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Veröffentlicht am 04.10.2019

Aufgeben gibt´s nicht

Harro und Libertas
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Namen wie Scholl oder von Stauffenberg sind wohl allgemein bekannt, wenn es um Berichte über den Widerstand von mutigen Menschen während er Nazidiktatur geht. Dabei gibt es wesentlich mehr Frauen und Männer, ...

Namen wie Scholl oder von Stauffenberg sind wohl allgemein bekannt, wenn es um Berichte über den Widerstand von mutigen Menschen während er Nazidiktatur geht. Dabei gibt es wesentlich mehr Frauen und Männer, die im Untergrund tätig waren. Sie setzten ihr Leben aufs Spiel und viele wurden zum Tode verurteilt. Wie gut ist es, dass es Autoren wie Norman Ohler gibt, die den Blick auf unbekanntes Terrain lenken.

HarroUndLibertas ist eine Biographie, die erst nach langwieriger Recherche geschrieben und veröffentlicht wurde. Sie erschien im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Der Autor beginnt das Buch, als Harro Schulze-Boysen noch als Herausgeber der Zeitung „Gegner“ tätig war und grundlos festgenommen wurde. Während der Haftzeit misshandelten die SS-Schergen ihn und seinen besten Freund und Kollegen Henry Erlanger so sehr, dass dieser starb und Harro lebenslange Schädigungen von Nieren und Milz ertragen musste. Wo Harro vorher noch zweifelte und das Handeln der Nazis nicht völlig ablehnte, so änderte sich das nach seiner Haft grundlegend.

Harry hatte nur ein Ziel: Er wollte sich und seinen Freund rächen. Er wurde zunächst zum Einzelgänger, der unter ständigen Schmerzen litt. Als er seine Frau, die adelige Libertas kennenlernte, änderte sich das. Er verliebte sich in sie und konnte auch sie für sein Vorhaben gewinnen. Beide luden Gleichgesinnte in ihre Wohnung ein und planten miteinander, wie sie dem Treiben der Nazis ein Ende setzten können. Dazu benahm er sich vorbildlich und durch seinen Fleiß und die Beziehungen seiner Ehefrau stieg er sogar in der Hierarchie der Luftwaffe auf. Libertas sammelt Fotos und andere Belege über die Gräueltaten der Wehrmachtsangehörigen. Diese wurden tatsächlich versteckt in einer Mauer und erst nach dem Krieg entdeckt.

Gegen viele Widerstände und Feigheit von Politikern und weiteren „hohen“ Herren und Damen, setzte Norman Ohler sich durch und präsentiert heute die Geschichte der Eheleute Schulze-Boysen und deren Mitstreiter uns allen, als interessierte Leser.

Das Buch enthält eine Reihe von Geschehnissen, die mit dem gewünschten Boykottieren der Nazigesetze zu tun haben. Es wurden Originale gesichtet und Familienangehörige der Betroffenen befragt. Kurzum, eine aufwendige Recherche war nötig, um dieses wertvolle Buch zu vollenden. Harro hat mich sehr beeindruckt und seine Meinung über die Nazis: „...die nichtswürdige Vertiertheit des NS-Gelichters“ sagt alles über sein Wesen. Gräfin Tora zu Eulenberg war die Mutter von Libertas und diese lebte vor der Heirat mit Harro auf Schloss Liebenberg.

Neben den detaillierten Berichten gibt es etliche Fotos, welche die Protagonisten zeigen. Am Ende des Buches gibt Listen über Quellenangaben, Literatur und ein Namensverzeichnis. Der Autor hat ganze Arbeit geleistet und ich danke ihm dafür. Wie sonst hätte ich gewusst, wer hinter den Namen

HarroUndLibertas steht.

Veröffentlicht am 02.10.2019

Das Tagebuch der Mary Berg

Wann wird diese Hölle enden?
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Das Tagebuch der Mary Berg ist ein Zeugnis von Herzenswärme und Mut aber auch von unmenschlicher Grausamkeit und Verrat. Es wurde bereits im Jahr 1945 in Amerika und in englischer Sprache veröffentlicht. ...

