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Veröffentlicht am 02.05.2024

Aus Kindern wurden Dinge

Martha und die Ihren
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Die Nydeggers sind arm. Und seit der Vater nicht mehr arbeiten kann, reicht es nicht einmal, um satt zu werden. Dann stirbt der Vater und die Kinder müssen weg von Zuhause. Martha, die Kleinste und Zarteste, ...

Die Nydeggers sind arm. Und seit der Vater nicht mehr arbeiten kann, reicht es nicht einmal, um satt zu werden. Dann stirbt der Vater und die Kinder müssen weg von Zuhause. Martha, die Kleinste und Zarteste, kommt zu einer Bauernfamilie. Als „Verdingkind“. Sie denkt: „Ja, verdingt. Wir sind zu Dingen geworden.“ Anfangs muss sie sich um den behinderten Sohn der Familie kümmern. Nie hört sie ein Lob und weiß, dass sie nur durch Mehrarbeit und Missachtung der eigenen Wünsche, zum wertvollen Mitglied der Gesellschaft wird.

Obwohl Martha intelligent und fleißig ist, sie darf keine höhere Schule besuchen. Auch andere Ziele, die ihr ein leichteres Leben brächten, werden ihr verwehrt. All die schlechten Erlebnisse und Schicksalsschläge vermittelt sie ihren beiden Söhnen. Das Buch erinnert mich an etliche Werke, die alle mit dem Thema Erziehung und indirekten Traumata zu tun haben. „Martha und die Ihren“ ist ein Highlight.

Ein Buch, das mich berührte und mitnahm auf eine Reise in die Vergangenheit. Zu den Verdingkindern und ihren Nachkommen. Bis heute ertragen sie die Folgen der Erlebnisse ihrer Vorfahren. Es wundert daher nicht, dass auch sie unter mangelndem Selbstbewusstsein leiden. Das kompensieren sie dann zuweilen mit Strenge gegenüber Untergebenen oder ihrem eigenen Nachwuchs. Es ist ein Teufelskreis.

Die Sprache ist schlicht, also perfekt zum Thema passend und anschaulich. Der Autor beschrieb die Geschichte seiner Großmutter. Auch sie war hart gegen sich selbst und duldete keine Schwäche. Das Cover ist, wie bei allen Büchern aus dem Verlag Diogenes, perfekt gewählt. Es stammt aus dem Jahr 1913 und wurde von Leo Pütz gemalt. Es trägt den Namen „Wintersonne“. Einen Sternenregen sowie die klare Empfehlung gibt es von mir für diesen eindrucksvollen Blick in die Vergangenheit.

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Veröffentlicht am 22.04.2024

Humorvoll und lebendig geschriebenes Buch über Russland

Nachruf aufs Paradies
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Immer wieder gibt es selbsternannte „Experten“, die sich zu Russland und damit auch Putin äußern. Keiner ist aber glaubwürdiger als jemand, der so sehr mit dem Geschehen verbunden ist, wie das Ehepaar ...

Immer wieder gibt es selbsternannte „Experten“, die sich zu Russland und damit auch Putin äußern. Keiner ist aber glaubwürdiger als jemand, der so sehr mit dem Geschehen verbunden ist, wie das Ehepaar Dursthoff. In „Nachruf aufs Paradies“ schildert Lutz Dursthoff seine Eindrücke und Erlebnisse von und in diesem Land.

Frau Dursthoff stammt aus Russland. Für sie war es also selbstverständlich, die Fäden in ihre Heimat nie zu kappen. Eine renovierte Datscha sollte dabei helfen. Und das tut sie bis heute. Lutz Dursthoff schildert recht humorvoll, wie sie von Einheimischen empfangen wurden. Es entstanden Freundschaften, die bis heute nichts entzweien konnte.

Mein Vater las häufig und gerne über Russland. So oft nahm er sich vor, in dieses Land zu reisen. Viele Bücher gab es schon vor Jahren dazu und auch ich war fasziniert von den Weiten und Gegensätzen dieses Riesenreiches. Herr Dursthoff weckte diese Faszination erneut. Auch wenn mir der Einmarsch in die Ukraine so gar nicht gefiel. Nur wenige Menschen dort sind mit ihrem Präsidenten einverstanden. Jedoch wird beim Lesen klar, dass sie fast keine andere Wahl haben, als ihm zu folgen.

Das Buch fesselte mich und viele Bilder entstanden in meinem Kopf. Ich gebe eine klare Leseempfehlung und das nicht nur für jene, die Russland lieben.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Gutes Buch über den sagenumwobenen Rhein

Loreley - Die Frau am Fluss
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Mitten in der Nacht hämmert es laut an die Tür des Pfarrers. Ein Bote steht davor und bittet ihn, ihm zu folgen. Sie eilen zur Kräuterfrau wo eine Sterbende auf den Geistlichen wartet. Sie möchte die Beichte ...

Mitten in der Nacht hämmert es laut an die Tür des Pfarrers. Ein Bote steht davor und bittet ihn, ihm zu folgen. Sie eilen zur Kräuterfrau wo eine Sterbende auf den Geistlichen wartet. Sie möchte die Beichte ablegen. Nie zuvor sah der Mann in ein solch schönes Antlitz.

