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Veröffentlicht am 16.04.2018

Blue like jazz

Blue like Jazz
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„Es sind immer die einfachen Dinge, die unser Leben verändern. Und diese Dinge passieren nie, wenn man darauf wartet, dass sie passieren. Das Leben offenbart seine Antworten dann, wenn es will.“ (Donald ...

„Es sind immer die einfachen Dinge, die unser Leben verändern. Und diese Dinge passieren nie, wenn man darauf wartet, dass sie passieren. Das Leben offenbart seine Antworten dann, wenn es will.“ (Donald Miller)

Bei der „schönen, bewegenden Geschichte“, die in der Buchbeschreibung angedeutet wird, handelt es sich um die Lebensgeschichte des Autors, der freimütig von seiner Kindheit, seinem Werdegang und seinem Alltagsleben erzählt. Nach einleitenden Worten über die Familie und dem Vater, den er kaum kannte, berichtet Donald Miller über eine Demonstration, bei dessen Teilnahme ihm die Augen geöffnet wurden und er erstmals begann, sich selber genauer zu betrachten: „Ich rede von Liebe, Vergebung, sozialer Gerechtigkeit; ich schimpfe im Namen des Altruismus auf den amerikanischen Materialismus; aber habe ich überhaupt mein eigenes Herz im Griff? Den weitaus größten Teil meiner Zeit verbringe ich damit, an mich selbst zu denken, mir selbst Genuss zu verschaffen, mich selbst zu beruhigen, und wenn ich damit fertig bin, habe ich für Bedürftige nichts mehr übrig. Sechs Milliarden Menschen leben auf dieser Welt, und ich bringe nur Gedanken an einen einzigen davon auf. Mich.“

Donald Millers Selbsterkenntnis war richtungsweisend in seinem Leben, und kurz darauf machte er als Gasthörer im geisteswissenschaftlichen Seminar „antike griechische Literatur“, bedeutende spirituelle Erfahrungen. Der Austausch mit den Studenten stellte eine Herausforderung für ihn dar und er schloss sich auf dem Campus einer Gruppe Christen an.

Als Ich-Erzähler konzentriert der Autor sich in seinem Buch vor allem auf das Thema „Christlicher Glaube“ und berichtet seinen Lesern von seinem eigenen Zugang dazu, erwähnt dabei freimütig auch seine Zweifel. Nach Berichten über die Glaubensfindung seiner Bekannten und Freunde und vielen in den Text eingeflochtenen Aussagen über den Glauben an Gott erwähnt er die aktuelle Tendenz zu einem selbst selektierten Wohlfühlglauben, wo Überzeugungen zu Trendstatements werden. Er beleuchtet die Versuche, sich an anderen Glaubensrichtungen zu orientieren und schreibt über seine eigenen Hemmungen, anderen Menschen von Jesus zu erzählen. Donald Miller verrät aber auch, wie er es schaffte, diese Hemmschwelle zu überwinden.

Einige der geschilderten Episoden sind witzig (beispielsweise die Aktion „Beichtstuhl auf einem Universitätscampus“), viele davon beinhalten überzeugende Argumente für den Christlichen Glauben. Der Autor skizziert seinen Weg von der Erkenntnis, dass man seinen Glauben nicht alleine leben kann, bis hin zu seiner Aufnahme in der Gemeinde „Imago-Die“, die von einem Bekannten gegründet wurde und wo er sich letztendlich willkommen und angenommen fühlte.

Inhaltlich hat mir das Buch „Blue like Jazz“ weit besser gefallen als „Eine Million Meilen in tausend Jahren“. Dennoch gibt es viele Dinge, die mir auch hier das Lesevergnügen verleideten und die ich fairerweise in meiner Buchbeschreibung nicht vorenthalten möchte. Wie bei „Eine Million Meilen in tausend Jahren“ waren es auch in diesem Buch der sehr einfache Schreibstil und die Ausdrucksweise bzw. Wortwahl, die mich störten. Die permanenten Wortwiederholungen, wo ein einziges Wort auf einer Seite bis zu sechzehn Mal wiederholt wird, waren mir schlicht und einfach zu viel. Die Wortwahl selber deute ich als bewussten Einsatz des Dialekts seitens Autors, beispielsweise „Ich kriegte ein so schlechtes Gewissen, dass ich nicht mehr schlafen konnte“.

