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Veröffentlicht am 03.04.2020

Außen hui, innen so lala

Das Lied der Sonne
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Jennifer Wolf entführt uns in „Das Lied der Sonne“ in eine ganz neue Welt. In ein Reich voller Gegensätze. Im Süden das wunderschöne, sonnige, hawaiianisch anmutende Palilan. Im Norden das von Elend geprägte ...

Jennifer Wolf entführt uns in „Das Lied der Sonne“ in eine ganz neue Welt. In ein Reich voller Gegensätze. Im Süden das wunderschöne, sonnige, hawaiianisch anmutende Palilan. Im Norden das von Elend geprägte Kingsplains, der Sitz des Großkönigs.

Als Lanea in der Rolle ihrer Freundin der Prinzessin von Palilan zu dessen Brautschau fahren soll, zögert sie nicht. Doch weiß sie nicht, in was für ein Abenteuer das Leben bei Hofe sie stürzen wird. Verliebt sie sich doch tatsächlich den mächtigsten Mann ihrer Welt und das als Frau ohne Stand und noch dazu als Schwindlerin.

Jennifer Wolf erschafft hier eine wirklich glühende Atmosphäre, gerade das paradiesische Palilan mit dessen exotischen Einwohnern erzeugt sofort ein Feeling von Harmonie und Urlaub, dazu der Kontrast zu den prekären, verarmten Verhältnissen im Rest des Großkönigreiches.

Leider geht viel dieser Atmosphäre verloren für eine nicht stimmige Hauptfigur, die in erster Linie durch Egoismus und Impulsivität besticht. Die Handlung glänzt durch Kitsch und nicht zu Ende gedachte Ideen. Sobald sich eine spannende Wendung zu entwickeln scheint wird diese sofort im Keim erstickt. Die Lovestory rund um den Großkönig und seine bürgerliche Geliebte ist absolut vorhersehbar und entbehrt streckenweise jeglicher Logik.

Insgesamt eine wirklich schöne Atmosphäre, eine super interessante Welt, die leider durch eine eher langweilige Handlung zum Scheitern verurteilt wurde.

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Veröffentlicht am 16.03.2020

Faszinierend, beeindruckend, ein Muss

Ich erwarte die Ankunft des Teufels
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Vor mehr als 100 Jahren schrieb die 19-jährige Mary MacLane ein Tagebuch der etwas anderen Art, denn sie wartet nicht auf den Ritter in schillernder Rüstung, wie viele andere Frauen ihrer Zeit. Sie sagt ...

Vor mehr als 100 Jahren schrieb die 19-jährige Mary MacLane ein Tagebuch der etwas anderen Art, denn sie wartet nicht auf den Ritter in schillernder Rüstung, wie viele andere Frauen ihrer Zeit. Sie sagt von sich: „Ich erwarte die Ankunft des Teufels“.

Absolut kompromisslos ehrlich, reflektierend setzt sich Mary mit sich selbst auseinander und stellt fest: Ich bin nicht wie die anderen Frauen meiner Zeit. Für sie besteht kein Reiz darin einen wohlsituierten Mann zu heiraten, ihm Kinder zu gebären und den Haushalt zu führen. Mary, die sich selbst als Genie bezeichnet, erwartet mehr von ihrem Leben. Sie will das, was normalerweise den Männern ihrer Zeit vorbehalten ist: Bildung, Ruhm, Aufmerksamkeit. Sie will eine leidenschaftliche Liebe, keine wohl überlegte. Sie will alles oder nichts. Dabei schwankt sie zwischen einer gnadenlos realistischen Einschätzung ihrer individuellen Lage und Träumereien und Sehnsüchten, die typisch sind für ein gerade 19-jähriges Mädchen. Doch gerade die Gesellschaftskritik, die Mary MacLane immer und immer wieder übt und mit der sie klassische Rollenbilder anzweifelt bleiben im Gedächtnis und hinterlassen prägenden Eindruck.

