Eine Geschichte voller Gefühl, die jeden zum Nachdenken anregen sollte
Das FinkenmädchenTRIGGERWARNUNG: Missbrauch (detailliert, häufig) und Essstörung (kurze Erwähnung) – bitte lies das Buch nicht, wenn dich diese Themen triggern könnten!
„Das Finkenmädchen“ von Nicole Trope durfte ich ...
TRIGGERWARNUNG: Missbrauch (detailliert, häufig) und Essstörung (kurze Erwähnung) – bitte lies das Buch nicht, wenn dich diese Themen triggern könnten!
„Das Finkenmädchen“ von Nicole Trope durfte ich im Zuge einer Leserunde der Lesejury vorablesen. Ich habe mich wirklich sehr gefreut, dass mir diese Ehre zuteilwurde und muss sagen, dass meine erste Leserunde bei der Lesejury Spaß gemacht hat.
Klappentext:
„Fünfundzwanzig Jahre hat Felicity ihre ehemalige Nachbarin Rose nicht mehr gesehen. Aber an jedem einzelnen Tag hat sie an sie gedacht, und mit jedem Tag ist ihre Wut größer geworden. Denn Felicity war damals klein, und Rose war groß. Rose hätte sie beschützen und ihr helfen müssen. Stattdessen hat sie einfach weggesehen, und jetzt scheint sie sich an nichts mehr zu erinnern. Aber Felicity wird ihrer Erinnerung schon auf die Sprünge helfen – und dafür sorgen, dass Rose für ihre Fehler bezahlt.
Ein packender Roman über Kinder, die um ihre Kindheit betrogen werden. Über Wut, Rache und die Macht der Versöhnung.“
Felicity ist im Gefängnis. Als sie erfährt, dass auch Rose, die sie aus ihrer Kindheit kannte, in dasselbe Gefängnis kommen muss, sieht sie ihre Chance für Rache gekommen. Denn in Felicitys Kindheit passierte etwas so Schlimmes, das Felicity niemals vergessen können wird. Und Rose war die einzige Person, die dies hätte verhindern können – aber es nicht getan hat. Und so wuchs Felicitys Wut, Unverständnis und Verzweiflung über Roses damaliges Verhalten, dass sie als einzige Möglichkeit, um mit all dem jemals abschließen zu können, die Rache an Rose sieht.
Rose steht vor Gericht. Ihr Mann starb – und Rose scheint damit etwas zu tun zu haben. Sie wird verurteilt und muss ins Gefängnis. Rose hat ein sehr gutes Leben geführt, sie ist Entbehrungen und Einschränkungen nur aus ihrer Kindheit und den Anfängen ihrer Ehe gewohnt. Dass sie nun ins Gefängnis, und dort auf all den Luxus verzichten, muss, ist für sie nicht einfach, aber sie gibt ihr Bestes, um sich anzupassen. Sie weiß, dass sie ihre Strafe verdient hat und sträubt sich nicht gegen ihre Haft.
Nicole Tropes Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Sie schreibt, immer abwechselnd, aus der Sicht von Felicity und Rose. Man kann durch die jeweilige Art zu schreiben deutlich erkennen, wie unterschiedlich die beiden Frauen sind, ohne dass Nicole Trope es irgendwo groß hätte erwähnen müssen. Genau das zeigt, finde ich, dass Nicole Trope einiges vom Schreiben versteht. Ich hatte nie Schwierigkeiten damit, mich in die beiden Protagonistinnen einzufühlen, ihre Gedanken nachzuvollziehen und ihre Gefühle zu verstehen.
Ich war oft sehr gefesselt und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Da war es manchmal schon doof, dass ich den aktuellen Leseabschnitt beendet hatte und noch ein paar Tage warten musste, bis ich weiterlesen konnte. Aber das spricht ja nur für die Geschichte und den Schreibstil – wenn man unbedingt wissen möchte, was als nächstes passiert, dann ist das Buch gut.
Was mir nicht gut gefallen hat, war das Ende, sowohl aufbautechnisch als auch inhaltlich. Die letzten Kapitel werden so schnell runtergerattert, dass es, für mich, den Lesespaß etwas zunichte gemacht hat. Ich hatte das Gefühl, dass das Buch jetzt so schnell wie möglich zum Schluss gebracht werden muss, egal, wie sehr die Geschichte und vor allem die Art zu schreiben darunter leiden.
Ich persönlich hätte mir auch eine andere Art des Endes gewünscht – aber gut, das ist meine Meinung und die Autorin hat sich natürlich nur nach ihrem Empfinden zu richten.
Was mir allerdings auch übel aufgestoßen ist, war eine fehlende Triggerwarnung oder die Info, dass es um (Kindes)Missbrauch geht.
Einerseits fand ich es genial, dass das Buch mit Cover und Inhaltsangabe eigentlich ganz fröhlich wirkt, man den Eindruck bekommt, dass es vielleicht um einen Streit zwischen Kindern oder alten Freundinnen geht und man dann mit dem eigentlichen Thema überrascht wird.
Andererseits wird im Buch Kindesmissbrauch sehr deutlich beschrieben, was mich, als nicht Betroffene, sehr mitgenommen hat. Stellenweise musste ich das Buch ein paar Tage aus der Hand legen.
Ich bin sensibler als andere, mir ist bewusst, dass ich wahrscheinlich empfindlicher auf solche Themen und Beschreibungen reagiere, als ein „Durchschnittsmensch“ es täte. Aber wenn ich, als Person, die keinerlei persönlich Erfahrungen mit Missbrauch hat, schon so intensiv auf die Beschreibungen reagiert, dann kann ich mir nicht vorstellen, wie sehr das erst Betroffene mitnehmen muss.
Ich hätte mir wirklich genug Weitsicht gewünscht, dass irgendwo eine kleine Info diesbezüglich gestanden hätte. Zumal Missbrauch, leider, häufig passiert und viele Menschen betroffen sind, was ja auch gerade in Bezug auf die aktuelle #metoo-Debatte sehr präsent und keine neue Information sein sollte.
Ich empfehle das Buch trotzdem weiter – denn die Geschichte hat mir gefallen und transportiert eine sehr wichtige Nachricht. Sie zeigt, wie wichtig es ist, dass man einander zuhört, dass man auch auf die kleineren und schwächeren Mitglieder der Gesellschaft hören und achten muss. Dass man sich aus seiner eigenen Blase befreien muss und auch unangenehme Wahrheiten akzeptieren muss. Dass man Menschen zuhören muss, wenn sie um Hilfe bitten. Dass niemand das Recht hat, etwas zu verdrängen oder nicht zu beachten, nur weil es nicht in das eigene Bild einer Person passt. Auch augenscheinlich wunderbare, fehlerfreie Menschen können nicht ganz so toll sein, wie sie scheinen.
Ich gebe 3,5/5 Sternen.