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Veröffentlicht am 01.02.2019

Ein Leben im Untergrund

Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms
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Ein Leben im Untergrund

Mira hasste den Staat von ganzem Herzen. Er hatte das Wunderbarste zerstört, das in dieser abscheulichen Enge noch geblieben war. Die Bücher, in die sie sich so viele Jahre lang ...

Ein Leben im Untergrund

Mira hasste den Staat von ganzem Herzen. Er hatte das Wunderbarste zerstört, das in dieser abscheulichen Enge noch geblieben war. Die Bücher, in die sie sich so viele Jahre lang geflüchtet hatte.“

Das junge Mädchen aus Leonardsburg hatte ihrem Leben als unbescholtene und gesetzestreue Bürgerin eines Staates in der fernen Zukunft den Rücken gekehrt. Miras Begegnung mit dem weisen und gutherzigen Besitzer des Buchladens „Porters Höhle“ namens Edmund und der Kontakt zu den Fischerkindern hatten ihr die Augen geöffnet. Im vorliegenden zweiten Band dieser Buchreihe aus der Feder von Melissa C. Feurer befindet sich Mira nun nach Veras schmählichen Verrat an den Fischerkindern ebenfalls auf der Flucht. Chas, der abtrünnige Sohn des Königs, möchte sie dabei unterstützen, ihren besten Freund Filip aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses zu befreien. Die beiden jungen Menschen begeben sich auf eine Reise voller Entbehrungen und gefährlicher Abenteuer, und aufgrund der ausgeklügelten Überwachungssysteme des Staates geraten sie dabei in allergrößte Gefahr.

Melissa C. Feurer schließt in ihrer Neuerscheinung eng an den ersten Band an und setzt ihre Geschichte auch mit den Figuren aus „Das verbotene Buch“ fort. An der Seite der weiblichen Protagonistin Mira steht der Königssohn Carl Auttenberg, der Edmunds und Miras Liebe zu Büchern teilt, sich jedoch zurückhaltend und ruppig gibt. Sein vorrangiges Ziel ist es, dem grausamen Einfluss seines tyrannischen Vaters zu entkommen, der die Menschen unterdrückt, ausbeutet und Existenzen zerstört. Durch Machtinstrumente wie einen völligen Importstopp, eine Ausgangssperre, ein Versammlungs- und Ausreiseverbot vermag der König zwar sein Volk zu kontrollieren, es gelingt ihm jedoch nicht bei seinem Sohn. Ich habe mich in diesem lange erwarteten Nachfolgeband über das Wiedersehen mit dem kleinen Waisenjungen Ari sowie Urs und seiner Partnerin Biene gefreut, denen eine nicht unwesentliche Nebenrolle zugedacht wurde. Meine Begeisterung über das Auftreten der ehemals besten Freundin Miras, Vera Petersen, hielt sich angesichts ihres Verrats im ersten Band in Grenzen. Sämtliche Charaktere waren sehr gut ausgearbeitet und bewiesen in ihrem Denken und Handeln Authentizität.

Auf erschreckende Art und Weise veranschaulicht Melissa C. Feurer das Leben in einem totalen Überwachungsstaat. Die Stimmung im Buch ist angesichts des Inhalts oftmals düster, doch die Person des Edmund Porter bildet einen Lichtblick für die Mitglieder der rebellierenden Kleingruppen. Seine Lebensaufgabe ist es, den Menschen zu helfen und Hoffnung zu vermitteln, indem er ihnen von Gott erzählt und die Inhalte der Bibel nahebringt. Durch diese sympathische Nebenfigur bleibt der christliche Glaube in diesem Buch stets präsent.

Der Autorin ist ein einnehmender Schreibstil zu eigen, und meine Neugier auf den Fortgang der Geschichte um Mira und die Fischerkinder ließ eine hohe Erwartungshaltung in mir entstehen. Durch die gefährliche und aufreibende Flucht und die Notwendigkeit, sich stets im Untergrund zu bewegen, wurde ein hoher Spannungsbogen in die Handlung eingebracht, der im Befreiungsversuch Filips seinen spektakulären Höhepunkt findet.

Der vorliegende Roman hat mich sehr gut unterhalten, zugleich aber auch tief berührt. Er macht bewusst, dass eine Freiheit des Redens, des Handelns und des Glaubens keine Selbstverständlichkeit ist. Nach dieser Lektüre verspürte ich erneut eine große Dankbarkeit dafür, in einer freien westlichen Welt mit ihren vielen Annehmlichkeiten leben zu dürfen. Ich empfehle dieses Buch gerne weiter, möchte jedoch darauf hinweisen, dass eine Lektüre des Vorgängerbandes „Die Fischerkinder. Das verbotene Buch“ für das Verständnis um Miras und Chas‘ Vergangenheit sowie für die Geschichte der Fischerkinder aus meiner Sicht unabdingbar ist.