Faszinierend, beeindruckend, ein Muss.

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Veröffentlicht am 16.03.2020

Leider eine Enttäuschung

Das eiserne Herz des Charlie Berg
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„Das neue „Parfum“!“ – So wurde mir der Debütroman „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ von Sebastian Stuertz empfohlen. Leider eine gnadenlose Fehlinterpretation.



Charlie hat es nicht leicht. Der Vater ...

„Das neue „Parfum“!“ – So wurde mir der Debütroman „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ von Sebastian Stuertz empfohlen. Leider eine gnadenlose Fehlinterpretation.



Charlie hat es nicht leicht. Der Vater ein kompromissloser Künstler, dem der nächste Trip wichtiger ist als seine Kinder, die Mutter lange über alle Berge und dann geschieht das Unbegreifliche, das Charlie nur noch tiefer in den Abgrund zu stürzen scheint. Bei einem Jagdausflug trifft ein Schuss den Falschen und nicht nur der ersehnte Hirsch muss sein Leben lassen, sondern ebenso Charlies Opa.



Nach dem Klappentext zu urteilen habe ich verworrene Familienverhältnisse, einen Mord und eine missglückte Liebesbeziehung erwartet – spannend, kontrovers, überraschend. Eine epische Finte, denn das Einzige, das den Leser hier erwartet ist gähnende Langeweile, unergründliche Figuren und eine sehr dünne Story, der 300 Seiten weniger sicherlich gutgetan hätten. Ich konnte über hunderte Seiten zu keiner einzigen Romanfigur eine Beziehung aufbauen, die bleiben allesamt sehr unsympathische Charaktere, denen man einzig und allein Distanz und Desinteresse entgegenbringen kann. Die Idee dieser konfliktbeladenen Familie - der freigeistige, verantwortungslose Vater, die autistische Schwester und Charlie, dem nichts im Leben zu glücken scheint – fantastisch, die Umsetzung recht schwach.

Die Story fängt actiongeladen an. Charlie und sein Opa sind im Wald. Schüsse knallen. Auf einmal drei Tote. Doch als Charlie die Lichtung kurze Zeit verlässt verschwindet der Mörder seines Opas spurlos und eine rasante Verfolgungsjagd scheint zu beginnen. Allerdings verfliegt die belebte Atmosphäre schnell und verläuft sich in einem Sumpf aus Gulasch kochen, Drogen und schlechter „Kunst“.



Gern hätte ich besser zu dem Roman geurteilt, da wirklich eine Menge Potential in der Idee steckt, leider konnte mich Sebastian Stuertz aber nicht überzeugen.

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Veröffentlicht am 28.02.2020

Faszinierend - ein sprachliches Meisterwerk

Das Evangelium der Aale
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Von der Sargassosee hinaus in die Welt. Patrik Svensson schwimmt in „Das Evangelium der Aale“ mit den Aalen und bringt dem Licht ins Dunkel um den wohl verkanntesten Fisch unserer Gewässer.

„Nie in seiner ...

Von der Sargassosee hinaus in die Welt. Patrik Svensson schwimmt in „Das Evangelium der Aale“ mit den Aalen und bringt dem Licht ins Dunkel um den wohl verkanntesten Fisch unserer Gewässer.

„Nie in seiner Kindheit war Patrik Svensson seinem Vater so nah wie beim Aalfischen. Als Erwachsener stellt er fest: Der Erinnerung an seinen Vater kommt er nicht auf die Spur, ohne nach dem Fisch zu suchen, der sie miteinander verband – und über den wir bis heute erstaunlich wenig wissen. Poetisch und spannend entwirft Svensson eine Natur- und Kulturgeschichte der Aale, von Aristoteles und Sigmund Freud über Günter Grass bis zu Rachel Carson, und verbindet sie mit seiner persönlichen Geschichte. Auf verschlungenen Wegen wird das Rätsel des Aals zum Bild für das Leben selbst. Und Das Evangelium der Aale zu einer großen, umwerfenden Erzählung über ein sonderbares Tier und ein Leben auf der Suche.“

Dies verspricht der Klappentext, doch ist diese groß angekündigte persönliche Verbindung Svenssons leider nicht viel mehr als „und dann war ich mit meinem Vater angeln und Mutter musste die Aale zubereiten“. Über weite Strecken relativ nichtssagend und langweilig. Ein Lückenfüller ohne echten Mehrwert für das Buch, schade, denn hier hätte für mich der absolute Pluspunkt stecken können.

