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Veröffentlicht am 15.07.2018

Wie naturnah und gesund sind Blutwurst und Schokolade?

Naturnahes Kochen – einfach, gut, gesund
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In seinem Buch “Naturnahes Kochen – einfach, gut, gesund“ kombiniert der Gourmetkritiker und gelernte Koch Erwin Seitz eine gut informierte Warenkunde mit einem Rezeptteil von 24 Rezepten. Nach meinem ...

In seinem Buch “Naturnahes Kochen – einfach, gut, gesund“ kombiniert der Gourmetkritiker und gelernte Koch Erwin Seitz eine gut informierte Warenkunde mit einem Rezeptteil von 24 Rezepten. Nach meinem Empfinden wecken Buchbeschreibung und Titel beim Leser falsche Erwartungen. Längst nicht alle Zutaten sind gesund, naturnah oder saisonal, zum Beispiel Blutwurst, Bratwurst oder Schokolade. Es mag sein, dass die gut erklärte Zubereitung nur 30 Minuten dauert, aber was ist mit der Beschaffung der teils ungewöhnlichen Lebensmittel? Saibling gibt es bestimmt nicht an der nächsten Ecke. Von daher kommen einige der Gerichte für Berufstätige von vornherein nicht in Frage. Ich hätte mir wesentlich mehr Rezepte mit leicht zu beschaffenden frischen und kostengünstigen Zutaten gewünscht.
An der Optik des Bandes ist nichts auszusetzen. Ich habe auch nichts gegen einen Zugewinn an Wissen in der Warenkunde, aber ich sehe in dem Band eher eine Ergänzung meiner Kochbuchbibliothek und nicht einen Ersatz für bewährte Standardwerke.

Veröffentlicht am 18.04.2018

Was lange währt, wird endlich gut

Unter der Mitternachtssonne
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Keigo Higashinos Roman „Unter der Mitternachtssonne“ erschien in Japan schon im Jahr 1999, wurde 2015 ins Englische übersetzt und kommt erst jetzt in der deutschen Übersetzung auf den Markt.
In Osaka wird ...

Keigo Higashinos Roman „Unter der Mitternachtssonne“ erschien in Japan schon im Jahr 1999, wurde 2015 ins Englische übersetzt und kommt erst jetzt in der deutschen Übersetzung auf den Markt.
In Osaka wird 1973 der Pfandleiher Yosuke Kirahara in einem leer stehenden Gebäude ermordet aufgefunden. Kommissar Sasagaki und sein Team ermitteln ohne Erfolg. Zwei Verdächtige kommen einige Zeit später ums Leben, andere haben ein Alibi. Der Fall wird zu den Akten gelegt. Nur der Polizist verfolgt die Lebenswege der übrigen beteiligten Personen über einen Zeitraum von fast 20 Jahren - sogar noch nach seiner Pensionierung - und stößt immer wieder auf Unstimmigkeiten und Bezüge zu dem ungelösten Fall. Ganz besonders hat er Ryo, den Sohn des Opfers und Yukiho Nishimoto, die Tochter einer mittellosen Frau, in deren Haus das Opfer häufig ging, im Blick. Beide sind in mehrfacher Hinsicht auffällig. Ryo und die schöne, charismatische Yuhiko verfügten schon frühzeitig über sehr viel Geld unbekannter Herkunft. Sie waren allerdings Kinder, als der Mord geschah. Ryo schlägt schon in jungen Jahren eine kriminelle Laufbahn ein. Er stiehlt u.a. die Software von Computerspielen in der Entwicklung, die noch nicht urheberrechtlich geschützt sind. Sasagaki fällt auf, dass im Lauf der Jahre eine große Zahl von Personen aus dem Umfeld dieser Beiden zu Schaden oder ums Leben kommt und für immer verschwindet. Seiner Ansicht nach existiert zwischen ihnen eine geradezu symbiotische Beziehung, die der Autor anhand eines Beispiels aus dem Tierreich leitmotivisch immer wieder aufgreift. Sie sind wie der Knallkrebs und die Wächtergundel. – ein Paar fürs Leben. Der Leser dieses ungewöhnlich umfangreichen, nicht ganz leicht zu lesenden Krimis folgt den Ermittlungen des Kommissars mit nie nachlassendem Interesse. Für ihn kommt die Auflösung nicht völlig überraschend. Der kompliziert aufgebaute Roman ist spannend und besticht durch eine sorgfältige Charakterzeichnung auch bei den Nebenfiguren. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, so dass sich allmählich die vielen Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Nicht alles wird jedoch aufgeklärt, vor allem nicht für die Beteiligten. Die umfassendsten Informationen hat am Ende der Leser. Sehr gut gelungen ist auch die Einbeziehung des zeitgeschichtlichen Hintergrunds – vom Riesenerfolg des Nintendo-Spiels Super Mario Bros., einem der einflussreichsten Spiele aller Zeiten, bis zur unaufhaltsamen Verbreitung von Computern in Privathaushalten, vom wirtschaftlichen Boom in Japan bis zur Flaute und zum Ölpreisschock.
Mir als Higashino-Fan hat auch dieser Roman sehr gut gefallen und ich warte schon sehnsüchtig auf die nächste deutsche Übersetzung eines Titels aus dem umfangreichen literarischen Schaffen des zu Recht berühmten Autors.