Veröffentlicht am 01.02.2019

Das Feuer von Hoboken

Die Villa an der Elbe
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Das Feuer von Hoboken

„Das Feuer von Hoboken war das prägendste Ereignis im Leben der Schwestern. Es verband sie, und war gleichzeitig das Datum, das sie entzweite.“

Die Verlobungsfeier der eleganten ...

Das Feuer von Hoboken

„Das Feuer von Hoboken war das prägendste Ereignis im Leben der Schwestern. Es verband sie, und war gleichzeitig das Datum, das sie entzweite.“

Die Verlobungsfeier der eleganten und selbstbewussten Helena van der Haard mit Gustav Clausen, dem Erben einer angesehenen Reederfamilie aus Hamburg, fand im Jahre 1900 auf einem der größten und bedeutendsten Dampfschiffe der Welt statt. Die Eltern wähnten sich am Ziel ihrer Wünsche, die junge Braut wäre hingegen vor Kummer und Verzweiflung am liebsten von Bord gesprungen. Helena verbrachte ihr gesamtes bisheriges Dasein in einem goldenen Käfig und sehnte sich nach einem Leben in Freiheit und Selbstbestimmung. Ein Schiffsbrand am Tag nach der Verlobung eskalierte, ein brennendes Inferno zog den gesamten Hafen in Mitleidenschaft. Unter den vielen Toten war auch Clara Hauser, das Dienstmädchen von Helena van der Haard. Ein verzweifelter Plan reifte in Helena, die das Unglück mit knapper Not überlebt hatte. Die junge Frau ergriff ihre einzige Chance, sich der Heirat mit einem grausamen Tunichtgut und Schürzenjäger zu entziehen.

Linda Belago erzählt die Geschichte der Reederfamilie Clausen in drei verschiedenen Zeit- bzw. Handlungsebenen. Sie schildert zum einen die Ereignisse um den schrecklichen Hafenbrand im Jahr 1900, beginnend mit der Anreise des Ehepaares van der Haard und ihren beiden Töchtern Annemarie und Helena. Der zweite Handlungsstrang thematisiert die Geschicke des Ururenkels Jonas-Franz Clausen, der infolge des unerwarteten Todes seines Vaters die Geschicke der Reederei in seine Hände nehmen muss. Bei der Durchsicht alter Dokumente entdeckt er Hinweise auf ein beachtliches Vermögen in Form eines Depots. Der dritte Handlungsstrang schildert ebenso wie der zweite die Ereignisse der Gegenwart, beleuchtet hierbei jedoch die Familie Thompson, deren Vorfahrin ebenfalls ein diesbezügliches Dokument hinterlassen hat.

Die Autorin ließ ihren handelnden Figuren große Aufmerksamkeit zuteilwerden, dennoch schafften sie es nicht, mich vollends für sie einzunehmen. Annemarie und Helena wiesen zwar große Authentizität auf, die männlichen Darsteller wie beispielsweise Gustav, Albert und Jonas Clausen hingegen blieben ebenso wie die nur im Ansatz beschriebenen Nebenfiguren eher blass. Linda Belagos locker-leichter Schreibstil wirkt sehr einnehmend. Vor allem ihre bildhaften Schilderungen der Handlungsschauplätze haben mir gut gefallen. Dem Buch liegt zudem ein gewisser Spannungsfaktor zugrunde, der auf den im Klappentext erwähnten Wiedererkennen der vermeintlich toten Schwester Annemaries beruht und die Neugier des Lesers auf die Geschichte hinter diesem Rätsel schürt. Letztendlich hat das aus meiner Sicht zu rasch abgehandelte Finale meine Erwartungen nicht ganz erfüllt und mich mit offenen Fragen zurückgelassen.

Fazit: „Die Villa an der Elbe“ bot mir anregende Unterhaltung, ein spannendes Abenteuer, das abwechselnd in der Gegenwart und in der Vergangenheit spielt, untermalt mit bildhaften Beschreibungen des Lebens in New York und Hamburg. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Aufgrund des etwas übereilten Ausgangs, der mich ein wenig enttäuschte, vergebe ich dafür jedoch nur vier Bewertungssterne.






