Platzhalter für Profilbild

leseleucht

Lesejury Star
offline

leseleucht ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit leseleucht über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.04.2022

Ein absolut lesenwertes, starkes Buch!

Wellenflug
0

"Das faszinierende Doppelporträt zweier höchst unterschiedlicher Frauen", schreibt die Schriftstellerin Julia Franck über den Roman "Wellenflug" von Constanze Neumann, einen Roman, der auf historischen ...

"Das faszinierende Doppelporträt zweier höchst unterschiedlicher Frauen", schreibt die Schriftstellerin Julia Franck über den Roman "Wellenflug" von Constanze Neumann, einen Roman, der auf historischen Begebenheiten beruht.
Treffender könnte man es nicht auf den Punkt bringen, dabei haben die beiden Frauen aber doch mehr gemein, als ihnen beiden bewusst und der einen lieb ist. Beide, Anna und Marie, kommen aus einfacheren Verhältnissen, beide erleben den Aufstieg in die Welt der gehobenen Gesellschaft, die eine fühlt sich dazu eher berechtigt, der anderen will Anna dies nicht vergönnen. Beide erleben das Auf und Ab des Lebens: von den äußeren Umständen her könnten beide ein glückliches Leben führen, aber beide haben mit den Widrigkeiten des Schicksals zu kämpfen. Anna, die Tochter eines aufsteigenden jüdischen Stoffhändlers, der seinen Weg über Leipzig nach Berlin macht und seine Töchter dort als gute Partien verheiratet, heiratet in die Familie Reichenheim ein, ebenfalls Juden und Tuchhändler, die das Leben der Berliner Oberschicht bestimmen. Anna lebt in einem prachtvollen Haus, besucht Bälle und Theater, lernt reiten und muss doch immer wieder herbe Schicksalsschläge hinnehmen. Auch ihr Sohn macht ihr das Leben nicht leicht, ist er doch der einzige ihrer zahlreichen Kinder, der sich nicht ihrem Willen fügt, sondern seinen Neigungen folgt, die ihn in das Berliner Nacht- und Lotterleben führen und für die Arbeitswelt eher untauglich erscheinen lassen. Er verprasst ein Vermögen bei Glücksspielen und bringt den Ruf der Familie in Gefahr.
Die andere, Marie, lernt eben diesen Heinrich kennen als Gardobrière in einem Varieté. Das kleine Mädchen vom Lande, aus Burg bei Magdeburg, das mehr vom Leben wollte und sich auf in die Großstadt Berlin machte, um dort ihr Glück zu suchen, wird zu Heinrichs rettendem Anker. Ihm, dem von der Familie wegen seiner Spielsucht und Betrügereien, aber vor allem wegen seiner Liebe zu einer unstandesgemäßen Frau nach Amerika Verbanntem, folgt sie, lebt mit ihm dort sein unstetes Leben, duldet seine Affären, seine Sprunghaftigkeit, wenn er von Job zu Job und Stadt zu Stadt zieht, reist im wieder nach Berlin hinterher, als die Pflicht, für das Vaterland im Ersten Weltkrieg zu dienen, ihn ruft. Immer in der Hoffnung, Gnade vor den Augen der Familienmatriachin Anna, Heinrichs Mutter, zu finden, aufgenommen zu werden in den Familienkreis.
