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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.09.2019

Wenig persönliche Anekdoten, zu viel Sprachtheorie

Alles außer fern
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Die Russin Ksenia Konrad ist Germanistin und wanderte nach Österreich aus, irgendwo in ein kleines Nest in Tirol. In ihrem Buch erzählt sie nun in ziemlich kurzen Kapiteln von ihrer Erfahrung als Deutschlehrerin ...

Die Russin Ksenia Konrad ist Germanistin und wanderte nach Österreich aus, irgendwo in ein kleines Nest in Tirol. In ihrem Buch erzählt sie nun in ziemlich kurzen Kapiteln von ihrer Erfahrung als Deutschlehrerin - beziehungsweise Deutsch-Trainerin, wie sich selbst nennt. Sie arbeitet mit Migranten und versucht Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen die Sprache beizubringen. Einige wenige Episoden sind pointiert erzählt, die meisten berichten eher nüchtern.
Einige der Einblicke in den Alltag der Sprachlernenden und -lehrenden fand ich wirklich interessant, schließlich hat man als Muttersprachler kaum ein Gefühl dafür, wie schwer es ist Deutsch zu lernen und welche speziellen Herausforderungen die Menschen erwarten. Leider waren viele Abschnitte jedoch ganz schön langatmig. Das Buch erzählt nicht nur Geschichten, es vermittelt in vielen Teilen gleichzeitig grammatikalisches Wissen. Das war mir manchmal zu viel. Vielleicht eignet es sich daher eher für Deutschlernende mit fortgeschrittenen Kenntnissen. Die Idee mit den Einschüben für Muttersprachler fand ich zunächst gelungen. Hier fasst die Autorin kurz grammatikalische Besonderheiten der deutschen Sprache zusammen, über die man als Muttersprachler kaum oder gar nicht nachdenkt. Nach einer Weile nutzt sich das aber ab, zumal sich diese Stellen mehr und mehr wie ein Lehrbuch-Auszug lesen. Mich hätten viel mehr die persönlichen Geschichten der Trainerin und der Lernenden mit der deutschen Sprache interessiert, statt die Infos zur Sprache an sich.

Veröffentlicht am 09.09.2019

Die etwas andere Krankengeschichte

Wir von der anderen Seite
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In ihrem Debutroman erzählt Anika Decker pointiert und kurzweilig eine Krankengeschichte. Ihre Ich-Erzählerin Rahel wacht aus dem Koma auf, kann sich aber nicht an die Ereignisse erinnern, die sie ins ...

In ihrem Debutroman erzählt Anika Decker pointiert und kurzweilig eine Krankengeschichte. Ihre Ich-Erzählerin Rahel wacht aus dem Koma auf, kann sich aber nicht an die Ereignisse erinnern, die sie ins Krankenhaus gebracht haben. Das Buch erzählt von ihrem langsamen und kräftezehrenden Genesungsprozess, dem Kampf um die Erinnerungen und den sich verändernden Verhältnissen zu ihrer Familie und ihrem Freund Olli.
Rahel arbeitet eigentlich als Drehbuchautorin, sie schreibt Komödien, ist eine etwas neurotische Person mit einem skurrilen Sinn für Humor, der selbst in den schwierigsten Situationen immer wieder zum Vorschein kommt. Im Kontrast dazu wirken die dramatischen Momente, die immer wieder plötzlich passieren und die Rahel überfordern, umso eindringlicher.
„Wir von der anderen Seite“ ist keine Selbstmitleidsgeschichte, aber auch kein überdrehter Quatsch – Anika Decker hat hier eine wunderbare Balance zwischen Humor und einfühlsamem Erzählen gefunden. Die Handlung ist eigentlich ziemlich überschaubar: Rahels Genesung steht im Mittelpunkt. Aber wie die Autorin die Gefühle der Protagonistin und die kleinen Alltäglichkeiten erzählt, ist wirklich beeindruckend und macht den Roman zu einer positiven, lebensbejahenden Geschichte.

Veröffentlicht am 27.08.2019

Interessante Sprach-Analyse mit vielen bekannten Beispielen

Die Sprache des Donald Trump
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"Die Sprache des Donald Trump" ist eine kluge Analyse, wie der US-Präsident schreibt, spricht und vermutlich auch denkt. Zu Beginn handelt das Buch gleichermßaen von der Sprache und der Kunst des Übersetzens. ...

