Profilbild von lizlemon

lizlemon

Lesejury Star
offline

lizlemon ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit lizlemon über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.08.2021

Berührende Geschichte einer Freundschaft

Der Mauersegler
0

Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es an einem Tag ausgelesen. Im Gegensatz zu seinen tierischen Namensgebern war der Roman in meinen Händen also sehr wohl geerdet. :)

Hier kommt richtig ...

Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es an einem Tag ausgelesen. Im Gegensatz zu seinen tierischen Namensgebern war der Roman in meinen Händen also sehr wohl geerdet. :)

Hier kommt richtig viel Gutes zusammen: Ein poetischer, bildstarker Schreibstil; kluge Naturbeschreibungen, die die Emotionen einfangen und spiegeln; Protagonist:innen, die man trotz (oder wegen) ihrer Ecken und Kanten ins Herz schließt, und ein wirklich hervorragend ausgearbeiteter Spannungsbogen, der mir am Ende die ein oder andere Träne entlockt hat.

Ich finde es richtig toll, dass Jasmin Schreiber eine so emotional reiche und bewegende Geschichte über eine Freundschaft geschrieben hat (und nicht über eine Liebesbeziehung), nämlich über die Freundschaft von Prometheus und Jakob. Die beiden kennen sich seit ihrer Kinderheit und waren immer unzertrennlich. Dann erkrankt Jakob an Krebs und stirbt.

In der Gegenwart begleiten wir den Arzt Prometheus nach Jakobs Tod auf der Flucht vor seiner Schuld und folgen ihm nach Dänemark, wo er unerwartet auf dem Reiterhof von Helle und Aslaug landet. Übrigens richtig erfrischend, einfach ein lesbisches Pärchen in einem Roman zu erleben, ohne dass deren Lesbischsein thematisiert oder als ungewöhnlich dargestellt wird. Stattdessen haben beide ihre Ticks und sind einfach als Menschen interessant, nicht wegen ihrer Sexualität.

Dazwischen gibt es immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit: in die gemeinsame Kindheit von Prometheus und Jakob, aber vor allem auch in die Monate vor Jakobs Tod. Dort hat Prometheus seinen sterbenden Freund nicht nur persönlich, sondern auch als Arzt begleitet. Langsam enthüllt die Autorin, was genau passiert ist und wie die Ereignisse nicht nur Jakob und Prometheus, sondern ihr ganzes familiäres Umfeld beeinflusst haben.

Diese emotionale Geschichte hat die Autorin in einem ausdrucksstarken Schreibstil verfasst. Mir gefällt besonders, wie sie die teils sprunghaften Gedankengänge von Prometheus einfängt und wie sie den Druck zeigt, unter dem Prometheus steht. Auch die Naturbeschreibungen bereichern die Geschichte.

Mir hat "Der Mauersegler" noch besser gefallen als "Marianengraben". Sehr empfehlenswert für alle, die emotionale, aber nicht-kitschige Romane mögen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.03.2021

Wichtiges feministisches Werk über eine durchschnittliche Frau

Kim Jiyoung, geboren 1982
0

Auf den ersten Blick lebt Kim Jiyoung das Leben einer modernen Frau: Sie studiert, datet unmd findet schließlich einen Job, der ihr gefällt und der ihr liegt. Von außen betrachtet ein völlig durchschnittliches ...

Auf den ersten Blick lebt Kim Jiyoung das Leben einer modernen Frau: Sie studiert, datet unmd findet schließlich einen Job, der ihr gefällt und der ihr liegt. Von außen betrachtet ein völlig durchschnittliches Leben einer durchschnittlichen Frau, das Cho Nam-Joo beinahe nüchtern erzählt. Am Beispiel ihrer Protagonistin zeigt die Autorin jedoch minutiös, wie Frauen in Südkorea systematisch benachteiligt werden. Schon als Babys werden Jungs Mädchen vorgezogen und auch später haben Männer überall Vorteile, die den meisten Frauen verwehrt bleiben: So empfiehlt z.B. die Uni der Protagonistin interessierten Unternehmen nur männliche Studenten für Jobs, auch wenn die Studentinnen bessere Leistungen bringen. Um überhaupt eine Stelle zu finden, muss sich Jiyoung deutlich mehr anstrengen. Als sie endlich einen Job hat, werden auch dort die Männer besser gefördert. So ist es in jeder Phase ihres Lebens. Wird die junge Frau von Männern belästigt, hat sie das natürlich selbst provoziert, kennt man ja.

Zwar bewegt sich etwas in der südkoreanischen Gesellschaft, wie am Vergleich zwischen Jiyoung und ihrer unglücklichen Mutter gezeigt wird. Im Gegensatz zur Mutter konnte die Tochter beispielsweise studieren. In anderen Bereichen wie der Kindererziehung hat sich hingegen wenig getan. Auch von Jiyoung wird erwartet, dass sie nach der Geburt ihres ersten Kindes ihren Job kündigt. Das tut sie schließlich auch. Es bricht einem das Herz, wie sie unter dem Druck der Gesellschaft und ihrer eigenen Familie ihre geliebte Karriere aufgibt.

Der beschreibende Stil der Autorin verweilt nicht bei einzelnen Episoden, sondern erzählt Jiyoungs Geschichte auf etwas über 200 Seiten rasant und ohne moralischen Zeigefinger. Dadurch kommen die ständigen großen und kleinen Diskriminierungen, die die Alltag bestimmen, geballt zur Geltung. Die Protagonistin versucht sich gegen gesellschaftliche Normen aufzulehnen und ihren eigenen Weg zu gehen, stößt am Ende aber immer wieder an gläserne Decken und Wände.

