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Veröffentlicht am 16.04.2018

Hell wie der Mond, tief wie der Ozean

Hell wie der Mond und tief wie der Ozean
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„Allein nachts in einem Pool fühle ich mich frei. Als würde ich irgendwie über allem schweben, das mich nach unten zieht“. Zitternd atmete ich aus. Ich hatte ihm mein allergrößtes Geheimnis verraten.

Die ...

„Allein nachts in einem Pool fühle ich mich frei. Als würde ich irgendwie über allem schweben, das mich nach unten zieht“. Zitternd atmete ich aus. Ich hatte ihm mein allergrößtes Geheimnis verraten.

Die sechzehnjährige Melissa Anne Keiser, ein Mädchen, das während ihrer Schulzeit verhöhnt, verspottet und ausgegrenzt wurde, kommt nach drei Jahren wieder zurück in ihre Heimat, auf die Insel Anna Maria, einem wunderschönen Strandort in Florida. Melissa und ihre Geschwister Josh und Crystal leiden unter den Launen, dem übermäßigen Alkoholkonsum und den permanent wechselnden Liebesaffären ihrer flatterhaften Mutter Denise und mussten früh lernen, selbständig zu werden. Die siebenjährige Chrystal mit ihren langen, blonden Engelshaaren und den großen blauen Augen wird als Nesthäkchen der Familie von ihren älteren Geschwistern umsorgt. Melissas älterer Bruder Robby lässt sich in keine Schublade einordnen, er liebt das Wasser und das Skimboarden über alles, hält sich jedoch trotz seines außergewöhnlichen künstlerischen Talents für einen Versager. Robby kennt keine Grenzen und keinen Mittelweg. Melissa nützt ihrerseits regelmäßig den Pool des leerstehenden Nachbarhauses als geheimen Zufluchtsort, in dessen Wasser sie sich frei und für eine kurze Zeitspanne völlig sorgenfrei fühlen kann. Ihre Faszination für das Schwimmen gepaart mit ihrer Verzweiflung über die familiäre Situation lässt das Mädchen immer öfter ihrer geheimen Leidenschaft nachgehen, bis sie eines Tages vom Enkel der Hausbesitzerin überrascht wird. Der attraktive, wortkarge Josh Durham hat eine ganz besondere Art, mit Dingen umzugehen und bezeichnet sich selber als „nicht sozial“. Er ist zudem in einer Jugendgruppe, spricht über Gott und missachtet somit die Regeln seiner Freunde. Doch nach ihrer Rückkehr aus Pennsylvania beginnt plötzlich auch Sam King, Melissas langjähriger Schwarm aus der Schulzeit, sich für sie zu interessieren. Mit dem gut aussehenden muskulösen Footballspieler wird Melissa auf einmal in den Kreis der beliebtesten Schüler aufgenommen, das Mobbingopfer von damals fühlt sich mit Sam an ihrer Seite unantastbar. Melissa scheint am Ziel ihrer geheimsten Wünsche angekommen zu sein, doch eine schreckliche Tragödie scheint plötzlich alles in Frage zu stellen...

Nicole Quigley stellt in ihrem Roman „Hell wie der Mond, tief wie der Ozean“ ganz klar die Gedanken- und Gefühlswelt ihrer Protagonistin Melissa in den Vordergrund. Sie zeichnet ein sehr realistisches Bild einer ganz normalen High-School in Amerika, wo die reichen angesagten Kids eine Clique bilden und Schüler aus ärmeren oder sozial schwächeren Bevölkerungsschichten Gefahr laufen, zu Mobbingopfern zu werden. Die Autorin versteht es sehr gut, anhand der Figur der Melissa Keiser dem Leser ein ziemlich genaues Bild des Schattendaseins einer Außenseiterin zu vermitteln, die unvermutet vom hässlichen Entchen zum schönen Schwan wird. Hierbei verleiht sie in äußerst gefälligem und einnehmendem Schreibstil den Gedanken und Gefühlen ihrer Protagonistin überzeugend Ausdruck. Ich würde den ersten Teil dieses Buches beinahe als Milieuschilderung bezeichnen – die Beschreibung eines Alltags einer High-School mit all seinen Höhen und Tiefen, das Verhalten der Schüler, das vom Gruppenzwang und oftmals sogar von Grausamkeit geprägt ist.

