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kerstin_aus_obernbeck

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Veröffentlicht am 30.10.2023

Tausende liebevolle Kalorien

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Wenn man alt wird, hat man manchmal das Gefühl, ein einfacheres, ruhigeres Leben würde besser zu einem passen, aber Jenny hat bewiesen, dass man in jeder Phase seines Lebens Träume haben kann … und dass ...

Wenn man alt wird, hat man manchmal das Gefühl, ein einfacheres, ruhigeres Leben würde besser zu einem passen, aber Jenny hat bewiesen, dass man in jeder Phase seines Lebens Träume haben kann … und dass sie gerade wegen und nicht trotz unseres Alters wahr werden können (S. 306)

Jennifer Quinn ist 77 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann Bernhard (82) in Kittlesham. Sie haben es gemütlich in ihrem kleinen Haus und genießen den Ruhestand. Schon 59 Jahre sind sie verheiratet, im kommenden Jahr feiern sie ihren 60 Hochzeitstag und auch nach all den Jahren sind sie einander immer noch sehr zugetan, achten aufeinander und tun sich gegenseitig gut und Gutes. Jenny backt für ihr Leben gern, immer schon. Sie kommt aus einer Familie, in der das Backen eine wichtige Rolle gespielt hat und während Bernie und sie im Fernsehen „Das Backduell“ schauen, kommt ihr die Idee, sich als Kandidatin für die Sendung zu bewerben. Aus Angst, dass sie nicht angenommen oder es eine Enttäuschung wird, hält sie ihre Bewerbung geheim – und es ist nicht Jennys einzige Geheimnis, denn schon seit 60 Jahren gibt es etwas, dass niemand erfahren darf.

„Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ erzählt von der fabelhaften, patenten Jenny Quinn. Mit ihrem Mann Bernhard erlebt sie intensiv „den Herbst des Lebens“, beide sind sich der Endlichkeit bewusst, gehen liebevoll und zugewandt miteinander um und aufeinander ein. Bernie ist ruhig, besonnen und liebt seinen Garten und Jenny stürzt sich mutig in das Abenteuer, an der TV-Show teilzunehmen. Diese Teilnahme wirbelt ihr ruhiges Leben durcheinander – und ist für Jenny auch auf andere Weise eine Herausforderung, da es Erinnerungen an früher heraufruft, an die Zeit, bevor sie mit Bernhard verheiratet war und aus der sie noch immer ein Geheimnis mit sich herumträgt. Diese Zeit wird in dem Roman in Rückblenden erzählt und so wird nicht nur nachvollziehbar, warum Jenny das Backen so sehr liebt.

Die einzelnen Kapitel sind mit Backwaren betitelt und in dem Buch wimmelt es nur so von Schwarzwälder Kirsch und Co;
1 Millionen liebevolle Kalorien auf 400 Seiten.

Jennys Rezeptesammlung beinhaltet Rezepte von ihrer Oma und Mutter und mit diesen Rezepten sind Erinnerungen an geliebte Menschen und besondere Momente verbunden. Es sind auch Jennys Erinnerungen und ihre Geschichte, die mich berührt haben und sie zeigen, dass es gut ist, dass sich die Zeiten in mancher Hinsicht geändert haben.

Ein Wohlfühlroman, der warmherzig eine wunderbare Geschichte von Liebe, Träumen und Mut erzählt.
Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 07.10.2023

Ein grandioser Krimi

Mord auf der Insel Gokumon
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Jane Marple, Sherlock Holmes, Kalle Blomquist, Kosuke Kindaichi.
ähm…Kosuke wer?
Genau! Mir war dieser Name zuvor auch kein Begriff. Aber nun bin ich im #teamkosuke und begeistert von den Krimis von Seishi ...

Jane Marple, Sherlock Holmes, Kalle Blomquist, Kosuke Kindaichi.
ähm…Kosuke wer?
Genau! Mir war dieser Name zuvor auch kein Begriff. Aber nun bin ich im #teamkosuke und begeistert von den Krimis von Seishi Yokomizo, in denen Kosuke Kindaichi ermittelt.

September 1946, „Die rätselhaften Honjin-Morde“, der erste Fall von Kosuke Kindaichi liegen 9 Jahre zurück und kehrt aus dem Krieg zurück.
Auf dem Rückweg hat ihn sein Kriegskamerad und Freud Chimata Kito im Sterben liegend gebeten in seine Heimat, auf die Insel Gokumon zu reisen, um dort zu verhindern, dass seine 3 Halbschwestern ermordet werden.
Mit einem Empfehlungsschreiben an den Bürgermeister, den Arzt und den Priester der Insel reist Kosuke nach Gokumon, nicht wissend, was ihn dort erwartet.

Gokumon ist eine abgelegene Insel, die nur per Boot zu erreichen ist. Die Bewohner leben von der Fischerei und die Familie Kito betreibt den größten Fischereibetrieb, dessen Erbe Chimata gewesen wäre. Die Familienverhältnisse sind etwas wirr, neben seinem Cousin, der noch nicht aus dem Krieg zurück ist, sind die 3 Halbschwestern erbberechtigt. Ferner gibt es noch einen Seitenzweig der Familie Kito, der ebenfalls Anspruch auf eine Vormachtstellung auf Gokumon erhebt.

Bereits auf der Überfahrt trifft Kosuke den Priester und erhält die Möglichkeit, für die Zeit des Aufenthaltes bei ihm zu wohnen.
Auch wenn sich manche Bewohner ein wenig merkwürdig verhalten, Gokumon etwas weltfremd und realitätsfern erscheint, ist die Welt dort doch überwiegend in Ordnung und es scheint keine Gefahr für die Halbschwestern zu bestehen. Aber der Schein trügt, denn bald schon wird Hanako, die älteste Halbschwester, tot aufgefunden.

Ich habe bereits den 1. Fall von Kosuche Kindaichi gelesen und bin erneut total begeistert - dies ist ein richtig guter Krimi der allerbesten Sorte.
Ruhig und ausführlich wird der Lesende mit auf die Insel genommen, mit der Umgebung und den Menschen vertraut gemacht. Seishi Yokomizo erzählt wunderbar, spricht immer wieder die Leser*innen an und beschreibt lebhaft Land, Leute und Lebensart.
Die Lösung dieses Krimis ist raffiniert und absolut christie-like!

In dem Buch findet sich ein Personenregister, welches für mich recht hilfreich war. Ferner gibt es auch ein interessantes Glossar, dass dem Lesenden interessante Informationen gibt.

Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 14.09.2023

ein berührender Roman

Sylter Welle
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Lore und Ludwig haben in ihrem Leben gern Urlaub gemacht, bevorzugt Camping und dies gern auch auf Sylt. Nun gehen beide auf die 90 zu, für einen vielleicht letzten Urlaub auf der Lieblingsinsel haben ...

Lore und Ludwig haben in ihrem Leben gern Urlaub gemacht, bevorzugt Camping und dies gern auch auf Sylt. Nun gehen beide auf die 90 zu, für einen vielleicht letzten Urlaub auf der Lieblingsinsel haben sie ein Apartment in der „Sylter Welle“ gemietet und ihren Enkel Max für das Wochenende eingeladen.
Eigentlich ist für Max alles wie immer - und doch ist vieles anders. Natürlich ist Oma Lore noch immer resolut und Opa Ludwig nimmt vieles mit einem Augenzwinkern, jedoch wird die Leichtigkeit der Ferien, der Eindruck der schieren Unendlichkeit, den die Sommerferien früher versprüht haben, bei diesem Besuch vermehrt und sehr intensiv von Veränderung und Endlichkeit abgelöst.

Gemeinsam verbringen sie ein Wochenende, reden und schweigen über vergangene Zeiten, leben im Hier und Jetzt und genießen das Beisammensein.

„Ich sehe die beiden vor mir, wie sie da so nebeneinanderhocken, und es ist beinahe unmöglich, mir vorzustellen, dass sie ja irgendwann einmal zwei völlig voneinander getrennte Leben geführt haben müssen.“ (S.128)

„Sylter Welle“ erzählt die Geschichte einer Familie, die auch meine Familie sein könnte – insbesondere die bisweilen spröde westfälische Herzlichkeit ist mir nicht fremd.
Ja, Kartoffeln sind solide und um eine Schramme am Knie macht man kein großes Gewese. Selbstverständlich sind Detmolder Landbier und Pickert eine Spezialität, zum Glück sind die Zeiten von „Bärenfang“ vorbei (ich habe mich extra bei meinen Eltern erkundigt)

Der Autor erzählt aus dem Leben von Lore und Ludwig, von ihren Kindern und Enkeln, als ob man sich schon ewig kennt. Eine Familie, die sich nicht durch inflationäre Zuneigungsbekundungen hervortut, die jedoch füreinander da ist; Freud, Leid und Veränderung miteinander teilt. Und Max Richard Leßmann formuliert ganz wunderbar die Empfindung, die mit der Erkenntnis der Endlichkeit einhergeht.

Ein wunderbarer, zwischenzeilig warmherziger Roman. Dieser Text voller Wärme, Zuneigung und Liebe hat mich sehr berührt.

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Veröffentlicht am 14.09.2023

Ein schwieriges Thema - eine schöne Geschichte

Elternhaus
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„Waren es immer die Kinder, die einem Elternhaus das Ende bereiteten? Es als unpraktisch und für seine Bewohner nicht mehr als zeitgemäß erklärten? Die Kinder, die dann schon lange keine Kinder mehr waren ...

„Waren es immer die Kinder, die einem Elternhaus das Ende bereiteten? Es als unpraktisch und für seine Bewohner nicht mehr als zeitgemäß erklärten? Die Kinder, die dann schon lange keine Kinder mehr waren und fortan damit leben mussten, ihren Eltern das Haus genommen zu haben. Und wie zur Strafe auch sich selbst das Elternhaus.“ (S299)

Das Buch erzählt von Sanne, Petra und Gitti – und von ihren Eltern und dem Elternhaus.
Das Haus, dass der Vater gebaut hat, mit dem Nussbaum im Garten. Das Haus, in dem sie aufgewachsen sind, mit dem sie viele schöne Erinnerungen verbinden. Aber diese Zeit ist lange vorbei. Die Schwestern sind inzwischen erwachsen. Gitti führt ein unkonventionelles Leben, Petra hat es beruflich in eine entfernte Stadt verschlagen, nur Sanne wohnt in der Nähe ihrer Eltern und führt ein Leben, von dem sie einst dachte, es würde ihren Wünschen und Vorstellungen entsprechen.

Der Kontakt der Geschwister untereinander ist dürftig. Gitti und Sanne haben sich zumindest noch ein wenig zu sagen. Petra ist außer Sichtweite und irgendwie auch aus dem Sinn. Sanne kümmert sich um die Eltern, denn diese sind nun in einem Alter, in dem sie bisweilen Unterstützung benötigen, die täglichen Aufgaben nicht mehr ganz allein bewältigt bekommen. Sanne unterstützt zunächst bestmöglich, beschließt dann aber, dass die Eltern das Haus aufgeben und in eine seniorengerechte Wohnung umziehen müssen. Von dieser Entscheidung sind jedoch nicht alle Beteiligten begeistert und jedes Familienmitglied geht unterschiedlich damit um.

„Elternhaus“ ist ein berührender Roman. Ute Mank versteht es hervorragend diese besondere Situation aufzugreifen und gefühlvoll zu beschreiben, wie die Familie die Veränderungen erlebt. Das Verhalten der handelnden Personen ist gut nachvollziehbar, sei es Sanne, die es „gut meint“, Petra, die den „Verlust“ des Elternhauses nicht versteht, aber auch die Eltern, die aus der vertrauten Umgebung herausgenommen werden.

Ein Buch zu einem nicht einfachen Thema. Gut erzählt und sehr gut lesbar.

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Veröffentlicht am 14.09.2023

Ein weiblicher Text - kraftvoll, aber auch irritierend

Ein Geist in der Kehle
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„Dies ist ein weiblicher Text“ – immer wieder findet sich dieser Satz in der Geschichte, die Doireann Ní Ghríofa in ihrem Buch „Ein Geist in der Kehle“ erzählt. Zu Beginn, zum Abschluss, in den Kapiteln ...

„Dies ist ein weiblicher Text“ – immer wieder findet sich dieser Satz in der Geschichte, die Doireann Ní Ghríofa in ihrem Buch „Ein Geist in der Kehle“ erzählt. Zu Beginn, zum Abschluss, in den Kapiteln - immer wieder dieser Satz. Er sagt viel über das Buch aus.

Das „Caoineadh Airt Uí Laoghaire“ aus dem 18. Jh. erzählt von Eibhlín Dubh Ní Chonaill und Art Ó Laoghaire. Dieser wird ermordet, seine Frau trinkt sein Blut und verfasst in ihrer Trauer das Klagelied, von dem Doireann Ní Ghríofa schon seit ihrer Schulzeit fasziniert ist. Sie fühlt sich mit Eibhlín Dubh Ní Chonaill verbunden und möchte mehr über sie erfahren, ihre Geschichte erzählen – und verknüpft diese Erzählung eng mit dem eigenen Leben.

Doireann Ní Ghríofa ist verheiratet, Lehrerin und Mutter in Elternzeit. Im Roman werden Stolpersteine in ihrer Vergangenheit angedeutet und auch die Gegenwart verlangt ihr viel ab – sowie sie aber auch von sich selbst viel verlangt.

„Meine Monate füllen sich mit Milch und Wäsche und Geschirr, mit Kinderliedern und Gutenachtgeschichten, mit gerissenen Einkaufstüten, verbeulten Dosen, Geburtstagsfeiern, Katern und Rechnungen.“

Neben all dem sucht sie (obsessiv) nach Spuren von Eibhlín Dubh Ní Chonaill. Sie findet Hinweise und nutzt diese und ihre Fantasie, um mit wunderschönen Zeilen zu beschreiben, wie das Leben von Eibhlín Dubh Ní Chonaill gewesen sein könnte.

„Der Geist in der Kehle“ erzählt intensiv die Geschichte von zwei Frauen und hat schöne
Momente voller Poesie …

„Die seltsame Stille zwischen dem Abgang eines Briefes und seiner Zustellung, die sonderbare Zeit, nachdem die Worte erdacht und aufs Papier gebracht, aber noch nicht gelesen wurden.“

… und andere, die ich aufgrund wiederkehrender Längen als anstrengend empfunden habe.
Ihr Fokus auf die Weiblichkeit des Textes passt völlig zu der Geschichte, jedoch enthält diese für meine Begriffe an manchen Stellen too much information.

Ohne Frage eine gewaltige Geschichte, die mich jedoch überwiegend nicht angesprochen hat.

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