Veröffentlicht am 27.01.2019

„Ist dir je in den Sinn gekommen, dass du zu so viel mehr geschaffen wurdest?“

Weil du siehst, wie schön ich bin
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„Ist dir je in den Sinn gekommen, dass du zu so viel mehr geschaffen wurdest?“

Als Maggie Boyd in den Ruhestand tritt, verkauft die alte Dame ihren Schönheitssalon an die erfolgreiche Stylistin Ginger ...

„Ist dir je in den Sinn gekommen, dass du zu so viel mehr geschaffen wurdest?“

Als Maggie Boyd in den Ruhestand tritt, verkauft die alte Dame ihren Schönheitssalon an die erfolgreiche Stylistin Ginger Winters, die nach zwölf Jahren wieder in ihr Heimatstädtchen Rosebud zurückgekehrt ist. Gingers Talent, durch ihre Arbeit die Schönheit von Frauen zutage zu bringen, ist bereits legendär. Sie avancierte zur persönlichen Stylistin einer berühmten Persönlichkeit, mit der sie durch die Welt reiste. Nun möchte Ginger jedoch auf eigenen Beinen stehen und renoviert mit großem Einsatz Maggies ehemaligen Salon, als unvermittelt ihre Jugendliebe Tom Wells auftaucht. Er brach Ginger vor zwölf Jahren das Herz und kam nun ebenfalls zurück nach Rosebud, um als Pastor eine Gemeinde zu gründen. Die ehemalige Anziehungskraft zwischen Ginger und Tom ist durch die jahrelange Trennung zwar nicht erloschen, doch Ginger kann weder an Toms Zuneigung, noch an ihren eigenen Wert glauben. Seit einem fürchterlichen Brand in ihrer Kindheit ist ihr Körper durch schwere Brandwunden entstellt und Ginger spricht sich selbst das Recht auf Glück und Liebe ab. Ob Toms beharrliche Zuneigung und sein sanfter Versuch, sie von Jesu Liebe zu all seinen Kindern zu überzeugen Erfolg haben wird?

Rachel Hauck hat mit diesem kleinformatigen dünnen Büchlein eine bezaubernde Liebesgeschichte geschrieben, die an die bekannten Märchen vom hässlichen Entlein und Aschenbrödel erinnern. Sie legt das Hauptaugenmerk auf die Wertigkeit der inneren Schönheit eines Menschen und gibt dem Glauben großzügigen Raum in ihrer Geschichte. Die handelnden Figuren wurden allesamt sympathisch und authentisch dargestellt, wobei der Fokus jedoch auf den beiden Protagonisten liegt. Aufgrund der geringen Seitenanzahl wird den Nebenfiguren eher weniger Aufmerksamkeit zuteil, ihre sorgfältige Charakterzeichnung ließ sie aber dennoch glaubwürdig erscheinen. Sehr gerne hätte ich mehr über Toms Großvater „Pop“ erfahren, dessen Weisheit und Seelenruhe Tom stets Trost in im Leben gab. Auch die ewige Optimistin Ruby-Jane war eine vielversprechende Figur, von der ich ebenfalls gerne mehr gelesen hätte. Als Gingers beste Freundin kennt sie deren Sorgen und Emotionen nur allzu genau und steht ihr nicht nur als Angestellte, sondern auch als Mut Macherin und Trösterin zur Seite. Sie scheut sich zu alledem nicht, sensible Themen anzusprechen und Ginger ins Gewissen zu reden. Einzig die abrupte Veränderung der Einstellung und des Verhaltens einiger Mitglieder der Hochzeitsgesellschaft sowie das etwas überhastete Ende konnten mich nicht vollends überzeugen.

Anhand des Klappentextes und des aussagekräftigen Coverfotos wird der Verlauf dieser Geschichte bereits im Vorfeld angedeutet, und dadurch birgt das Buch keine allzu großen Überraschungen. Mir hat sehr gut gefallen, dass Rachel Hauck trotz der Kürze in diesem Roman viele wichtige Botschaften transportiert und allen voran die Gewissheit vermittelt, dass wir geliebte Kinder Gottes sind, er seine Hand schützend über uns hält und uns führt, auch wenn wir dies in Momenten des Schmerzes und des Leids nicht immer erkennen mögen. Der einnehmende und flüssige Schreibstil der Autorin und die an einigen Stellen perfekt platzierte Situationskomik machten diese Lektüre darüber hinaus zu einem reinen Vergnügen.