Die Charakterisierung der handelnden Personen hat mir sehr gut gefallen, ist mir jedoch bei den Nebenfiguren ein klein wenig zu dürftig ausgefallen. So wurden einige Gedankengänge nicht weiter ausgeführt, einige Dinge bis zum Ende des Buches nicht ausführlicher erläutert und es gab besonders bei der Person des Josh Durham Fragen, auf die ich gerne eine Antwort erhalten hätte. Zudem weckten einige hinweisende Passagen betreffend Melissas und Robbys Cherokee-Vater die Hoffnung auf weitere Enthüllungen. Eine Hoffnung, die bis zum Ende des Buches leider zunichte gemacht wurde, denn das Rätsel um den unbekannten Vater wurde bis zuletzt nicht gelöst. Der christliche Glaube wurde zwar durch die Figur des Josh anhand seiner Bibellektüre und der Zugehörigkeit zu einer Jugendgruppe ins Buch eingebracht, durfte jedoch keine allzu große weitere Tiefe erfahren.

Die Gestaltung des Buchcovers hat mich beeindruck. Der wolkenverhangene Vollmond, der sich auf den dunklen Wellen des Ozeans spiegelt, vermittelt einerseits ein etwas melancholisches Bild, zugleich aber auch den Aspekt des Geheimnisvollen. Die weiße Schrift und der zarte Buchrand mit den Blütenornamenten verleihen dem Ganzen eine kleine verspielte Note – ein wirklich gelungenes Cover, das dem Inhalt voll und ganz gerecht wird.

Fazit: „Hell wie der Mond, tief wie der Ozean“ stellt für mich einen sehr lesenswerten Roman dar, den ich besonders Jugendlichen ans Herz legen möchte. Die Schulzeit, die erste Verliebtheit, innerfamiliäre Probleme und das ganz große Thema des Erwachsenwerdens wurden von Nicole Quigley zu einem berührenden Roman verflochten, dessen Lektüre mir einige interessante und anregende Lesestunden bereitet hat.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Eine richtige „Perle“!

Aufbruch ins Ungewisse
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Eine richtige „Perle“!

„Denn alles ist mir möglich durch Christus, der mir die Kraft gibt, die ich brauche.“ (Philipper 4,13)

Dieses Bibelzitat in der Handschrift ihres geliebten Vaters sowie dessen ...

Eine richtige „Perle“!

„Denn alles ist mir möglich durch Christus, der mir die Kraft gibt, die ich brauche.“ (Philipper 4,13)

Dieses Bibelzitat in der Handschrift ihres geliebten Vaters sowie dessen kostbarer Kompass dürfen Elizabeth Thatcher aus Toronto auf ihre Reise in den Westen begleiten, wo sie nach ihrer College-Ausbildung zur Lehrerin in Coal Valley in den Rocky Mountains eine befristete Stelle antreten soll. Die zurückhaltende junge Frau aus vermögendem Elternhaus kann mit den rauschenden Festen ihrer Mutter nicht viel anfangen, sie empfindet ihr Leben als hohl und oberflächlich. Das große Abenteuer im Westen stellt für Beth somit eine große Herausforderung dar, die sie nur allzu gerne annehmen möchte. Entgegen der Bedenken ihrer Mutter tritt sie schließlich mit dem Segen beider Elternteile die lange Reise nach Coal Valley an. Die Lebensbedingungen sind zwar weitaus karger und ärmlicher als erwartet, doch angesichts der herzlichen Aufnahme durch die Witwen jener zahlreichen Bergarbeiter, die bei einem tragischen Grubenunglück ums Leben kamen, nimmt Beth die Herausforderung nur allzu gerne an. Die Mütter wünschen sich allesamt eine fundierte Ausbildung für ihre Kinder, um ihnen einmal das gefährliche Leben unter Tage zu ersparen und eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Die junge Lehrerin trifft in Coal Valley auf äußerst wissbegierige und lerneifrige Schüler und ruft auch eine Jungschargruppe ins Leben, um den Kindern etwas über den christlichen Glauben erzählen und ihnen die Inhalte der Bibel nahe bringen zu können. Mit viel Einfallsreichtum und großem Engagement macht sich die junge Lehrerin an die Arbeit und lernt alsbald den Ort und seine Bewohner näher kennen. Dabei wird Elizabeth von ihrer resoluten Pensionswirtin Molly MCFarland unterstützt, in der sie sehr rasch auch eine Vertraute und mütterliche Freundin findet. Im wortgewandten jungen Prediger Pastor Philip Davidson, den beiden Beamten der Royal Canadian Mounted Police Edward Montclair und Corporal Jarrick Thornton, sowie dem älteren Bergarbeiter Frank Russo findet sie ebenfalls tatkräftige Unterstützer bei ihren Vorhaben…