Der Vergleich seiner Person mit Hitler aufgrund der Tatsache, dass er sich bei der Auswahl des Weihnachtsgeschenks für seine Mutter keine großen Gedanken gemacht hatte, war für mich ebenso fragwürdig wie jener mit Napoleon, als Donald Miller sich vor einer applaudierenden Birke verneigt.

Zu guter Letzt bediente sich der Autor auch in diesem Buch wieder der Fäkalsprache, obgleich es im Gegensatz zu „Eine Million Meilen in tausend Jahren“ nur in Ausnahmefällen geschah. Es gibt Gründe, weshalb ich bestimmte Genres und Autoren meide, und ich bevorzuge Lektüre, in denen ich überhaupt keine Worte wie „Arschloch, Trottel, ich bin spitz usw.“ lesen muss. Auch Szenen, in denen Donald Miller beschreibt, wie er in einem Raum mit vielen Fenstern von Passanten beim Nasenbohren beobachtet wird, fand ich eher befremdlich und unnötig.

Es handelt sich hierbei selbstverständlich lediglich um meinen persönlichen Leseeindruck, der den Inhalt dieses Buches keinesfalls schmälern soll. Dennoch finde ich es fair, bei einer Rezension meiner eigenen und vor allem ehrlichen Meinung zum Gelesenen Ausdruck zu verleihen, nicht künstlich hoch zu loben, aber meine Bewertung möglichst sachlich zu begründen.

Fazit: Drei Bewertungssternen für die wirklich guten Ansätze und Überzeugungen, die Donald Miller seiner Leserschaft vermittelt.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Ich kam zurück

Ich kam zurück
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„Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben.“ (Johannes 3,16)

Wenn man ...

„Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben.“ (Johannes 3,16)

Wenn man den Worten der Autorin Glauben schenken darf, waren es exakt jene Worte aus der Bibel, die das ganze Leben von Samaa Habib revolutionierten. Geboren und aufgewachsen in einer liebevollen Familie durfte das junge islamische Mädchen familiäre Geborgenheit und Bildung erfahren. Für ihren Vater Ibraheem, einem Rechtsanwalt, Doktor der Philosophie und religiösen Lehrer und Leiter des islamischen Glaubens, war die kleine Mariam als Nesthäkchen und jüngstes von zehn Kindern stets seine kleine Prinzessin. Die Mutter Sarah, eine gebildete Frau und ehemalige Englischlehrerin, vermittelte ihrer Tochter von Beginn an das Gefühl, dass diese Bildung der Weg zur Erfüllung ihrer Träume sei. Durch den Bürgerkrieg zerbricht die kleine, heile Welt der Familie in tausend Scherben, von nun an bestimmen Kälte und Hunger den Alltag. Mariam empfindet den Islam plötzlich als eine Kriegsreligion, wo der Dschihad das Töten Ungläubiger gebietet. Doch in diesem schrecklichen Bürgerkrieg töten auch Muslime ihre eigenen Glaubensgenossen, und der Weg nach draußen wird zum gefährlichen Überlebenskampf.

Die Ich-Erzählerin Bodie Thoene erzählt im vorliegenden Buch umfassend über die Kindheit der Samaa Habib, ihren Glauben und ihre Bekehrung zum Christentum. Detailliert schildert sie traumatische Erlebnisse während des Bürgerkrieges und den zahlreichen Übergriffen, speziell auf die schutzlose weibliche Bevölkerung. Durch einen Missionar, der die jungen Mädchen in Karate unterweist, hat sie erstmals Kontakt zum christlichen Glauben, kurz darauf erhält sie ihre erste Bibel, die sie wie einen kostbaren Schatz hütet und in aller Heimlichkeit liest. Mariam, die sich nach ihrer Bekehrung fortan nur noch Samaa nennt, trotzt allen Widerständen. Ihr ist bewusst, dass allein die Lektüre der Bibel ausreicht, um getötet zu werden. Der Koran vermittelt klar und ausdrücklich, dass ein Muslim, der zu einer anderen Religion konvertiert, den Tod verdient hat. Doch das Mädchen liest die Bibel der Christen nicht nur, sondern evangelisiert sogar – und zwar mitten unter überzeugten Muslimen.

