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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.12.2024

Schatten der Vergangenheit

Das Waldhaus
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In „Das Waldhaus“ kehrt die 37-jährige Hannah in ihr Elternhaus zurück, um ihren an Demenz erkrankten Vater zu versorgen. Doch seine Worte erschüttern sie zutiefst: Er verwechselt sie mit ihrer Mutter, ...

In „Das Waldhaus“ kehrt die 37-jährige Hannah in ihr Elternhaus zurück, um ihren an Demenz erkrankten Vater zu versorgen. Doch seine Worte erschüttern sie zutiefst: Er verwechselt sie mit ihrer Mutter, die vor Jahren unter mysteriösen Umständen starb, und bittet sie immer wieder um Verzeihung. Was verbirgt er? Auf der Suche nach Antworten beginnt Hannah, in die Rolle ihrer Mutter zu schlüpfen, und ahnt nicht, dass sie damit die düsteren Ereignisse der Vergangenheit erneut heraufbeschwört.

Liz Webb entfaltet eine beklemmende, fast albtraumhafte Atmosphäre, die von der ersten Seite an fesselt. Dennoch braucht die Geschichte etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen. Der Einstieg wirkt etwas zäh, doch sobald sich die ersten Geheimnisse entfalten, zieht die Spannung spürbar an. Was zunächst ruhig beginnt, steigert sich zu einem regelrechten Strudel aus Paranoia, düsteren Erinnerungen und der Frage, was Realität und was Einbildung ist.

Die Geschichte wird aus Hannahs Ich-Perspektive erzählt, wodurch der Leser tief in ihre fragile Gedankenwelt gezogen wird. Ihre zunehmende Unzuverlässigkeit als Erzählerin sorgt für Verwirrung und Spannung zugleich – was ist real, was Einbildung? Das alte Haus, die düsteren Erinnerungen und das Verweben von Gegenwart und Vergangenheit schaffen eine unheimliche Kulisse, die das Buch in ein verstörendes Psychospiel verwandelt.

Besonders gelungen ist die komplexe Figurenzeichnung. Hannah ist keine klassische Heldin, sondern eine Frau, die selbst mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Ihr Abgleiten in die Rolle der Mutter ist gleichermaßen verstörend wie faszinierend. Auch die Nebenfiguren tragen zur dichten Atmosphäre bei: Jeder scheint ein Geheimnis zu verbergen, jeder könnte Teil des rätselhaften Geschehens sein.

Trotz des langsameren Einstiegs wird der Leser für seine Geduld belohnt. Die Geschichte nimmt immer mehr Fahrt auf und gipfelt in einem nervenaufreibenden Finale voller Überraschungen. Liz Webb gelingt es meisterhaft, das schleichende Gefühl von Unbehagen in einen mitreißenden Showdown zu überführen. „Das Waldhaus“ ist ein starker Thriller, der mit psychologischer Tiefe, düsteren Familiengeheimnissen und einer subtilen Gruselstimmung überzeugt – ein beeindruckendes Debüt, das noch lange nachhallt.

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Veröffentlicht am 16.12.2024

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Der längste Schlaf
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„Der längste Schlaf“ von Melanie Raabe ist ein fesselnder Roman, der sich um die Frage dreht, was real und was nur ein Traum ist. Mara Lux ist eine erfolgreiche Schlafforscherin, die seit Jahren unter ...

„Der längste Schlaf“ von Melanie Raabe ist ein fesselnder Roman, der sich um die Frage dreht, was real und was nur ein Traum ist. Mara Lux ist eine erfolgreiche Schlafforscherin, die seit Jahren unter schwerer Insomnie leidet. Doch es sind nicht nur die schlaflosen Nächte, die sie quälen, sondern auch die Tatsache, dass ihre Träume auf unheimliche Weise in die Realität überzutreten scheinen. Als Mara erfährt, dass sie ein altes Herrenhaus in Deutschland geerbt hat, ist sie zunächst skeptisch. Doch die Neugier überwiegt, und so reist sie nach Limmerfeldt. Dort angekommen, stellt sie fest, dass sie diesen Ort aus ihren Träumen kennt – eine Entdeckung, die sie zunehmend verunsichert. Was folgt, ist eine mystische Reise, die Mara nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch mit den Grenzen ihres eigenen Verstandes konfrontiert.