Da ich die Verfilmung dieses Buches bereits kannte, brannte ich förmlich darauf, dieses Buch zu lesen. Was mir mit dieser Lektüre in die Hände fiel, war ein richtiges Kleinod, und wohl der Beginn einer großen Lese-Leidenschaft. Janette Okes Schreibstil ist überwältigend! Die Liebe zum Land und zu den Menschen ist auf jeder Seite deutlich zu spüren, die Anmerkung einer Rezensentin, dass Janette Oke „die Gabe besitzt, mit ihren Worten Bilder zu malen“, kann ich nur unterstreichen. Die Schilderungen der Autorin sind derart lebendig, dass man beim Lesen den Eindruck erhält, mitten im Geschehen zu sein. Nicht nur die Umgebung und die Charaktere der handelnden Figuren, sondern auch deren Gefühls- und Gedankenwelt werden exzellent beschrieben, so dass man sich dem Sog dieser Geschichte kaum zu entziehen vermag. Janette Oke wurde mit diesem Buch ihrem Ruf als „Grande Dame der christlichen Siedlerromane“ absolut gerecht, und das große Augenmerk, das sie auf christliche Werte und den Glauben an Gott legt, bereichern dieses Buch ungemein.

Das farbenfrohe Buchcover zeigt ein junges Mädchen, das in einem rosafarbenen eleganten Kleid dem Leser halb zugewandt auf einer grünen Wiese steht, während sich im Hintergrund, umrahmt vom gewaltigen Felsmassiv der Rocky Mountains, ein berittener Mountie in roter Uniform auf das Mädchen zu bewegt. Eine märchenhafte Optik, die Liebe, Abenteuer und Romantik verheißt – die optimale Aufmachung für ein Buch, das jede dieser Verheißungen voll und ganz zu erfüllen vermag.

Ich kann „Aufbruch ins Ungewisse“ uneingeschränkt weiter empfehlen und besonders jenen Lesern ans Herz legen, die sich für die Besiedelung des amerikanischen Westens interessieren und denen die Vermittlung christlicher Werte ein Anliegen ist. Eine wundervolle Lektüre einer Autorin, die mir großes Lesevergnügen bereitet hat und die für mich von nun an zusammen mit Francine Rivers und Karen Kingsbury zu meinen absoluten Favoritinnen im Bereich der christlichen Romane zählt.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Etwas Gutes aus etwas Schlimmem. Gott ist ganz groß in so etwas!

Das Herrenhaus von Pembrooke Park
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„Etwas Gutes aus etwas Schlimmem. Gott ist ganz groß in so etwas“

Durch eine unkluge Entscheidung und eine unbedacht übernommene Bürgschaft für einen Verwandten steht die Familie Foster aus London im ...

„Etwas Gutes aus etwas Schlimmem. Gott ist ganz groß in so etwas“

Durch eine unkluge Entscheidung und eine unbedacht übernommene Bürgschaft für einen Verwandten steht die Familie Foster aus London im März des Jahres 1818 vor dem Ruin. Die Suche nach einer adäquaten, aber kostengünstigeren Residenz gestaltet sich schwierig. Als der Familie über einen Anwalt unvermutet ein Herrenhaus eines entfernten Verwandten in Pembrooke Park zur Miete angeboten wird, entschließen sich Charles und Anne Foster, mit ihren beiden Töchtern Abigail und Louisa nach Easton zu ziehen. Die jüngere Tochter Louisa trifft das finanzielle Desaster der Familie besonders hart, und so reift der Plan, ihr das Debüt in London mit den letzten Ersparnissen doch noch zu ermöglichen. Die ältere Tochter Abigail Foster tritt aus diesem Grund zunächst alleine die Reise ins neue Heim an und überwacht die Reinigungsarbeiten im Herrenhaus, das beinahe zwei Jahrzehnte lang leer stand. Es ranken sich einige Gerüchte über den Verbleib der ehemaligen Bewohner, doch im ländlichen Berkshire, einem Dörfchen mit friedlichen und frommen Einwohnern wird grundsätzlich niemals über die Pembrookes gesprochen. Die Neugier Abigails ist entfacht, und als sie auf den sympathischen Sohn des ehemaligen Gutsverwalters trifft, knüpft sie erste freundschaftliche Kontakte zu ihm und seiner Familie. William Chapman kümmert sich jedoch nicht nur um alles, was gerade anliegt, sondern nimmt nach seinem Studium am St. John’s College in Oxford auch die Position des Pastors im Ort ein. William besitzt einen starken Glauben, der ihn trägt, seine Predigten fallen kurz, aber äußerst prägnant und überzeugend aus. William fühlt sich zur neuen Bewohnerin von Pembrooke Park hingezogen, der junge Priester findet jedoch in Abigails ehemaligen Nachbarn und Jugendfreund Gilbert Scott einen ernsthaften Konkurrenten…

„Es sind nicht die Geister, vor denen Sie sich in Acht nehmen müssen, Miss Foster, sondern Menschen, die durchaus lebendig sind.“

Julie Klassen hat es doch tatsächlich geschafft, mich mit diesem Buch zu überraschen. Ich hatte mir eine romantische Liebesgeschichte mit christlichem Bezug erwartet. Die Lektüre brachte jedoch durch die Legende um einen versteckten Schatz im Anwesen eine behutsam angebahnte Kriminalgeschichte zu Vorschein. In äußerst gefälligem Schreibstil zeichnet die Autorin ein Bild der handelnden Figuren dieses Buches – allen voran die Familien Foster und Chapman. Zugleich baut sie viele sympathische Nebenfiguren in die Handlung ein, deren Schicksal auf die eine oder andere Weise mit dem Rätsel um das Herrenhaus von Pembrooke Park verwoben ist. Die Fäden werden langsam aufgerollt, die Verbindungen treten nur sehr zögernd zu Vorschein. Der Spannungsbogen ist aus diesem Grund weit höher, als ich es bei einem solchen Buch erwartet hätte. Ich habe die akribischen Situations- und Personenbeschreibungen sowie den langsame Aufbau der Geschichte zutiefst genossen, und die Neugier auf die geheimnisvolle Vergangenheit von Pembrook Park hielt mich als Leserin regelrecht bei der Stange. Julie Klassen vernachlässigt dabei jedoch keinesfalls Romantik und Liebe, sie baut auch zwei wunderschöne und berührende Liebesgeschichten ein. Ihr gehobener Schreibstil sorgte in Kombination mit den romantischen und spannenden Elementen dafür, dass ich es nach dem Aufschlagen der ersten Seite dieses Buches nicht mehr schaffte, es aus der Hand zu legen – ich hatte mich innerhalb kürzester Zeit in den Schreibstil der Autorin verliebt. Julie Klassen entführte mich in längst vergangene Zeiten, ließ mich als stille Beteiligte Einblick in die Welt der gehobenen Gesellschaftsschicht nehmen, und bereitete mir einige Stunden lang allergrößtes Lesevergnügen.

Ich kann „Das Herrenhaus von Pembrook Park“ uneingeschränkt weiterempfehlen und lege es besonders jenen Lesern ans Herz, die an einer perfekten Mischung aus Liebes- und Kriminalroman mit Augenmerk auf christliche Werte interessiert sind.

Abschließend noch eine Bemerkung zum Buchcover: Bereits die optische Aufmachung dieses Buches ist ein wahrer Blickfang. Während man im Hintergrund ein hochherrschaftliches Gebäude zu erkennen vermag, zeigt sich dem Auge des Betrachters eine wunderschöne junge Frau in eleganter und schlichter Kleidung im Vordergrund dieser Szene. Ihr Gesichtsausdruck und ihr abgewandter Blick wirken sehr geheimnisvoll und man kann nicht umhin, sich unverzüglich dem Klappentext zuzuwenden, um „mehr“ über diese geheimnisvolle junge Schönheit zu erfahren.

Unbedingte fünf Bewertungssterne für dieses Lesevergnügen der ganz besonderen Art!

Veröffentlicht am 16.04.2018

Es erstaunt, wie klein ein menschliches Wesen sein kann und dennoch am Leben!

Tim lebt!
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„Es erstaunt, wie klein ein menschliches Wesen sein kann und dennoch am Leben“

„25 Wochen, ganze sieben Monate, erlebte dieses Kind die vertraute Enge im Bauch seiner Mutter. Danach kämpfte es sechs Monate ...

„Es erstaunt, wie klein ein menschliches Wesen sein kann und dennoch am Leben“

„25 Wochen, ganze sieben Monate, erlebte dieses Kind die vertraute Enge im Bauch seiner Mutter. Danach kämpfte es sechs Monate lang, die meiste Zeit allein, im Großraum einer Intensivstation ums Überleben.“

Durch die Pränatal Diagnostik wurde im Jahre 1997 eine Schwangere mit einer erschreckenden Tatsache konfrontiert: eine Fruchtwasseruntersuchung bestätigte, dass ihr Kind mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) zur Welt kommen wird. Nach dem ersten großen Schock verweigerte die Frau ihrem Kind jegliche emotionale und körperliche Annäherung und verlangte, dass ihr ungeborener Sohn möglichst schnell „weggemacht wird“. Im Zuge einer eingeleiteten Spätabtreibung wurde Tim in der fünfundzwanzigsten Woche geboren. Da die Spätabtreibung nicht unverzüglich zum Tod des Kindes geführt hatte, wurde es „zum Sterben liegen gelassen“ und neun Stunden lang nicht versorgt. Durch diese „unterlassene Hilfeleistung“ muss Tim nun in seinem Leben nicht nur mit der Trisomie 21 fertig werden, sondern erlitt zudem auch noch schwere Schädigungen, die zahlreiche Operationen erforderlich machten und bis zum heutigen Tag zu gravierenden Beeinträchtigungen geführt hatten. Der Eintritt in diese Welt stand für den tapferen kleinen Jungen unter keinem guten Stern, doch als Familie Guido in sein Leben trat, bedeutete dies für Tim die Wende zum Guten. Obgleich Bernhard und Simone Guido zwei eigene, leibliche Kinder hatten, verliebten sie sich auf den ersten Blick in Tim und durften ihn nach einem längeren Aufenthalt in der Frühchen Station der Kinderklinik in Oldenburg als Pflegekind in ihre Familie aufnehmen. Es handelte sich hierbei um eine Bauchentscheidung gegen jegliche rationale Betrachtung und sämtliche Gegenargumente ihres gesamten Umfelds. Pablo und Marco Guido hatten nun einen kleinen, schutzbedürftigen und auf Hilfe angewiesenen Bruder bekommen, und für die Familie begann eine schwere Zeit des Lernens, Aneinander Gewöhnens, Aufeinander Rücksicht nehmen, was besonders für die Kinder keine leichte Aufgabe gewesen sein kann.

In diesem Buch erzählen die Guidos abwechselnd von ihrem Alltag mit einem schwerbehinderten Jungen, der bis zum heutigen Tage auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes geblieben und auf Hilfe angewiesen ist. Sie berichten schonungslos offen von den anfänglichen Schwierigkeiten, mit denen sie nicht nur im täglichen Leben, sondern auch im Umgang mit Behörden und Ämtern konfrontiert wurden. Sie erzählen vom Zusammenhalt in der Familie und den Freunden, wie auch von der Distanz und der Reaktion der Öffentlichkeit, wenn sie als Familie unterwegs waren. Sie berichten voller Stolz von den kleinen Fortschritten, und lassen in ihrem Buch viele Menschen zu Wort kommen, die auf irgendeine Weise mit Tim zu tun hatten oder mit dem Jungen vertraut sind. In kursiver Schrift erzählen ehemals behandelnde Ärzte, Betreuer, Familienmitglieder oder Freunde und Verwandte von den Ereignissen um Tim aus ihrer eigenen Sichtweise. Besonders Simone Guido berichtet sehr viel über die intensive Beschäftigung mit Tims Krankheit und seiner Pflege. Sie betont aber auch die Notwendigkeit der Schaffung von Freiräumen und kleinen Auszeiten, die bei der Pflege eines schwer behinderten Kindes überlebensnotwendig sind, um nicht über die eigenen Grenzen zu gehen oder sie gar zu überschreiten. Sie gibt unumwunden zu, dass der Weg bis zum Eingeständnis, es alleine nicht mehr zu schaffen und Hilfe zu brauchen, ein schwerer Lernprozess für die Familie war.

Was mich bei diesem Buch besonders beeindruckt hat, war zunächst der offene Umgang mit Tims Einschränkungen, die schonungslose Schilderung der Alltagsprobleme, aber auch die Art und Weise, wie das Ehepaar auf Tims leibliche Eltern reagierte. Während Tims leiblicher Vater lange Jahre den Kontakt zu den Guidos aufrecht hielt, weigerte sich seine Mutter vehement, auch nur das Geringste mit ihm zu tun zu haben. Die Guidos verurteilen sie jedoch in keiner Weise, sondern versuchen, in ihrer Leserschaft Verständnis für die schwierige Situation zu aufkommen zu lassen, in der Tims Mutter sich vor seiner Geburt befunden hat. Sie plädieren für eine bessere Aufklärung, Beratung und Betreuung werdender Mütter, vor allem jener, die durch die Pränatal Diagnostik eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen haben. Die ganze Problematik der ungewollten Kinder jener Mütter, die mit einer Behinderung nicht zurechtkommen, ist durch Tims Fall besonders ins Bewusstsein gerückt worden.

Ich muss gestehen, dass mich die detaillierte Beschreibung der Vorgehensweise der heute durchaus geläufigen Spätabtreibungen, die sogar noch bis zum Zeitpunkt des Einsetzens der Wehen stattfinden dürfen, zutiefst erschüttert hat. Ich hatte mich zuvor nie mit diesem Thema beschäftigt und war der Meinung, dass es nur in einem äußerst frühen Stadium und aufgrund medizinischer Indikation erlaubt sei, ungeborenes Leben zu töten. Fassungslos wurde ich in diesem Buch mit der grausamen Realität konfrontiert, dass Kinder noch im neunten Monat ermordet werden, weil bei einer Untersuchung vielleicht das Down Syndrom, zu kurze Arme oder Beine, oder eine Gaumenspalte diagnostiziert wurden. Für mich persönlich stellt sich hier die Frage, wie eine Spätabtreibung nicht nur vor Gott, seinem eigenen Gewissen oder dem Kind gegenüber gerechtfertigt werden kann, wenn das Gesetz dieses Leben NACH dem Zeitpunkt des Einsetzens der Wehen so konsequent schützt. Ist denn ein Kind wenige Stunden vor diesem Zeitpunkt kein menschliches Wesen, das Schutz bedarf?

An dieser Stelle möchte ich auch meinem Befremden Ausdruck verleihen, dass ein Buch, das in einem christlichen Verlag erschien, nicht den geringsten Bezug zum christlichen Glauben aufweist. Ich hätte mir zumindest zum kontroversen Thema der schockierenden Praxis von Spätabtreibungen in Deutschland eine Stellungnahme aus biblischer Sicht erwartet. Schade, dass dem nicht so war.

Abschließend möchte ich noch Passagen aus diesem zutiefst beeindruckenden Buch wiedergeben:

„Menschen mit Down-Syndrom sind aber viel mehr als die „Dumm-glücklichen Behinderten, die fröhlich und unbedarft durch die Welt laufen“. Sie sind Menschen mit besonderen Bedürfnissen, aber auch mit besonderen Fähigkeiten, die sich nicht nur auf ihre Herzlichkeit reduzieren lassen. Sie weisen auch eine spezielle Feinfühligkeit, einen anderen Blick auf die Welt, eine hohe soziale Kompetenz und eine Maßstäbe setzende Ehrlichkeit auf.“

„Damit insgesamt das Leben mit Behinderung in unserer Gesellschaft akzeptiert wird, müsste sich das Streben nach materiellen Dingen, das Streben nach Perfektion ändern, also ein Paradigmenwechsel in der Gesellschaft stattfinden.“

„Tim ist ein lebensfroher Mensch. Er bejaht das Leben hundert Prozent. Selbst wenn es ihm schlecht geht, sieht man ihm an, dass es ihm gefällt zu leben. Er ruht in seiner Mitte. Wenn wir4 es in einem Kernsatz bringen müssten, würden wir sagen: „Tim ist ein glücklicher Mensch“.

Dank den Guidos war es diesem Jungen möglich, in der Geborgenheit einer Familie aufzuwachsen. Ich würde ihm und seinen Geschwistern wünschen, dass er diese liebevolle Umgebung noch lange Jahre genießen darf.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Bitte gib, dass mein Leben etwas bewirkt hat!

Das Lied des Hirten
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„Bitte gib, dass mein Leben etwas bewirkt hat“

„Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele; er ...

„Bitte gib, dass mein Leben etwas bewirkt hat“

„Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele; er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“

Ich habe bis zum aktuellen Zeitpunkt noch nie zuvor von den so genannten „Writing Sisters“ gehört bzw. gelesen. Die beiden Schwestern Betsy Duffey und Laurie Myers stammen aus einer Schriftstellerfamilie und veröffentlichten in einem Zeitraum von etwa zwanzig Jahren bereits fünfunddreißig Kinderbücher, die sie teilweise sogar gemeinsam verfassten. Ihren eigenen Aussagen zufolge ist es ihr vorrangiges Ziel, „mit ihren Büchern Menschen den liebenden Vater Gott vorzustellen und sein Wirken in der Welt deutlich zu machen.“ Ein großes Ziel, das die beiden sich gesetzt haben. Durch den dreiundzwanzigsten Psalm als Hauptthema ihres Buches stand den beiden Autorinnen eine Fülle von Inhalten zur Verfügung, die sie auf exzellente Art und Weise umzusetzen verstanden.

„Das Lied des Hirten“ beginnt mit der Geschichte der überzeugten Christin Kate McConnell, Ehefrau von John McConell, und „Mega-Mama“ ihres Sohnes Matt, der sich vom Glauben abgewandt hat. Kate liebt es unter anderem, wunderschöne Bibelverse aufzuschreiben und sie anschließend zu verschenken. Begleitet von innigem Gebet und mit großer liebevoller Zuwendung verfasste Kate einen kleinen Notizzettel, auf den sie mit wunderschönen Lettern den dreiundzwanzigsten Psalm schrieb, um ihn ihrem Sohn zu schenken. Mitten im fürchterlichsten Schneesturm in der Geschichte Baltimores entdeckt Kate plötzlich, dass der kostbare Zettel gemeinsam mit der Wolljacke ihres Sohnes Matt in der Reinigung abgegeben wurde. Kate kehrt um und wird in einen schlimmen Unfall mit vielen Toten und Verletzten verwickelt…

Das Autorenduo erzählt in Folge den langen, teilweise recht abenteuerlichen Weg, den dieser kleine Zettel mit der wichtigen Botschaft zurücklegt und von dem Guten, das der dreiundzwanzigste Psalm zu bewirken vermag. Beginnend mit Chris Benett, einem Angestellten der Reinigung, gelangt Kates handschriftlicher Schatz in viele verschiedene Hände, wobei die erstaunlichen Zufälle bei der Weitergabe, aber auch die jeweilige Lebensgeschichte der betreffenden Personen, in äußerst einnehmendem Schreibstil erzählt werden. Dieser winzige kleine weiße Zettel spendet einem Sterbenden im Krieg Trost und Zuversicht, bringt eine Familie von Kriegsflüchtlingen den Glauben an den Gott der Christen nahe, weist einem rebellischen jungen Sohn den Weg nach Hause zu seinem Vater – um nur einige Beispiele zu nennen. Die jeweiligen Empfänger des Zettels sind die Protagonisten des entsprechenden Buchkapitels, die ihrerseits eher kurzgehalten sind, aber dennoch sehr einprägsam eine Geschichte erzählen.

Die optische Aufmachung dieses Buches ist atemberaubend schön! Mit der Gestaltung des Buchcovers hat der Verlag ganze Arbeit geleistet. Die überwältigende Farbgebung und der in goldenes Licht getauchte Himmel sowie die im Abendrot leuchtende Felder links und rechts scheinen einen Wanderer regelrecht zu „umrahmen“. Die weißen, in geschwungener Zierschrift gehaltenen und erhobenen Lettern mit dem Buchtitel stellen einen eleganten Blickfang dar, der durch ein Ornament am Buchrand zusätzlich aufgewertet wird. Einzig der für meinen persönlichen Geschmack zu moderne Rucksack des einsamen Reisenden verkörpert einen winzigen Störfaktor, der nicht so ganz ins Gesamtbild passt.

Fazit: „Das Lied des Hirten“ ist ein beeindruckender Roman, in der von der Kraft des Glaubens und den Auswirkungen dieses berühmten Bibelverses auf so viele verschiedene Leben erzählt wird. Eine wunderschöne Lektüre, die mir großen Lesegenuss bereitet hat und nicht nur die Protagonisten dieses Buches, sondern auch das Herz des Lesers zu berühren vermag.