und kennt keine Grenzen

Alles in allem berichtet dieser Roman über das Leben von Kriegswitwen, Heimkehrern und Versehrten, aber er bleibt weit hinter meinen Erwartungen zurück. Ich weiß, das kann die Autorin besser - daher neutrale 3 Sternchen.

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Veröffentlicht am 27.04.2023

Wo Liebe ist, wird das Unmögliche möglich (Buddha)

Mit dem Mut zur Liebe
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Hera Lind hat einen neuen Tatsachenroman veröffentlicht, der viele wunderschöne Bilder fürs Kopfkino enthält, aber auch schreckliche Szenarien aus dem deutschen Geschichtsbuch. Der Beginn ihre Buches ist ...

Hera Lind hat einen neuen Tatsachenroman veröffentlicht, der viele wunderschöne Bilder fürs Kopfkino enthält, aber auch schreckliche Szenarien aus dem deutschen Geschichtsbuch. Der Beginn ihre Buches ist erschütternd und geht unter die Haut, vermischen sich doch die Erinnerungen ihres Protagonisten Dieto mit den aktuellen furchtbaren Bildern aus der Ukraine. Der Krieg hält mit all seinen Schrecken Einzug und lässt das brennende Dresden nur allzu plastisch aus den Seiten steigen. Das Heulen und Pfeifen der Bomben, der Geruch nach Tod und Verbranntem und die Angst, die sich wie eine eiserne Kralle um das Herz legt, sind allgegenwärtig. Die Bilder aus den Erinnerungen des kleinen Jungen ätzen sich regelrecht auf der Netzhaut ein.

Umso schöner ist es zu lesen, dass Dieto zwischen Ruinen, Trümmern und Schutt immer wieder kleine Lichtblicke erlebt. Die Flucht aus Dresden ist der Beginn eines Lebensweges, der immer wieder von dramatischen Szenen, Entscheidungen aus Liebe und ganz viel Mut geprägt wird. Es gelingt der Autorin, die erste Begegnung zwischen Dieto und seiner großen Liebe Jo mit ganz viel Herz und Gefühl zu schildern, sodass der Moment, als sich beiden kennenlernen und wissen, dass sie mit der jeweils anderen Person das Leben teilen möchten, etwas ganz Besonderes ist.

Das Leben in der DDR ist mit vielen Einschnitten verbunden ,auch wenn Dieto durch seine Tätigkeit als Artist nicht ganz so eingeschränkt in seiner Entfaltung ist, wie viele andere. Doch mit dem Mut der Verzweiflung wächst in dem Liebespaar ein Plan heran, der wagemutig und kühn ist. Die Flucht in den Westen wird geplant, muss aufgrund einiger unschönen Zufällen verschoben werden und gelingt schließlich in einem nervenaufreibenden und kräftezehrenden Vorhaben.

So dramatisch diese Flucht auch ist, so wenig kommen das Herzklopfen, die Angst und die Panik bei den Leser:innen an. Hier hätte ich mir von Lind gewünscht, dass sie die Gefühle von Dieto und Jo wirklich erlebbar macht. Die Szenen lesen sich zwar flüssig, aber mit fehlt die innere Aufruhr, die unweigerlich mit dieser brenzligen Situation verbunden ist und schließlich die Erleichterung, als der erste Schritt in Freiheit getan ist.

Die Liebesgeschichte von Jo und Dieto steckt voller Gefühl und Vertrauen und ist der Beweis dafür, dass auf den Flügeln der Liebe alle Grenzen überwunden werden können. Aber auch hier versäumt es Lind, diese innige Verbundenheit auch erlebbar zu machen. Zwar ist die erste Begegnung der beiden wirklich schön beschrieben (ich bereits in einem oberen Abschnitt darauf eingegangen), aber im Verlauf der Erzählung geht dieses Besondere, was die Liebe zwischen den beiden ausmacht, leider literarisch verloren.

Die Lebensgeschichte von Dieto und seiner Jo ist lesenswert und erzählt ein Stück deutsch-deutscher Geschichte. Ich finde es richtig und wichtig, dass die Zeitzeug:innen diesen Schritt an die Öffentlichkeit gehen, um den nachfolgenden Generationen zu vermitteln, dass ein Leben in Liebe und Freiheit das kostbarste Geschenk ist, was wir erhalten. Allerdings schleicht sich manchmal ein etwas zu nüchterner Schreibstil ein, der das Gelesene in seiner Eindringlichkeit beschneidet.


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Veröffentlicht am 26.04.2023

Nicht nur im Wald sind die Räuber....

Die Geliebte des Räubers
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Es ist eine Zeit des Umbruches, der Lisbeth ins Auge blicken muss. Was früher Heimat und vertraut, ist zwar immer noch Zuhause, aber nun hat Frankreich das Sagen. Die neue Ordnung provoziert aber immer ...

Es ist eine Zeit des Umbruches, der Lisbeth ins Auge blicken muss. Was früher Heimat und vertraut, ist zwar immer noch Zuhause, aber nun hat Frankreich das Sagen. Die neue Ordnung provoziert aber immer neues Chaos und ist ein perfekter Nährboden für alles, was kriminell und verbrecherisch ist. Lisbeth versucht so gut wie es geht, einen normalen Alltag zu gestalten, sieht sich aber immer häufige dem willkürlichen Terror von Räubern ausgesetzt.. Sie ist es leid und sagt dieser Willkür den Kampf an. Dabei hofft sie auf Unterstützung von Johann, dem sie ihr Herz geschenkt hat. Doch Johann hat eine Vergangenheit, die er unter Verschluss hält...

Natalie Hallward lädt ihre Leser:innen mit ihrem Roman "Die Geliebte des Räubers" dazu ein, es sich auf der Histo-Couch gemütlich zu machen und dabei einer aufregenden und zugleich sinnlichen Geschichte zu folgen. Bisher sind mir noch wenige Romane begegnet, die sich diesem Teil der deutschen Geschichte widmen und und so bin ich voller Neugier und Interesse in die ersten Seiten eingetaucht.

Der bildhafte und flüssige Schreibstil entführt mich zurück in das nach junge 19. Jahrhundert und lässt die historischen Ereignisse am Mittelrhein sehr lebendig aus den Seiten steigen. Auch gibt es ein Wiedersehen mit dem Schinderhannes, dessen Figur sicherlich einigen Leser:innen bekannt sein dürfte.

Es gelingt der Autorin, die fiktiven Lebensgeschichten am Rheinufer mit dem ständig fließenden Strom des Flusses zusammenzufügen und daraus eine neue Wahrnehmung entstehen zu lassen, die sich wirklich ereignet haben könnte. Die Leser;innen erfahren einiges über die Zeit der französischen Besatzung am Rhein und erleben so eine kurzweilige Geschichtsstunde, die wie im Flug vergeht.

Dabei kann Lisbeth von ihrer Person überzeugen, denn sie ist eine starke Persönlichkeit, die sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen lässt. Sie steht immer einmal mehr auf, wenn man sie hinwirft und aus ihrer Liebe zu Johann zieht sie eine nicht enden wollende Energie. Johann hingegen ist ein Blatt mit zwei Seiten und manchmal etwas unnahbar. Hallmann ermöglicht ihren Leser;innnen, in der Gefühls- & Gedankenwelt ihrer Figuren zu lesen wie in einem offenen Buch. Das macht sie glaubwürdig und authentisch, sodass hier eine Art persönliche Beziehung zwischen Lesenden und Charakteren entsteht.

Der Roman ist eine stimmige Mischung aus historischen Ereignissen, sinnlichen Szenen und einem gelungenen Porträt einer Frau, die sich gegen alle Widrigkeiten stellt und ihren Weg geht.

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Veröffentlicht am 25.04.2023

Als der Badeurlaub baden ging

"Ob die Möwen manchmal an mich denken?"
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Unter der Schreckensherrschaft der Braunhemden hat sich nicht nur das Bild in den Städten und Dörfern gewandelt, auch der Tourismus war von den völkischen Ideologien betroffen. Doch wie sah der Alltag ...

Unter der Schreckensherrschaft der Braunhemden hat sich nicht nur das Bild in den Städten und Dörfern gewandelt, auch der Tourismus war von den völkischen Ideologien betroffen. Doch wie sah der Alltag an den weißen Stränden der Ostseeküste aus, als der Wind eindeutig die falsche Richtung eingeschlagen hat ?

Dieser bisher wenig bekannten Frage widmet sich Kristine von Soden und lässt ihre Leser;innen hinter die schützen Sandburgen blicken, die nicht nur den Wohlfühlbereich der Badegäste als Territorium abstecken, sondern auch sinnbildlich für die Ausgrenzung der jüdischen Besucher;innen der Urlaubsorte stehen.