Im zweiten Teil des Romans rückt die Figur der Marie immer stärker in den Mittelpunkt, Anna wird zu einem Schatten, der allerdings Maries Leben stets dunkel überzieht und auch Heinrichs Leben bestimmt. Diese Marie, die die Missachtung der Familie ihres Mannes ertragen muss, meistert ihr Leben an der Seite ihres sprunghaften Ehemannes mit Bravour. Immer wieder in völlig neue Lebensumstände geworfen, immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt, richtet sie sich in diesem Leben immer wieder und immer wieder ein, macht das Beste daraus, findet ihre Inseln des Glücks. Marie benötigt keine aufgetürmten Frisuren und überbordenden Hüte, die für sie die Machtstellung Annas in der Familie demonstrieren, als Ausruck von Größe. Sie ist eine stille, aber starke Helden und, wenn sie auch schon nicht die Anerkennung ihrer Schwiegermutter erlangen kann, so doch die des Lesers für ihren Lebenswillen, ihren Pragmatismus, ihren Einsatz für ihre kleine Familie, ihre kleine Welt, die zunehmend mit der größeren Welt um sie herum auf Kollisionskurs gerät, als der Nationalsozialismus ihre jüdische Familie bedroht.
Die verschiedenen Schauplätze des Geschehens - die jüdischen Viertel der Tuchhändler in Schlesien, das jüdische Leben im aufsteigenden Berlin um die Jahrhundertwende, die Ozeanüberquerung auf einem Schiffsdampfer 1. Klasse, die mondäne Großstadt New York und das beschauliche Erie in Pennsylvania, die Sommerreise Heinrichs und Maries ins Mittelmeer und nach Italien sowie die Rückkehr in ein von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit bedrohtes Deutschland sowie das Aufkommen der "braunen Rotte" und deren Untergang in Dresden - schildert die Autorin so atmosphärisch dicht und greifbar, dass der Leser mit auf die Reise geht und die unterschiedlichen Stimmungen der unterschiedlichen Stationen auf der Lebensreise - insbesondere Maries - hautnah miterlebt und sich einfühlen kann in ihr Leben. Er spürt das brodelnde Berlin der Jahrhundertwende, die Größe und Lebendigkeit und Enge New Yorks, die kalten Winter und lauen Sommer in dem ruhigen, weiten Erie und den rauchigen, nebligen Herbst in Dresden.
Der Roman rührt an, nicht durch große Gefühle und Dramatik, nicht durch viele emotionale Worte, sondern gerade durch die ruhige, klare, kraftvolle Darstellung. Die Zeiten in Deutschland werden finster - wie sollten sie auch anders werden für einen Juden aus wohlhabender Familie, auch wenn er seine vaterländische Pflicht geleistet und diese mit dem Eisernen Kreuz vergolten bekommen hat. Aber gerade weil die Autorin darauf verzichtet, die Grausamkeiten und Greultaten zu beschreiben, die Parolen der Braunen herausschreien zu lassen und die zunehmende Zuspitzung der Lage für die Juden in Deutschland immer nur in Nebensätzen andeutet, wird diese Finsternis für den Leser um so bedrohlicher greifbar. Er muss die Schrecknisse nicht noch einmal in aller Deutlichkeit hören, er benötigt nur die Andeutung, den kurzen Verweis und die Bangigkeit und Schwere der Protagonisten legt sich auch auf sein Herz.
Genauso still und stark wie seine Heldin Marie klingt der Roman zum Ende aus - und hinterlässt doch großen Nachhall im Leser.
Ein absolut lesenwertes, starkes Buch!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.04.2022

