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Veröffentlicht am 03.01.2021

Unsere Berufung ist der Ausdruck unserer Identität

Miss Bensons Reise
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Im Mittelpunkt von “Miss Bensons Reise“ steht die anfangs, d.h. im Jahr 1914 - 10jährige Margery Benson. Durch Erzählungen und Abbildungen weckt Margerys Vater das Interesse seiner Tochter für Käfer, speziell ...

Im Mittelpunkt von “Miss Bensons Reise“ steht die anfangs, d.h. im Jahr 1914 - 10jährige Margery Benson. Durch Erzählungen und Abbildungen weckt Margerys Vater das Interesse seiner Tochter für Käfer, speziell für diesen goldenen in Neukaledonien. Im Laufe der Jahre gerät der Plan einer Reise dorthin in Vergessenheit. Sie hat einen Insektenforscher kennengelernt und viel von ihm gelernt. Ihre Liebe zu dem deutlich älteren Mann wird jedoch nicht erwidert. Er hat sie lediglich als kostenlose Arbeitskraft ausgenutzt. Margery arbeitet viele Jahre als Hauswirtschaftslehrerin, bis sie eines Tages so von ihren Schülerinnen gedemütigt wird, dass sich an ihren alten Traum erinnert und eine Expedition nach Neukaledonien vorbereitet. Alles muss sehr schnell gehen, und sie engagiert die schwatzhafte, scheinbar völlig ungeeignete Enid Pretty als ihre Assistentin. Das geschieht Anfang der 50er Jahre.
Im Mittelpunkt des Romans steht die Beschreibung der ungewöhnlichen Reise mit zahllosen Komplikationen und Gefahren. Zwischen den Frauen wächst allmählich eine tiefe Freundschaft. Sie können sich aufeinander verlassen und helfen einander in der Not. Beide sind traumatisiert – Margery durch ihre freudlose Kindheit bei zwei strengen Schwestern des Vaters, der sich nach dem Tod seiner vier Söhne umgebracht hat, Enid durch eine Serie von Fehlgeburten und den bisher unerfüllten Kinderwunsch. Margery ahnt, dass Enid Geheimnisse vor ihr verbirgt, eventuell sogar eine kriminelle Vergangenheit, vor der sie auf der Flucht ist. Eine weiterer „Schatten“ bedroht die Frauen in der Person des als Assistent abgelehnten Mr. Mundic. Er ist von seinem Kriegstrauma und der aus der Gefangenschaft resultierenden Krankheit schwer gezeichnet und gerät häufig völlig außer Kontrolle. Mundic folgt den Frauen ungesehen auf ihrer Expedition und wartet auf den Moment, in dem er die Führung übernehmen kann.
Die Enthüllung von Geheimnissen und der ungewisse Erfolg des riskanten Unternehmens sorgt für Spannung und macht den Reiseroman in der Tradition großer Vorbilder – z.B. Jules Vernes “In 80 Tagen um die Erde“ – zu einer interessanten Lektüre. Beeindruckend sind hier vor allem die Schilderungen der Natur im Südpazifik. Den Leser berührt die Freundschaft der Frauen und Margerys Entdeckung ihrer eigenen Stärke. Ein Ausblick auf die 80er Jahre zeigt, dass Margery wiederum zu einer Inspiration für eine andere Frau wird. Es geht nicht alles gut aus in dieser Geschichte, aber es gibt einen Silberstreif am Horizont. Mir hat dieses Buch gut gefallen.

Veröffentlicht am 31.12.2020

Ein Mädchen verschwindet

Das Vermächtnis
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In “Das Vermächtnis“, dem neuen Roman von Daniel Silva wird ein 12jähriges Mädchen trotz bewaffneter Bodyguards und gepanzerter Limousine in Genf entführt, wo es eine Privatschule besucht. Wie sich herausstellt, ...

In “Das Vermächtnis“, dem neuen Roman von Daniel Silva wird ein 12jähriges Mädchen trotz bewaffneter Bodyguards und gepanzerter Limousine in Genf entführt, wo es eine Privatschule besucht. Wie sich herausstellt, handelt es sich um die Tochter von Khalid bin Muhammed, dem Kronprinzen von Saudi Arabien. Dieser engagiert Gabriel Allon, den Chef des israelischen Geheimdienstes, der hier zum 19. Mal in Erscheinung tritt. Ihm steht die Kuratorin Sarah Bancroft vom MOMA in New York zur Seite, eine ehemalige CIA-Agentin, die dem Leser ebenfalls aus früheren Romanen bekannt ist. Sie ist im Roman keine sympathische Figur und gerät selbst in höchste Bedrängnis.

