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Veröffentlicht am 22.04.2018

Behindert, zerbrechlich, orthopädisch auffällig, aber gesegnet. Das ist mein Leben.

Espenlaub
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Behindert, zerbrechlich, orthopädisch auffällig, aber gesegnet. Das ist mein Leben.

„Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln…“

Der alleinstehende Anton Hinteregger führt ein äußerst arbeitsames ...

Behindert, zerbrechlich, orthopädisch auffällig, aber gesegnet. Das ist mein Leben.

„Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln…“

Der alleinstehende Anton Hinteregger führt ein äußerst arbeitsames Hirtenleben, er ist Kuhhirte aus Leidenschaft und lebt mit seinen Kühen abwechselnd im Sommerquartier auf der Alm und im Winterquartier bei der Familie des Raffaltbauern Alois Schmid. Nach dem schrecklichen Unfalltod der Mutter nahm sich die tiefgläubige Altbäuerin Walburga Schmid des armen Waisenkindes an und nahm es wie einen eigenen Sohn in die Familie auf. Da Anton aufgrund seiner Sprachbehinderung kein Schulbesuch möglich war, unterrichtete die ausgebildete Lehrerin Walburga den Jungen. Sie lehrte ihm die Liebe zur Literatur und zeigte ihm den Weg zu einem fröhlichen und befreiten Christsein. Anton wuchs unter ihrer Obhut zu einem charakterstarken, zuverlässigen, fürsorglichen und gläubigen jungen Mann heran.

Als die gleichaltrige Evamaria Stocker als Hausmädchen auf den Raffalthof kam, begegnete Toni der Liebe seines Lebens. Zu seiner großen Freude erwiderte das hübsche und fröhliche Mädchen seine Gefühle und die beiden planen eine gemeinsame Zukunft. Evis Mutter kann jedoch aufgrund ihrer Standesdünkel den Freund der Tochter nicht akzeptieren und sorgt auf sehr effektive Art und Weise dafür, die Liebenden zu trennen. Evi wird für zwei Jahre zum Studium nach England geschickt, kehrt jedoch entgegen allen Zusagen und Versprechungen nach dieser Zeit nicht mehr zurück. Sie gerät in die Fänge einer Sekte und bricht unter dem Einfluss des fanatischen Sektenführers jeden Kontakt zu ihrer großen Liebe, ihrer Familie und ihren Freunden ab.

Toni leidet sehr unter der Trennung von Evi und seiner quälenden Einsamkeit, er ist tief verletzt und die sterbende Hoffnung auf ihre ist beinahe schlimmer als seine Diagnose Morbus Parkinson.

Jürgen Mette hat sich mit diesem Roman zielstrebig in mein Herz geschrieben. In seiner Geschichte über den geduldigen und in sich gekehrten Anton Hinteregger konzentriert er sich vor allem auf seinen Protagonisten, dessen Charakterisierung ihm hervorragend gelungen ist. Tonis stille Gedankenwelt, seine Emotionen, seine Ängste, aber auch sein Festhalten an der Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seiner geliebten Evi werden im Buch sehr eindringlich und außergewöhnlich berührend beschrieben. Tonis früh verstorbene Mutter gab ihm einen starken Glauben mit auf den Weg, der durch die Person der Walburga Schmid noch vertieft wurde. In den langen Jahren der Einsamkeit und des Wartens auf Evi reifte er trotz tiefster Verzweiflung und infolge seiner Weigerung, nicht aufzugeben, zu einer in sich ruhenden Persönlichkeit, die auch anderen Menschen Mut und Hoffnung vermittelt.

Der Leser erhält in diesem Buch einige Informationen über die Parkinson-Erkrankung, beginnend von den ersten Anzeichen körperlicher Einschränkungen, über den Weg zu einer Diagnose bis hin zu verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. Das Hauptaugenmerk wird jedoch stets auf die Person des Protagonisten gelegt und dessen Erfahrungen und Empfindungen in den Mittelpunkt gerückt. Der christliche Glaube spielt in diesem Buch eine zentrale Rolle, und in den Erzählsträngen, die sich mit dem Leben von Evamaria Stocker in London beschäftigen, erfährt man von ihrem Abgleiten in die Fänge einer Sekte.

