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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.10.2022

Merkwürdig

Lukusch
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Als Kind kommt Anton Lukusch mit seinem „Zwilling“ Igor nach dem Reatkorunglück aus der Ukraine nach Deutschland. Dort wird zum einen seine sonderbare Verbindung zur Igor, zum anderen sein Schachtalent ...

Als Kind kommt Anton Lukusch mit seinem „Zwilling“ Igor nach dem Reatkorunglück aus der Ukraine nach Deutschland. Dort wird zum einen seine sonderbare Verbindung zur Igor, zum anderen sein Schachtalent entdeckt.
Jahre später, Anton und Igor sind längst zurück in der Ukraine, macht sich Simon, einst Kind in der Familie, bei denen die beiden in Deutschland unterkamen, auf die Suche nach deren Verbleib.
Die Aufmachung des Romans ist originell. Photos und vermeintlich offizielle Dokumente verbürgen eine Wahrhaftigkeit der Geschichte, die allerdings der Recherche nicht standhält. Formal vermischen sich verschiedene Erzählebenen mit eingestreuten Dramenszenen, was den Leser bisweilen dazu zwingt, sich neu zu orientieren. Wer spricht? Auf welcher zeitlichen Ebene und wo befinden wir uns gerade in der Geschichte? Dementsprechend changiert der Plot zwischen dokumentarischem Drama, Erzählung, Kriminalroman und Mysterie. Bis zum Schluss fragt sich der Leser, kann das wahr sein? Wie lassen sich die Phänomene erklären: psychologisch, paranormal? Oder ist alles ein großes Fake?
Die Verfolgungsjagd auf den Spuren von Anton und die Suche nach Antworten, die die Vorgänge in irgendeiner Form rational erklärbar machen, fand ich noch ganz spannend. Aber immer mehr dreht der Roman ab, wird sehr merkwürdig und lässt mich mit der Frage zurück: Was soll das alles, die für mich eine gewisse Vergeblichkeit des Lesens impliziert.

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Veröffentlicht am 05.10.2022

Scönheit als Schild gegen das lauernde Dunkle

Drei Tage im August
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Drei Tage im August 1936 in Berlin Unter den Linde. Die Stadt wiegt sich während der Olympischen Spiele in trügerischer Sicherheit vor dem Aufstieg der Nazis und damit dem Untergang des Deutschen Reiches. ...

Drei Tage im August 1936 in Berlin Unter den Linde. Die Stadt wiegt sich während der Olympischen Spiele in trügerischer Sicherheit vor dem Aufstieg der Nazis und damit dem Untergang des Deutschen Reiches. Allerdings nehmen die Ladenbetreiber Unter den Linden die seltsam bedrohliche Atmosphäre bereits deutlich wahr. Sei es in Gestalt eines schwarzen Tieres, das die Protagonistin Elfie als Sinnbild ihrer Schwermut auf Schritt und Tritt folgt. Mühsam versucht sie ihren Alltag als Angestellte der Chocolaterie Sawade aufrecht zu erhalten. Sei es in Form der existentiellen Bedrohung des Buchhändlers Franz Marcus, dem die Nazis mit Schließung der Buchhandlung drohen und der an Flucht denkt, bevor er gänzlich in der Falle sitzt. Oder in Form des Todes, der die alte Madame Comte über der Chocolaterie bedroht. Alle versuchen der drohenden Dunkelheit mit Hilfe der Schönheit zu trotzen, der Schönheit der Schokoladen und ihrer Verpackungen, der Schönheit der Bücher und der Schönheit der Erinnerungen an das gelebte Leben. Darin verwebt sich das Schicksal der Haupt- und Nebendarsteller Unter den Linden auf sehr gefühlvoll-melancholische Weise. In bedächtigen und leiden Worten schafft die Autorin ein stark atmosphärisches Bild der Allee in diesen drei Tagen im August und setzt damit selbst das Schöne gegen das Böse. Wer spannungsreiche Handlung sucht und große Geschichten, der ist hier schlecht beraten. Wer sich in die komplexen Gefühlswelten, die ein wenig mantrahaft stets von Neuem heraufbeschworen werden, begeben will, findet hier einen „ausnehmen schöne[n] Roman, voll zarter Sinnlichkeit und besonderen Figuren“, wie es der Klappentext verspricht.

