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Veröffentlicht am 11.09.2022

Eine charmante und stürmische Familiengeschichte

People Person
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Sie haben alle denselben Vater, könnten aber sonst kaum unterschiedlicher sein: Dimple, Nikisha, Danny, Lizzie und Prynce sind sich in ihrer Kindheit einmal begegnet und dann direkt wieder auseinandergedriftet. ...

Sie haben alle denselben Vater, könnten aber sonst kaum unterschiedlicher sein: Dimple, Nikisha, Danny, Lizzie und Prynce sind sich in ihrer Kindheit einmal begegnet und dann direkt wieder auseinandergedriftet. Miteinander anfangen konnten die fünf sehr unterschiedlichen Geschwister wenig. Erst als Erwachsene kommen sie gezwungenermaßen wieder zusammen. Alle fünf sind individuelle Charaktere mit teils bizarren Eigenarten und Unsicherheiten. Das sorgt für viele Kontroversen, wenn sie aufeinandertreffen. Gleichzeitig hat Candice Carty-Williams ihre fünf Protagonist:innen mit so klarem Profil gestaltet, dass sie lebendig werden und man das charmante und stürmische Familienchaos begeistert verfolgt.

Ohne zu viel zu verraten: Ziemlich zu Beginn des Buches passiert ein Unglück, das die fünf Geschwister unerwartet zusammenbringt. Sie versuchen das Problem gemeinsam zu lösen, verbringen dadurch viel Zeit zusammen und kommen sich menschlich näher. Das Problem selbst ist ziemlich klischeehaft und die Wendung wenig überraschend - ich finde aber, dass man darüber gut hinwegsehen kann, da das Problem nur der Auslöser für das Zusammentreffen der Geschwister ist und die Dynamik und Entwicklung der fünf im Mittelpunkt steht. Und die hat die Autrin hervorragend und glaubwürdig gezeichnet.

Ich habe das Buch auf Englisch gelesen, da mir die deutsche Übersetzung der teils sehr umgangssprachlichen direkten Rede in der Leseprobe etwas steif vorkam. Im Englischen hatte das Buch einen sehr guten Fluss und konnte von Anfang an mitreißen.

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Veröffentlicht am 27.03.2022

Social Media trifft auf reale Welt

Die Kinder sind Könige
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Der Roman nimmt die Leser:innen mit in den (Alp-)Traum Social-Media-Ruhm: Er erzählt die Geschichte von Melanie und ihrer Bilderbuchfamilie aus Ehepaar und zwei Kindern, die ihr scheinbar perfektes Leben ...

Der Roman nimmt die Leser:innen mit in den (Alp-)Traum Social-Media-Ruhm: Er erzählt die Geschichte von Melanie und ihrer Bilderbuchfamilie aus Ehepaar und zwei Kindern, die ihr scheinbar perfektes Leben auf YouTube und Instagram ausleben. Mutter Melanie ist der Motor hinter der erfolgreichen Online-Präsenz, dabei ist sie regelrecht verblendet: Sie erkennt nicht, wie unglücklich ihre kleine Tochter ist und wie sie ihr Leben zerstört. Sie ist überzeugt, dass Kimmy - genau wie ihre Mutter - die Aufmerksameit liebt und süchtig nach der Liebe fremder Menschen ist. In diesem Glauben handelt Melanie auch: Sie lässt Merchandise mit den Namen ihrer Kinder entwickeln, organisiert ihnen Autogrammstunden und hält beinahe jede Minute filmisch fest, egal wie banal sie ist.
Alles kommt zum Stillstand, als die sechsjährige Kim entführt wird. Zwischen Gesellschaftskritik und Krimi erzählt "Die Kinder sind Könige" einerseits die Suche nach dem berühmten verschwundenen Mädchen und setzt sich andererseits mit der Auswirkung von Social Media und Berühmtheit auf die Gesellschaft und speziell auf Kinder auseinander.
Die Handlung erzählt Autorin Delphine de Vigan abwechselnd aus Perspektive der Mutter und der Polizistin Clara, die in dem Fall ermittelt. Die beiden ungefähr gleichaltrigen Frauen könnten kaum unterschiedlicher sein: Die eine hat die scheinbar perfekte Bilderbuchfamilie, Geld durch lukrative Werbedeals, Ruhm und Erfolg, die andere ist Single, kinderlos, blickt auf gescheiterte Beziehungen zurück und hat mit Social Media gar nichts am Hut. Aber Clara arbeitet sich mit Empathie und Dringlichkeit in die ihr fremde Welt des Internetruhms ein. Das zeigt die Autorin u.a. anhand von Protokollen, die Clara beispielsweise zu Insta-Storys oder YouTube-Videos der Familie erstellt. Die nüchternen Beschreibungen führen die Banalität und Absurdität des Ganzen perfekt vor Augen und schaffen einen eindringlichen Kontrast zu Melanie, die diesen Content mit voller Hingabe und Überzeugung entwickelt.
Nicht nur die Auflösung der Entführung, sondern auch das Ende des Buches hat mich überrascht. Die Autorin hat aktuelle Medienphänomene kritisch beleuchtet und gleichzeitig in eine spannende Geschichte verpackt. Empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 21.11.2021

Sollte Pflichtlektüre in Schulen werden

Schwarzes Herz
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Knallhart und ungeschönt erzählt Jasmina Kuhnke die Geschichte einer Schwarzen, namenlosen Frau, die in Deutschland mit Rassismus und Sexismus aufwächst und die ständige Herabwürdigung und Diskriminierung ...