Das Tagebuch der Mary Berg ist ein Zeugnis von Herzenswärme und Mut aber auch von unmenschlicher Grausamkeit und Verrat. Es wurde bereits im Jahr 1945 in Amerika und in englischer Sprache veröffentlicht. Warum es erst im September 2019 auch für deutsche Leser aufgelegt wurde, weiß ich nicht.

Das Buch beginnt mit einer Liste von Fotos, die in dem Buch abgebildet sind. Es handelt sich um Originalfotos mit erschreckenden Hinweisen auf die Folter der Menschen durch Nazis. Danach folgt der Dank von Susan Pentlin, die maßgeblich für die Veröffentlichung des Tagebuchs verantwortlich ist. Es ist nachvollziehbar, dass sie ihr Bedauern äußert, dass Mary das nicht mehr miterleben kann.

Erzählt euren Kindern davon, und eure Kinder sollen es ihren Kindern erzählen, und deren Kinder dem folgenden Geschlecht. So sehe ich das auch und aus dem Grund schreibe ich diese Empfehlung für das Buch.

Als sie 15 Jahre alt war, begann Mary mit dem Schreiben eines Tagebuchs. Mit 20 veröffentlichte sie es auf Drängen von Samuel Shneiderman. Als die Deutschen in Polen einfielen, flüchtete sie mit ihrer Familie aus der Heimatstadt Lodz nach Warschau. Hier kämpften viele Zivilisten gegen die Übermacht der Nazis und konnten die Stadt 27 Tage lang halten. Schließlich mussten sie dennoch kapitulieren. Danach kehrte die Familie kurzfristig nach Lodz zurück. Sie mussten aber sehr schnell erkennen, dass das keine gute Idee war. Die Schikane gegen Juden war grauenhaft und die Barbaren schreckten auch nicht vor der Misshandlung von Kindern zurück.

Es ging zurück nach Warschau und dort wartete das neue Elend. Die Nationalsozialisten pferchten alle Juden in Teile der Hauptstadt Polens ein und mit hohen Mauern sowie Stacheldrahtzäunen, wurden sie von der „arischen Seite“ (welch groteskes Wort) getrennt. Am 15.11.1940 begann die Einrichtung des Warschauer Ghettos. Mary beschreibt den Alltag mit all seinen Horrorszenarien aber auch den schönen Tagen. Sie konnte unter anderem am Kunstunterricht teilnehmen und war auch in einer Theatergruppe engagiert. Einige ihrer Skizzen sind auch in dem Buch Wann wird diese Hölle enden? Abgebildet. Anfangs hofften die Menschen noch, dass sie überleben und die Zeit des Eingesperrtseins nicht lange dauern möge. Das war ein fataler Irrtum.

Mary schreibt von Denunzianten, die vorher noch nette Nachbarn oder gar gute Bekannte waren. Sie berichtet von Hunger aber auch vom Widerstand gegen die Übermacht der Nazis. Auch der vielen bekannte Arzt Dr. Janusz Korczak findet Erwähnung und mit ihm die vielen Kinder, welche an seiner Seite durch die Hand der Nazis starben. Dabei hatte Mary Berg noch großes Glück. Sie konnte mit ihrer Familie nach Amerika flüchten und entging dem grausamen Tod der Bewohner des Ghettos von Warschau. Aus dem Grund quälten sie auch massive Schuldgefühle, weil die meisten ihrer Freunde und Verwandten starben. Sie schreibt dazu: „Gott, warum muss all diese Grausamkeit sein?“

Warum ich immer wieder Bücher aus der Zeit der Nationalsozialismus lese? Weil ich es meinen Kindern und Enkeln erzähle und hoffe, dass sie es in ihrem Herzen bewahren und weitertragen. Es darf niemals in Vergessenheit geraten. Ich empfehle das Buch allen Lesern, die mit wachen Augen und Ohren durchs Leben gehen und ebenfalls nicht vergessen möchten.