Von Menschen und Pinguinen

Miss Veronica und das Wunder der Pinguine
0

Muss man erst 86 Jahre alt werden, um reden zu können, wie einem der Schnabel gewachsen ist, auch wenn man kein Pinguin ist? Oder liegt es daran, dass einem das Leben in diesen 86 Jahren immer wieder übel ...

Muss man erst 86 Jahre alt werden, um reden zu können, wie einem der Schnabel gewachsen ist, auch wenn man kein Pinguin ist? Oder liegt es daran, dass einem das Leben in diesen 86 Jahren immer wieder übel mitgespielt hat und man sich von Gott und der Welt im Stich gelassen fühlt?
Letzteres trifft sicherlich auch auf Veronica McCreedy zu. Die alte bärbeißig-bissige Lady fragt auf ihrem schottischen Landsitz, den sie ganz allein bewohnt, was von ihrem Leben bleibt, wenn sie nicht mehr ist, und muss feststellen, nicht viel. Auch wenn sie sich nach den Worten ihres Vaters bemüht, dass es Menschen gebe, die die Welt schlechter machten, solche, die keinen Unterschied machten, und solche, die die Welt besser machten, zu den letzteren zu gehören, muss sie feststellen, dass das Müllsammeln auf Spaziergängen an der schottischen Küste, sie nicht ganz dazu qualifiziert. Als sie im Fernsehen davon hört, dass die Pinguine bald zu den vom Aussterben bedrohten Arten gehören werden, beschließt sie, ihr nicht unbeträchtliches Vermögen einer Forschungsstation in der Antarktis zu vermachen. Allerdings nicht ohne einen Haken: Sie will selbst dorthin reisen, um sich vor Ort zu überzeugen, dass ihr Geld auch einer lohnenswerten Sache zukommt, falls sich nicht doch irgendwo noch ein Nachkomme und damit Erbe ihres Besitzes auftreiben lässt. Ja, falls …
Die Geschichte, wie die Pinguine Veronicas Herz erweichen – und schließlich nicht nur die Pinguine – und sie sich entschließt, ihre lange streng verschlossene Lebensgeschichte zu enthüllen, ist schon herzerwärmend und aufgrund der Ecken und Kanten ihrer Heldin nicht über Gebühr rührselig emotional. Immer wieder holen ihre schroffe Art und ihr vom Leben geschulter Sinn für schonungslose Offenheit und ein gewisser Sinn für Pragmatismus den Leser auf den Boden der Realität zurück. Ihr „Gegenspieler“ diesbezüglich ist der kleine Pinguinwaise Patrick oder auch Pip, der nicht nur Veronicas Herz erobert, sondern auch das der Leser, denn Tiere lügen nicht, sind nie falsch, sondern bedingungslos offen und zugewandt. Auch die anderen Charaktere des Romans wachsen dem Leser jeder auf seine Weise ans Herz und er ist beruhigt zu lesen, wie sich zum Ende hin alles in Wohlgefallen auflöst.
Der Stil der Autorin ist klar und warm, aber nicht kitschig oder sentimental. Sie schreibt lebhaft, locker und leicht, ohne Phrasen und schwülstige Lebensweisheiten. Der Leser fühlt sich stets gut unterhalten, und er kommt in seiner eigenen hektischen Alltagswelt für die Momente des Lesens immer einmal wieder zur Ruhe, wenn er abtaucht in die Welt von Veronica und den Pinguinen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.04.2022

Für die Hungrigen eher als für die Satten

Im Rausch des Aufruhrs
0


Der Autor porträtiert mit großer Kennerschaft das Jahr 1923 monatsweise und gibt im Anhang einen Ausblick, „wie es weiter geht“, indem er kurze Porträts der historischen Figuren gibt, die im Buch vorher ...


