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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.01.2018

gut erklärt, schön erzählt und reichlich bebildert

Wie Wind unser Wetter bestimmt
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Sven Plöger reist mit Team in verschiedene Länder, stellt einzelne Bewohner sowie deren klimatische Bedingungen vor. So erfährt man z.B., in Lappland, dass Rentiere bis -80Grad Kälte ertragen und wie ihre ...

Sven Plöger reist mit Team in verschiedene Länder, stellt einzelne Bewohner sowie deren klimatische Bedingungen vor. So erfährt man z.B., in Lappland, dass Rentiere bis -80Grad Kälte ertragen und wie ihre Nase als Wärmetauscher funktioniert, wie der Mistral die Bäume an der Cote d'Azur zum Meer higebogen wachsen läßt, wie Windmühlen Landstriche der Niederlande trockengelegt haben oder wie wir an hohen Gebäuden den Monroe-Effekt selber erleben können. Immer wieder finden sich lila hinterlegte Doppelseiten, auf denen Phänomen ganz leicht verständlich erläutert werden.

Das Buch zeichnet sich durch seine leicht verständlichen Erklärungen, vielen Diagrammen, Fotos und Beispielen aus, die manchmal sogar recht flapsig daher kommen. Ich halte das Buch auch für jüngere Leser geeignet, da es leicht und gut verständlich Wissenswertes zur Wetterentstehunh samt Wirkung vermittelt.

Veröffentlicht am 16.01.2018

fesselnder Roman über aktiven und passiven Rassismus

Kleine große Schritte
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Jodi Picoult hat basierend auf einem Fall, von dem sie in der Zeitung las, die Geschichte der 44 jährigen Ruth Jefferson erdacht, einer verwitweten, alleineziehenden afroamerikanischen Hebamme und Säuglingsschwester, ...

Jodi Picoult hat basierend auf einem Fall, von dem sie in der Zeitung las, die Geschichte der 44 jährigen Ruth Jefferson erdacht, einer verwitweten, alleineziehenden afroamerikanischen Hebamme und Säuglingsschwester, die seit über 20 Jahren hervorragende Arbeit in einem Krankenhaus leistet.
Als ein rechtsradikales Ehepaar ihr untersagt, ihrem neugeborenen Sohn Davis zu behandeln und auch nur zu berühren, erhält sie von den Vorgestzten eine dementsprechende Dienstanweisung. In einer problematischen Situation steht sie vor einer schwierigen Situation, denn sie muß sich entscheiden, sich dieser Dienstanweisung zu widersetzen als dieser Junge, nach einem Eingriff und der kurzen alleinigen Überwachung durch sie, aufhört zu atmen. Egal, wie sie sich entscheidet, es wird für sie negative Konsequenzen haben. So wird sie nach erfolgloser Reanimation durch das gesamte Notfallteam von Davis Eltern angezeigt und vom Krankenhaus, ihrem Arbeitgeber, als schwarzes Bauernopfer hingehängt.
Der Roman wird kapitelweise aus der Sicht der verschiedenen Betroffenen erzählt; sowohl Ruth als auch der Kindsvater Turk kommen zu Wort, berichten über ihr Leben, ihre Kämpfe, ihren Werdegang. Man liest über Ruths lebenslange Versuche einfach nicht aufzufallen, dazuzugehören, immer alles bestmöglich und gewissenhaft zu erledigen, genauso wie von Turk, wie sich sein Hass entwickelt hat, wie rekrutiert und im Untergrund gearbeitet wird und wie beide, samt ihrer Familien, die Trägödie erleben und samt Rechtsbeistand vor Gericht agieren.
Der Erzählstrang Ruths Pflichtverteidigerin Kennedy zeigt ihre Ermittlungen, die Taktik im Prozeß und ihre eigene veränderte Wahrnehmung von Rassismus, die keinesfalls immer aktiv stattfinden muß, auf. Die Beschreibungen der ehemaligen Skinheads, die ihre Bewegung verlassen haben, über ihre Erfahrungen und Hassverbrechen und die eigene Wahl und Möglichkeit, diesen Hass in Liebe zu verwandeln, berichten, machen Mut und zeigen eine mögliche Wendung auf.