Die Lektüre dieser Biografie hat mich ein wenig zwiespältig zurück gelassen. Zunächst hatte ich mir vom Buchtitel „Ich kam zurück“ einen detaillierten Bericht über eine lebensverändernde Nahtoderfahrung erwartet, die hier jedoch in nur wenigen Zeilen abgehandelt wurde. Samaa stirbt bei einer Bombenexplosion während des „verbotenen“ Gottesdienstes, begegnet Jesus, spricht mit ihm, und kehrt auf ihren eigenen Wunsch wieder zurück zu den Lebenden, um noch einige vor ihr liegende Aufgaben zu erfüllen. Abgesehen von der kleinen Enttäuschung hinsichtlich des irreführenden Titels haben mich auch andere Fakten nicht zu überzeugen vermocht. Gott bewirkt Wunder. Daran zu zweifeln, käme mir nicht in den Sinn, ganz im Gegenteil! Dass Gott jedoch bei Samaa beinahe schon unablässig Wunder bewirkt und annähernd jedes Gebet der ehemaligen Muslimin erhört wird, oder aber, dass sie selber im Gebet dazu in der Lage ist, Dämonen auszutreiben und in ihrer Gegenwart permanent Menschen geheilt werden, erschien mir dann jedoch ein wenig „zu viel des Guten“. Das laufende „in Zungen beten“ kam mir befremdlich vor, ebenso wie ihre unzähligen Visionen. Befremdlich fand ich auch die Tatsache, dass die Akkupunktur, die gemäß Internationalem Bibelstudieninstitut von nichtchristlichen religiösen Gedanken ausgeht, beinahe den Eindruck eines christlichen Allheilmittels darstellt. Zu guter Letzt war ich auch wenig vom Schreibstil eingenommen… ich empfand diesen als nicht sehr flüssig, zum Teil sprunghaft, und an manchen Stellen beinahe wie eine Nacherzählung in einem Aufsatz verfasst.

Fazit: ich möchte keinesfalls bezweifeln, dass Frau Habib durch die Kraft ihres Glaubens Wunder erleben durfte, ich kann mir jedoch beim besten Willen diese enorme Anhäufung von Visionen und Wunder nicht vorstellen. Sie hat allerdings meinen größten Respekt für ihren beispiellosen Mut und ihren selbstlosen Einsatz bei ihrer eigenen Konvertierung zum Christentum in einem rein islamischen Umfeld, sowie zur aktiven Evangelisation anderer Muslime. Ihre Lebensgeschichte ist faszinierend und veranschaulicht dem interessierten Leser unter anderem auch das Alltagsleben muslimischer Frauen.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Zwei wie Hund und Katz

Zwei wie Hund und Katz
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Jen Turano erzählt in diesem unterhaltsamen Roman die Geschichte der abenteuerlustigen und dickköpfigen Arabella Beckett aus Gilman, Illinois. Die 25jährige Frau ist intelligent und vertritt ihre Standpunkte ...

Jen Turano erzählt in diesem unterhaltsamen Roman die Geschichte der abenteuerlustigen und dickköpfigen Arabella Beckett aus Gilman, Illinois. Die 25jährige Frau ist intelligent und vertritt ihre Standpunkte vehement, eine Eigenschaft, die ihr als Unterstützerin der Suffragetten Bewegung zugutekommt. Als sie wieder einmal in Schwierigkeiten gerät, engagiert ihre Mutter Gloria den 30jährigen Privatdetektiv Theodor Wilder, der die streitbare und eigensinnige junge Dame direkt aus dem Gefängnis holt. Der arrogante Junggeselle aus New York gerät durch seine altmodischen Einstellungen immer wieder mit Arabella aneinander, sie stehen – wie die Autorin es bereits durch ihren Titel definiert – „wie Hund und Katz“ zueinander. Doch Dinge ändern sich, und nach und nach entdecken die beiden Kontrahenten auch positive Seiten aneinander…

