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Veröffentlicht am 25.11.2020

Ein Silberstreif der Hoffnung am Horizont

Gut Greifenau - Silberstreif
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Ein Silberstreif der Hoffnung am Horizont


Die Autorin entführt ihre Leser im fünften Band ihrer Buchreihe um das Hinterpommersche Gut Greifenau ins Jahr 1923. Den historischen Hintergrund bilden die ...

Ein Silberstreif der Hoffnung am Horizont


Die Autorin entführt ihre Leser im fünften Band ihrer Buchreihe um das Hinterpommersche Gut Greifenau ins Jahr 1923. Den historischen Hintergrund bilden die mit einer starken Inflation einhergehende Nachkriegszeit, machen die Hoffnung der Menschen auf Ruhe und Normalität deutlich spürbar. Die Weimarer Republik und der gescheiterte Putschversuch der NSDAP unter Adolf Hitler beschäftigen die Bevölkerung. Errungenschaften wie der Einzug moderner Geräte in der Landwirtschaft und in den Haushalten sowie eine gesicherte Versorgung mit elektrischem Strom werden von den Menschen auf Gut Greifenau und den Bewohnern des gleichnamigen Dorfes begrüßt.

Konstantin Graf von Auwitz-Aarhayn und seine Ehefrau Rebecca sind nach dem Tod des Familienpatriarchen die neuen Gutsherren auf Greifenau. Die ehemalige Lehrerin Rebecca entpuppt sich als einfühlsame und gerechte, vor allen Dingen aber auch äußerst geschäftstüchtige junge Frau. Im aktuellen Band berichtet die Autorin, wie das Ehepaar versucht, das Gut in diesen schwierigen Zeiten vor dem finanziellen Ruin zu bewahren. Konstantins Schwester Katharina Urban hat sich nach einigen familiären Kämpfen durchgesetzt und kann endlich ihr Medizinstudium aufnehmen. Mit ihrem Ehrgeiz, ihrem Fleiß und ihrer Hartnäckigkeit setzt sie sich beharrlich in dieser Männerdomäne durch und verdient sich schließlich sogar die Anerkennung ihrer Professoren. Ihrem Ehemann Julius ist Katharina in tiefer Liebe zugetan, doch die Immobilien- und Kreditgeschäfte fordern dessen gesamte Energie und Aufmerksamkeit. Zu guter Letzt kommt es im engsten Familienkreis zu schweren Konflikten, als ein wohl gehütetes Geheimnis gelüftet wird, wobei die unverhältnismäßigen Ansprüche und der schreckliche Standesdünkel der alten Gräfin Feodora die Situation noch zu verschärfen drohen…

Die mit großer Spannung erwartete Fortsetzung dieser interessanten Buchreihe bot erneut facettenreiche Einblicke in die Geschicke derer von Auwitz-Aarhayns. Hervorragend gezeichnete handelnde Figuren machten die Lektüre zu einem Abenteuer. Ich durfte die persönliche Entwicklung der Personen dieses Buches miterleben und sie ein Stück auf ihrem Weg begleiten. Das Hauptaugenmerk lag zwar auf Konstantin und Rebecca, Katharina und Julius wurde jedoch ebenfalls sehr viel Aufmerksamkeit zuteil. Der Schauplatz wechselte immer wieder zwischen Gut Greifenau und Berlin, die Geschwister Nikolaus und Alexander von Auwitz-Aarhayn spielten für die Handlung relevante Rollen. Nikolaus vermisst seine ehemalige Stellung als Offizier und seine aristokratische Befehlsgewalt, er wird politisch aktiv und knüpft fragwürdige Kontakte. Alexander träumt von einer Karriere als Musiker, bekommt sein Leben jedoch nicht in den Griff. Anastasia, Gräfin von Sawatzki, erhielt nur kleine Gastauftritte im Buch, während ihre hochnäsige und anstrengende Mutter Feodora mit ihrer adeligen russischen Verwandtschaft erneut die Geduld ihrer Mitmenschen strapazierte. Hanna Caspian befasste sich ausgiebig mit der Dienerschaft und den Dorfbewohnern auf Greifenau. Es hat mir Freude bereitet, die Geschicke des frischgebackenen Gutsverwalter-Ehepaares Albert und Ida Sonntag, des traurigen Stubenmädchens Wiebke Plümecke, des obersten Hausdieners Theodor Caspers, der sympathischen Köchin Bertha Polzin und des sportverrückten Hausburschen Kilian Hübner weiter verfolgen zu dürfen. Der im letzten Band nach Amerika ausgewanderte Eugen Lignau wird von der gesamten Dienerschaft schmerzlich vermisst, der berechnende Melker Gustav Minkwitz wird immer unbeliebter, und in Leah Rosenthal betritt eine neue, sympathische Figur den Schauplatz des Geschehens. Rebeccas Eltern Lorenz und Walburga Kurscheid sowie ihre Schwester Karoline sind nach dem Scheitern ihrer Existenz in Berlin nun ebenfalls auf Gut Greifenau eingezogen, sie müssen ihren neuen Weg im Leben noch finden. Es tauchen darüber hinaus noch etliche weitere Nebenfiguren aus den Vorgängerbänden auf, welche in die Ereignisse auf Gut Greifenau eingebunden sind.