Der Autor porträtiert mit großer Kennerschaft das Jahr 1923 monatsweise und gibt im Anhang einen Ausblick, „wie es weiter geht“, indem er kurze Porträts der historischen Figuren gibt, die im Buch vorher in die Ereignisse involviert waren oder die die Ereignisse überhaupt erst angestoßen haben. Und es ereignet sich viel im Jahre 1923. Viele Figuren haben ihren Auftritt, seien es Privatpersonen mit bewegtem Schicksal oder seien es historische Persönlichkeiten, die bereits eine große Rolle spielen, wie Stresemann oder Hitler, wie Anita Berber oder Kurt Tucholsky, oder die noch eine große Rolle spielen werden, wie Sepp Herberger, der in diesem Jahr als Geldzähler inflationäre Eintrittspreise zählen muss, oder Victor von Bülow, Loriot, der in diesem Jahr geboren wird. Wie auch die Mutter des Autors.
Für jeden Leser ist etwas dabei und für jeden Leser liest sich – je nach Interesse – die eine Passage leichter als andere. So kommt der kulturell Interessierte auf seine Kosten, wenn es um die schönen Künste geht, die Literatur, Kafka, Fallada, Gorki, oder das Kino. Der am Leben des kleinen Mannes, um mit Fallada zu sprechen, Interessierte, wenn es um die Sorgen und Nöte, aber auch die Freuden des einzelnen geht, auch wenn letztere eher dünn gesät sind. Wie vergnügt er sich, aber auch wie viel kostet ihn ein Brot? Ganz besonders angesprochen werden die politisch und historisch Interessierten, die sich nicht von den permanent wechselnden Verhältnissen und Regierungen der Weimarer Republik abschrecken lassen. Diejenigen, die der Kampf Rot gegen Braun interessiert, aber auch der gemeinsame Kampf gegen Franzosen im Ruhrpottstreik, wobei das Gemeinsame nicht wirklich verbindend ist. Auch die Inflation ist ein spannendes sowie aktuelles Thema. So hält sich der heutige Leser vor Augen, wie schlimm es einmal mit der Inflation gekommen ist und was wahrer Mangel in den Regalen der Läden, was realer Hunger und reale Not bedeuten. Auch wenn er sich dabei doch nicht ganz losmachen kann von dem Blick auf das, was ihn heute vielleicht doch einmal wirklich bedrohen könnte. So schwankt er zwischen dem Glück, das ihn damit getroffen hat, ein Hundertjahrenachherlebender zu sein, und der flehentlichen Hoffnung, ihn mögen solche Verhältnisse verschonen. Ein Blick über den Tellerrand jedoch hilft gegen den Egozentrismus, der im eigenen Leid immer das größte sieht, auch wenn es nur die vorübergehende Abwesenheit von Mehl, Speiseöl oder Klopapier ist. Worauf der Leser sich dabei allerdings einlassen muss, ist das „Ragout“, wie es der Theaterdirektor seinem Dichter und dem Narren schon in Goethes „Faust“ im Prolog abverlangt. Er muss sich einlassen auf ein buntes Durcheinander von Personen, von Ereignissen, von Anmerkungen zu einem Jahr in einer nicht immer ganz so anderen Zeit, von dem ihm eventuell der eine Happen besser munden wird als der andere. Aber für jeden ist auf jeden Fall etwas dabei. Und jeder wird seinen Lesehunger und seinen Wissensdurst, so er sich diesen in einer satten Zeit bewahrt hat, für eine Zeit – bis zum nächsten Buch – stillen können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.04.2022

Wein, Weib und Gesang

Gretas Erbe
0

Wein: Greta wird groß auf dem Weingut der Familie Hellert, das stets um seine Existenz ringt und in Konkurrenz zu dem Weingut der Freudenbergs steht, dem das Glück sehr viel holder zu sein scheint. Wer ...

Wein: Greta wird groß auf dem Weingut der Familie Hellert, das stets um seine Existenz ringt und in Konkurrenz zu dem Weingut der Freudenbergs steht, dem das Glück sehr viel holder zu sein scheint. Wer wird am Ende die Nase vorn haben?

Weib: Nicht nur als Frau, sondern auch als uneheliches Kind und als Waise, da ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben und der Vater unbekannt ist, hat Gretas es schwer. In der Familie Hellert, weil sie eher Dienstmagd, Kindermädchen und Arbeiterin ist, denn Ziehtochter. In der Gesellschaft der 70er Jahre, weil diese den Frauen, die Selbstbestimmung, beruflichen Aufstieg, finanzielle Unabhängigkeit und eine eigene Meinung für sich einforderten, mehr als kritisch gegenüberstanden. So darf Greta doch nicht das lang erstrebte Abitur machen, sondern wird von ihrem Ziehvater zur Weinbauschule geschickt, um der Familie als billige Fachkraft zu dienen. Denn wirklich dazu gehören tut Greta nicht. Erst am Ende des ersten Teils dieser Reihe scheint sich ihr Schicksal zu wenden: was wird sie anfangen mit der ersehnten Freiheit?

Gesang: Dafür steht Robert, der zweitälteste Sohn der Hellerts, auch einer, der sich nicht in die Familien fügen will. Statt einer Banklehre macht er lieber Musik und strebt nach einer großen Karriere, sodass es zum Bruch mit der Familie kommt. Er verliebt sich in Elsa. Aber sie ist noch nicht volljährig und er finanziell nicht abgesichert. Hat ihre Liebe eine Zukunft?