Allein das Coverfoto zeigt dem interessierten Leser bereits, was er von diesem Roman zu erwarten hat: eine abenteuerliche, teilweise sogar recht amüsante Liebesgeschichte mit einigen Verwicklungen, die letztendlich zu einem aufregenden Finale hinführen. Jen Turano hat sowohl mit der Figur der wunderschönen, intelligenten, sehr femininen und charmanten Tochter aus gutem Hause, als auch mit deren Gegenpart, dem eindrucksvollen, gepflegten, interessanten und arroganten Mann, der zu den begehrtesten Junggesellen New Yorks zählt, jedes Klischee bedient, das sich der Leser eines Liebesromans erwartet. Leider empfand ich die Charakterzeichnung der Protagonisten - einerseits bei Theodor als relativ flach - andererseits bei Arabella als überzeichnet oder gar widersprüchlich, ich würde sie jedoch auf alle Fälle als „nicht ganz stimmig“ bezeichnen. Arabella wird zwar als unverheiratete, rastlose und unabhängige Suffragette bezeichnet, die sich gegen jegliche Konventionen aufzulehnen scheint, zugleich wird sie aber auch als empfindsame junge Dame beschrieben, die Tränen und Schmollmund als Mittel zur emotionalen Erpressung bei Männern einsetzt, deren Kleider mit Schleifchen und Rüschen übersät sind, die Liebesromane verschlingt, und in deren Räumlichkeiten die Farbe Rosa in überwältigendem Ausmaß dominiert. Einerseits möchte Arabella dabei mithelfen, das Wahlrecht für Frauen zu erringen, andererseits ergeht sie sich in törichten Plänen, begibt sich in gefährliche Situationen und lässt sich danach immer wieder Schicksal ergeben von Theodor daraus retten. Auch die plötzliche und ziemlich radikale Wandlung von Katherine Gibsons Ehemann Harold sowie seinem Schwiegervater wurde nur spärlich begründet und mäßig nachvollziehbar dargestellt. Insgesamt betrachtet fehlte es mir an den handelnden Personen generell an Tiefe, die Motive für ihre Handlungen erschienen mir nicht immer schlüssig. Das interessante Thema der Frauenbewegung und die Anstrengungen, das Wahlrecht für Frauen durchzusetzen, wurden leider nur äußerst oberflächlich gestreift. Jen Turano baute einige viel versprechende Nebenfiguren in ihre Geschichte ein, wobei die beiden favorisierten Sympathieträger dieses Buches für mich definitiv Theodors Großeltern darstellten. Doch auch hier hätte ich für meinen Geschmack gerne mehr über diese Personen erfahren.

Fazit: Ich kann Jen Turanos Roman „Zwei wie Hund und Katz“ Lesern mit einem Faible für leichte Liebesromane empfehlen, einer höheren Erwartungshaltung hält dieses Buch jedoch meiner Meinung nach nicht stand. Auch der ins Buch eingebrachte Glaube an Gott wirkte für mich ein wenig konstruiert – zudem offenbarte er sich bis auf wenige Ausnahmen lediglich in kursiv gedruckten Gebeten Arabellas. Drei solide Bewertungssterne für ein paar abwechslungsreiche Lesestunden.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Ein bewegendes Schicksal in der DDR

Annegret - die fremde Tochter
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Ein bewegendes Schicksal in der DDR

Bereits im Vorwort weist Annegret Range darauf hin, dass mit dem vorliegenden Buch ein Traum für sie in Erfüllung gehen durfte. Sie erklärt, dass die folgenden Seiten ...

Ein bewegendes Schicksal in der DDR

Bereits im Vorwort weist Annegret Range darauf hin, dass mit dem vorliegenden Buch ein Traum für sie in Erfüllung gehen durfte. Sie erklärt, dass die folgenden Seiten Erinnerung und zugleich Gewissheit seien, wie Gott einen Menschen durchs Leben führt. Sie fordert ihre Leser auf, Mut zu haben, und „an Gottes Hand über unser Leben“ zu glauben.

Annegret erblickte am 14. Juli 1957 als Tochter von Agnes und Erich Sawetzki das Licht der Welt. Als vorbestrafter und derzeit inhaftierter Pole wurde zu jenen Zeiten nicht nur der Vater, sondern zugleich auch seine Ehefrau als asozial eingestuft. Annegret wurde ihren Eltern daher bereits kurz nach der Geburt entzogen und kam ins Kinderheim Clara-Dieckhoff-Haus in Güstrow. Diese herzlose und radikale Vorgehensweise galt besonders jenen Menschen, die sich weigerten, den sozialistischen Normen zu entsprechen, die nicht ins ideologische Schema passten... Menschen wie die Sawetzkis.