Insgesamt war dieser Roman von Jodi Picoult wieder sehr spannend erzählt, das Thema äußerst vielschichtig betrachtet; man merkt ständig, wie intensiv sie vorab recherchiert und wie einfühlsam sie sich mit dem Thema auseinandergestzt hat.
Gerade die Beschreibungen der passiven, meist unbedachten oder ignorierenden Aspekte, des selber meist gar nicht wahrgenommenen Rassismus fand ich äußerst interessant; so stimmen die vielen Details beim Lesen doch sehr nachdenklich und wirken nach.

Veröffentlicht am 12.01.2018

konnte mich nicht wirklich packen

Leere Herzen
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Julia Zehs „Leere Herzen“ spielt im Jahr 2055: Angela Merkel ist zurückgetreten, eine mit großer Mehrheit gewählte Partei, unter der es das bedingungslose Grundeinkommen genauso gibt, wie den Kampf gegen ...

Julia Zehs „Leere Herzen“ spielt im Jahr 2055: Angela Merkel ist zurückgetreten, eine mit großer Mehrheit gewählte Partei, unter der es das bedingungslose Grundeinkommen genauso gibt, wie den Kampf gegen Überfremdung oder starke Einschränkung der Presse, ist an der Macht.
Erzählt wird unter anderem die Geschichte von zwei befreundeten Familien mit jeweils einer Tochter und unterschiedlichen Lebensstrategien und Plänen. Es handelt sich um die Familien von Britta und Janina; Britta, desillusioniert von Welt, Politik und Gefühlen betreibt zusammen mit Babak die „Brücke“, eine Praxis für Leute, die bei Internetrechcherche auf Selbstmörderseiten aufgefallen sind. Ausgewählte werden eingeladen und durchlaufen in einer Therapie verschiedene Übungen und Stufen um ihren festen Willen zu testen, Niedrigbepunktete zurück ins Leben zu entlassen und Standhafte äußerst gewinnbringend als Selbstmordattentäter an Orgnisationen zu vermitteln – bis zu dem Zeitpunkt, an dem „die Brücke“ Konkurrenz zu erhalten scheint...

Britta und Janina spielen immer wieder ein Spiel, dass sie „Dilemma“ nennen; eine von ihnen denkt sich eine Situation aus und die andere muß sich zwischen zwei vorgegebene Lösungen entscheiden. Bei einem Dilemma-Spielchen muß man sich entscheiden zwischen einer Waschmaschine oder dem Wahlrecht. Und in ein ähnliches Dilemma gerät Britta am des Buches: Sie muß sich entscheiden, ob es vertretbar ist, eine demokratisch gewählte Regierung zu putschen.

Dieses war das zweite Buch von Julia Zeh, das ich gelesen habe, direkt nach „Unterleuten“, an das es meiner Meinung nach nicht herankommt.

Julia Zehs Schreibstil empand ich als sehr kühl und distanziert; was für dieses Thema vielleicht genau passend sein kann. Für mich hat es eine ganze Zeit, etwas mehr als die ersten 50 Seiten, gedauert um in der Geschichte anzukommen; als auf Distanz gehaltener Betrachter wurde ich mit keiner der beschriebenen Personen wirklich warm. Ein bißchen dick aufgetragen war mir dann auch der erzieherische Ansatz dieses als „Lehrstück“ empfundenen Romans. Selbstverständlich ist es wichtig, sich politisch zu bilden und für seine Überzeugungen einzutreten, aber als Apell und Quintessenz dieses Buches macht das Ganze auf mich schon den Eindruck, das es sich wohl eher als Schullektüre für Jugendliche mit anschließender Diskussionsrunde eignet. Die, die sich Sorgen machen, wohin die Angst vor Entfrendung und der Wahlerfolg der Afd führen könnten, werden durch diesen Roman kaum erschüttert werden...
Ich muß gestehen, dass ich etwas mehr erwartet habe; so läßt mich das Buch noch nicht einmal betroffen oder nachdenklich zurück.