Der Roman erzählt eine wilde Geschichte mit vielen Nebenschauplätzen und vielen Toten. Es gibt zahlreiche Anspielungen auf real existierende Prominente wie den aktuellen Kronprinzen von Saudi Arabien, Trump und Putin. Eine gewisse Rolle spielt auch ein Gemälde, das vielleicht ein echter da Vinci ist, vielleicht aber auch nicht. Etwas befremdlich ist die Darstellung der Rolle von Frauen in der Welt der Spione. Sie haben andere Aufgaben, können mit den männlichen Helden nicht mithalten. “Das Vermächtnis“ ist vielleicht nicht Silvas stärkster Roman, aber ich fand ihn spannend und fühlte mich gut unterhalten.

Veröffentlicht am 30.08.2020

Verlust und Heilung

Was uns verbindet
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Im Mittelpunkt von Shilpi Somaya Gowdas Roman “Was uns verbindet“ steht eine Familie, die an einer Tragödie zerbricht und sich irgendwann wieder aufeinander zubewegt. Der Investmentbanker Keith Olander ...

Im Mittelpunkt von Shilpi Somaya Gowdas Roman “Was uns verbindet“ steht eine Familie, die an einer Tragödie zerbricht und sich irgendwann wieder aufeinander zubewegt. Der Investmentbanker Keith Olander ist mit der indischen Diplomatentochter Jaya viele Jahre glücklich verheiratet. Sie haben zwei Kinder, Karina, 13 und Prem, 8. Ein Unglück zerstört eines Tages ihr Glück, und die Überlebenden versuchen jeder für sich, mit Schuld und Schmerz fertig zu werden. Jaya erinnert sich an ihre indischen Wurzeln und sucht Trost in Gebeten, Meditation und Ritualen. Keith arbeitet verbissen und hat Affären. Die Eltern sind schon bald geschieden, und Karina ist auf sich gestellt. Am College hat sie ein verstörendes Erlebnis, das sie erneut aus der Bahn wirft. Sie vertraut sich niemand an, auch nicht Izzy, ihrer besten Freundin seit der Kindheit. Karina findet Zuflucht in einer Kommune, die von dem charismatischen Anführer Micah geleitet wird. Sie verliebt sich in ihn, aber auch er ist der falsche Mann. Er manipuliert die Mitglieder der Kommune und schreckt vor Gewalt nicht zurück. Karina hat erneut ein furchtbares Erlebnis, ehe sie die Oase genannte Gemeinschaft verlässt. Endlich erinnern sich auch ihre Eltern wieder an ihre Pflicht, der Tochter alle Hilfe angedeihen zu lassen, die sie benötigt.
Die Autorin erzählt diese sehr schöne, berührende Geschichte aus vier verschiedenen Perspektiven, wobei auch ein Toter das irdische Geschehen beobachtet und kommentiert – eine etwas ausgefallene Konstruktion. Der Leser ist nicht nur berührt, sondern nimmt eine ganze Reihe von nützlichen Erkenntnissen mit. Die wichtigste ist sicher, dass man irgendwann mit dem Schmerz und der Trauer über vergangene Ereignisse abschließen und nach vorn blicken muss, denn das Leben wartet. Ein sehr lohnendes Buch.

Veröffentlicht am 22.08.2020

Aus dem Leben eines Landschaftsgärtners

Das Leben ist ein wilder Garten
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Roland Butis Roman „Das Leben ist ein wilder Garten“ erzählt eine kurze Zeitspanne im Leben des Landschaftsgärtners Carlo Weiss. Er leidet unter der Trennung von seiner Frau Ana und vermisst seine Tochter ...

Roland Butis Roman „Das Leben ist ein wilder Garten“ erzählt eine kurze Zeitspanne im Leben des Landschaftsgärtners Carlo Weiss. Er leidet unter der Trennung von seiner Frau Ana und vermisst seine Tochter Mina, die im Ausland studiert. Dann wird sein Mitarbeiter Agon von zwei Männern krankenhausreif geprügelt und erheblich verletzt. Die Männer nehmen offensichtlich Rache für Geschehnisse im Balkankrieg. Zu allem Überfluss verschwindet Carlos Mutter aus dem Altersheim. Carlo findet sie in einem heruntergekommenen ehemaligen Luxushotel in den Bergen, das inzwischen Betreuung für pflegebedürftige alte Menschen anbietet zu einem Preis, der eine echte Alternative zum Altersheim ist. Dieses Hotel hat im Leben der Mutter einmal eine wichtige Rolle gespielt. Als junges Mädchen lieferte die Bäckerstochter hier Ware aus und wurde wegen ihrer Schönheit umschwärmt. Hier traf sie unter anderem ihre erste Liebe, einen deutschen Adligen.
Carlo erkennt, dass er vieles nicht wusste, weder über seine Mutter noch über seinen Mitarbeiter Agon, den sanften Riesen, der sich nach den Kriegsjahren im Kosovo in der Schweiz eine neue Existenz aufgebaut hat. Dazu gehört auch sein Stück Land mit Hütte in einer Schrebergartenkolonie, das man ihm nun wegnimmt, um dort einen Fußballplatz zu bauen. Seine Hütte wird mit einem Hubschrauber zu einer anderen Stelle transportiert, und er muss wieder ganz von vorn anfangen.
Der Autor erzählt diese Geschichte einfühlsam und poetisch und lässt seine Liebe zur Natur und sein Verständnis für zwischenmenschliche Beziehungen durchscheinen. Das ist an und für sich nicht schlecht, aber es passiert einfach zu wenig. Ich fand die Lektüre zäh und teilweise ziemlich langweilig. Schade.

Veröffentlicht am 22.08.2020

Menschen geschehen Dinge

City of Girls
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In Elizabeth Gilbert Roman "City of Girls“ liefert Ich-Erzählerin Vivian Morris als alte Frau eine Lebensbeichte ab, die an eine zunächst Unbekannte namens Angela gerichtet ist. Der Bericht setzt 1940 ...

In Elizabeth Gilbert Roman "City of Girls“ liefert Ich-Erzählerin Vivian Morris als alte Frau eine Lebensbeichte ab, die an eine zunächst Unbekannte namens Angela gerichtet ist. Der Bericht setzt 1940 ein, als die 19jährige Vivian Morris das Vassar College verlassen muss, wo sie sich ein Jahr lang hemmungslos amüsiert hat. Ihre enttäuschten Eltern schicken sie nach New York zu ihrer Tante Peg, die in Manhattan das Lily Playhouse leitet. Sie bringt einfache lustige Stücke in Revuen mit hübschen Revuegirls für die Bewohner des Viertels zur Aufführung. Vivian hat bei ihrer Großmutter das Nähen gelernt und fertigt Kostüme an. Sie zieht mit ihrer Freundin, der wunderschönen Celia Ray, jede Nacht durch die Clubs, betrinkt sich und macht eine Menge sexuelle Erfahrungen. Es ist für sie eine völlig neue Welt, ein starker Kontrast zu ihrer Herkunft als WASP (White Anglo-Saxon Protestant)., wobei WASP die Mitglieder der weißen protestantischen Mittel- und Oberschicht bezeichnet. Eines Tages wird ihr Leben durch einen Skandal umgekrempelt. Nach einem kurzen Aufenthalt in ihrem Elternhaus führt sie in New York mit einer Freundin erfolgreich eine Schneiderei für Brautkleider. Die Liebe ihres Lebens wird Frank Grecco, ein schwer traumatisierter Kriegsteilnehmer, dem sie als junge Frau einmal kurz begegnet war. Sie sind einander innig verbunden, aber es ist keine Beziehung wie andere.
Die Autorin zeichnet vor dem historischen Hintergrund vor allem der 40er Jahre das Porträt einer Frau, die auch durch das Vorbild ihrer Tante Peg lernt, ihr Leben so zu führen, wie sie will, ohne sich dafür zu schämen – so wie es Männern längst gestattet ist. Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann - den Krieg zum Beispiel -, aber es gibt genügend Bereiche, in denen Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen, wie es im Übrigen auch die Autorin selbst vorgelebt hat, in dem sie sich von ihrem Mann trennte und eine Liebesbeziehung zu einer todkranken Frau einging. Der Roman ist nicht durchweg spannend, aber auf jeden Fall interessant und lesenswert.