Profilbild von klaraelisa

klaraelisa

Lesejury Profi
offline

klaraelisa ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit klaraelisa über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.04.2017

Später Ermittlungserfolg

Die Grausamen
0

John Katzenbachs erster Ermittlerkrimi "Die Grausamen" beginnt mit einem Prolog. In einem noblen Vorort an der US-Ostküste kehrt die 13jährige Tessa Gibson am 9. Oktober 1996 von einem Besuch bei ihrer ...

John Katzenbachs erster Ermittlerkrimi "Die Grausamen" beginnt mit einem Prolog. In einem noblen Vorort an der US-Ostküste kehrt die 13jährige Tessa Gibson am 9. Oktober 1996 von einem Besuch bei ihrer Freundin nicht nach Hause zurück. Außer ihrem pinkfarbenen Rucksack taucht nichts auf. Ihre Leiche wird nie gefunden und der Fall nie aufgeklärt.
Die eigentliche Romanhandlung beginnt 20 Jahre später mit dem unaufhaltsamen Abstieg des ehemaligen Assistant Deputy Chief Gabriel Wilkinson. Bei einem Bootsausflug kommt sein Schwager Teddy ums Leben, der geliebte Zwillingsbruder seiner Frau. Sie verlässt ihn sofort und nimmt den gemeinsamen Sohn mit. Gabriel - genannt Gabe - beginnt zu trinken, verwahrlost und vernachlässigt seinen Job. Kurz vor dem Rausschmiss gibt ihm der Polizeichef eine letzte Chance. Zusammen mit Detective Marta Rodriguez-Johnson, einer ehemaligen Kollegin aus dem Drogendezernat, soll er in der neu gegründeten Abteilung „Cold Cases“ alte ungelöste Fälle neu untersuchen. Marta wird in die Abteilung versetzt, weil sie bei der Verfolgung eines Dealers versehentlich ihren Kollegen Detective Tompkins erschossen hatte. Beide akzeptieren ihre neue Aufgabe. Zwei traumatisierte Polizisten auf dem Abstellgleis, in einem kleinen Büro, das ihnen wie ein Verlies vorkommt. Das Sichten der kalten Fälle erweist sich als äußerst schwierig, da die damaligen Ermittler schon alles Mögliche versucht haben, um sie aufzuklären. Bis Marta auf vier Akten stößt, die alle neunzehn Jahre alt sind. Ungewöhnlich daran ist, dass in ein und demselben Jahr "... die besten, gründlichsten Detectives, die das Dezernat damals zu bieten hatte... "(S. 222), diese vier Tötungsdelikte an jungen Männern nicht aufgeklärt haben. Zufällig stoßen sie auf den Fall der vor zwanzig Jahren verschwundenen Tessa Gibson. Es muss eine Verbindung zwischen den Fällen geben, doch ist die Polizeiführung an der Aufklärung ausgerechnet dieser ungeklärten Todesfälle nicht interessiert und behindert die Ermittlungen. Gabe und Marta erkennen: Wer zu viel fragt, spielt mit seinem Leben.

Beschädigte Ermittlerpersönlichkeiten sind nichts Neues in der Kriminalliteratur, jedoch von US-Bestsellerautor John Katzenbach überzeugend gezeichnet. Die beiden Ermittler sind mir mit ihren Schwächen und Problemen ans Herz gewachsen. Der Schreibstil liest sich gut, die Story ist gut durchdacht. Das Ende kann man nicht vorhersehen.
Der Roman hat mir auch sonst sehr gut gefallen. Er erinnert mich an alte Kriminalromane, wo die klassische Ermittlertätigkeit noch im Vordergrund steht: viel Nachfragen, viel Laufarbeit, viel Recherche, keine Brutalität, die dem Leser nachts den Schlaf raubt. Sollte es eine Fortsetzung mit diesem Ermittlerteam und der Arbeit an alten Fällen geben, werde ich gern weitere Romane lesen. Das Cover passt außerordentlich gut und scheint Bezug auf eine Textstelle zu nehmen: "Gabe kam das seltsame Bild eines Spinnennetzes in den Sinn - alle Fäden miteinander verbunden, aber jeder einzelne so dünn, dass er bei der kleinsten Berührung riss." (S. 176) Ein rundherum gelungener Kriminalroman.