Ich empfand „Espenlaub“ als tief berührende, zum Teil erschütternde Lektüre. Evis lange Abwesenheit ließ an manchen Stellen sogar einen gewissen Groll in mir entstehen, und das Wiedersehen ging mir ein klein wenig zu „glatt“ über die Bühne. Das happy end versöhnte mich jedoch mit Evis Abtrünnigkeit und ich möchte dieses Buch, das so voller Glauben und Hoffnung ist, jedem ans Herz legen, der sich mit der Parkinson-Erkrankung eines gläubigen Christen auseinandersetzen möchte.

Besonders berührt hat mich eine ganz bestimmte Passage eines Briefes, die Anton am Ende des Buches zitiert:

„Ich kann wieder glauben, dass ich trotz Parkinson vielleicht die beste Zeit meines Lebens noch vor mir habe. Nicht ein erfolgreiche, aber eine folgenreiche Zeit. Nicht eine furchtlose, aber tapfere Zeit. Nicht ein gesunde, aber doch eine geheilte Zeit. Nicht eine zweifelsfreie, aber doch keine verzweifelte Zeit. Nicht eine überzeugte, aber doch eine zeugnishafte Zeit. Ich bin allerdings auch ganz nüchtern darauf eingestellt, dass ich möglicherweise die schwerste Phase meines Lebens vor mir habe.“

Veröffentlicht am 19.04.2018

Vier Jugendliche aus vier kaputten Familien, so verschieden wie Feuer und Wasser, unterwegs zum Meer

Die Ausreißer – Sehnsucht nach Meer
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Vier Jugendliche aus vier kaputten Familien, so verschieden wie Feuer und Wasser, unterwegs zum Meer

„Es gibt so viel Mist auf der Welt. Und die schlimmsten Dinge passieren in Familien. Diese glücklichen, ...

Vier Jugendliche aus vier kaputten Familien, so verschieden wie Feuer und Wasser, unterwegs zum Meer

„Es gibt so viel Mist auf der Welt. Und die schlimmsten Dinge passieren in Familien. Diese glücklichen, netten Familien mit Vater, Mutter und zwei Musterkindern, die sich alle anstrahlen, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt – die gibt es doch nur auf Müslipackungen!“ (Lars)

Der Halbwaise Lars glaubt nicht an eine heile Familienwelt. Er lebt bei seinem gewalttätigen alkoholkranken Vater, ist ein unscheinbarer und feinfühliger Junge, der sich hart und abweisend gibt und keine Freunde hat. In der Schule vermeidet er es konsequent, aufzufallen und wird von den meisten einfach übersehen. Lars ist ruhig, mag keinen Lärm, und hält sich tunlichst aus allem raus.

Nele Zimmermann ist unsportlich und mollig, hat ebenso wie Lars keine Freunde und wird als unbeliebte Schülerin in ihrer Klasse gemobbt. Als braves Mädchen aus christlichem Elternhaus, deren Vater kürzlich die Familie verlassen hat und mit seiner neuen Freundin im Norden des Landes lebt, stellt sie ein begehrtes Zielobjekt für die Schikanen ihrer Mitschüler dar. Das Selbstbewusstsein des warmherzigen und einfühlsamen Scheidungskindes leidet fürchterlich unter dieser Situation, und als sie wieder einmal von ihren Mitschülerinnen grausam gehänselt und gekränkt wird, kommt ihr völlig unerwartet Lars zu Hilfe.

Der ruhelose Einzelgänger Noah ist bereits seit seinem achtzehnten Geburtstag auf der Straße unterwegs. Eine zottige Mischlingshündin namens Cassiopeia begleitet ihn auf seiner Wanderschaft. Als der Hund in Karlstadt von einem Auto angefahren wird, ist Lars zufällig Zeuge dieses Zwischenfalls. Er hilft Noah, das Tier zu verarzten und besorgt den beiden eine Unterkunft. Der charismatische und stets gut gelaunte Noah erzählt Lars von seinem nächsten Ziel und lädt Lars spontan ein, ihn auf seiner Wanderschaft zur Nordsee zu begleiten. Durch einen Zwischenfall in der Schule eskaliert schließlich die Lage in Karlstadt und Lars packt tatsächlich seinen Rucksack. Er beschließt, abzuhauen und sich dem gewalttätigen Einfluss seines Vaters zu entziehen. Zugleich spitzen sich jedoch auch bei Nele die Dinge zu, bei ihr bahnt sich ebenfalls eine Katastrophe an. Als sich unterwegs auch noch Noahs Bekannte Angel zum Trio gesellt, sind kurz darauf vier Jugendliche und ein Hund unterwegs zum Meer.