Im Warschauer Ghetto gab es Helden, die vergessen sind und nie einen Orden bekamen.

Veröffentlicht am 30.09.2019

Spannende Unterhaltung mit viel Historie

Teufelskrone
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Hiobs Brüder war der erste Roman, den ich von dieser Autorin las. Und seitdem verstehe ich die vielen Leser, die es kaum erwarten können, bis wieder ein neues Buch von ihr erscheint. So auch bei ihrem ...

Hiobs Brüder war der erste Roman, den ich von dieser Autorin las. Und seitdem verstehe ich die vielen Leser, die es kaum erwarten können, bis wieder ein neues Buch von ihr erscheint. So auch bei ihrem neuesten Werk, der Teufelskrone.

Der Epilog beginnt im Jahr 1193 und zwar in einem Gasthaus, welches abgelegen und in einem kleinen Ort bei Wien liegt. Drei Pilger sitzen dort zusammen und einer von ihnen bereitet ein Huhn zu. Die drei reisen inkognito, denn sie sind auf der Flucht. Der Koch ist kein geringerer als Richard Löwenherz, der mit zwei Getreuen auf dem Heimweg von einem Kreuzzug ist. Nicht lange müssen sie auf ihre Verfolger warten und Richard wird von Leopold, dem Herzog von Österreich.

Die Forderung der Kidnapper ist ein hohes Lösegeld, welche nach einigem Hin und Her dann gezahlt wird. Richard kommt frei. Als er stirbt, wird sein Bruder John sein Nachfolger. Dabei ist er das Gegenteil von Richard. Er ist grausam und innerhalb kürzester Zeit schafft er es, sich viele Feinde zu machen. Selbst die Adeligen verwehren ihm ihre Gunst. Die Ereignisse rund um die Waringhams überschlagen sich und der Leser wird sprichwörtlich mitgerissen.

Yvain ist ein Hauptakteur und der jüngste Sohn des Earl of Waringham. Er hat dem Bruder Richards die Treue versprochen und hält an dem Versprechen sehr lange fest. Schweren Herzens sieht er aber ein, dass der diese Treue nicht verdiente und sich zu einem Tyrannen entwickelte. Yvain liebt zudem eine Frau, die auch von seinem Bruder begehrt wird. Die Komplikationen sind also vorprogrammiert. Und nicht nur dieser Zwist wird von Frau Gablé aufgegriffen.

Abwechslungsreich und in einer Art und Weise, die mir sehr gut gefällt, so schreibt Frau Gablé ihre Bücher. Schon beim Lesen der ersten Seite war ich gefangen und konnte den Reader kaum zur Seite legen. Sie versteht es gekonnt, den Spagat zwischen Fakten und Fiktion durchzuführen. Der Leser lernt viel über die damalige Zeit und wird nicht durch andauernde Beschreibungen von Krieg und Gemetzel gelangweilt. Ein hervorragendes Buch, welches auch ohne Kenntnis der weiteren Bücher über die Waringhams zu lesen ist.

Veröffentlicht am 30.09.2019

Nichts für schwache Nerven

Dachbodenfund
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Marvin und Sandra Losberg erfüllen sich einen Traum. Sie ziehen aus der Großstadt Hamburg in einen kleinen und beschaulichen Ort namens Seesby. Der Umzug war anstrengend aber jetzt folgt die Ruhe, so denkt ...

Marvin und Sandra Losberg erfüllen sich einen Traum. Sie ziehen aus der Großstadt Hamburg in einen kleinen und beschaulichen Ort namens Seesby. Der Umzug war anstrengend aber jetzt folgt die Ruhe, so denkt Sandra. Ihr Mann ist häufig unterwegs, da er einen anstrengenden Job hat. Sie selbst freundet sich rasch mit einer jungen Frau aus dem Dorf an. Die Ruhe bleibt aber nicht und von Idylle gibt es keine Spur. Seltsame Dinge geschehen. Sandra wird in ihrem eigenen Haus von einem Mann überrascht, der plötzlich vor ihr steht. Zudem gibt es ein Zimmer, welches abgeschlossen und der Schlüssel unauffindbar ist. Was verbirgt sich dort hinter der Tür? Wer will Sandra verunsichern und ist sie wirklich in Gefahr?