Veröffentlicht am 15.04.2018

Die zerstörerische Macht von Geheimnissen

Kleine Feuer überall
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Mit “Kleine Feuer überall“ legt Celeste ihren zweiten Roman vor. Im Mittelpunkt steht das Ehepaar Bill und Elena Richardson mit ihren vier halbwüchsigen Kindern. Sie leben in einem Haus in Shaker Heights, ...

Mit “Kleine Feuer überall“ legt Celeste ihren zweiten Roman vor. Im Mittelpunkt steht das Ehepaar Bill und Elena Richardson mit ihren vier halbwüchsigen Kindern. Sie leben in einem Haus in Shaker Heights, einem reichen Vorort von Cleveland, Ohio. Sie besitzen ein zweites Haus im Ort, in dem eine Wohnung an die alleinerziehende Künstlerin Mia Warren und ihre Tochter Pearl vermietet ist. Eines Tages brennen im Haus der Richardsons kleine Feuer in sechs Schlafzimmern. Elena steht fassungslos mit drei ihrer Kinder vor dem Haus, während die Feuerwehr versucht, die Brände zu löschen. Izzy, die jüngste und als verhaltensauffällig bekannte Tochter ist unauffindbar. Am Vortag verschwanden auch Mia und ihre Tochter, ohne sich zu verabschieden. Wer hat die Brände gelegt und warum?

Ein zweiter Konflikt bewegt die Bewohner von Shaker Heights, wo alles geregelt ist und normalerweise nichts Außergewöhnliches passiert. Eine arme Chinesin und ein reiches, adoptionswilliges Ehepaar streiten um ein Baby. Die Chinesin will ihr Kind zurückhaben, das Ehepaar und viele Menschen im Ort meinen, sie hätte ihre Rechte verwirkt, als sie das Kind in ihrer Not aussetzte. Mia und Elena stehen in diesem Konflikt auf entgegengesetzten Seiten. Hat Mia, eine Kollegin der Chinesin im China-Restaurant, verborgene Gründe für ihre Parteinahme? Elena beginnt, die Vergangenheit ihrer Mieterin zu erforschen und deckt eine Menge Geheimnisse auf. Elena fühlt sich durch Mias unkonventionelle Lebensweise bedroht und versucht, ihre Familie zu schützen – ein fataler Schritt.