Die Atmosphäre der 70er Jahre fängt der Roman gut ein, sei es gesellschaftlich – die Sternkampagne: Ich habe abgetrieben, sei es kulturell – siehe die Playlist am Ende des Buches, sei es historisch - das Attentat bei den Olympischen Spielen in München, sei es alltags- und sittengeschichtlich – so z. B. die elektrische Trockenhaube, die es der Hausfrau ermöglicht, sich die Haare bei Verrichtung ihrer hausfräulichen Pflichten schön zu machen.
Der Stil ist gut lesbar, die Figur von Greta sympathisch und die Ereignisse in der Familie Hellert mit den vier Kindern neben Greta, die zum Teil schon ihre eigenen Familien gründen vielseitig und unterhaltsam. Das Buch hält sein Versprechen auf gute, kurzweilige Unterhaltung. Am Ende kommt auf Greta eine schwere Entscheidung zu, die aber offenbleibt. Ein guter Cliffhanger zum Weiterlesen von Band 2!

Dass die Figuren insgesamt etwas sehr klischeehaft sind, vor allem die Familie Hellert mit Ausnahme von Robert, dem Musiker, und Matse, dem sehr weiblichen Nesthäkchen, allesamt geifernde Spießbürger und Sittenwächer in bigottester Art und Weise, hat eher ein komische als eine störende Note. Als ironisch übertriebenes Sittengemälde lassen sie sich herrlich komisch betrachten.

Etwas ermüdend ist die ziemlich gefühlsduselige Beziehung zwischen Robert und Greta, die sich immer gegenseitige Liebe schwören, aber doch nicht zu einander finden. Da wäre nach meinem Geschmack etwas weniger Hin und Her mehr gewesen.

Wer nach guter Unterhaltung und Abwechslung und einer Auszeit vom Alltag sucht, ist mit dem Roman „Gretas Erbe“ gut beraten. Eine Familiensaga im Winzermilieu vor dem Hintergrund der 70er Jahre ist da auch mal eine willkommene Abwechslung zu den vielen anderen Familiengeschichten in Romanform.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.01.2022

Gute Idee, Umsetzung nicht immer meins

Abschied von der Heimat
1

Die Geschichte von Erika, die mit fünf Jahren zur Tante nach Böhmen verschickt wird, um der Hungersnot im Rheinland zu entgehen, und die dann als Backfisch nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg wieder ...

Die Geschichte von Erika, die mit fünf Jahren zur Tante nach Böhmen verschickt wird, um der Hungersnot im Rheinland zu entgehen, und die dann als Backfisch nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg wieder ihre neue Heimat verlassen muss mit Nichts als dem, was sie am Leib trägt, um in eine ungewisse Zukunft zu gehen, hat eigentlich ein spannendes Thema und spielt zu einer dramatischen Zeit. Auch nimmt die Handlung immer wieder Wendungen, lässt immer wieder neue interessante Figuren Erikas Weg kreuzen und schickt Erika an immer neue Orte und Stationen ihres Lebens, dass der Roman eigentlich hätte ein Selbstläufer werden müssen.
Mich stören aber die Psychologie der Figuren, die ich entweder zu übertrieben psychopathisch böse finde - wie Coele, erst Freund, dann Widersacher Erikas - oder verbittert - wie Erikas Tante, die Erika ganz für sich will - oder zu naiv-idealistisch - wie Erika selbst, die sich in jeden Mann verliebt, der ihr über den Weg läuft und dafür einmal zur Widerstandskämpferin wird, dann zur verständnisvoll-wartenden beinahe Ehefrau eines deutschen Offiziers zur See, die Verständnis und sogar auch Bewunderung für dessen Einsatz für das Vaterland und Durchhaltewillen, und zum Schluss zum Ami-Liebchen. Das ist doch etwas viel hin und her.
Auch der Sprachstil ist bisweilen für meinen Geschmack zu gefühlsschwanger und von total überzogener Metaphorik.
Mich, die ich eigentlich für diese Zeit, für dieses Thema und für diese Art von Roman, nämlich Frauen- und Familienroman in Serie, brenne, stört das. Genau dazu gibt es viele lohnendere Alternativen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema