Ein Stück Medizingeschichte und eine starke Frau
„...Nur einen halben Tag war es her, dass ihre Kindheit jäh zu Ende gegangen war. Ganz sicher würde sie den achtundzwanzigsten April nie vergessen – und was an ihm geschehen war auch nicht...“
Mit diesen ...
„...Nur einen halben Tag war es her, dass ihre Kindheit jäh zu Ende gegangen war. Ganz sicher würde sie den achtundzwanzigsten April nie vergessen – und was an ihm geschehen war auch nicht...“
Mit diesen Sätzen beginnt ein spannender historischer Roman, der mir ein Stück Medizingeschichte nahebringt. Das Buch hat mich sofort in seinen Bann gezogen.
Wir befinden uns in Würzburg anno 1850. Viviana hat nur einmal mit Paul geschlafen – und nun ist sie schwanger. Die junge Frau stammt aus dem Hause des Bankiers Winkelmann. Paul ist ein Steinmetz und damit nicht standesgemäß.
Viviana beugt sich dem Willen ihrer Eltern und geht ins Kloster, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen. Kurz nach der Geburt aber flieht sie mit dm Baby. Doch Paul ist verschwunden. Magda, Pauls Vermieterin, nimmt sie bei sich im Pleicher Viertel auf.
Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Er passt sich den Inhalten an.
Viviana bekommt eine Stelle als Apothekenhelferin im Juliusspital. Sehr gut wird beschrieben, wie die Zubereitung von Arzneimitteln damals funktionierte.
„….Die Aufgabe des Stößers war es, Kräuter, heilsame Gewürzpflanzen und andere Arzneisubstanzen im Mörser zu zerstoßen...“
Als Viviana zu Botengängen ins Spital geschickt wird, erlebt sie eine Vorführung von Professor von Marcus am Krankenbett. Außerdem hört sie heimlich eine Vorlesung, wie man heute sagen würde.
Viviana ist eine intelligente und vielseitig interessierte junge Frau. Sie träumt davon, auch Ärztin werden zu dürfen. Die Umstellung vom verwöhnten Bürgertöchterchen zur arbeitenden Mutter hat sie gut auf die Reihe bekommen. Dabei hat sie das Glück, dass sich Magda während der Arbeit um ihre Tochter kümmert.
Das Juliusspital zählte damals zu den führenden Lehrkrankenhäusern. Gerade wenn es um die medizinische Zusammenhänge geht, zeigt sich die exakte und umfassende Recherche der Autorinnen. Virchow und Kölliker forschen beide an der Zelltheorie. Das Mikroskop wird als wichtiges Mittel in der medizinischen Forschung genutzt. Während allerdings Virchow, um mit heutigen Worten zu sprechen, seine Forschungen gekonnt publiziert und vermarktet, wirkt Köllinger eher im Stillen.
Viviana stellt einen Antrag, Vorträge mit dem Studenten hören zu dürfen. Die Diskussion unter den Mediziner zeigt, wie rückständig sie in dieser Beziehung waren.
„...Frauen würden das Niveau des Universitätsstudiums deutlich senken. Sie sind dem Manne geistig klar unterlegen...“
Es gibt aber Ausnahmen. Einige der Ärzte erkennen Vivianas Begabung und fördern sie stillschweigend. Mittlerweile hat allerdings auch ihre Familie mitbekommen, wo und wie sei lebt. Damit sind neue Konflikte vorprogrammiert, vor allem mit der Mutter.
Viviana wird zunehmend selbstbewusster. Sie weiß, was sie will und schließt sich einer Gruppe von Frauenrechtlern an. Sie wollen gleiche Bildung für Frauen und die Möglichkeit, ein Abitur abzulegen. Dabei nutzen sie ungewöhnliche Methoden, um ihr Ziel publik zu machen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es wird spannend erzählt und vermittelt eine Menge an wissen über die Zeitverhältnisse.