Ngs Roman behandelt zahlreiche Themen: Mutterschaft und Familie, vor allem die Beziehung von Müttern und Töchtern, Kunst und Leben, Klasse, Privilegien und vor allem Rasse. Die Frage, ob reiche weiße Adoptiveltern ein chinesisches Kind seiner Kultur entfremden dürfen, wird ausführlich behandelt und unterschiedlich beantwortet. Elenas älteste Tochter Lexie mit ihrem farbigen Freund Brian schätzt sich glücklich, in einer Zeit und an einem Ort zu leben, wo Rassenzugehörigkeit keine Rolle mehr spielt. Der in den 90er Jahren angesiedelte Roman zeigt den naiven Glauben an ein besseres Amerika ohne Rassismus. Angesichts von Donald Trumps Präsidentschaft und der Existenz von Bewegungen wie Black Lives Matter ist dieser Glaube utopisch.

Trotz einiger Längen und generell relativer Handlungsarmut hat mir der Roman gefallen, vor allem wegen der gelungenen Charakterisierung der weiblichen Protagonisten und der sprachlichen Qualität.

Veröffentlicht am 30.03.2018

Ein Leben unter männlicher Dominanz

Die Farbe von Milch
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Im Jahr 1830 ist Mary knapp 15 Jahre alt. Sie ist die jüngste von vier Töchtern einer bettelarmen Bauernfamilie. Die Eltern und ihre vier Töchter arbeiten sich fast zu Tode – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. ...

Im Jahr 1830 ist Mary knapp 15 Jahre alt. Sie ist die jüngste von vier Töchtern einer bettelarmen Bauernfamilie. Die Eltern und ihre vier Töchter arbeiten sich fast zu Tode – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Der Vater, ein gewalttätiger Grobian, kommt nicht darüber hinweg, dass er keine Söhne hat, die ein größeres Arbeitspensum schaffen, zumal Mary ein verwachsenes Bein hat und auch deshalb keine vollwertige Arbeitskraft ist. In der Familie lebt noch der nach einem Arbeitsunfall verkrüppelte Großvater, der sich immer wieder anhören muss, dass er ein nutzloser Esser ist. Zu ihm hat die junge Mary ein gutes Verhältnis. In dieser Familie gibt es ansonsten nur Arbeit, keine Liebe, kein Glück und das alles ohne Hoffnung auf Besserung.

Eines Tages überlässt der Vater seine jüngste Tochter gegen Bezahlung dem Pfarrer , der Hilfe bei der Betreuung seiner kranken Frau braucht. Auch hier muss Mary unter der Aufsicht der 32jährigen Haushälterin Edna sehr viel arbeiten, obwohl die Arbeit körperlich nicht so anstrengend ist wie auf der Farm. Obwohl Mary jetzt materiell in besseren Verhältnissen lebt – sie hat ein eigenes Bett und bekommt genug zu essen – sind auch in diesem Haus die Menschen nicht glücklich. Der arrogante, verantwortungslose Pfarrerssohn Ralph macht sich an jede Frau in seiner Nähe heran und kann sein Elternhaus für sein Studium gar nicht schnell genug verlassen, womit er seiner todkranken Mutter das Herz bricht. Mary hat Heimweh nach der nur eine halbe Meile entfernten Farm und dem Großvater, darf aber monatelang das Pfarrhaus nicht verlassen. Nach dem Tod der Pfarrersfrau muss Edna gehen, während Mary bleibt. Sie hat längst verstanden, dass sie ein Gefängnis gegen ein anderes getauscht hat. Es gibt für sie keine Entscheidungsfreiheit und keine Befreiung von männlicher Dominanz. Ihr Arbeitgeber nimmt ihr die Freiheit genauso wie ihr Vater.

Als der Pfarrer der intelligenten jungen Frau mit Hilfe der Bibel das Lesen und Schreiben beibringt, sieht Mary einen möglichen Ausweg aus ihrer Situation. Doch sie zahlt einen hohen Preis dafür. Die Katastrophe ist unausweichlich. Sie, die nie eine Wahl hatte, trifft am Ende ihres Berichts eine einzige Entscheidung, die sie befreit.