Der äußerst einnehmende Schreibstil der Autorin und der starke Fokus auf die Geschicke der einzelnen handelnden Figuren gestalteten auch diesen fünften Band zu einem Pageturner. Ich fühlte mich durch diese Fortsetzung hervorragend unterhalten und durfte das Leben in dieser schwierigen Nachkriegszeit von Seiten des Adels, aber auch aus der Sicht der ländlichen Bevölkerung und Dienerschaft betrachten.

„Silberstreif“ war eine Lektüre, die mir ausgezeichnet gefallen hat. Ich vergebe begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung und freue mich bereits auf den finalen Abschlussband!



Veröffentlicht am 13.11.2020

Ein düsteres Geheimnis

Das Unrecht der Väter
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Ein düsteres Geheimnis

„Nichts und niemand zerstört das, was ich mir aufgebaut habe. Ich glaube an diese Familie und werde alles für sie tun.“

Paul-Friedrich von Falkenbach und die Brüder Wilhelm und ...

Ein düsteres Geheimnis

„Nichts und niemand zerstört das, was ich mir aufgebaut habe. Ich glaube an diese Familie und werde alles für sie tun.“

Paul-Friedrich von Falkenbach und die Brüder Wilhelm und Heinrich Lehmann eint eine jahrelange Freundschaft, die im Krieg ihren Ursprung nahm. Die drei Weggefährten dienten in derselben Einheit und gaben sich gegenseitig das Versprechen, ein schreckliches Geheimnis zu bewahren und das Wissen darüber mit ins Grab zu nehmen. Das nach Kriegsende gemeinsam aufgebaute Unternehmen floriert, ihre Familien leben im Luxus, die Söhne haben ihrerseits bereits Familien gegründet. Ausgerechnet bei der Feier ihres Firmenjubiläums werden Paul-Friedrich, Wilhelm und Heinrich von ihrer Vergangenheit eingeholt. Erna Behrend, Studentin der Zeitungswissenschaften und Tochter eines ehemaligen Kriegskameraden, ist auf Ungereimtheiten betreffend den Tod ihres Vaters gestoßen. Die junge Frau ist fest entschlossen, so viel wie möglich über die damaligen Ereignisse herauszufinden und heftet sich hartnäckig an die Fährten jener Männer aus der ehemaligen Einheit ihres Vaters, welche den Krieg überlebten. Falsche, moralisch verwerfliche Handlungen in der Vergangenheit bedrohen nun die Existenz von Paul Friedrich, Wilhelm und Heinrich. Doch sie sind fest entschlossen, ihr Lebenswerk und ihre Familien zu schützen – und zwar um jeden Preis.

Mit „Das Unrecht der Väter“ liefert Ellin Carsta einen hoch interessanten Auftakt zu ihrer neuen Buchreihe um die Familie Falkenbach. Den drei Hauptfiguren dieses Buches wird große Aufmerksamkeit zuteil. Die Autorin bringt ihrer Leserschaft die verschiedenen Charaktere näher, erzählt von deren Streben um die gemeinsame Firma. Besonderes Augenmerk wird auf die Familien der drei Protagonisten gelegt, die von starken Frauen mit herzlichem Gemüt zusammengehalten werden. Von den Söhnen wird jeweils die Fortführung der Firmengeschicke erwartet, die Tochter Paul-Friedrichs überrascht trotz ihrer Jugend durch Einsicht und Scharfblick. Auch sie möchte wie die Männer der Falkenbachs und Lehmanns für ihre Familie, für Gut Falkenbach und für ihr Land kämpfen. Als interessante Nebenfigur fungiert Paul-Friedrichs Schwiegertochter Clara von Falkenbach, die ihrerseits ein Geheimnis umgibt. Ein übereifriger junger Verehrer von Paul-Friedrichs verliebter Tochter entpuppt sich als fanatischer und gefährlicher Antagonist, von welchem man vermutlich auch in den Nachfolgebänden noch lesen wird.

Die Autorin besitzt einen äußerst einnehmenden Schreibstil, die glaubwürdige Darstellung ihrer Charaktere und der Spannungsfaktor um die Kriegsereignisse, über welche die drei Männer eisern schweigen, sorgen dafür, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen möchte. Schauplatz der Handlung ist Gut Falkenbach in der Nähe eines kleinen Ortes namens Bernried am Starnberger See, der Führerkult in Deutschland im Jahre 1936 und die zunehmend wachsende Angst der Menschen vor den Repressalien der Nazis bilden den historischen Hintergrund dieser Geschichte. Ellin Carsta versteht es gekonnt, ihre Leser an ein Buch zu fesseln, durch viele Andeutungen wächst die Neugier auf das Geheimnis, welches die drei Protagonisten verbindet, kontinuierlich an. Ein völlig überraschender Cliffhanger auf der letzten Buchseite weckte in mir unverzüglich den Wunsch, mich sofort in den zweiten Band dieser Reihe zu vertiefen. Ich freue mich bereits jetzt darauf und kann es kaum erwarten zu erfahren, wie es mit den Falkenbachs und Lehmanns weiter geht.

Fazit: „Das Unrecht der Väter“ hat mir ausgezeichnet gefallen. Eine interessante Familiengeschichte, Geheimnisse aus der Vergangenheit, die bedrückende Naziherrschaft als historischer Hintergrund der Handlung und authentische Charaktere machten dieses Buch zu einem reinen Lesevergnügen.

Begeisterte fünf Sterne und eine ganz klare Leseempfehlung!



Veröffentlicht am 31.10.2020

Wir brauchen nicht viel… solange wir zusammen sind

Solange wir zusammen sind
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Wir brauchen nicht viel… solange wir zusammen sind

„Da draußen gibt es gute Menschen. Ein paar schlechte Menschen, aber meistens sind es gute. Vergiss das nie, Baby. Meistens sind sie gut.“

Jewel Knight ...

Wir brauchen nicht viel… solange wir zusammen sind

„Da draußen gibt es gute Menschen. Ein paar schlechte Menschen, aber meistens sind es gute. Vergiss das nie, Baby. Meistens sind sie gut.“

Jewel Knight ist eine traurige und verwirrte alte obdachlose Frau, die in einem Park lebt. Sie hat alles verloren, was ihr wichtig war – ihr Zuhause, ihre Familie, ihre Erinnerungen. Ein kleiner brauner Hund mit schokoladenbraunen Augen und einem weißen Fleck auf dem Hinterkopf ist alles, was sie noch hat. Ihr „Baby“ ist für Jewel die ganze Welt – und umgekehrt ist es ebenso. Baby ist glücklich bei Jewel, er liebt sie über alles. Doch es zeichnet sich ab, dass die beiden einander verlieren könnten.

Die zwölfjährige Piper Elizabeth Trudeau macht sich um viele Dinge Sorgen. Nachdem ihre Eltern arbeitslos wurden und die Familie ihr Heim verlor, fanden sie in einem Obdachlosenheim Aufnahme. Piper vermisst ihre Heimat, ihre Freunde und die Schule. Als sie Jewel und Baby begegnet, verliebt sie sich auf der Stelle in den kleinen Hund, weiß aber, dass Jewel Baby viel dringender braucht, als sie. Gemeinsam mit ihren neuen Freunden bei den „Firefly Girls“ startet sie eine Rettungsaktion für Jewel. Gemäß deren Motto „Wir sind eine Familie. Wir halten zusammen. Und wir werden etwas erreichen“ erinnert sie sämtliche Mitglieder an deren „Firefly-Girls-Versprechen“: „Ich verspreche, täglich mein Bestes zu tun, um die Welt besser zu machen, freundlich, mitfühlend, fair und stark zu sein. Mein Licht soll ein Strahl der Hoffnung sein. Ich verspreche, meine Familie zu ehren, mich selbst und alle Lebewesen auf der Welt. Zusammen leuchten wir heller. Zusammen sind wir stärker. Zusammen können wir alles erreichen.“

Bobbie Pyron hat mit dieser zutiefst berührenden Geschichte auf der Stelle mein Herz erobert. Sie stellt Jewels Schicksal und jenes ihrer obdachlosen Freunde der jugendlichen Leserschaft vor, ermutigt sie dazu, nicht nur auf den äußeren Schein zu achten, sondern viel weiter, bis ins Innerste eines Menschen, zu blicken. Die zwölfjährige Piper ist ein herausragendes Vorbild darin, seinen Mitmenschen Mut und Hoffnung zu machen und sich selbstlos für sie einzusetzen. Der Wert von Familie, Freundschaft, Zusammenhalt und Liebe wird in diesem Buch hochgehalten. In eindringlichen Worten schildert die Autorin das Schicksal der alten Obdachlosen und ihres Hundes, welches durch die kleine Piper und ihr Engagement beeinflusst wird. Wundervoll gezeichnete Charaktere, ein der jugendlichen Zielgruppe angepasster und äußerst einnehmender Schreibstil sowie tiefgründige und Werte vermittelnde Aussagen machen diese Lektüre zu einem herausragenden Leseerlebnis. Der kleine Hund fungiert als tierischer Protagonist, auch seine Gedanken werden in berührender Art und Weise zum Ausdruck gebracht und sollen dem Leser deutlich vor Augen führen, welche Werte im Leben wirklich wichtig sind:

„Menschen tragen eine zu große Last. Baby versteht nicht, warum Menschen so viel brauchen. Es gibt doch Essen. Es gibt Obdach. Es gibt Spiel. Es gibt Liebe. Baby weiß: die Aufgabe eines Hundes ist es, seinem Menschen zu zeigen, was wichtig ist. Die Freude über einen vollen Magen. Das Glück. Spielen und springen zu können, einfach mit Freunden herumtoben. Wie köstlich ein süßer Duft. Wie tröstlich die warme Sonne auf dem Bauch. Und die Welt ist vollständig, ganz, wenn es eines gib: uns gemeinsam. GEMEINSAM.“

Tief berührt haben mich in diesem Buch auch die Prioritäten und Werte der Obdachlosen:

„Unsere Tiere gehen immer vor. Weißt du auch, warum? Weil wir sie lieben. Und weil sie unsere Liebe erwidern, ganz egal, was ist. Wenn sie uns ansehen, dann sehen sie nicht irgendeinen zerlumpten Alten, der einen Einkaufswagen schiebt, oder irgendeine gesichtslose alte Frau. Sie sehen in uns hinein!“

Fazit: „Solange wir zusammen sind“ war mit Abstand das am meisten berührende und tiefgründige Jugendbuch, das ich jemals in Händen halten durfte. Die wundervolle Geschichte um Piper und Jewel hat mir ausgezeichnet gefallen und wird noch lange in meinem Gedächtnis bleiben.

Ich gebe völlig begeisterte fünf Sterne und eine ganz klare Leseempfehlung dafür!

Veröffentlicht am 11.10.2020

Das Recht auf Gelehrsamkeit

Das Juliusspital. Ärztin aus Leidenschaft
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Das Recht auf Gelehrsamkeit

„Sie hätte das Zeug zu einer guten Ärztin, einer wahren Ärztin aus Leidenschaft. Sie will die Medizin nicht um des Ruhmes willen lernen.“

Viviana Winkelmann wuchs im behüteten ...

Das Recht auf Gelehrsamkeit

„Sie hätte das Zeug zu einer guten Ärztin, einer wahren Ärztin aus Leidenschaft. Sie will die Medizin nicht um des Ruhmes willen lernen.“

Viviana Winkelmann wuchs im behüteten Umfeld einer angesehenen und wohlhabenden Bankiersfamilie in Würzburg auf. Bereits von Kindheit an wurde die kluge und wissensdurstige Viviana von ihrer unnahbaren Mutter Elisabeth dazu gezwungen, den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen. Als sie im April des Jahres 1850 von ihrer ersten großen Liebe schwanger wird, ist die Katastrophe vorprogrammiert. Es werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Skandal von der Familie fernzuhalten. Vivianas Schande soll vertuscht, das uneheliche Kind in einem Kloster zur Welt gebracht und sofort weggegeben werden. Doch die impulsive und eigensinnige Viviana entscheidet sich für einen anderen Weg als jenen, den ihre Familie für sie vorgesehen hat. In der wohlmeinenden und gutherzigen Magda Vogelhuber findet sie eine Unterstützerin und Freundin, die Anstellung in der Apotheke des angsteinflößenden Juliusspitals weckt in der jungen Mutter das Interesse und die Leidenschaft für die Medizin. Vivianas vorrangiges Ziel ist es ab diesem Zeitpunkt, ihren großen Traum zu verwirklichen und Ärztin zu werden.

Claudia & Nadja Beinert erzählen im ersten Band um das Würzburger Juliusspital die Geschichte einer verwöhnten jungen Frau aus gutem Hause, deren Leben durch einen einzigen Fehltritt vollkommen aus den Fugen gerät. Die Ansichten der sogenannten besseren Gesellschaft im Bayern des neunzehnten Jahrhunderts, die eingeschränkten Rechte der Frauen sowie der Kampf um ihre Bildung nehmen viel Raum ein. Großes Augenmerk wird in diesem Krankenhausroman natürlich auch auf den Bereich der Medizin und Wissenschaft/Forschung gelegt. Ausnahme-Mediziner wie der Erforscher der Zelle namens Rudolf Ludwig Karl Virchow, der sympathische Schweizer Professor Rudolf Albert Kölliker, der vielfachbegabte Erforscher der Syphilis Franz von Rinecker sowie Karl Friedrich von Marcus sind wichtige Figuren im Juliusspital. Die Autorinnen verstanden es perfekt, dem Leser die faszinierende Welt der Medizin und die Fortschritte der Forschung nahezubringen. Ich verfolgte ebenso wie die Protagonistin Viviane in atemloser Spannung Vorlesungen der Ärzte, durfte an Erkenntnissen der Gelehrten und Wissenschaftler teilhaben und auf diese Weise Medizingeschichte hautnah erleben. Für mich wurde es keine einzige Sekunde langweilig, die im Vordergrund stehende Geschichte der fiktiven Protagonistin Viviana wurde geschickt mit dem Leben und Wirken historisch belegter Persönlichkeiten verwoben. Die Autorinnen schilderten das Leben in Würzburg im neunzehnten Jahrhundert, welches zunächst aus der Sicht von Vivianes wohlhabender Familie, später aus jener der ledigen jungen Mutter in einem der ärmsten Viertel der Stadt beschrieben wurde. Das Misstrauen und die Angst der Bevölkerung hinsichtlich einer Behandlung im Juliusspital wird durch Magda Vogelhuber veranschaulicht, eine Figur, welche durch ihre geradlinige, nüchterne Art und vor allem ihren Würzburger Dialekt überzeugte.

Mit Viviana Winkelmann präsentieren Claudia & Nadja Beinert eine sehr sympathische, offene und ehrliche weibliche Hauptfigur, deren einziges Vergehen es ist, sich in einen nicht standesgemäßen jungen Mann zu verlieben. Die Wandlung vom unbedarften jungen Mädchen aus besserem Hause zu einer mit beiden Beinen im Leben stehenden Frau, die für das Leben ihres Kindes sowie die Verwirklichung ihrer Träume kämpft, ist hervorragend dargestellt. All die Ängste, Hoffnungen und Träume, auch die Sehnsucht nach Versöhnung mit der Familie, haben mich während dieser knapp sechshundert Seiten zählenden Lektüre tief bewegt. Mit dem freundlichen jungen Steinmetz Paul, dem selbstsicheren Studenten der Kinderheilkunde Hubertus von Hardenberg und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Doktor Richard Staupitz betreten interessante männliche Darsteller den Schauplatz der Handlung. Vivianas Vater Johann Gottlieb Winkelmann und ihr Bruder Valentin spielen jeweils wichtige Rollen im Leben der jungen Frau. Während der Vater Vivianas wichtige Bezugsperson darstellt, setzt ihr kaltherziger und hasserfüllter älterer Bruder alles daran, Vivianas Hoffnungen und Träume zu zerstören. Neben weiteren kleinen Nebenfiguren erhielten die beiden Frauenrechtlerinnen Roswitha Höpfer und Ursula Schleich ebenfalls Gastauftritte im Buch. Die persönlichen Hintergründe der Protagonistin, gut gehütete Familiengeheimnisse und Vivianas verbotene Aktivität im Kampf um die Frauenrechte sorgten darüber hinaus für Spannung und einige Turbulenzen im Buch.

Fazit: „Ärztin aus Leidenschaft“ hat mich voll und ganz begeistert! Hervorragend recherchierte historische Fakten, in einnehmendem Schreibstil gekonnt mit einer ausgefeilten Geschichte verwoben, und liebevoll gezeichnete authentische Charaktere bescherten mir allergrößten Lesegenuss. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen und ich kann es jedem Leser empfehlen, der sich für diese Epoche interessiert, tief ins Würzburg des neunzehnten Jahrhunderts eintauchen und Medizingeschichte hautnah erleben möchte.

Völlig begeisterte fünf Sterne und eine ganz klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.09.2020

Eine abenteuerliche Reise in längst vergangene Zeiten

Mitternacht in Charlbury House
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Eine abenteuerliche Reise in längst vergangene Zeiten

Mitternacht ist eine gefährliche Zeit, wenn man als Dreizehnjährige in einem geheimnisumwitterten alten Herrenhaus zu Besuch ist. Die Protagonistin ...

Eine abenteuerliche Reise in längst vergangene Zeiten

Mitternacht ist eine gefährliche Zeit, wenn man als Dreizehnjährige in einem geheimnisumwitterten alten Herrenhaus zu Besuch ist. Die Protagonistin Evi Tregarron fühlt sich vernachlässigt, nachdem sie für die Zeit der Hochzeitsreise ihrer Mutter bei ihrer schrillen Patentante Anna in Charlbury House untergebracht wird. Nicht nur die Trennung von der Mutter, sondern auch die Tatsachen, dass es dort weder Internetempfang, noch ein Fernsehgerät gibt, machen ihr zu schaffen. Evi ist außer sich, und als sie in ihrer ersten Nacht noch dazu einen Geist erblickt, ergreift sie die Flucht. Doch dabei wird sie auf unerklärliche Weise in eine längst vergangene Zeit katapultiert und mit einem ungelösten Rätsel konfrontiert. Evi darf tief in die Ereignisse des Jahres 1814 eintauchen, lernt den Alltag und die Gepflogenheiten dieser Zeit kennen und erlebt als Hausmädchen in Charlbury House das harte, arbeitsame und mühevolle Dasein der dienenden Klasse. Obgleich Evi den Komfort und all die Errungenschaften der modernen Zeit vermisst, darf sie dennoch von ihrem spannenden Ausflug in die Vergangenheit profitieren. Sie lernt interessante Menschen kennen, gewinnt eine gute Freundin, und stellt sich dabei stets die Frage, wie es ihr wohl gelingen wird, wieder in ihre eigene Welt zurückzufinden…

Helen Peters präsentiert mit diesem Jugendbuch einen höchst interessanten, lehrreichen und amüsanten Zeitreise-Roman, in welchem die junge Protagonistin Evi einige Abenteuer in der Vergangenheit bestehen muss. Die verwöhnte junge Dame lernt bei ihrem Ausflug die Bequemlichkeit und die vielen technischen Hilfsmittel ihres Lebens in London so richtig zu schätzen. Denn als Hausmädchen im Jahre 1814 ist sie zu körperlich anstrengender Arbeit verpflichtet. Die Idee der Zeitreise ist nicht neu, und dennoch hat die Autorin es geschafft, mich vom ersten Augenblick an dafür einzunehmen. Man verfolgt gespannt Evis Aktivitäten, wird vom Zauber längst vergangener Zeiten gefangen, erfährt aber auch viele Einzelheiten vom harten Leben der Hausmädchen, Küchenmädchen, Mägde und Diener eines solch imposanten Anwesens. Standesdünkel und Kinderarbeit, Aufbegehren gegen die soziale Ungerechtigkeit, und nicht zuletzt ein mysteriöses Familiengeheimnis sind Themen dieses Buches.

Der einnehmende Schreibstil der Autorin und der mit dem rätselhaften Verschwinden einer der Figuren des Buches einhergehende Spannungsfaktor machen diese Lektüre zum reinen Vergnügen. Interessante Figuren bereichern die Handlung, ein aufregendes Finale mit einer Überraschung am Ende des Buches runden das Ganze ab. Es hat mir große Freude bereitet, Evis Ausflug in das Jahr 1814 mitzuverfolgen und die hasserfüllte Küchenmagd Alice, die verängstigte Spülmagd Nell, die gefürchtete Haushälterin Mrs. Hardwick, die singende Waschmagd Mary, den kreativen und sensiblen Gärtnergehilfen Robbie und den üblen Stallburschen Jacob kennenzulernen. Die herrschende Klasse wird durch den stark verschuldeten Hausherrn Sir Henry Fane, dessen strenge und hoheitsvoll auftretende Schwester Mrs. Bailey sowie den schwerreichen Mr. Charles Ellerdale vertreten, dem sein arrogantes Auftreten, sein Alter und sein Hang zur Gewalttätigkeit die Brautwerbung um die junge Tochter des Hauses erschweren. Im Handlungsstrang der Gegenwart fungieren Evis Patentante Anna sowie Evis Mutter Lara als Nebenfiguren. Obgleich Anna relativ große Aufmerksamkeit zuteilwurde und ihre Person ausführlich beschrieben wurde, konnte ich mich mit ihr nicht anfreunden. Ihr schrilles Aussehen und ihre Marotten bildeten einen eigenartigen Gegensatz zu ihrem Beruf als forensische Anthropologin, ihre nüchterne und kühle Art und ihr offensichtliches Desinteresse an ihrer jungen Besucherin konnten mich letztendlich nicht von dieser Figur überzeugen.

Fazit: „Mitternacht in Charlbury House“ war ein faszinierendes Abenteuer und eine interessante und lehrreiche Zeitreise in die Vergangenheit dieses alten Herrenhauses, die mir großes Lesevergnügen bereitet hat. Evis Erlebnisse und ihre Bestrebungen, in das Schicksal der Menschen einzugreifen und zu versuchen, die Vergangenheit zu verändern, boten aufregende Momente. Ich kann dieses Buch jedem jungen Leser ans Herz legen, der sich für vergangene Epochen interessiert und Spannung und Abenteuer zu schätzen weiß.

Begeisterte fünf Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!