Fazit: In ihrer Neuerscheinung „Weil du siehst, wie schön ich bin“ vereint Rachel Hauck eine romantische Liebesgeschichte zum Träumen, die Bewältigung eines tragischen Kindheitstraumas, das für Tiefgang sorgt, sowie den Weg zum Glauben an Jesus und ist daher trotz der geringen Seitenanzahl ein Garant für sehr gute und tiefgründige Unterhaltung.

Veröffentlicht am 13.01.2019

Ein kleines Schimpansen-Mädchen in Nöten

Purzel, das Äffchen
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Ein kleines Schimpansen-Mädchen in Nöten

Die elfjährige Klara, der zehnjährige Tim und der gleichaltrige Alex sind sehr gute Freunde und verbringen den Großteil ihrer Freizeit miteinander. Im Zuge einer ...

Ein kleines Schimpansen-Mädchen in Nöten

Die elfjährige Klara, der zehnjährige Tim und der gleichaltrige Alex sind sehr gute Freunde und verbringen den Großteil ihrer Freizeit miteinander. Im Zuge einer Berg- und Tal-Runde mit dem Fahrrad entdecken sie am Straßenrand ein verletztes Schimpansen-Mädchen mit traurigen Augen. Die drei Kinder wenden sich vertrauensvoll an den Tierarzt Doktor Schneider, der das gebrochene Bein des Äffchens eingipst und den Kindern Ratschläge zur Fütterung des kleinen Findlings gibt. Die kleine „Purzel“ darf vorübergehend in einem Holzschuppen bei Klaras Elternhaus einziehen. Doch die drei Freunde müssen nun noch die offene Tierarztrechnung begleichen. Nachdem ihr erspartes Taschengeld und die Einkünfte aus kleinen Hilfstätigkeiten immer noch nicht ausreichen, scheint der plötzliche Fund einer wohlgefüllten Brieftasche die Lösung all ihrer Probleme zu sein. Oder doch nicht? Und auf einmal erfahren die Kinder zu alledem auch noch, dass es sich bei Purzel um ein entflohenes Affenkind aus dem Zirkus handelt, dessen Mutter es schmerzlich vermisst und sehr um ihr verlorenes Baby trauert.

Michael Elsaß erzählt in diesem entzückenden Kinderbuch die Geschichte eines entlaufenen Äffchens, das verletzt am Straßenrand liegt und von den drei Freundin Klara, Tim und Alex gerettet wird. Mitgefühl, Tierliebe und die Einschätzung, was richtige und was falsche Handlungen sind, stehen im Zentrum dieser Geschichte. Die Wahl der Schriftform, die Größe der Lettern sowie den Zeilenabstand empfand ich als äußerst lesefreundlich und kindgerecht. Die Illustrationen von Ellen Krieger stellen den Inhalt bildhaft aus der Sicht eines Kindes dar, und sind angesichts der farbenfrohen Bilder ein richtiger Blickfang im Buch. Die Vorstellung der Hauptfiguren dieses Kinderbuches gleich zu Beginn des Buches in Form von Farbzeichnungen und einer kleinen Kurzbeschreibung bildet darüber hinaus auch einen sehr schönen und informativen Einstieg.

Mein einziger Kritikpunkt ist die mangelhafte Verarbeitung dieses Büchleins, bei dem sich bereits bei vorsichtigem Umblättern einzelne Seiten aus dem Buchrücken lösten. Schade.

Fazit: „Purzel, das Äffchen“ ist eine lehrreiche Geschichte, die ihre junge Zielgruppe unterhält, und darüber hinaus auch zum Nachdenken anregt. Sie vermittelt den Kindern Respekt und Wertschätzung Menschen, Tieren und hilflosen Lebewesen gegenüber, und legt eine starke Gewichtung auf Zusammenhalt, Ehrlichkeit und das Übernehmen von Verantwortung. Mir haben sowohl der Inhalt, als auch die süßen Illustrationen sehr gut gefallen und ich empfehle dieses Kinderbuch gerne weiter.

Veröffentlicht am 12.01.2019

Familie ODER Beruf. Beides geht nicht.

Wir nannten es Freiheit
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Familie ODER Beruf. Beides geht nicht.

„Verheiratete Lehrerinnen gehören nicht in die Schule. Lehrerin und Ehefrau, das sind beides Berufe, die die ganze Person fordern. In solch einem Fall wird aus geteilter ...

Familie ODER Beruf. Beides geht nicht.

