Nicht um jeden Preis
Um jeden PreisDer „Politthriller von Maximilian Ferreira Cress und Bernd Blaschke beginnt rasant. Verschieden Erzählstränge starten: Die Polizistin sagt in einem Prozess gegen einen Kollegen aus, der bei einem Einsatz ...
Der „Politthriller von Maximilian Ferreira Cress und Bernd Blaschke beginnt rasant. Verschieden Erzählstränge starten: Die Polizistin sagt in einem Prozess gegen einen Kollegen aus, der bei einem Einsatz Moosa Rachid getötet hat. Rechtsradikaler Hintergrund? Die junge Reporterin Michelle stellt ihre Auftragsarbeit für die Reederei Doorben vor, eine Chronik, die die nationalsozialistische und koloniale Vergangenheit des Unternehmens beleuchten und damit ein Ausdruck der Verantwortlichkeit sein soll. Ein Täuschungsmanöver? Als Michelles Reporterkollege, der an einer Story über Rechtsextremismus in der Polizei dran ist, überfallen, angeschossen und halb tot geprügelt wird, ist Michelles Spürnase geweckt. Und es scheint Verbindungen zu geben zwischen Nazi-Polizisten, Sicherheitsfirmen, der Reederei Doorben und anderen internationalen Wirtschaftsunternehmen sowie deren Anwaltskanzlei, geleitet vom Vater des Verlobten von Michelle. Bald wird klar, dass ihre Spurensuche schnell privat und gefährlich wird.
Der Erzählstil ist interessant, weil von recht harten Cuts geprägt. Hier macht sich die Handschrift des Drehbuchautors Bernd Blaschke sicherlich bemerkbar.
Allerdings wird dieser Stil meines Empfindens nach der Story auch bald zum Verhängnis. Die Figuren sind wenig entwickelt, ihre Handlungen oft nicht gänzlich nachvollziehbar. Sie agieren willkürlich und die Handlungsverläufe sind dementsprechend ein wenig sprunghaft. Die Geschichte spitzt sich immer mehr auf die Perspektive der Michelle zu. Die Gegner bleiben Schattenmänner – sowohl die Rechtsradikalen bei der Polizei wie die Wirtschaftsbosse, die für ihre Profite über Leichen gehen. Wer – wie angekündigt – einen Thriller über ein rechtsextremes Netzwerk bei der Polizei erwartet, wird enttäuscht. Das spielt mal eine Rolle, mal ist es mehr der koloniale Wirtschaftsstil, der von den Autoren angeprangert wird. Darüber hinaus geht es um die Problematik des Journalismus und der Sozialen Medien, der Unterscheidung von Propaganda, Fake news und ernsthaft engagierter Presse, die zum Opfer ihrer selbst wird: Lügenpresse und Verschwörungstheorien sind ein Thema. Dabei hat man, ohne das Problem klein reden zu wollen, manchmal selbst das Gefühl, nicht genau zu wissen, wo die Verschwörungstheorie anfängt bzw. aufhört: Da sind rechtsradikale Polizisten, die am Wochenende für einen international agierenden Sicherheitsdienst arbeiten, der, ausgestattet von einem Waffenlieferanten, Wirtschaftsprojekte deutscher Scheinfirmen auf den Bahamas mit Brachialgewalt durchsetzt. Das mag sicherlich alles vorkommen, ist aber für eine Story, wie ich finde etwas viel und auf gut 300 Seiten kaum differenziert zu entfalten. So bleiben für mich viele Fragen nach Plausibilität und Zusammenhängen und Handlungsmotivationen offen. Den Thriller muss man nicht um jeden Preis gelesen haben.