Doch nicht erst mit dem immer härteren Durchgreifen des braunen Sumpfes wird der weiße Ostseestrand "gesäubert", schon lange vorher bahnen sich erste Vorboten des "Bäder-Antisemitismus" den Weg an die Küste. Die Autorin zeichnet ein erschreckendes und sehr nachdenklich stimmendes Bild der damaligen Zeit und belegt mit Transkriptionen, Originalaufnahmen und Ablichtungen von Werbeanzeigen, wie sich der Sinneswandel Stück für Stück vollzogen hat, um anschließend mit stolzgeschwellter Brust verkünden zu können, dass nicht nur die Strände, sondern auch die Hotels und Pensionen "Judenrein" sind.

Dabei dürfen wir gemeinsam mit Käthe Kollwitz, Asta Nielsen, Else Lasker-Schüler u. a die Sommerfrische gneißen, die aber zunehmend von aufziehenden dunklen (braunen) Wolken getrübt wird. Die deutschnationale Bewegung und die antisemitisch-rassistischen Gedanken brechen sich wie die Wellen am Spülsaum und überschwemmen regelrecht die Ostseebäder. Immer häufiger ist zu lesen, dass jüdische Badegäste unerwünscht sind und nicht nur auf den Sandburgen die Hakenkreuzfahne gehisst wird.

Der Titel des Buches ist einem Zitat von Asta Nielsen entnommen und im Verlauf des Buches wird den Leser,innen erst die melancholische und zugleich erschreckende Bedeutung bewusst. Kristine von Soden hat hervorragend recherchiert und Fakten ans Tageslicht gebracht, die bisher gut zwischen den weißen Sandkörnern der Ostseestrände vergraben gewesen sind.

Eine seht nachdenklich stimmende und aufrüttelnde Lektüre, die lange in Erinnerung bleibt.


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Veröffentlicht am 24.04.2023

Kleider machen Leute, aber der Charakter macht den Menschen

Unangepasst
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Ursel Braun gelingt eine einzigartige Kombination in ihrem Buch, denn sie vereint sieben Porträts grandioser Frauen (u. a Frida Kahlo, Tamara de Lempicka, Josephine Baker) zu eine kurzweiligen und äußerst ...

Ursel Braun gelingt eine einzigartige Kombination in ihrem Buch, denn sie vereint sieben Porträts grandioser Frauen (u. a Frida Kahlo, Tamara de Lempicka, Josephine Baker) zu eine kurzweiligen und äußerst interessanten Lektüre, die den Fokus nicht auf das bereits Bekannte, sondern auf einen neuen Blickwinkel legt. Dabei ermöglicht die Schreibende ihren Leser;innen einen Blick in den Kleiderschrank der Künstlerinnen und zeigt so, dass die Kleidung der Frauen eben nicht dem Zweck und der Alltagstauglichkeit unterliegt, sondern von ihnen als nonverbale Kommunikation genutzt und zu einer Art Mittel zur Selbstdarstellung wird.

Kleidung wird hier gezielt eingesetzt , um ein Understatement abzugeben und der breiten Öffentlichkeit mitzuteilen, dass Frau sich nicht in das gesellschaftliche Korsett zwängen lässt, sondern sich frei und - wie der Titel beschreibt - unangepasst durchs Leben bewegt.

Unvergessen ist das Bananenröckchen von Josephine Baker, das bei näherem Betrachten so gar nicht erotisch ist, sondern mit Widerhaken versehen eine ganz andere Bedeutung bekommt. Die opulenten Trachten von Frida Kahlo sind schützender Kokon und Ausdruck des absoluten Überlebenswillen zugleich, während Luise Nevelson mit ihrer Kleidung eine Art kunstvolle Collage erschafft.

Die Lebensgeschichten der Künstlerinnen sind aufregenden und spannend erzählt und unterscheiden sich gänzlich von dem, was bisher veröffentlicht worden ist. Denn hier liegt eindeutig der Fokus auf dem Weg zum Sein, fernab aller Konventionen und Rollenmuster. Ein Leben voller Träume, die es zu verwirklichen gilt, sei es mit Rebellion oder auf den Flügeln der Liebe. Ein Buch, das vom immer wieder Aufstehen und Weitergehen erzählt, auch wenn die ersten Schritte nach dem Hinfallen schmerzhafter sind als erwartet.

Absolut lesenswert !

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