Zu Annegrets Glück wurde das Kinderheim von christlichen Schwestern geführt, die das Mädchen liebevoll aufnahmen. Bereits 1961 fand sich ein Ehepaar aus Teterow, das großen Wert auf den christlichen Hintergrund ihres zukünftigen Adoptivkindes legte. Und bald durfte Annegret bei Laura und Heinrich Kahle einziehen. Sie wuchs in dem Glauben auf, die leibliche Tochter der Kahles zu sein. Erst durch Hänseleien in der Schule kam das Geheimnis ans Tageslicht. Das Mädchen lernte, sich zu wehren und weigerte sich zudem, sich an die sozialistischen Vorgaben anzupassen.

Lothar von Seltmann erzählt von Annegrets Werdegang, von den Hindernissen, die der Staat ihr in den Weg legt. Der Autor beschreibt die Lebensumstände dieser Zeit und den nahenden politischen Umbruch.

Die handelnden Personen werden anschaulich dargestellt, und abgesehen von der Protagonistin Annegret erfährt man auch Einzelheiten über ihre Adoptiveltern, ihren christlichen Schulfreund Kurt, der ihr in schweren Zeiten stets zur Seite stand. Man darf ihre Ausbildung zur Krankenschwester mitverfolgen, wo Annegret mit ihren drei christlichen Zimmergenossinnen ein „fidel-charmantes Ausbildungskollektiv“ bildet. Auch von den Konflikten mit den Adoptiveltern oder dem späteren Kennenlernen ihres Ehemannes berichtet Lothar von Seltmann, und geht detailliert auf die Ausgrenzung all jener Menschen, die ihren christlichen Glauben in der DDR offen leben, ein.

Annegrets Leben wurde chronologisch wiedergegeben, und ein Einblick in die politischen Entwicklungen im Hintergrund ermöglicht. Im Buch finden sich sehr viele, kursiv gedruckte Gebete und Lieder, und der Glaube nimmt einen hohen Stellenwert ein.

Das Schicksal Annegrets – eine Zwangsadoption in der DDR als Teil der deutschen Geschichte – stellte eine berührende und teilweise betroffen machende Lektüre für mich dar. Ich empfand es als bedrückenden Ausflug in das Seelenleben eines Kindes, das seinen leiblichen Eltern bereits nach der Geburt entzogen wurde. Meine persönliche Meinung zu diesem Buch ist ein wenig zweigeteilt. Einerseits fand ich die Schilderung des „Überwachungsstaates DDR“ als Nicht-Deutsche interessant, andererseits darf man angesichts anderer Rezensionen scheinbar davon ausgehen, dass es Zweifel am Wahrheitsgehalt der Geschichte gibt. Persönlich enttäuscht war ich vom gegenseitigen Umgang der Familie Kahle – ich hätte mir von bekennenden Mitgliedern der lutherischen Kirche und der baptistischen Freikirche etwas mehr Warmherzigkeit, Verständnis und Liebe erwartet. Ihr Verhältnis zueinander wirkte auf mich ein wenig unterkühlt wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Annegret das lange ersehnte Kind war, das die Kahles nach den tragischen Ableben ihrer drei eigenen Mädchen, endlich adoptieren durften. Auch Annegrets Äußerungen ihren Eltern gegenüber zeugte manchmal von wenig Respekt und von Lieblosigkeit, was jedoch wohl unter anderem auch eine Reaktion auf deren besitzergreifendes und völlig vereinnahmendes Verhalten war.

„Annegret die fremde Tochter“ – ein Lebensbericht aus der DDR, das ich mit drei soliden Sternen bewerte.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Wir können nur ernten, indem wir ein Risiko eingehen

Firefly Island
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"Wir können nur ernten, indem wir ein Risiko eingehen"

„Ich schrieb über Pastor Hays Bemerkung, dass wir nie erfahren werden, wozu Menschen fähig sind, wenn wir ihnen nicht eine Chance geben. Ich schrieb ...