Veröffentlicht am 28.03.2017

Die Wahrheit unter der Oberfläche

Das letzte Bild der Sara de Vos
0

Der Roman "Das letzte Bild der Sara de Vos" ("The Last Painting of Sara de Vos") von Dominic Smith spielt in der Zeit von 1631 bis 1649, in den Jahren 1957/1958 und im Jahr 2000 und hat Amsterdam, Manhattan ...

Der Roman "Das letzte Bild der Sara de Vos" ("The Last Painting of Sara de Vos") von Dominic Smith spielt in der Zeit von 1631 bis 1649, in den Jahren 1957/1958 und im Jahr 2000 und hat Amsterdam, Manhattan und Sidney als Schauplätze. 1957 wird dem schwerreichen Patentanwalt Marty de Groot das Gemälde "Am Saum eines Waldes", das die (fiktive) holländische Malerin Sara de Vos 1636 gemalt hat, gestohlen. Seit drei Jahrhunderten befand sich das Gemälde im Familienbesitz, und nur durch Zufall bemerkt Marty de Groot nach Monaten den Diebstahl. Die Kopie ist meisterlich und vom Original fast nicht zu unterscheiden – bis auf den Rahmen. Er beauftragt einen Privatdetektiv, der schnell auf die Spur der Kunststudentin Ellie Shipley stößt. "Eine Frau im Kittel steht am Herd, reibt Pigmente an und kocht Hasenleim. Für Ellie Shipley ist es 1630, (…). Sie ... treibt obskure Zutaten auf, die das Handwerkszeug des Restaurators und des Fälschers gleichermaßen sind." De Groot nimmt unter falschem Namen Kontakt zu ihr auf.
Im Jahre 2000 findet in Sidney eine Ausstellung von Gemälden holländischer Maler statt. Marty de Groot macht sich auf den Weg nach Australien – mit seinem Gemälde im Gepäck. Zu diesem Zeitpunkt ist de Groot über 80 Jahre alt. Das ist insofern von Bedeutung, als angeblich ein Fluch auf dem Bild liegt. Solange es im Besitz der Familie war, wurde kein de Groot älter als 60. Alle litten unter diversen Krankheiten und waren zeitweise ungewollt kinderlos. In Sidney treffen Original und Fälschung, Marty und die Fälscherin aufeinander, und Eleanor Shipley, die Kuratorin der Ausstellung, muss sich endlich ihrer Vergangenheit stellen.
Smith hat einen kunstvoll auf drei Zeitebenen komponierten, kenntnis- und detailreichen Roman geschrieben, der tiefe Einblicke in die jeweilige Zeit gewährt. Seine Darstellung der Lebensbedingungen holländischer Maler im 17. Jahrhundert überzeugt genauso wie die des Fälscherhandwerks, das nicht weniger Können verlangt als das Malen der Originale. Seine Protagonistin Sara de Vos hat als Frau einen besonders harten Kampf um die Aufnahme und den Verbleib in der für die Vermarktung der Gemälde wichtigen Malergilde auszufechten. All diese Details mindern keineswegs die Spannung in dieser von einem auktorialen Erzähler erzählten Geschichte. Mir hat Smiths Roman sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 19.03.2017

Folge dem Weg Deines Herzens

Das Glück der fast perfekten Tage
0

"Das Glück der fast perfekten Tage“ ist der überaus erfolgreiche Debütroman der Italienerin Fioly Bocca. Seine Protagonistin Anita befindet sich in einer Lebenskrise. Ihre Mutter hat Krebs im Endstadium. ...