„Verheiratete Lehrerinnen gehören nicht in die Schule. Lehrerin und Ehefrau, das sind beides Berufe, die die ganze Person fordern. In solch einem Fall wird aus geteilter Kraft halbe Kraft, und keiner Stelle ist damit gedient. Weder dem Heim, noch dem Bildungsinstitut.“

Lene Lehmann aus Berlin/Schöneberg darf im Jahre 1916 als Vertretungslehrerin in einer Volksschule unterrichten und dadurch ihren größten Traum wahr machen. Als Kind einer liebevollen alleinerziehenden Mutter, die sich und ihre Tochter als hart arbeitende Putzfrau über die Runden bringt, stellte es ein unglaubliches Privileg für sie dar, durch die Großzügigkeit eines adeligen Arbeitgebers ihrer Mutter Bildung erfahren zu dürfen. Lenes fleißiges Streben führte letztendlich zum Ziel, und durch den Heiratsantrag von Paul Kruse scheint ihr Glück vollkommen. Lene träumt von einem gemeinsamen Leben mit ihrem Verlobten nach dem Krieg. Doch der Frontsoldat Paul wird verwundet und scheint nach seiner Rückkehr ein völlig anderer Mann zu sein. Darüber hinaus bereitet Lene der geltende Lehrerinnen-Zölibat Kummer, der verheirateten Frauen eine Tätigkeit als Lehrerin verbietet. Sie kann sich ein Leben ohne zu unterrichten nicht vorstellen und wird sich zwangsläufig für ihre Karriere, oder aber für die Ehe mit Paul entscheiden müssen. Doch die schlagfertige, selbstbewusste und intelligente junge Frau möchte ihr Schicksal gerne selbst in die Hand nehmen. Sie begehrt auf und engagiert sich im Kampf gegen den Lehrerinnen-Zölibat und um Gleichberechtigung. In einer Petition wendet sie sich gemeinsam mit ihren Kolleginnen an das Schulministerium in Potsdam und an den Schöneberger Magistrat und sorgt hierbei für einigen Aufruhr…

Silke Schütze hat in ihrem Roman ein sehr aussagekräftiges Bild vom Leben im Berlin des Jahres 1916 gezeichnet. Sie beschreibt die Lebensumstände der ärmeren Bevölkerungsschicht, die Lebensmittelknappheit und die Rationierungen aufgrund des Krieges sowie die überlebensnotwendigen Aktivitäten auf dem Schwarzmarkt. Durch ihre Protagonistin Lene Lehmann und deren Kolleginnen macht die Autorin auf das damals herrschende Lehrerinnenzölibat aufmerksam und berichtet vom Kampf um das Wahlrecht für Frauen sowie der Forderung nach Gleichberechtigung. Durch die Person des kriegsversehrten Schuldirektors Dr. Julius Frambosius wird die allgemein geltende Ansicht, eine Frau gehöre an den Herd, sehr deutlich dargelegt. Der Begriff der „Heimatfront“ spielt eine nicht unbedeutende Rolle im Buch, wo Frauen in Ermangelung der männlichen Arbeitskräfte deren Aufgabenbereiche übernehmen mussten – zwar mit gleichem Einsatz, jedoch mit weit geringerem Lohn. Eine Fortführung dieser Gleichberechtigung nach Kriegsende war jedoch nicht geplant. Die Frauenbewegung ist Thema dieses Buches und die langsame Veränderung der Gesellschaftsordnung zeichnete sich bereits ab.

Silke Schütze besitzt einen sehr einnehmenden Schreibstil und schaffte es, mich mit ihren liebevoll gezeichneten Figuren sowie den authentisch dargestellten Lebensumständen ans Buch zu fesseln. Die Liebe zwischen Lene und Paul sorgte für eine Prise Romantik, und durch den reichen adeligen Jurastudenten Ferdinand von dem Hofe wurde der starke Kontrast zwischen Arm und Reich auch während des Krieges sehr deutlich spürbar. Informationen zur Entstehung der Sommerzeit im Jahre 1916 sowie die vehemente Streichung aller französischen Wörter aus der Sprache wurden als interessante historische Fakten in diese Geschichte eingebaut.

Fazit: „Wir nannten es Freiheit“ war ein Buch, dem es gelang, mich durch die eindringlichen und überzeugenden Ausführungen von Silke Schütze vollständig ins Jahr 1916 nach Berlin zu versetzen. „Eine kleine Großstadtblume träumt vom großen Sonnenschein“ ist Pauls Krauses Slogan in diesem Buch – und durch den Einsatz mutiger Menschen werden Träume manchmal Wirklichkeit.

Ein fesselndes und sehr schönes Leseerlebnis, das ich gerne weiterempfehle.