Melissa C. Feurer erzählt in diesem beeindruckenden Jugendbuch die traurigen Geschichten von vier jungen Menschen, deren hervorragende Charakterisierung sie dem Leser sofort ans Herz wachsen lässt. Die vier Protagonisten sind grundverschieden, haben jeder für sich einen Grund, abzuhauen. Die Wanderschaft stellt sich alles andere als einfach heraus. Nicht nur mangelnder Komfort, Hunger und die Suche nach Schlafplätzen machen ihnen zu schaffen, sondern auch ihre seelischen Wunden. Während ihrer Reise unterwegs zum Meer müssen sie sich ihren Gefühlen stellen. Das Verarbeiten ihrer Probleme und der damit einhergehende Veränderungsprozess werden von der Autorin eindrucksvoll beschrieben. Die handelnden Figuren sind vielschichtig dargestellt. Noah hält die ganze Gruppe zusammen und trägt dazu bei, eine Vertrauensbasis aufzubauen. Die harten Fassaden der Jugendlichen bröckeln langsam, und der Weg zum Meer wird zugleich auch zu einem Weg der Selbstfindung und Heilung.

Der Schreibstil der Autorin ist äußerst einnehmend. Behutsam und mit viel Feingefühl tastet sie sich nach und nach an die Probleme ihrer Figuren heran, offenbart in kleinen Schritten deren seelische Verletzungen. In Form von beeindruckenden und sehr tiefsinnigen Dialogen dürfen die traumatisierten Teenager gegenseitige Verständnis und Wertschätzung erfahren.

„Die Ausreißer - Sehnsucht nach Meer“ ist ein sehr berührender Jugendroman, der schwierige familiäre Situationen und das Mobbing in Schulen zum Kernthema hat. Melissa C. Feurer legt zudem großes Gewicht auf den christlichen Glauben und wartet darüber hinaus mit einer Fülle von Lebensweisheiten auf. Sie plädiert dafür, die Hoffnung niemals aufzugeben und führt ihre Protagonisten letztendlich zur Erkenntnis, dass Zeit zwar nicht alle Wunden heilt, manche schmerzhaften Erfahrungen im Leben jedoch zur persönlichen Entwicklung beitragen.

„Vielleicht geht es Menschen im Bezug auf Gott manchmal auch so. Sie sind wütend und enttäuscht, weil Gott ihnen eine schmerzhafte Erfahrung nicht erspart hat, und erkennen einfach nicht, dass er es gut mit ihnen meint.“

Veröffentlicht am 18.04.2018

Die Billig-Lüge

Die Billig-Lüge
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Franz Kotteder berichtet in seinem Sachbuch von den Methoden der Discounter hinsichtlich ihrer Geschäftspolitik, der Herkunft und oft skandalösen Produktionsweise der angebotenen Billigware und dem teilweise ...

Franz Kotteder berichtet in seinem Sachbuch von den Methoden der Discounter hinsichtlich ihrer Geschäftspolitik, der Herkunft und oft skandalösen Produktionsweise der angebotenen Billigware und dem teilweise erschreckenden Umgang mit dem Personal. Er lässt hierbei auch das Thema „Arbeitsbedingungen der Billigproduzenten im Ausland“ nicht aus. Dennoch ist er um Objektivität bemüht, schreibt keineswegs reißerisch oder hetzt gegen die Discounter, sondern zeigt dem Leser schonungslos seine Eigenverantwortlichkeit für diese Entwicklung auf.

Durch den Run auf immer billigere Ware, durch den Verzicht auf Qualität zugunsten des Preises ist der Konsument letztendlich derjenige, der über diesen Trend zu bestimmen vermag. Der „König Kunde“ entscheidet durch sein Kaufverhalten bzw. durch sein kritisches Hinterfragen, ob durch den Konkurrenzdruck der Billiganbieter inländische Firmen schließen müssen und Arbeitsplätze verloren gehen.

"Die Billig-Lüge" ist ein aufwühlender Report über einen Kreislauf, zu dessen Veränderung jeder einzelne von uns durch seine Einstellung und sein Konsumverhalten einen Beitrag leisten kann.

Veröffentlicht am 18.04.2018

Beim Leben meiner Schwester

Beim Leben meiner Schwester
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Mein erstes Buch von Jodie Picoult – und zugleich ein Buch, das mir beim Lesen buchstäblich die Füße unter dem Boden wegzog.

Mit fassungslosem Entsetzen las ich, wie ein Ehepaar, dessen zweijährige Tochter ...

