Regina Stahl hat mit „ihrer Fotografin“, wie sie Brita Sönnichsen nennt, ein interessantes Buch über Sylt, ihre Lieblingsrestaurants, Bars, Cafes und Einkaufsmöglichkeiten zusammengestellt.
Viele Fotos, persönliche, kurze Geschichten, auch von den einzelnen Restaurantbetreibern oder der Lokalprominenz runden das Bild dieser Insel ab. Immer wieder kommen Bekannte der Autorin zu Wort, die betonen, dass sie alles anstellen würden um „dazu zu gehören“ wenn es nicht schon so wäre (beispielsweise die Bürgermeisterin). Frau Stahl verrät Insidertipps, um sich nicht als direktes Sylt-Grennhorn zu outen, wenn man beispielsweise Bürgermeisterkuchen falsch bestellt (richtig spricht man nur „Bürgermeister“). Durch viele persönliche Eindrücke und Annekdoten lerne ich Frau Stahl ein wenig kennen, erfahre immer wieder, dass ihr Lieblingsgetränk Champagner sei und lese unter ihren Speiseempfehlungen unter anderem über die „eleganteste Currywurst der Insel“, die mit Blattgold überzogen ist oder vom Gericht „Kaviar mit Spagetti“(S. 195), wobei mich die Betonung der Hauptzutat (üblicherweise an erster Zutatenstelle) ein wenig abstößt.
Die bebilderte Reise erstreckt sich über die gesamte Insel; zu den einzelnen gastronomischen Lokalitäten, zur Schokoladenfabrik, dem Teeladen oder dem Friseur erhält man direkt die Adresse, Telefonnummer, Internetseite und manchesmal auch die Wartezeit nach Anmeldung. Auch das Outlet der Luxuslabels wird auf S. 177 aufgeführt. Jeder vorgestellte gastronomische Betrieb steuert zwei Rezepte zu diesem Buch bei; vom champagnerbasierten Cocktail über Reh mit Mango, Austern, Bouillabaisse finden sich aufregende, kreativ zusammengestellte ( beispielsweise Gambas auf Sauerkraut, Erbsensuppe mit Garnelen) oder bodenständige Rezepte wie Grünkohl mit Pinkel, Kassler und Schweinebacke oder Milchreis, wie ihn jeder von uns uns kochen würde.
Die Rezepte an sich fand ich schon recht interessant, wobei mich ein Dessert besonders angesprochen hat: „Sommergarten“ (S. 202). Es wird zusammengestellt aus Cassisholzeis, Süßdolde-Sorbet, Espuma, Johannisbeercurd und Cassissud – zwei verschiedenfarbige Eiskugeln mit Sauce und sehr schöner Deko. Nach Lesen des Rezeptes denke ich, dass die Zubereitung mehrere Stunden beansprucht. Der Thermomix, den man dafür benötigt, wird die meisten von uns nicht vor ein Problem stellen, vielleicht eher Zutaten wie Super Neutrose, Milchpulver, Isomalt oder Jostabeerensäure.
Die Rezepte wurden gut erklärt, sind manchmal also etwas aufwendig nachzuarbeiten und durch schöne Fotos ergänzt. Die Abwechslung finde ich gelungen, genauso wie die „Reise“ über die Insel und das Vorstellen der einzelnen Orte. Ich muss gestehen, dass ich hier gerne mehr Fotos der Landschaft gesehen hätte und nicht vornehmlich die Präsentation der Lokale samt Betreiber; so war mir das ein wenig zu einseitig um eine Insel darzustellen, die ich bislang nur aus Medienberichten kannte, über Prominente und Angehörige des Geldadels, erfolgreichen Grundstücksspekulanten und den wirklichen Einheimischen, die in ein unschönes Wohnfeld am Rande (eher ein Ghetto) oder auf das Festland verdrängt werden und täglich zum Arbeit in ihre „alte Heimat“ pendeln.
Ich muss gestehen, dass mein Lieblingsgetränk nicht Champagner sondern Wasser ist, dass ich die Ruhe auf Pellworm liebe und es dort auch nach Rosen und Lavendel duftet. Ganz besonders schätze ich es, im Pellwormer Hafen frische Krabben zum Puhlen zu kaufen oder am Treffpunkt nahe des Leuchtturms mit zum Krabbenfangen, abkochen und essen dabei zu sein. Ich mag es so frisch und schätze es, Einheimische und Restaurantbetreiber kennenzulernen. Die Beschreibungen im Buch, dass Sylter Lokalinhaber auch einmal im Monat persönlich vor Ort sind oder dass beispielsweise auf S. 86 im Rezept „Softshell Crab auf Seealgen-Salat“ Tiefkühlkrabben aufgetaut werden, sprechen mich nicht sonderlich an. Ich würde direkt am Meer auf jeden Fall Frischware erwarten, genauso, wie ich sie auch fernab der Küste kaufen kann.
Insgesamt wurde das Buch wunderschön gestaltet; insbesondere die Umschlagseiten, bei denen man sogar die Fugen zwischen den Kacheln und auf den Vorsatzseiten den mit Lack aufgebrachten Sand fühlen kann, haben es mir angetan. Die weitere Gestaltung finde ich durchgehend gelungen und schön; auf jeder Seite spiegelt sich Frau Stahls Liebe zu dieser Insel und ihren Freunden dort wieder. Ich muss gestehen, dass sie mich damit jedoch nicht angesteckt hat und ich immer noch nicht zu denen gehören möchte, die „dazu gehören“; vielmehr haben sich meine „Vorurteile“ Sylt gegenüber bestätigt. Von den Rezepten, die einen großen Teil des Buches ausmachen, werde ich wohl eher keines nachkochen. Am allermeisten haben mich die Cover- und Vorsatzseitengestaltung beeindruckt, so dass ich diese unbedingt nochmals erwähnen muss.
Ich bin überzeugt, dass dieses Buch für Sylt-Liebhaber und jene, die „dazugehören“ ein wahres Kleinod sein wird, ein Wegweiser mit Tipps oder ein „Familienalbum“ mit vielen schönen Fotos und Geschichten.