Melanie Raabe gelingt es, die Spannung zwischen Traum und Wirklichkeit gekonnt zu steigern. Die Frage, ob Mara die mysteriösen Ereignisse im Herrenhaus nur träumt oder ob sie tatsächlich geschehen, zieht sich durch das ganze Buch. Der Erzählstil ist packend, und obwohl die Geschichte ab und zu ins Übernatürliche abdriftet, bleibt sie immer nachvollziehbar und glaubwürdig. Besonders gut gelingt Raabe die Darstellung von Mara als eine Frau, die sowohl wissenschaftlich rational als auch emotional zerrissen ist. Ihr Kampf mit der Insomnie und ihren eigenen Ängsten wird eindrucksvoll geschildert und macht sie zu einer sehr menschlichen, sympathischen Hauptfigur. Doch auch die geheimnisvolle Atmosphäre des Herrenhauses und die rätselhaften Vorkommnisse rund um Mara ziehen den Leser immer tiefer in die Geschichte.

„Der längste Schlaf“ verbindet geschickt Psychothriller mit Mystery-Elementen und einem unheimlichen Gruselfaktor. Melanie Raabe zieht ihre Leser in eine düstere Atmosphäre, in der die Grenze zwischen Traum und Realität zunehmend verschwimmt. Die seltsamen und oft erschreckenden Vorkommnisse im Herrenhaus lassen den Spannungsbogen immer weiter anziehen und sorgen für eine unheimliche, fast greifbare Nervosität. Wer gerne in die Welt des Übernatürlichen eintaucht und sich von einer schaurig-spannenden Geschichte fesseln lassen möchte, wird bei diesem Roman auf seine Kosten kommen.

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Veröffentlicht am 11.11.2024

Überleben in einer Welt ohne Gnade

Sing, wilder Vogel, sing
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Jacqueline O’Mahonys Roman "Sing, wilder Vogel, sing" ist eine bewegende und kraftvolle Erzählung über das Überleben in Zeiten des tiefsten Elends. Inmitten der irischen Hungersnot von 1849 steht die junge ...

Jacqueline O’Mahonys Roman "Sing, wilder Vogel, sing" ist eine bewegende und kraftvolle Erzählung über das Überleben in Zeiten des tiefsten Elends. Inmitten der irischen Hungersnot von 1849 steht die junge Honora, die aufgrund ihres Außenseitertums und ihrer schmerzhaften Kindheit schon immer ein schwieriges Leben hatte. Als die Hungersnot ihre Heimat mit brutaler Härte trifft und sie alles verliert, schöpft Honora genau aus diesem Anderssein die Kraft, sich dem Untergang zu widersetzen. Sie wagt schließlich den gefährlichen Weg nach Amerika, auf der Suche nach Freiheit und einem besseren Leben.

Der Roman beginnt in einem kleinen irischen Dorf, wo Honora nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrer Geburt von ihrem Vater verstoßen wird. Schon als Kind lernt sie, sich allein durchs Leben zu kämpfen. Die Hungersnot bringt unfassbares Leid über die Menschen, und O’Mahony zeichnet ein erschütterndes Bild dieser Zeit, in der es den Menschen an allem fehlte, selbst an der Hoffnung. Besonders eindrücklich ist die Szene, in der Honora zusammen mit anderen Hungernden zu einem Herrenhaus pilgert, um auf Nahrung zu hoffen, nur um festzustellen, dass sie zu spät kommen – eine Episode, die an den historischen „Doolough Walk“ erinnert.