"Das Glück der fast perfekten Tage“ ist der überaus erfolgreiche Debütroman der Italienerin Fioly Bocca. Seine Protagonistin Anita befindet sich in einer Lebenskrise. Ihre Mutter hat Krebs im Endstadium. Um sie nicht zu belasten, schickt sie ihr täglich eine E-Mail mit einer stark geschönten Version ihres Lebens. Sie hat einen tollen Job mit immer neuen interessanten Projekten und spricht mit ihrem langjährigen Freund Tancredi angeblich über die Hochzeit und Kinder. In Wirklichkeit erledigt sie langweilige Korrekturarbeiten und ist unterbezahlt. Auch ihre Beziehung ist schon lange nicht mehr glücklich.
Dann begegnet Anita eines Tages im Zug dem attraktiven Arun. Er blickt ihr tief in die Augen und scheint direkt in ihre Seele zu schauen. Sie treffen sich und fühlen sich zueinander hingezogen. Anita kann sich jedoch eine Trennung von ihrem Freund zunächst nicht vorstellen. Es wird eine Weile dauern, bis sie erkennt, dass Arun und sie füreinander geschaffen sind.
Fioly Bocca hat eine sehr berührende, aber nicht kitschige Geschichte geschrieben, ein modernes Märchen, das eine durchaus bedenkenswerte Botschaft enthält. Wir sollen den Mut haben, Entscheidungen zu treffen und die Dinge in unserem Leben zu ändern, die uns darin hindern, glücklich zu sein. Das erfordert Spontaneität und Risikobereitschaft. Es ist oft besser, nicht endlos Vernunftgründe abzuwägen, sondern auf die Stimme des Herzens zu hören. Im Roman meldet sich immer wieder das Schicksal mit deutlichen Zeichen, denn Zufälle gibt es nicht. Wenn wir die Zeichen richtig deuten, haben wir die Chance glücklich zu werden. Eine warmherzige Geschichte, die Hoffnung und Lebensmut vermittelt.

Veröffentlicht am 19.03.2017

Auf der Flucht in die Zukunft

Grausames Erbe
0

Bei “Grausames Erbe“ handelt es sich um den Debütroman der Amerikanerin LS Hawker. Die Autorin war schon immer von True Crime Stories fasziniert und hat bereits als junges Mädchen begonnen zu schreiben. ...

Bei “Grausames Erbe“ handelt es sich um den Debütroman der Amerikanerin LS Hawker. Die Autorin war schon immer von True Crime Stories fasziniert und hat bereits als junges Mädchen begonnen zu schreiben. Mit "Grausames Erbe" ist ihr ein ganz außergewöhnlicher Thriller gelungen. Die 21jährige Petty Moshen hat die letzten 18 Jahre als Gefangene in ihrem eigenen Haus verbracht. Ihr paranoider Vater Charlie hält sie in ihrem Zimmer gefangen und zwingt sie zu Überlebenstraining und militärischem Drill. Eine junge Frau, die alles über das Töten weiß, aber über keinerlei soziale Kompetenzen verfügt, ist das Ergebnis. Sie gilt deshalb im Ort als Sonderling. Die Leute haben Angst vor ihr. Als der Vater stirbt, glaubt sie, endlich ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit führen zu können. Aber so leicht entkommt sie seinem Einfluss auch nach seinem Tod nicht. In seinem letzten Willen hat er verfügt, dass sie Randy King, einen Mann aus dem Ort heiraten muss, um an die sehr hohe Lebensversicherung zu kommen. Sollte Randy King nicht mehr ledig oder am Leben sein, muss Petty dem Orden der Dominikanerschwestern in Bison, Kansas, beitreten und zwanzig Jahre bei ihnen leben. Es bleiben ihr 30 Tage, sich zu entscheiden. Kurz nach dem Tod ihres Vaters hat Randy King Sachen aus dem Haus geschafft, die sie in der Anwaltskanzlei von Mr. Dolley sieht. Es ist ein Karton mit der Aufschrift M R und der Computer ihres Vaters. Was verbirgt sich alles in dem Karton? Petty muss ihn unbedingt haben. Sie beschließt zu fliehen. Ein junger Mann namens Dekker Sacks wird ihr bei ihrer Flucht in die Freiheit helfen.
Petty Moshen erforscht ihre Vergangenheit, um herauszufinden, was mit ihrer Familie eigentlich passiert ist und warum. Es ist eine Geschichte mit vielen überraschenden Wendungen und zahlreichen Geheimnissen, die nach und nach ans Licht kommen – sehr spannend geschrieben. Erraten kann der Leser die Auflösung nicht. Hawker entscheidet sich für kapitelweise wechselnde Erzählperspektiven, wobei Petty und Dekker als Ich-Erzähler fungieren. Es ist nicht immer vor vornherein erkennbar, wer spricht: Petty oder Dekker. Mir hat der erstaunlich gelungene spannende Debütroman gut gefallen, vor allem wegen der treffenden Charakterisierung der Protagonisten und wegen des Verzichts auf exzessive Gewalt. Der Roman braucht zwar keine Fortsetzung, aber ich würde gern weitere Bücher dieser vielversprechenden Autorin lesen.