Veröffentlicht am 12.01.2018

spannend erzählt

Unterleuten
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Juli Zeh beschreibt in ihrem 640 seitigen Roman den Wandel eines brandenburgischen Dorfes namens „Unterleuten“ seit der Wende, wobei vorhergehende Ereignisse ihre Schatten bis in die Gegenwart werfen.

Anhand ...

Juli Zeh beschreibt in ihrem 640 seitigen Roman den Wandel eines brandenburgischen Dorfes namens „Unterleuten“ seit der Wende, wobei vorhergehende Ereignisse ihre Schatten bis in die Gegenwart werfen.

Anhand von Erlebnissen Alteingesessener und nach der Wende Zugezogener erlebt der Leser den Wandel von der Plan-, über die Unterleutener Tausch- zu der um sich greifenden Marktwirtschaft samt dem großen Ausverkauf, bei dem nahezu jeder das Beste für sich herausholen will. Schon seit jeher scheint Unterleuten ein Dorf gewesen zu sein, das nicht mit Behörden zusammengearbeitet hat und stolz darauf war, alles selber zu regeln; da fallen eigene Rachefeldzüge, kriminelle Aktionen und Selbstjustiz, Tratsch und Verleumdung gar nicht wirklich auf, sondern gehören zum ganz normalen Alltag dieses Dorfes. Soziale Verstrickungen und Abhängigkeiten beeinflussen das Taktieren seit jeher und nun, während der Planung eines Windparks, stellen sie die Gegenspieler zu skrupellosen Investoren dar, beim Wettlauf um die eigenen Vorteile, bei denen auch Zugezogene alles geben.

Die Bewohner Unterleutens werden eher klischeehaft dargestellt; im Laufe des Romans lernt man sie ein wenig kennen, erfährt von ihren Schicksalschlägen, Beweggründen, Überzeugungen, von Situationen, die sie sprachlos oder gedemütigt zurückließen und veränderten, von Treue und Verrat und von Familienfehden, die sich über Jahrzehnte erstrecken. Trotz der Einblicke in ihr Leben hinterläßt keiner von ihnen einen wirklich bleibenden Eindruck bei mir. Das ist vielleicht auch gar nicht nötig, um über ihre und die eigene Moral nachzudenken und sich zum Schluß mit ihnen gemeinsam zu fragen: Hat es sich dafür gelohnt?


Insgesamt wurde der Roman spannend und facettenreich erzählt; dennoch fand ich einiges schon deutlich zu langatmig und überzeichnet.

Veröffentlicht am 04.01.2018

sachlich, unfaßbar und beeindruckend akribisch recherchiert

Der Serienkiller, der keiner war
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Dan Josefsson hat sich in diesem Buch ausführlich damit auseinandergestzt, wie es möglich war, dass Sture Bergwall 39 Morde gestand, ohne sie begangen zu haben und dafür verurteilt wurde, ohne dass Zweifel ...