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Veröffentlicht am 22.09.2022

Gediegen

Das neunte Gemälde
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Der Kunstexperte Lennard Lomberg wird aufgrund seines Fachwissens über Beutekunst im 3. Reich in die Geschichte eines Gemäldes hineingezogen, dessen Existenz Rätsel aufgibt, das durch Zufälle die Bilderverbrennung ...

Der Kunstexperte Lennard Lomberg wird aufgrund seines Fachwissens über Beutekunst im 3. Reich in die Geschichte eines Gemäldes hineingezogen, dessen Existenz Rätsel aufgibt, das durch Zufälle die Bilderverbrennung entarteter Kunst im besetzten Paris durch die Nazis überstand, damit auch zu einem dunklen Flecken der Familiengeschichte Lombergs selbst wurde und letztlich zu einem Mord führt. Verwickelt in die Aufklärung dieses Mordes wird Lennard Lomberg nicht zur zum Ermittler in Sachen Kunst und der Herkunft des neunten Gemäldes, sondern auch hinein gesogen in die eigene Familiengeschichte, in Fragen der Schuld, der Rache, der Verantwortung, der Auflehnung und der Wiedergutmachung. Der Roman spielt auf drei Ebenen: 1940 im besetzten Paris, 1966, als Lombergs Vater in der jungen BRD zum Bundesgeneralanwalt aufsteigt, und 2016, als die ganze Geschichte Lomberg selbst einholt.
Gediegen war das erste Wort, was mir in den Sinn kam, als ich die Einführung in das Leben eines Kunstexperten namens Lennard Lomberg las. Zuhause in London, aber auch in Bonn, in den Kunst- und Akademikerkreisen, auf einem französischen Weingut sowie der Finanzwelt, für die er zwecks Versicherung Kunstwerke begutachtet, führt er ein gediegenes Leben in Hinsicht auf Lifestyle, Mobiliar, Essen, Kleidung und Automobil. Aber auch die Sprache des Krimis ist gediegen, passend zum Ambiente. Und der Plot selbst ist insofern gediegen, als der Leser sehr genau aufpassen muss, nicht die Übersicht zu verlieren über das Personal, die Zeitebenen und die vielen Verwicklungen untereinander und den verschiedensten Schauplätzen: Bonn, London, Paris, ein Weingut in der Provence, ein Bahnhof in Avignon, Spanien, Mallorca, Berlin, die DDR. Immer verwickelter wird die Handlung, die sich aber zunehmend auch mit vielen interessanten Wendungen und Drehs entwickelt und im letzten Drittel zu fulminanten Lösungen führt. Es liegt kein klassischer Krimi vor, es geht weniger um die Suche nach einem Mörder, die immer mehr an den Rand gerückt wird. Es ist vielmehr ein intelligentes Verwirrspiel mit politisch-historischem und kunsthistorischem Tiefgang. Anhand der vielschichtigen Personen und ihrer dramatischen Schicksale zeigt der Autor auf, dass die Kategorien von Schwarz und Weiß der Frage nach Opfer und Täter, nach Schuld und Sühne nicht gerecht werden. So einfach ist es nicht. Ein kluges Lesevergnügen mit Geschmack, gediegen eben.

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Veröffentlicht am 15.09.2022

In der Mausefalle

Die Wagemutige
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In dem Roman „Die Wagemutige“ geht es um Lisa Fittko, die schon bei Machtergreifung der Nazis 1933 in den Widerstand geht und damit in der Illegalität lebt. Die Handlung setzt ein in dem Internierungslager ...