Veröffentlicht am 19.03.2017

Ende eines Martyriums

Der Mörder und das Mädchen
0

Cornelia Göransson will sich nach vielen Jahren von ihrem gewalttätigen, älteren Ehemann Hans scheiden lassen. Alles ist vorbereitet. Sie hat eine neue Wohnung, in die sie mit ihrer sechsjährigen Tochter ...

Cornelia Göransson will sich nach vielen Jahren von ihrem gewalttätigen, älteren Ehemann Hans scheiden lassen. Alles ist vorbereitet. Sie hat eine neue Wohnung, in die sie mit ihrer sechsjährigen Tochter Astrid ziehen wird. Es muss nur noch die geplante Hausbesichtigung stattfinden, dann will sie mit den nötigsten Sachen heimlich, still und leise das gemeinsame Haus verlassen. Cornelia "wagt nicht, jetzt schon etwas einzupacken. Die Erfahrung sagt ihr, dass sie sich nicht zu früh in Sicherheit wiegen darf. Sonst geht es garantiert schief" (Kapitel 2, Pos. 114)." Mit allen möglichen Requisiten wie exklusive Sessel, Teppiche und Lampen versucht sie, den Betrachter von den Mängeln der Villa im attraktiven Stockholmer Vorort Bromma abzulenken. Cornelias Ahnungen bewahrheiten sich. Am Tag nach der Hausbesichtigung liegt ihr Ehemann tot im Gästezimmer im Erdgeschoss. Schnell steht für das Ermittlerteam der Mordkommission die Verdächtige fest: die Ehefrau. Sehr oft sind auch in der Wirklichkeit die Täter in der Familie zu finden, aber wieso sollte Cornelia ihren Mann gerade in dem Augenblick umbringen, wo sie alles für ein neues Leben vorbereitet? Sie hat ein starkes Motiv, denn ihr Ehemann hat kurz vor seinem Tod noch eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen und der Verkauf des Hauses würde Millionen einbringen, die ihr allein gehören würden. Außerdem kann niemand, auch nicht ihre beste Freundin Josefin, die zufällig die Schwester der Ermittlerin Emma Sköld ist, bezeugen, dass sie wirklich von ihrem Ehemann misshandelt wurde. Anzeigen oder Krankenhausaufenthalte hat es nie gegeben. Cornelia kommt der Tod ihres Ehemannes Hans sehr gelegen, doch so einfach ist die Geschichte nicht gestrickt.

"Der Mörder und das Mädchen" von Sofie Sarenbrant ist der dritte Band der Reihe um die schwedische Ermittlerin Emma Sköld, der vor kurzem in Deutschland erschienen ist. Die Autorin wird als "die aufregendste neue Krimiautorin in Schweden" (Camilla Läckberg) angepriesen, und das vorliegende Buch war der Krimi des Jahres 2015 in Schweden. Es lässt sich gut lesen, die Handlung ist schlüssig mit guten Wendungen zum Ende hin. Der in 105 kurze Kapitel eingeteilte Thriller spielt in einem Zeitraum von acht Tagen. Angesiedelt ist er in der Maklerbranche und behandelt Themen wie häusliche Gewalt, Stalking, Verlust und Rache. Mir hat leider etwas die Spannung gefehlt, und mich stören die vielen banalen Details aus dem Alltagsleben, die den Lesefluss hemmen. Am Ende kennt der Leser den Täter, doch die Geschichte geht weiter, denn Emma und ihr Team ahnen nicht, wer wirklich hinten den Morden steckt und sie wissen auch nicht, wer Emmas Schwester Josefin wirklich umbringen wollte. Das halboffene Ende zeigt, dass die begonnene Serie fortgesetzt werden soll und die losen Enden in den Folgebänden verknüpft werden sollen. Mir hat der Thriller ganz gut gefallen, obwohl ich das überschwängliche Lob für den neuen Star der an Autoren nicht eben armen schwedischen Krimiszene zum jetzigen Zeitpunkt nicht so ganz nachempfinden kann. Ich glaube nicht, dass ich die ganze Serie lesen werde.