Dan Josefsson hat sich in diesem Buch ausführlich damit auseinandergestzt, wie es möglich war, dass Sture Bergwall 39 Morde gestand, ohne sie begangen zu haben und dafür verurteilt wurde, ohne dass Zweifel an seinen, häufig wiedersprüchlichen Aussagen genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Akribisch genau hat Josefsson sich mit den Aussagen Sture Bergwalls, der sich 1997 in Thomas Quick umbenannte, den Ansätzen seiner Therapeuten, Ansprüchen der Klinikleitung oder Widersprüchen in Bergwalls Aussagen auseinander gesetzt. Er zeichnet das Bild der Psychoanalytikerin Margit Norell, die selbst im Alter von 83 Jahren immer noch, nach vielen beruflichen Niederlagen und unterschiedlichen, vertretenen Richtungen, Bergwalls Therapeuten selber therapiert und supervidiert, wie schon seit Jahrzehnten, wobei sie eher als Sektenführerin oder Gruppenmutter, die keinerlei Kritik duldet, mit dem Fall Quick endlich zu Ruhm und Ehre gelangen will. Offensichtlich war sie vom Fall Thomas Quick besessen, wollte ein Buch darüber schreiben und schulte ihre „Kinder“ in „Verdrändungstheorie“, die Quick auch sehr geschickt bediente, um an Anerkennung, Drogen oder sichere Unterkunft als Belohnung dafür zu erhalten.
Die Klinikleitung selber versucht mit den sensationellen Ergebnissen der Therapie im eigenen Haus und der stetigen Medienpräsenz, schlechten Zeiten und roten Zahlen zu entkommen.
So werden schon frühe Zweifler ignoriert, u.a. von diversen Psychologen, Juristen und anderen Experten, beispielsweise ein Kriminologe, der in Quick einen Mythomanen sah oder ein Journalist, der die Glaubwürdigkeit der Geständnisse des seit seiner Jugend ständig zugedröhnten Berwall/Quick genauso hinterfragte, wie die Wahrhaftigkeit der widersprüchlichen Aussagen, die mit unterschiedlichen Traumata samt Schutzmaßnahmen sowie deren Überwindung und sich langsam offenbarenden Erinnerungen erklärt wurden.
Eben jener Journalist und der Bruder Bergwalls waren bestrebt, diesen großen Justizskandal aufzudecken, den Dan Josefsson schließlich haarklein recherchierte, durch Befragungen, gelesene Protokolle, vielseitige Recherche und auch Interviews mit Bergwall ausgesprochen vielschichtig darstellt. Im Anhang finden sich 536 Anmerkungen/Fußnoten sowie 15 dichtbeschrieben Seiten mit Quellenangaben.
Das ganze Buch vermittelt ausgesprochen detailliert, wie sich selbst überschätzende Therapeuten
kritik- und reflektionslos der Sichtweise ihrer Supervisorin unterwerfen um gemeinsam mit ihr Karriere zu machen und selbst nach dem späteren Freispruch Bergwalls nicht von ihrer uraprünglichen Meinung abwichen oder Einsicht zeigten. Ganz beeindruckend wird auch aufgezeigt, warum Bergwall die 39 Morde gestand, wie er schauspielrete und was er sich dadurch erhoffte.

Insgesamt fand ich das Buch ausgesprochen fesselnd und aufschlußreich; stellenweise war es mir schon ein wenig zu ausführlich, aber es ist ja sinnvoll, alle erkannten Details aufzuführen, auch wenn sich da manches wiederholt. Neben den Begebenheiten in Bergwalls Leben, zeigen gerade auch die Beschreibungen der Lenbenswege der „Quick-Gruppe“ ( Arzt, Therapeuten, Supervisorin, ehem. Staatsanwalt) ihre Beweggründe und auch verschiedene Lehrmeinungen und Ansätze auf. Die geführten Recherchen beeindrucken zutiefst und je weiter man liest, umso weniger kann man verstehen, dass die Wahrheit nicht schon viel früher ans Licht gekommen ist, dass so wenige zweifelten und diese nicht weiter beachtet wurden. Nicht nur die Fassungslosigkeit, wie dies alles geschehen konnte, sondern die Erkenntnis, dass dies nicht ein Einzelfall sein muß, sondern gerade dieses Bestreben, verdrängte Erinnerungen in Therapien hervorzuholen und dabei häufig durch Suggestion tatsächlich falsche Erinnerungen zu implantieren, hinterläßt eine ganz andere Sicht auf Psychotherapie und Selbsteinschätzung der Therapeuten.