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Veröffentlicht am 29.04.2019

Akribisch recherchiert und perfekt geschrieben

Napoleon
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Als sich im Jahr 1804 Napoleon zum Kaiser krönte, war ein großer Deutscher fassungslos. Wollte er doch eigentlich eine seiner Symphonien dem Franzosen widmen. Dieses Vorhaben verwarf Ludwig van Beethoven ...

Als sich im Jahr 1804 Napoleon zum Kaiser krönte, war ein großer Deutscher fassungslos. Wollte er doch eigentlich eine seiner Symphonien dem Franzosen widmen. Dieses Vorhaben verwarf Ludwig van Beethoven ganz schnell, so böse war er über das Verhalten des „Emporkömmlings“.

Napoleon – Revolutionär auf dem Kaiserthron beschreibt das Leben Napoleons „von der Wiege bis zur Bahre“. Etliche Ereignisse aus seinem Leben waren bisher unbekannt und einige Tatsachen rückt Herr Müchler ins rechte Licht. Neben seiner Karriere als Feldherr galt er als Familienmensch, der seine Lieben nicht im Stich ließ. Als sein Vater starb und Napoleons Mutter kaum Geld hatte, griff er ihr und seinen Geschwistern unter die Arme.

Napoleon schaffte einige Grundlagen für das Miteinander der Republik, die bis heute auch in Deutschland greifen. Dazu gehört unter anderem das Code Civil, das Bürgerliche Gesetzbuch und die Religionsfreiheit. Er sorgte ebenfalls dafür, dass in Frankreich und weiteren europäischen Staaten ein modernes Zivilrecht eingeführt wurde.

Napoleon war ebenfalls ein Mensch, der sich selbst und seine Ansichten bestens unters Volk bringen konnte. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er schrieb leidenschaftlich gerne, sogar einen Liebesroman verfasste er. Aber viel wichtiger war für ihn seine eigene Zeitung, die er mit eigener Meinung und den Erfolgen als Kriegsherr füllte. Das gefiel dem Volk, sahen sie ihr Land doch schon damals „Grande Nation“.

In einem Interview sagte der Autor, dass der Ausdruck „Napoleonische Kriege“ eine semantische Fehlstellung sei. Erst 1799 tritt Napoleon auf die Bühne und der Krieg in Europa begann bereits Jahre zuvor. Was ihn so einzigartig machte war die Tatsache, dass in ihm kein „blaues Blut“ floss. Er war kein Sohn von Adeligen, sondern ein Emporkömmling, ein Korse von minderer Abstammung.

Nicht nur Kenner und Liebhaber Frankreichs und Freunde der Geschichte Napoleons sollten das Buch lesen. Es ist viel mehr als die Biographie eines Einzelnen. Zeigt es doch auch, wie schwierig die Einigung unter den Staatsmännern innerhalb des Kontinents Europas war. Napoleon war ein Visionär und brachte vieles auf den Weg, von dem wir alle heute noch profitieren. Herr Müchler hat jahrelang akribisch recherchiert und seine Aussagen sind Fakten, keine Thesen.

Die Sprache gefiel mir besonders gut. Das Buch Napoleon – Revolutionär auf dem Kaiserthron ist so geschrieben, dass ich kein Geschichtsstudium oder das Große Latinum benötige, um es zu verstehen. Zu den zahlreichen Bildern im Buch gehört unter anderem eins, welches den letzten Wohnort Napoleons auf St. Helena zeigt. Im Anhang sind alle Quellen in Form eines Literaturverzeichnisses genau aufgeführt und auch ein Personenregister gibt es. Zu den zahlreichen Fußnoten stehen im Anhang ausführliche Erläuterungen. Zwei Landkarten Europas zeigen den Kontinent im Jahr 1789 und im Jahr 1812.

Ein ganz wichtiges Buch, welches WBG Theiss genau zum richtigen Zeitpunkt veröffentlichte. Die letzten Jahre und die Gegenwart zeigen, wie nationalistische Kräfte in vielen Ländern Europas wieder Fuß fassen möchten. Ihnen die Stirn zu bieten und stets daran zu denken, wie wichtig die Einheit des Kontinents ist, ist unser aller Aufgabe. Dazu hat auch Herr Müchler mit seinem Buch einen wertvollen Beitrag geleistet.

Veröffentlicht am 28.04.2019

Gute Unterhaltung zum Abschalten

Die Heimkehr der Bärenführerin
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DieHeimkehrDerBärenführerin ist der zweite Band, welcher Einblicke in das Leben der Agnes von Langerode gibt. Nein, die erste Folge muss man nicht lesen, um diesem Roman folgen zu können. Die Autorin lässt ...

DieHeimkehrDerBärenführerin ist der zweite Band, welcher Einblicke in das Leben der Agnes von Langerode gibt. Nein, die erste Folge muss man nicht lesen, um diesem Roman folgen zu können. Die Autorin lässt den Leser immer mal wieder in die Vergangenheit eintauchen und so versteht er die Ereignisse auch ohne Vorkenntnisse.