In dem Roman „Die Wagemutige“ geht es um Lisa Fittko, die schon bei Machtergreifung der Nazis 1933 in den Widerstand geht und damit in der Illegalität lebt. Die Handlung setzt ein in dem Internierungslager Gurs in Frankreich, in das Lisa 1940 wie alle deutschen Frauen muss, nachdem die Deutschen in Frankreich einmarschiert sind. Als sie von dort fliehen kann und nach Marseille kommt, ist sie eine der vielen Flüchtlinge, die sich von dort die Rettung vor den Nazis über das Meer nach Amerika erhoffen. Ihre Lage spitzt sich dramatisch zu, als der noch nicht besetzte südliche Teil Frankreichs mit den Deutschen ein Abkommen eingeht, die deutschen Flüchtlinge an die Nazis auszuliefern. Daraufhin macht Lisa sich auf die Suche nach einem Schlupfloch aus der Mausefalle für sich und ihre Familie, aber zunächst einmal auch für viele andere, die auf Flucht vor den Nazis sind, Schriftsteller, Intellektuelle, Politiker, Andersdenkende, Juden …
Der erste Teil im Lager Gurs und auf der Flucht lies sich so, wie die Protagonisten sich fühlen: wie ein absurdes Theaterstück. Das Leben der Betroffenen lässt sich weder mit dem Verstand noch emotional wirklich fassen und begreifen. Fassungslos liest der Leser, in welcher Situation sich diese vielen Frauen, die glaubten, in Frankreich vor den Nazis sicher zu sein, und nun von den Franzosen als Deutsche unter widrigsten Uimständen interniert werden, befinden. Ein schwer ertäglich zu lesender Einstieg.
Spannung und Dramatik nehmen zu, als Lisa sich aufmacht, Fluchtrouten aus Frankreich zu erkunden. Dies zieht den Leser in einen Sog, sie und den ihr Anvertrauten auf ihren verwegenen Pfaden atemlos zu folgen, wo sie nicht nur durch Gendarmerie, sondern auch durch feindlich gesinnte Zivilisten und durch die Tücken der Natur immer wieder in Gefahren geraten.
In diesem Teil rückt mir persönlich die Hauptakteurin auch ein stückweit näher. Die Autorin selbst erklärt im Nachwort, sie habe Lisa Fittko, die in ihrer Autobiographie das Persönliche und Emotionale weggelassen habe, eben dieses in ihrem Roman wiedergeben wollen, indem sie versucht habe, ihre Gedanken, Wünsche und Emotionen nachzufühlen. Das ist sicherlich eine schwieriges Unterfangen. Und gerade anfänglich bin ich nicht sehr warm geworden mit dieser Figur, weil sie für mich nicht zu einer Person wurde, sondern zu einer Frau, die eine Rolle übernimmt. Aber dessen ungeachtet ist dies insgesamt ein auf jeden Falls lesenswerter Roman über die Zeit des Exils in Frankreich, kommen doch viele bekannte historische Persönlichkeiten vor, deren Schicksal anrührt, und viele historische Tatsachen, aber auch über eine wagemutige Frau, die Großes geleistet hat, aber ganz unverdientermaßen in Vergessenheit geraten ist. Auch in dieser Hinsicht ist dies ein wichtiges Buch!

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Ein tolles Buch

So federleicht wie meine Träume
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Ein tolles Buch

So leicht lässt sich der Lesestoff in Worte fassen. Alina ist eine junge, aufstrebende Ballerina, bis ein Unfall ihre Träume zunichte macht. Jetzt muss sie als ganz „normales“ Mädchen ...

Ein tolles Buch

So leicht lässt sich der Lesestoff in Worte fassen. Alina ist eine junge, aufstrebende Ballerina, bis ein Unfall ihre Träume zunichte macht. Jetzt muss sie als ganz „normales“ Mädchen und Schülerin wie jede andere zurück an die Eagle View. Und nimmt auf einmal war, dass es noch anderes gibt neben dem Ballett. Da sind zum einen Margot, Ethan und Jude, ihre neuen Freunde. Und da ist das Musical, die Schulaufführung, auf die eine Menge SchülerInnen der Eagle View hinfiebern. Wird Alina neue Träume träumen können?
Das Buch nimmt den Leser gleich von Seite 1 mit in den Sog der Geschichte. Aus Sicht Alinas taucht der Leser ab in die Welt der Highschools und hier der einer bunten Truppe an SchülerInnen mit all ihren Träumen, Hoffnungen und Wünschen. Die Charaktere sind sehr vielfältig und auf ihre Weise liebenswert. Alle haben ihre eigenen Sorgen und Probleme, die die Autorin einfühlsam beschreibt und mit denen sie die Figuren nie allein lässt. Obwohl es fasst ausschließlich ums Tanzen und Musik geht, kommt auch ein Nichttänzer auf seine Kosten und die Geschichte ist nie langweilig. Interessant ist auch der Aspekt des Rassismus in der Welt des Balletts, ein Thema, das mir so noch nicht bewusst war.
Die Geschichte ist sehr atmosphärisch geschrieben und lässt den Leser in die Welt der Freundesclique gänzlich abtauchen.
Das Buch ist insbesondere für junge LeserInnen, aber nicht nur, eine anregende Lektüre und ein guter Freund, wenn ihm eine Margot, ein Ethan oder ein Jude gerade mal fehlen!

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