Was diesen Roman so stark macht, ist die tiefe Verwurzelung der Geschichte in der irischen Historie und Mythologie. Honora wird von einem Rotkehlchen begleitet, das symbolisch für das Glück oder Unglück in ihrem Leben steht und die düsteren Wendungen ankündigt, die sie erwarten. Doch trotz aller Widrigkeiten bleibt Honora eine Kämpferin, und ihre Reise nach Amerika ist ein weiterer Schritt auf ihrem harten Weg in die Freiheit. Die Autorin schafft es meisterhaft, Honoras Schmerz, aber auch ihre unglaubliche Entschlossenheit und Widerstandskraft spürbar zu machen.
Neben Honora selbst treten auch die Nebenfiguren lebendig und differenziert hervor. Besonders die Begegnung mit Joseph, der ebenfalls von einem schweren Schicksal gezeichnet ist, bringt eine wichtige Dynamik in die Geschichte. O’Mahony stellt die Parallelen der beiden Charaktere heraus und zeigt, wie sich ihre Erfahrungen als Repräsentanten zweier Nationen miteinander verflechten.
Was mir besonders gut gefallen hat, ist der stilistische Aufbau der Geschichte. O’Mahony lässt immer wieder Momente der Stille und Reflexion in die Erzählung einfließen, die das Leid, aber auch die Hoffnung der Figuren noch stärker hervorheben. Ihr Schreibstil ist poetisch und bildhaft, sodass die Lesenden die irische Landschaft und das düstere Schicksal der Menschen fast körperlich spüren können. Gleichzeitig vermittelt sie die historische und kulturelle Dimension der irischen Hungersnot auf eine Weise, die noch lange nachwirkt.

„Sing, wilder Vogel, sing“ ist ein eindrucksvolles Werk über den Kampf um das Überleben, die Suche nach Identität und die Hoffnung auf Freiheit. Jacqueline O’Mahony fängt nicht nur das persönliche Schicksal einer jungen Frau ein, sondern auch den Geist einer Nation, die sich gegen das Verschwinden wehrt. Ein tiefgreifender, emotionaler Roman, der seine Leser nicht unberührt lässt – klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 04.08.2024

Kindheitstraumata und seine Auswirkungen – sehr fesselnd!

Kleine Monster
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Jessica Lind gelingt es mit "Kleine Monster" meisterhaft, eine Geschichte zu erzählen, die tief in die Psyche ihrer Protagonistin und die Abgründe der Kindheit eintaucht. Der Roman beginnt mit einem Konflikt: ...

Jessica Lind gelingt es mit "Kleine Monster" meisterhaft, eine Geschichte zu erzählen, die tief in die Psyche ihrer Protagonistin und die Abgründe der Kindheit eintaucht. Der Roman beginnt mit einem Konflikt: Pia und Jakob, die Eltern des siebenjährigen Luca, werden von der Lehrerin ihres Sohnes in die Schule gerufen. Es hat einen Vorfall mit einer Klassenkameradin gegeben. Während Jakob fest an die Unschuld seines sensiblen Sohnes glaubt, beginnt Pia, an Luca zu zweifeln und sich in ihre eigene dunkle Vergangenheit zurückzuziehen.

Die Geschichte wird hauptsächlich aus Pias Perspektive erzählt, ergänzt durch Rückblenden in ihre eigene Kindheit. Diese Rückblenden enthüllen schrittweise die traumatischen Erlebnisse, die Pia geprägt haben und nun ihre Sicht auf ihren Sohn und seine Handlungen beeinflussen. Die Spannung des Romans entsteht nicht nur durch die Frage, was Luca tatsächlich getan hat, sondern auch durch das zunehmende Eindringen von Pias Vergangenheit in ihre Gegenwart.

Lind zeichnet ein komplexes und vielschichtiges Psychogramm ihrer Protagonistin. Pia ist hin- und hergerissen zwischen ihrem Wunsch, eine gute Mutter zu sein, und ihren Ängsten, die aus ihrer eigenen Kindheit resultieren. Diese innere Zerrissenheit spiegelt sich auch in der Beziehung zu ihrem Mann Jakob wider, der die Bedrohung, die Pia in Luca sieht, nicht nachvollziehen kann.

Besonders beeindruckend ist die subtile Art und Weise, wie Lind den Schrecken und die Bedrohung aufbaut. Die dunklen Geheimnisse von Pias Kindheit und die andauernde Spannung im Umgang mit Luca schaffen eine dichte Atmosphäre, die den Leser in ihren Bann zieht. Dabei bleibt die Handlung bis zum Schluss unvorhersehbar und fesselnd.

Ein kleiner Kritikpunkt ist, dass der Klappentext vermuten lässt, der Fokus liege hauptsächlich auf dem Vorfall mit Luca. Tatsächlich steht jedoch Pias Biografie und ihre psychologische Entwicklung im Vordergrund. Diese Verschiebung kann einige Leser überraschen, mindert aber keineswegs die Intensität und Tiefe der Geschichte.

"Kleine Monster" ist kein leichter Roman, sondern eine tiefgründige und packende Erzählung über Mutterschaft, die Auswirkungen von Kindheitstraumata und die Abgründe, die in uns allen schlummern. Jessica Lind hat mit diesem Buch einen spannenden und berührenden Psychothriller geschaffen, der noch lange nachhallt. Eine klare Leseempfehlung für alle, die sich auf eine intensive und bewegende Lektüre einlassen möchten.

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Veröffentlicht am 22.06.2024

Eine herzerwärmende Sommerlektüre!

Bonjour Agneta
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Emma Hambergs Roman "Bonjour Agneta" erzählt die charmante und herzerwärmende Geschichte von Agneta, einer Frau in den späten Vierzigern, die sich in einem Leben der Routine und Enttäuschung gefangen fühlt. ...

Emma Hambergs Roman "Bonjour Agneta" erzählt die charmante und herzerwärmende Geschichte von Agneta, einer Frau in den späten Vierzigern, die sich in einem Leben der Routine und Enttäuschung gefangen fühlt. Ihre Kinder melden sich nur, wenn sie Geld brauchen, und ihr Mann Magnus ist besessen von einem gesunden Lebensstil, der all die Dinge ausschließt, die Agneta liebt – Weißbrot, Käse und Wein. Als Agneta eines Tages eine ungewöhnliche Zeitungsanzeige liest, beschließt sie, aus ihrem tristen Alltag auszubrechen und ein Abenteuer zu wagen. Kurz darauf findet sich Agneta in einem malerischen Städtchen in der Provence wieder, wo sie als Betreuerin für einen „älteren Jungen“ arbeiten soll. Dieser stellt sich jedoch als der 80-jährige Einar heraus, der an Demenz leidet und in einem verfallenen Schloss lebt. Anfangs ist Agneta schockiert und überwältigt von den Herausforderungen, die sie erwarten. Doch nach und nach findet sie ihren Weg und lernt die Bewohner der Provence kennen. Einar, ein Mann mit einem bewegten Leben und einem reichen Erfahrungsschatz, wird zu einem wichtigen Teil von Agnetas Neuanfang. Obwohl seine Krankheitsphasen oft schwer zu ertragen sind, entwickeln sich zwischen den beiden tiefe Gespräche und eine besondere Freundschaft. Agneta entdeckt dabei nicht nur die Liebe zu sich selbst, sondern öffnet sich auch für neue Lebensweisen und unerwartete Beziehungen. Die Geschichte von Agnetas Selbstfindung ist humorvoll und berührend zugleich. Hamberg schafft es, den Leser mit einem liebenswerten Ensemble von Charakteren und einer detaillierten Beschreibung der provenzalischen Umgebung zu verzaubern. Auch wenn einige Teile der Handlung klischeehaft erscheinen mögen, wird dies durch die charmante Erzählweise und die einfühlsame Darstellung der Figuren mehr als wettgemacht.

"Bonjour Agneta" ist ein unterhaltsames und inspirierendes Buch, das zeigt, dass es nie zu spät ist, sein Leben zu ändern und neue Wege zu gehen. Die Mischung aus Humor, Tiefgang und französischem Flair macht diesen Roman zu einer idealen Lektüre für den Sommer. Wer Lust auf eine herzerwärmende Geschichte mit einem Hauch von Abenteuer hat, wird mit "Bonjour Agneta" auf seine Kosten kommen.

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