Agnes verließ fluchtartig ihr Elternhaus und ging mit ihrer großen Liebe Kilian weg. Sie lebt jetzt mit Gauklern zusammen und hat die Nachfolge ihres Schwiegervaters Heinrich als Bärenführerin angetreten. Nach dem Tod des ersten Bären wurde eine Bärendame gekauft, die auf den Namen Ursula gehört. Agnes versteht wie keine Zweite, mit Tieren zu kommunizieren. Sie tanzt mit Ursula und zieht auf diese Weise das Publikum in ihren Bann.

Nachdem Heinrich sehr krank wurde, mussten die Gaukler in einem kleinen Dorf rasten und um Obdach bitte. Ein Schmied nahm sie auf und der Kranke konnte bald genesen. Agnes weiß nicht, was in ihrem Zuhause los ist. Dort herrschen nämlich sehr unliebsame Menschen, die drei Brüder Hinzweiler mit ihrem Vater. Die verbreiten Angst und Schrecken und selbst bei Mord kennen sie keinen Skrupel.

DieHeimkehrDerBärenführerin berichtet von einer Zeit, wo Adelige und das gemeine Volk strikt voneinander getrennt waren. Damals gab es wirklich „die da oben“ und das wurde von denen häufig auch ausgenutzt.

Zum Glück waren nicht alle Adeligen hochnäsig und Herzog Wilhelm von Jülich war es schließlich, der Agnes und ihrer Schwester zum Recht verhalf. Den Herrn gab es tatsächlich und auch die Burg Nideggen steh heute noch. Diese wurde von besagtem Herzog damals erbaut.

#DieHeimkehrDerBärenführerin gefiel mir gut. Die Autorin Lea Weisz kombinierte historische Fakten mit ein wenig Fantasy und das sehr gekonnt. Ein Buch zum Abschalten, welches die damalige Zeit aber sehr gut beschreibt. Das fahrende Volk gab es und geheiratet wurde in den meisten Fällen aus Kalkül. Agnes wehrte sich erfolgreich dagegen aber ihre Schwester schaffte den Absprung nicht.

Veröffentlicht am 27.04.2019

Wahrhaftig ein kluges und aufrüttelndes Buch

Biedermeiern
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Livia Klingl hat mit ihrem Buch Biedermeiern wahrhaftig ein Meisterwerk kreiert. Schon das Äußere ist außergewöhnlich. Das Cover ein wenig verspielt, wie eine Tapete aus längst vergangener Zeit, wird durch ...

Livia Klingl hat mit ihrem Buch Biedermeiern wahrhaftig ein Meisterwerk kreiert. Schon das Äußere ist außergewöhnlich. Das Cover ein wenig verspielt, wie eine Tapete aus längst vergangener Zeit, wird durch ein „Guckloch“ unterbrochen. Dieses Loch dient gleichzeitig als Rahmen für eine Karikatur. Sie zeigt den „Kinderkanzler“ und „Bumsti“ mit Zigarre. Nein, Bumsti ist kein Schimpfwort. Es ist der Kosename aus Kindertagen für Herrn Strache.

Die Abschnitte des Buches sind in Tage aufgeteilt und zeigen entweder kurze Absätze mit Anmerkungen der Autorin oder eine ihrer phantastischen Karikaturen. Sie schreibt unter anderem, was sie von dem neuen Bündnis Strache - Kurz hält und warum es ihrer Meinung nach dazu kam. Auch das sogenannte „soziale“ Netzwerk sieht sie so, wie es tatsächlich ist: asozial. Dort werden gefälschte Meldungen verbreitet und die handeln meistens von „Missetaten“ der „Ausländer“.

Biedermeiern las ich in einem Rutsch durch und das mehrmals. Die Karikaturen brachten mich zum Schmunzeln, weil Frau Klingl die Mimik der hier gezeichneten Politiker wie die Faust aufs Auge passt. Auch die Anmerkungen hat sie perfekt auf den Punkt gebracht. Ich war zur Zeit der Wahlen von Österreich häufig auf FB unterwegs und staune heute noch über die Gutgläubigkeit der Follower von Kurz und Strache.

Das kleine Buch Biedermeiern ist ein gewaltiges Stück Wahrheit, die nicht nur von Österreichern gelesen werden sollte. Prägnant und in wenigen Sätzen zeigt Frau Klingl uns Wählern, welche Macht wir eigentlich haben. Nutzen wir sie bei allen kommenden Wahlen. Für das Buch gebe ich eine ausdrückliche Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 25.04.2019

Kein 08/15 Buch

Zwei Brüder
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Mit seinem Buch Zwei Brüder erhielt der Autor Mahir Guven neben etlichen anderen, die wichtigste literarische Ehrung Frankreichs. Es ist der Prix Goncourt de premier roman, also die Anerkennung für ein ...

Mit seinem Buch Zwei Brüder erhielt der Autor Mahir Guven neben etlichen anderen, die wichtigste literarische Ehrung Frankreichs. Es ist der Prix Goncourt de premier roman, also die Anerkennung für ein sehr gelungenes Erstlingswerk.