Mein erstes Buch von Jodie Picoult – und zugleich ein Buch, das mir beim Lesen buchstäblich die Füße unter dem Boden wegzog.

Mit fassungslosem Entsetzen las ich, wie ein Ehepaar, dessen zweijährige Tochter Kate an akuter Leukämie erkrankt, ein Baby im Reagenzglas erzeugen lässt, damit dadurch genetisches Material als eine Art „Ersatzteillager“ für Kate zur Verfügung steht. Anna, dem „Designerbaby“, werden bereits gleich nach der Geburt Zellen aus der Nabelschnur entnommen, die Kate so dringend braucht und im Laufe der Jahre folgt eine Operation auf die andere.

Erst mit dem Ansinnen, Anna eine Niere zu entnehmen, um sie Kate einzupflanzen, stoßen sie an die Grenzen dessen, was Anna ertragen kann – und will. Das dreizehnjährige Mädchen wendet sich an einen Anwalt, um zukünftig selbst über ihre Organe und ihr Leben entscheiden zu dürfen.

Absolut tiefgründig, schockierend und mit sehr viel Emotionen schildert Jodie Picoult diese Geschichte aus der Sicht eines jeden Beteiligten. Der ständige Wechsel der erzählenden Personen ist jedoch keineswegs verwirrend, sondern detailliert dargestellt und zeigt, wie sehr jedes einzelne Familienmitglied in dieser Situation leidet, wie vernachlässigt sich die anderen beiden Kinder vorkommen, wie sie durch stille und auch offene Rebellion versuchen, auch auf sich Aufmerksamkeit zu ziehen – und letztendlich wie verfahren die Situation der Eltern ist.

Ein sehr tiefsinniges, nachdenklich machendes, mit tiefen Emotionen spielendes und zu Herzen gehendes Buch!

Veröffentlicht am 18.04.2018

Urangst

Urangst
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Der „Meister des Schreckens“ hat mit seinem Roman „Urangst“ wieder einmal hochgradige Spannung geliefert.

Die Geschichte von Amy und Brian ist gespickt mit psychopathischen Ex-Partnern, Auftragskillern ...

Der „Meister des Schreckens“ hat mit seinem Roman „Urangst“ wieder einmal hochgradige Spannung geliefert.

Die Geschichte von Amy und Brian ist gespickt mit psychopathischen Ex-Partnern, Auftragskillern und jeder Menge Action.

Die wahren Protagonisten dieses Buches sind für mich jedoch die Hunde. Eine Farm für Golden-Retriever, die keiner mehr haben möchte – ausgesetzt, verstümmelt, blind oder seelisch verkrüppelt – allesamt aufgenommen von Amy in ihrer Farm „Golden Heart“. Wo mit viel Liebe und Geduld nicht nur ihre körperlichen Verletzungen, sondern auch die Verletzungen ihrer Seele, geheilt werden und sie auf ein neues Leben in einer neuen Familie behutsam vorbereitet werden.

Wundersame und mysteriöse Dinge geschehen – einige unerklärlich, andere werden durch die nach und nach erzählte Lebensgeschichte von Amy verständlicher.

Ohne der Geschichte vorzugreifen darf ich jedoch sagen, dass sie – wie auch alle anderen Romane von Koontz – gut ausgeht, wenngleich mir selber der Abschluss ein wenig zu „übernatürlich“ vorkommt.

Ich möchte die berührendste Stelle dieses Buches zitieren: „Ein Hundeleben ist kurz, zu kurz, aber das weiß man, wenn man sich darauf einlässt. Man weiß, dass einen Leid erwartet, dass man einen Hund verlieren wird und dass der Schmerz groß sein wird, und daher kostet man mit ihm den Augenblick bis zur Neige aus und unterlässt es niemals, seine Freude zu teilen oder sich für seine Unschuld zu begeistern, denn die Illusion, ein Hund könnte ein Gefährte fürs Leben sein, lässt sich nicht aufrechterhalten. Es liegt eine solche Schönheit in dieser brutalen Aufrichtigkeit und auch darin, dass man es akzeptiert und einem Hund seine Liebe schenkt, während einem ständig bewusst ist, dass der Preis unzumutbar sein wird. Vielleicht ist die Liebe zu Hunden eine Form der Buße für all die anderen Illusionen, die wir uns gestatten, und für die Fehler, die wir aufgrund dieser Illusionen machen.“

Wundervoll!


(Rezension zur Printausgabe)