Da die Kapitel aber nur teils Svensson und seinen Vater betreffen und die restlichen Kapitel sich einzig und allein dem Aal widmen, kann das Buch doch noch punkten. Mit unfassbaren Fakten, schlau und wortgewaltig geschrieben verbindet Svensson hier die Geschichte des Aals mit der der Menschen. Sowohl das enorme Wissen, dass hier zu einem (mir zuvor) weitgehend unbekannten Gebiet super anschaulich vermittelt wird ist dabei überraschend, manchmal schockierend und manchmal bringt es zum Schmunzeln. Aale, die sich nicht fortpflanzen können sondern einfach geschlechtslos aus dem Schlamm entstehen – tatsächlich eine sehr frühe Theorie zur Entstehung der Aale, die aus heutiger Sicht einfach nur noch amüsant wirkt. Das unschlagbare Highlight ist aber die Sprache. Gerade bei einem Sachbuch eine nahezu poetische Sprache vorzufinden, die derart geistreich mit den Worten spielt und so aus kleinen Details ein großes Ganzes schafft, ist außergewöhnlich. Ein sprachliches Meisterwerk!

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Veröffentlicht am 13.02.2020

Herzzerreißend, bleibt im Kopf

Nach Mattias
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Auf der Suche nach einer Erklärung, nach einem Grund, nach einem Weg hinweg zu kommen über das Unabänderliche. Peter Zantingh beschreibt in Nach Mattias wie der Tod Menschen nicht nur auf grausamste Weise ...

Auf der Suche nach einer Erklärung, nach einem Grund, nach einem Weg hinweg zu kommen über das Unabänderliche. Peter Zantingh beschreibt in Nach Mattias wie der Tod Menschen nicht nur auf grausamste Weise auseinanderreißt, sondern auch wie er auf wundersame Weise die verschiedensten Menschen verbindet.



Mattias ist Tod. Einfach so. Mitten aus dem Leben gerissen und dabei hatte er so große Pläne. Zurück lässt er seine Freundin Amber, Familie, Freunde und eine Menge Wegbegleiter und alle sind sich einig: Mattias war besonders. Frei, unbeschwert, enthusiastisch. Doch er ist fort und sie alle müssen weitermachen.



Als Leser*innen begleiten wir hier so viele unterschiedliche Menschen nach Mattias Tod, die unterschiedlicher nicht sein können. Nicht immer ist gleich offensichtlich, was sie mit Mattias verbindet, welchen Platz sie im Roman einnehmen werden, aber das macht die Spannung aus. Es fühlt sich an wie ein Puzzle, das Teil um Teil an Form gewinnt.

Zantingh schafft es ein derart schweres Thema so gut zu verpacken, dass die enorme Tragik zwar sofort ans Herz geht und mitfühlen lässt, aber dennoch ist das Buch nicht anders zu beschreiben als schon sein Klappentext verrät: „sensibel, klug und zutiefst menschlich“. Es liest sich leicht und schnell, aber bleibt lange im Kopf.

Man fühlt sich an die Hand genommen und langsam aus dem Dunkel geführt. Denn die Botschaft ist klar: Das Leben geht weiter und bei allem Schlechten, das wir erleben, können wir froh sein, wenn uns besondere Menschen ein Stück des Weges begleiten.

Für mich ein durch und durch bewegendes Buch, das jeder nachvollziehen kann, der selbst bereits getrauert hat. Sehr empfehlenswert.

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