Das Original trägt den Titel Grand Frére. Zwei Brüder kommen hier zu Wort und das abwechselnd. Die einzelnen Abschnitte sind jeweils mit Überschriften versehen, sodass der Leser direkt erkennt, wer momentan zu Wort kommt. Der große Bruder Azad ist Taxifahrer in Paris. Er brach kurz vor dem Abitur die Schule ab und fährt wie der Vater von beiden, Menschen von A nach B. Der kleine Bruder, Hakim, verschwand vor drei Jahren spurlos. Ohne ein Wort des Abschieds zog es ihn nach Syrien, um dort als Krankenpfleger zu arbeiten. Er ließ sich von seinem Arbeitgeber für ein Jahr freistellen, kam allerdings nach dieser Zeit nicht zurück. Die Brüder sind beim Vater aufgewachsen, da die Mutter früh verstarb.

Nach drei Jahren verzweifeltem Bangen und Hoffen von Vater und Azad klopft Hakim dann an die Tür des großen Bruders. Das Problem dabei ist, dass die Polizei nach den Attentaten auf Charlie Hebdo und Bataclam ganz empfindlich auf Rückkehrer aus Syrien reagiert. Es ist also nicht nur Hakim sondern auch sein Bruder Azad in Gefahr. Wie entscheiden sich die beiden? Welche Rolle spielt dabei der Vater und hat Hakim wirklich in Syrien gemordet?

Es gibt einen Begriff für die Vororte von Paris: Banlieue. Dort leben Menschen tatsächlich am Rand der Gesellschaft und haben ihre eigene Sprache. Das kommt in dem Buch sehr stark zum Ausdruck und es dauerte eine Weile, bis ich mich daran gewöhnte. Teilweise war sie mir doch zu heftig und ich empfand sie als vulgär. Allerdings würde das Buch ohne die Ausdrücke nicht so authentisch wirken.

Gut umgesetzt war für mich, wie äußere Einflüssen den jungen Bruder erst in die Fänge von Dschihadisten treiben konnten. Die Ablehnung der Franzosen gegenüber den Muslimen spielt eine große Rolle. Sie werden nicht als gleichberechtigt anerkannt, sind Menschen 2. Klasse. Ausnahmen gibt es zwar auch aber die sind selten.


Der Übersetzer André Hansen hat sehr gute Arbeit geleistet und das darf nicht in Vergessenheit geraten. Ein Buch, dass zeigt, wie stark äußere Gegebenheiten das Leben von Kindern beeinflussen. Oft können Eltern gar nichts dagegen tun.

Veröffentlicht am 23.04.2019

Ein Stück Geschichte von Istanbul, brillant erzählt

Die leuchtenden Tage am Bosporus
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„Vielleicht ist das der wahre Tod, wenn man gänzlich aus der Erinnerung der Lebenden verschwindet.“ (aus Die leuchtenden Tage am Bosporus S. 358)

Die leuchtenden Tage am Bosporus ist kein Roman, wie ich ...

„Vielleicht ist das der wahre Tod, wenn man gänzlich aus der Erinnerung der Lebenden verschwindet.“ (aus Die leuchtenden Tage am Bosporus S. 358)

Die leuchtenden Tage am Bosporus ist kein Roman, wie ich ihn kenne. Es gibt keine abgeschlossene Handlung, mit Einführung, Hauptteil und Schluss. Viel mehr kommen verschiedene Handlungsstränge vor, die nicht nur zwischen den Akteuren wechseln. Auch die Schauplätze und selbst die Zeiten unterscheiden sich.

Gedanken und Gefühle der Hauptpersonen spielen in Die leuchtenden Tage am Bosporus eine große Rolle. Die Autorin hat diese sehr gut in Szene gesetzt und brilliert durch ihre blumige Sprache. Nur ist eine junge Frau, die behütet aufwuchs bis der Krieg ihr und der Familie nahezu alles nahm. Das eigene Haus musste geräumt werden und hier wurde ein Lazarett für britische Verwundete eingerichtet. Vater sowie Großvater starben und der Bruder wird vermisst. Als dieser wieder nach Hause kommt (er desertiert), ist er traumatisiert und bringt die ganze Familie in Gefahr. Der Umgang mit ihm lässt sich mit dem Tanz auf einem Vulkan vergleichen.

Ein kleiner Junge wird von Nur aufgenommen. Der erlebte Schreckliches und verlor seine Familie während die Türken gegen die Armenier kämpften. Der Junge hängt an Nur und kann nur bruchstückhaft über das Erlebte sprechen. Nur sorgt aber dafür, dass er eine Zukunft hat und angemessene Bildung erhält.

Mir gefiel das Buch, weil ich gedanklich in die schöne Stadt Konstantinopel (heute Istanbul) reisen konnte. Ich sah die Farben des Bosporus in der Abenddämmerung und die leuchtenden Farben der Pflanzenvielfalt. Lucy Foley versteht es, mir die Schauplätze ihrer Bücher nahe zu bringen und nimmt ich an die Hand. Gemeinsam mit ihr durfte ich in die Türkei reisen.

Noch ein Zitat aus dem Buch: Der Garten verwandelt sich in einen Karneval der Gesänge, ein Chaos aus Flügeln.