Knallhart und ungeschönt erzählt Jasmina Kuhnke die Geschichte einer Schwarzen, namenlosen Frau, die in Deutschland mit Rassismus und Sexismus aufwächst und die ständige Herabwürdigung und Diskriminierung irgendwann so verinnerlicht, dass sie ohne jegliches Selbstwertgefühl in eine scheinbar ausweglosen Situation gelangt: Mit zwei Kindern und ohne abgeschlossene Berufsausbildung lebt sie mit ihrem gewalttätigen Partner zusammen. Mit viel Kraft kämpft sie sich selbst aus dieser Lage.

Die Geschichte springt atemlos zwischen verschiedenen Altersstufen der Protagonistin hin und her, sodass sich nach und nach ein immer komplexeres und erschreckenderes Bild ihrer Erlebnisse und Erfahrungen aufbaut. So führt das Buch direkt vor Augen, welche krassen Auswirkungen die ständige Diskriminierung hat. Besonders erschreckend ist das Verhalten derer, die eigentlich helfen und fördern sollen. Da ist beispielsweise der Sportlehrer, der die Protagonistin trotz herausragender Leistungen schlechter bewertet, weil er irgendwas von der unterschiedlichen Anatomie Schwarzer und Weißer Menschen schwurbelt. Oder die Krankenschwester, die sich weigert, ihren Job zu machen und der Protagonistin zu helfen, weil sie nach eigener Aussage Schwarze Menschen nicht gerne anfasse.

Die Autorin zeigt klug, anschaulich und schonungslos, jedoch ohne dabei auf die Tränendrüse zu drücken, wie die Protagonistin unter struktureller Diskriminierung leidet und welche Kraft es kostet, damit umzugehen und sich aus der Opferrolle zu befreien. Besonders Menschen, die solche Erfahrungen im Alltag (zum Glück) selbst nicht machen müssen, profitieren von der Lektüre und erhalten wichtige und schockierende Einblicke. Das Buch sensibilisiert und sollte möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht werden, z.B. in der Schule.

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Veröffentlicht am 17.09.2021

Ein Muss für Feminist:innen und alle, die es werden wollen

Frausein
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In ihrem ausdrucksstarken, charakteristischen Schreibstil hinterfragt Mely Kiyak schonungslos ihre persönlichen Erfahrungen als Frau von der Kindheit bis in die Gegenwart, teilt ihre Beobachtungen und ...

In ihrem ausdrucksstarken, charakteristischen Schreibstil hinterfragt Mely Kiyak schonungslos ihre persönlichen Erfahrungen als Frau von der Kindheit bis in die Gegenwart, teilt ihre Beobachtungen und ordnet alles in einen großen Kontext ein. Scheinbar kleine Erinnerungen können hier dazu führen, dass sie messerscharf Missstände und Ungleichheiten aufdeckt. Wirklich beeindruckend!

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Veröffentlicht am 17.09.2021

Schon jetzt DAS Buch 2021 für mich!

Heimatsterben
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Ein Buch, das nicht aktueller hätte sein können: Im Jahr 2023 stehen nach einer gescheiterten Regierung Neuwahlen in Deutschland an. Die eher linke Journalistin Hanna lässt sich von ihrem charismatischen ...

Ein Buch, das nicht aktueller hätte sein können: Im Jahr 2023 stehen nach einer gescheiterten Regierung Neuwahlen in Deutschland an. Die eher linke Journalistin Hanna lässt sich von ihrem charismatischen Schwager Felix dazu überreden, weit hinten auf der Landesliste seiner neurechten Partei zu kandidieren und ihn zu beraten. Die Partei fährt bei der Wahl einen riesigen Sieg ein und Hanna sitzt plötzlich unerwartet im Bundestag. Nur langsam erkennt sie, worauf sie sich eingelassen hat.

In "Heimatsterben" geht es um Politisches genauso wie im Persönliches - die Autorin verwebt gekonnt beide Ebenen zu einer fesselnden und faszinierenden Geschichte. Sie schreibt schnörkellos, aber eindringlich, sodass der Roman zum Pageturner wird. An vielen Stellen wirkt er erschreckend realistisch, sodass er gerade so kurz vor der Bundestagswahl ein eindringliches Plädoyer für die Demokratie liefert.

Am Anfang waren die verwobenen Familienstrukturen der vielen Generationen etwas verwirrend, aber der abgebildete Stammbaum half, die Verwandschaftsbeziehungen zu entwirren.

Insgesamt ein höchst empfehlenswerter Roman!

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