Das letzte Kapitel schafft den passenden wie erschreckenden Abschluss. Es handelt 2016, der Gegenwart der Erzählung, und zeigt, wer auf den vorangegangenen Seiten über Kim Jiyoungs Leben berichtet hat. Es ist eine Person, die eigentlich Verständnis für Jiyoung und Frauen generell haben sollte. Und die am Ende trotzdem die sexistischen Strukturen reproduziert, die Frauen wie Kim Jiyoung diskriminieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.04.2020

Sensibler Roman über Depressionen und Trauer

Marianengraben
0

In einer ausdrucksstarken, bildreichen Sprache erzählt Jasmin Schreiber die Geschichte von Paula, deren Leben zwei Jahre nach dem tragischen Unfalltod ihres Bruders immer noch stillsteht. Durch eine verrückte ...

In einer ausdrucksstarken, bildreichen Sprache erzählt Jasmin Schreiber die Geschichte von Paula, deren Leben zwei Jahre nach dem tragischen Unfalltod ihres Bruders immer noch stillsteht. Durch eine verrückte Zufallsbegegnung nachts auf dem Friedhof trifft sie den kauzigen Herbert und unternimmt schließlich mit ihm und diversen Haustieren einen Roadtrip, bei dem sie sich ihren Gefühlen stellen muss.
Das Buch zeichnet sich durch seinen sensiblen Umgang mit Depressionen, Trauer und Schuld aus, ohne dabei selbstmitleidig-kitschig zu werden. Neben den traurigen, bewegenden Szenen gibt es immer wieder skurrile Schmunzelmomente, sodass die Geschichte eine wirkliche Achterbahn der Gefühle auslöst. Sehr berührend und überraschend lebensbejahend!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.12.2019

Erschütterndes und wichtiges Zeitdokument

Wann wird diese Hölle enden?
0

Neuaufgelegt hat der Orell Füssli Verlag das Tagebuch von Mary Berg - eigentlich Miriam Wattenberg; ihre Erlebnisse erschienen nach ihrer erfolgreichen Flucht in die USA unter Pseudonym, um noch in Polen ...

Neuaufgelegt hat der Orell Füssli Verlag das Tagebuch von Mary Berg - eigentlich Miriam Wattenberg; ihre Erlebnisse erschienen nach ihrer erfolgreichen Flucht in die USA unter Pseudonym, um noch in Polen lebende Verwandte zu schützen. Nun hat man schon so viel über den Holocaust gelesen und gehört, trotzdem sind die Details immer wieder schockierend und unvorstellbar. Mary Berg berichtet teils emotional, aber oft erschreckend knapp und beinahe distanziert über ihre grausamen Erlebnisse von der Flucht aus ihrer Heimatstadt Łódź und dem Leben im Warschauer Ghetto. Nur die amerikanische Staatsbürgerschaft von Marys Mutter rettet die Familie letztendlich vor dem Tansport nach Treblinka. Sie können nach einer langen Haft nin die USA ausreisen, trotzdem lassen sie die schrecklichen Jahre im Ghetto - verständlicherweise - nicht los.
Im Laufe des Tagebuchs berichtet Mary auch immer wieder darüber, welche Gerüchte über die Vernichtung der Juden im Umlauf sind. Hier wird schnell klar, dass es kein Geheimnis war, was in den Konzentrationslagern vorging. Zwar ist allen das tatsächliche grausame Ausmaß des Holocausts nicht bewusst gewesen, aber dass Juden im großen Stil ermordet worden sind, war der Bevölkerung bereits während des Zweiten Weltkriegs bekannt. Unabsichtlich legt Mary hier dar, dass all die Deutschen, die hinterher angeblich von nichts gewusst haben wollten, nicht die Wahrheit sagen können.

Es ist mittlerweile leider eine Floskel, aber dieses Buch ist so wichtig und aktuell. Wahrscheinlich werden es die, die es am dringendsten lesen sollten, nicht zur Hand nehmen. Trotzdem ist es gut, dass Mary Bergs Tagebuch neuaufgelegt wurde und uns mahnt.

Ein Vorwort sowie ein Quellenverzeichnis runden das Buch ab. Ich hätte mir nur gewünscht, dass die Anmerkungen in Fußnoten direkt auf der entsprechenden Seite gestanden hätten statt gesammelt am Ende des Buchs. Ansonsten ist das Tagebuch uneingeschränkt zu empfehlen!

Veröffentlicht am 08.06.2019

Detailliert recherchiert

Die Zauberlehrlinge
0

Beide Autoren sind erfahrene Journalisten, was sich schnell an den sehr gut recherchierten und flüssig zu lesenden Texten bemerkbar macht. Sie arbeiten die politischen Geschehnisse rund um die Flüchtlingspolitik ...

Beide Autoren sind erfahrene Journalisten, was sich schnell an den sehr gut recherchierten und flüssig zu lesenden Texten bemerkbar macht. Sie arbeiten die politischen Geschehnisse rund um die Flüchtlingspolitik detailliert auf. Dabei zeigen sie, dass es aus mehreren Gründen keinen Rechtsbruch gab, als die Bundeskanzlerin die über Ungarn und Österreich ankommenden Geflüchteten im Herbst 2015 nicht abgewiesen hat. Durch das Schengen-Abkommen bereits offene Grenzen kann man schließlich nicht öffnen. Die Journalisten beschreiben aber auch nachvollziehbar, dass gerade die mangelhafte Kommunikationsweise der Bundesregierung AfD und Co in die Hände gespielt hat und zum Entwickeln des Rechtsbruch-Mythos beigetragen hat. Sehr empfehlenswert für jeden, der sich auch nur ein bisschen für das Thema interessiert.