Die Autorin hat mit Mary eine Protagonistin mit einer unverwechselbaren Stimme geschaffen, die mit Hilfe ihrer neu erlernten Fähigkeiten über das entscheidende Jahr in ihrem Leben berichtet: 1830-31. Mary ist zwar ungebildet, aber intelligent mit schneller Auffassungsgabe, dazu sehr direkt, was ihr immer wieder Ärger und Prügel einbringt. Ich-Erzählerin Mary bekommt in diesem schlanken Bändchen einen eigenen Stil – fast ohne Großbuchstaben und ohne Anführungszeichen für Zitate, ohne Kommata. Satzbau und Grammatik sind fehlerhaft, aber ihre Sprache wirkt sehr authentisch. Sie lebt ein Leben, in dem Gefühle nicht zählen und erst recht nicht ausgedrückt werden können, aber in großer Nähe zur Natur und den Tieren auf der Farm, besonders zu der Kuh, die ihr Wärme spendet. Eindrucksvoll ist die Szene, als sie am Ostersonntag einen Hügel besteigt, um dort den Sonnenaufgang zu erleben. “Die Farbe von Milch“ beschreibt das Schicksals eines jungen Mädchens, aber macht dem heutigen Leser auch deutlich, wie Klassenzugehörigkeit vor 200 Jahren über Lebenschancen entschied. Ein sehr empfehlenswertes Buch.

Veröffentlicht am 04.02.2018

Die Geschichte einer faszinierenden Frau

Die amerikanische Prinzessin
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Die promovierte niederländische Historikern und hochgelobte Autorin von Sachbüchern Annejet van der Zijl zeichnet in “Die amerikanische Prinzessin“ das Leben der Amerikanerin Allene Tew nach. ...

Die promovierte niederländische Historikern und hochgelobte Autorin von Sachbüchern Annejet van der Zijl zeichnet in “Die amerikanische Prinzessin“ das Leben der Amerikanerin Allene Tew nach. Allene wurde 1872 in der amerikanischen Provinz als Spross einer sehr tatkräftigen Pionierfamilie geboren, die es innerhalb von zwei Generationen zu wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlichem Ansehen gebracht hatte. Mit 18 verliebte sie sich in den reichen Erben Tod Hostetter und wurde schwanger. Das Paar heiratete, aber Allene wurde wegen dieser Mesalliance viele Jahre lang gesellschaftlich ausgegrenzt. Ihre drei Kinder aus dieser Ehe starben alle früh. Sie heiratete danach noch viermal, aber nur ihre dritte Ehe war glücklich. Als Alson Burchard 1927 starb, verlor sie auch noch die Liebe ihres Lebens. Allene Tew war inzwischen eine schwerreiche Frau, an ein Leben in unvorstellbarem Luxus gewöhnt. Sie reiste viel und besaß zahlreiche Immobilien in den USA und Europa. Als sie sich - gerade Witwe geworden - mit Mitte 50 nach Europa einschiffte, um dort ein neues Leben zu beginnen, sah sie nicht nur noch gut aus, sondern war auch in finanzieller Hinsicht eine gute Partie. Da ist es nicht verwunderlich, dass es Heiratskandidaten im verarmten europäischen Adel für sie gab. In vierter Ehe heiratete sie Prinz Reuß, in fünfter Ehe den russischen Grafen Paul Kotzebue. Über ihren Schützling Prinz Bernhard kam eine Verbindung zum holländischen Königshaus zustande, so dass sie später ohne verwandtschaftliche Beziehungen zur Patentante von Prinzessin Beatrix wurde. Den Leser fasziniert dieses außergewöhnliche Leben vor allem wegen der Persönlichkeit der Allene Tew. Sie musste viele Schicksalsschläge verkraften und machte dennoch unbeirrt weiter. Sie besaß großen Mut und eine enorme Willensstärke, die es ihr erlaubten, nicht zu klagen oder zu trauern, sondern stets nach vorn zu blicken. Der Autorin gelingt ein interessantes, sehr lesbares Buch, das das Leben einer völlig unbekannten Frau vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund nachzeichnet. Die Darstellung der Zeitspanne von Allenes Leben (1872-1955) macht die Biografie dadurch gleichzeitig zum Geschichtsbuch.

Mir hat “Die amerikanische Prinzessin“ sehr gut gefallen, und ich empfehle das Buch ohne Einschränkung.