Im Jahr 1817 sieht es an den Ufern des Rheins noch völlig anders aus als heute. In Bacharach arbeitet die junge Waise Julie in einem der wenigen Wirtshäuser längs des Flusses. Sie schuftet hart und kann sich nicht über Lob oder Anerkennung ihrer Herren freuen. Nur der Sohn des Hauses ist ihr gut gesonnen. Als sich dann der Pfarrer über sie beschwert, muss sie schweren Herzens den Ort verlassen.

Es heißt nicht ohne Grund, dass der „Vater“ Rhein sagenumwoben ist. Am mittleren Abschnitt, wo auch Bacharach liegt, gibt es etliche Burgen, die für Legenden herhalten mussten. Die Autorin hat einige Schriften zum Thema in ihrem Buch „Loreley-Die Frau am Fluss“ verarbeitet. Auch zeigt sie eindrücklich, wie hart die Zeiten damals für das einfache Volk waren. Ebenfalls die Verlegung des Flussbettes mit all ihren Schwierigkeiten, klingt hier an. Welche Auswirkungen dieses Eingreifen in die Natur hat, merken wir bis heute und ein Umdenken findet statt.

Neben den historischen Begebenheiten gibt es eine Heirat, die nicht von allen Beobachtern gerne gesehen wird. Auch wenn mir das Buch gut gefiel, gerne hätte ich mehr über die Loreley erfahren.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Nichts ist grausamer als Krieg

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Jedes Mal, wenn sich eine Panikattacke ihren Weg ins Unterbewusstsein bahnte, sagte die Krankenschwester zu ihm „Ganz ruhig, atme mit den Wellen“. Als ihr Schiff Anitra angegriffen und zum Kentern gebracht ...

Jedes Mal, wenn sich eine Panikattacke ihren Weg ins Unterbewusstsein bahnte, sagte die Krankenschwester zu ihm „Ganz ruhig, atme mit den Wellen“. Als ihr Schiff Anitra angegriffen und zum Kentern gebracht wurde, befanden sich auch Konrad und sein Bruder Sverre im Kugelfeuer. Konrad konnte sich retten und strandete nach 18 Tagen auf hoher See an einem Strand Indonesiens. Hier wurde Konrad liebevoll umsorgt und gepflegt.

Das Buch „Als Großmutter im Regen tanzte“ gefiel mir sehr gut und ich freute mich auf
„Und Großvater atmete mit den Wellen“. Der Roman beschreibt die Ereignisse des Krieges im fernen Indonesien und lässt sich ohne Kenntnis des ersten Romans mühelos lesen. Konrad gerät in Gefangenschaft und muss etliche Schikanen hinnehmen. Obwohl er sich in eine hier lebende Krankenschwester verliebt, sehnt er sich nach seiner Heimat Norwegen.

Es ist nicht nur diese anschauliche Sprache, die mich so sehr fesselte. Auch dass die Autorin viele Fakten damaliger Zeit einfließen ließ, machen das Buch so wertvoll. Immer wieder gibt es Ereignisse, die so nicht bekannt aber wichtig sind. Nur auf diese Weise wird die Historie Deutschlands und Europas verständlicher.

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Veröffentlicht am 10.04.2024

Schöner Abschluss der Reihe

Der Klang des Windes
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Endlich ist er da. Der vierte und letzte Band der „Sehnsuchtswaldreihe“. Dieses Mal ist es
Anna-Lisa, die mit (oder gegen?) die Schatten der Vergangenheit kämpft. Schon als kleines Mädchen hatte sie den ...

Endlich ist er da. Der vierte und letzte Band der „Sehnsuchtswaldreihe“. Dieses Mal ist es
Anna-Lisa, die mit (oder gegen?) die Schatten der Vergangenheit kämpft. Schon als kleines Mädchen hatte sie den Wunsche, Malerin zu werden. So wie ihr Vorbild Henny. Fast wäre sie an ihren viel zu hoch gesteckten Zielen verzweifelt. Wie gut, dass sie einen Fotografen kennenlernt, der sie im wahrsten Sinne des Wortes an die Hand nimmt. Endlich weiß sie, wo ihre Stärken liegen.

Ja, die vier Bücher sind alle nach gleichem Schema aufgebaut. Und trotzdem, dieses Hinwenden zur unberührten Natur, machen jeden Band zu einem besonderen Ausflug ans Meer. Die Autorin schreibt im Anhang von „Der Klang des Windes“, dass sie keine Lesungen ausrichtet und gibt die Begründung dafür. Und das wiederum macht ihre Bücher so wertvoll. Ihre blumige Sprache und das Lenken der Aufmerksamkeit auf kleinste Dinge in der Natur zum Beispiel.

Nicht nur die Flora des Darß ist Teil der Erzählung. Auch der Umgang dieser mir zwischenzeitlich lieb gewordenen Akteure ist berührend. Nein, es gibt keine „schmalzige“ Lovestory. Realistisch und lebensnah, so empfinde ich alle Ereignisse auch in diesem letzten Band. Gerne würde ich noch mehr über die Menschen erfahren. Der Hinweis auf eine neue Reihe gibt mir die Hoffnung, dass ich einige Personen aus dem „Sehnsuchtswald“ dort wieder treffe. Schön wäre es.

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