Puh, das Buch ist nichts für schwache Nerven. Das zeigt schon das sehr aussagekräftige Cover. Auf dem ersten Blick sieht der Leser, worauf er sich einlässt. Die Story ist fein ausgeklügelt und die Spannung subtil und bestens dosiert. Dorfklatsch und die Gerüchteküche wurden von der Autorin sehr gut wiedergegeben. Auch wenn mir bei einigen Szenen die Tränen kamen, so ist es doch ein Thriller, der seinen Namen verdient hat. Gleichzeitig zeigt das Buch, wie Menschen durch Vorurteile verletzt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden können. Wer keine bluttriefenden Thriller bevorzugt, wird dieses Buch mögen. Denn spannend ist es allemal.

Veröffentlicht am 29.09.2019

Enttäuschung, statt "blühende Landschaften"

Kastanienjahre
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Das Buch Kastanienjahre beginnt im Jahr 2018. Elise lebt in Paris und hat eine kleine Boutique, die ihr ganzer Stolz ist. Ihr bester Freund ist Tarek, ein Mann aus Algerien, der wie sie, nicht in Frankreich ...

Das Buch Kastanienjahre beginnt im Jahr 2018. Elise lebt in Paris und hat eine kleine Boutique, die ihr ganzer Stolz ist. Ihr bester Freund ist Tarek, ein Mann aus Algerien, der wie sie, nicht in Frankreich geboren ist. Zufällig wird sie durch einen Zeitungsausschnitt an ihren Heimatort Peleroich erinnert. Er soll dem Erdboden gleich gemacht werden. Der Ort liegt in der ehemaligen DDR, nahe der Grenze zur BRD. Sie ist erschrocken und möchte bald in den Osten fahren.

Danach gibt es einen Schwenk in das Jahr 1950. Ein Lehrer in Peleroich unterrichtet 15 Kinder, die Deutsche Demokratische Republik befindet sich im Aufbau. Drei Jahre später gibt es Pläne zur Produktionssteigerung und kleine Höfe sollen nicht mehr nur den Eigentümern gehören. Sie werde zu einer LPG zusammengefasst. Der Bürgermeister von Peleroich ist ein Anhänger der Regierung und gleichzeitig auch ein Spitzel der Stasi. Die Menschen des Ortes fürchten sich vor ihm.

Das Buch wechselt immer wieder vom Jahr 2018 in die Jahre ab 1950. Die Autorin ist selbst ein Kind der DDR und das merkt der Leser. Sie weiß, wovon sie schreibt. Es werden die Anfänge des sozialistischen Staates beschrieben, die Einschränkungen und Bevormundungen durch die Regierenden. Immer mal wieder gab es einen Mangel an Konsumgütern und auf Möbel mussten die Menschen lange warten. Aber, es gab keine Arbeitslose, Ausländer oder Flüchtlinge auch nicht.

Kastanienjahre ist eine Mischung aus Historie, Liebe und Familiengeschichte. Interessant für mich, da ich viele Dinge des Lebens im Osten erst auf diese Weise erfuhr. Es macht aber auch nicht vor den Enttäuschungen halt, nachdem die Mauer fiel. Es wurde den Menschen in Ost und West so viel versprochen und nur wenig gehalten. Die vergessenen Orte gibt es dort zuhauf und es ist berührend zu lesen, wie die dort Geborenen damit umgehen. Ein Buch, welches berührt, ein wenig spannend und zudem recht unterhaltsam ist. Ich empfehle es allen, die sich für die Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik interessieren und dabei auf Authentizität der Berichte achten.

Ich habe das Buch als Hörbuch genossen. Gelesen wird es von Wolfgang Berger. Die ungekürzte Lesung erstreckt sich über 667 Minuten.