"Wir können nur ernten, indem wir ein Risiko eingehen"

„Ich schrieb über Pastor Hays Bemerkung, dass wir nie erfahren werden, wozu Menschen fähig sind, wenn wir ihnen nicht eine Chance geben. Ich schrieb über den Samen, den wir aussäen, und das wir nie sicher sein können, welcher aufgeht und welcher verkümmert. Aber Samen, den wir in der Hand festhalten, hat nie eine Chance aufzugehen. Ernten können wir nur, wenn wir ein Risiko eingehen.“

Das Risiko, das die Protagonistin dieses Romans eingeht, ist gewaltig. Als die vierunddreißigjährige Rechtsassistentin Mallory Hale im Zuge ihrer Tätigkeit für einen führenden Kongressabgeordneten in Washington zufällig auf einen jungen, attraktiven Biochemiker trifft, der für das Landwirtschaftsministerium arbeitet, ist es für beide Liebe auf den allerersten Blick. Nach einer sehr kurzen, intensiven Zeit des Kennenlernens erfordert ein Jobangebot eine folgenschwere Entscheidung. Daniel Webster Everson bittet Mallory zwei Wochen nach ihrem Kennenlernen, seine Ehefrau und zugleich Mutter seines kleinen Sohnes Nik zu werden. Mallory gibt ihr wohlgeordnetes Leben in der Großstadt, ihre ehrgeizigen Karrierepläne und die angestrebten politischen Ziele auf und folgt dem Mann ihres Herzens nach Texas, in die unmittelbare Nähe der Insel „Firefly Island“, am Ufer des Moses Lake. Die verwahrloste Unterkunft ist ernüchternd, die plötzliche und radikale Veränderung ihres gesamten Lebens stellen einen kleiner Schock für Mallory dar. Nur langsam gewöhnt sie sich an ihr neues Leben. Der süße kleine Nik hat jedoch Mallorys Herz im Sturm erobert, und nach und nach schließt die junge Frau auch erste Kontakte zu den Nachbarn und gewinnt Freunde. Ihr Glück wäre vollkommen, wäre da nicht der etwas unheimliche, undurchschaubare und exzentrische Arbeitgeber ihres Ehemannes, der Mallory Unbehagen bereitet. Bislang war sie stets gut beraten, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen – und dieses warnt sie vehement vor Jack West, dem schwerreichen Eigentümer der Forschungsfirma West Research. Mallory beginnt, alte Kontakte zu aktivieren und stellt Nachforschungen über den Vorgesetzten ihres Mannes an…

Lisa Wingate ist es überzeugend gelungen, die radikale Veränderung der Lebensumstände ihrer Protagonistin darzustellen. Von der ehrgeizigen und karrierebedachten Superfrau aus Washington City zur Hausfrau und Mutter auf einem kleinen Stück Land in Texas – die Gegensätze hätten nicht konträrer gewählt werden können. Die Autorin berichtet auch über die Reaktion des Umfelds auf die überstürzte Hochzeit und bringt als Nebenfiguren Mallorys Eltern und ihre vier Schwestern ins Spiel, erwähnt auch den alten Freundeskreis. Sie widmet sich den neuen Nachbarn und Bekannten in Moses Lake, konnte mich mit ihren Personenbeschreibungen aber dennoch nicht überzeugen… es fehlte mir hier eindeutig ein wenig an Tiefe. Und trotz des gefälligen Schreibstils und der Tatsache, dass ich Romane mit ruhiger Handlung und bar jeglicher Spannung durchaus zu schätzen weiß, konnte mich „Firefly Island“ leider nicht für sich einnehmen. Das im Klappentext erwähnte dunkle Geheimnis wurde nur teilweise gelöst, einige Handlungsfäden verliefen ins Leere und die offenen Fragen ließen ein unbefriedigendes Gefühl nach dem Zuklappen des Buches zurück. Lisa Wingate brachte zwar im letzten Teil des Buches ein wenig Spannung ins Spiel, wirklich überzeugend waren jedoch weder die geschilderten Ereignisse, noch die etwas blassen Figuren dieses Romans. Der christliche Glaube hat zwar einen gewissen Stellenwert, es wird ihm aber für meinen Geschmack zu wenig Raum gegeben. Es gab weder charakterlich beeindruckende und einnehmende Protagonisten, noch eine Handlung, die es schafften, mich ans Buch zu fesseln.

Ich möchte jedoch noch das wunderschöne Coverfoto hervorheben, das eine junge Frau am Sandstrand des Moses Lake zeigt, die zarten Gesichtszüge durch eine schwere, dunkle Haarpracht teilweise verborgen. Ein Bild, das Neugier erweckt und eine gewisse Leichtigkeit und Romantik vermittelt – eine wirklich gelungene optische Aufmachung!