"Die Sprache des Donald Trump" ist eine kluge Analyse, wie der US-Präsident schreibt, spricht und vermutlich auch denkt. Zu Beginn handelt das Buch gleichermßaen von der Sprache und der Kunst des Übersetzens. Anhand anschaulicher Beispiele legt Bérengère Viennot dar, dass ein einfaches wortwörtliches Übertragen der Wörter nicht ausreicht, um die inhaltliche Bedeutung in eine andere Sprache zu übertragen. Hier auch ein besonderes Lob an die Übersetzerin Nicola Denis, die diese Untersuchung der französisch-englischen Übersetzung so anschaulich und verständlich ins Deutsche übertragen hat.

Anschließend widmet sich Bérengère Viennot konkreten Bereichen der Trumpschen Kommunikation und untersucht seine oft primitive, vulgäre und/oder aggressive Ausdrucksweise. Dabei greift sie auf viele Beispiele von "Cofefe" über "saubere Kohle" bis "Belgien ist eine schöne Stadt" zurück, die gut bekannt sind. Viel Neues ist hier nicht unbedingt dabei, aber die Autorin liefert so einen kompakten und gut erklärten Überblick zum Thema. Damit führt sie zu einem wichtigen Fazit hin: Bérengère Viennot erklärt, warum wir Trump trotz seiner schrecklichen Sprache zuhören müssen.

Veröffentlicht am 05.08.2019

Großartiger Stil, langatmige Geschichte

Something in the Water – Im Sog des Verbrechens
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Catherine Steadman schreibt extrem ausdrucksstark und bildlich, trotzdem kann ihr Stil nicht über die Längen des Buches hinwegtäuschen. Der im Klappentext erwähnte Tauchgang des frisch verheirateten britischen ...

Catherine Steadman schreibt extrem ausdrucksstark und bildlich, trotzdem kann ihr Stil nicht über die Längen des Buches hinwegtäuschen. Der im Klappentext erwähnte Tauchgang des frisch verheirateten britischen Paares Erin und Mark beginnt erst auf Seite 130. Davor quält man sich durch fragmentarisch erzählte, langweilige Hochzeitsvorbereitungen und Einblicke in Erins Arbeit als Dokumentarfilmerin. Hier führt sie kurze und nichtssagende Interviews mit drei Häftlingen für ihre nächste Doku. Natürlich sind die Begegnungen später wichtig, aber im ersten Teil des Buches passiert kaum etwas und das Setup ist einfach viel zu lang. Auch nach dem geheimnisvollen Fund auf Bora Bora kann die Autorin die Spannung nicht kontinuierlich halten. Es gibt einige fesselnde Momente, für meinen Geschmack jedoch zu wenige für über 450 Seiten Thriller.

Ein großes Problem war für mich dabei auch der Hauptkonflikt. Der lässt sich schnell zusammenfassen: Ein wohlhabendes, privilegiertes Pärchen hat nach einer Kündigung Angst, seinen hohen Lebensstandard zu verlieren und macht deshalb eine Menge dumme, illegale Sachen. Es fällt mir wirklich schwer, mit den beiden Protagonisten mitzufühlen. Sie nehmen den Fund aus dem Meer aus Gier an sich und werden anschließend immer leichtsinniger. Vor allem Mark ist mir von Anfang an unsympathisch, weshalb mich die Wendung am Ende nicht überrascht hat. Der Verlust seines Jobs als Finanzexperte soll vermutlich Dringlichkeit erzeugen, aber das rechtfertigt nichts, was das Paar tut. Sie konnten sich immerhin zwei teure Wochen Flitterwochen im Südpazifik leisten, da kann die finanzielle Not nicht allzu groß sein. Erin liefert als Ich-Erzählerin mehr Einblicke in ihre Gedankengänge, aber verstehen kann ich ihre Entscheidungen trotzdem nicht. Der wunderbare Stil der Autorin konnte da leider nicht viel rausreißen.

Veröffentlicht am 29.06.2019

Anregende Reisegeschichten

The Travel Episodes
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Ich reise gerne alleine und war daher gespannt auf die Erfahrungen anderer, die das ebenfalls tun. Das Buch hat mich dabei sehr gut unterhalten, denn die meisten Geschichten empfand ich als kurzweilig ...

Ich reise gerne alleine und war daher gespannt auf die Erfahrungen anderer, die das ebenfalls tun. Das Buch hat mich dabei sehr gut unterhalten, denn die meisten Geschichten empfand ich als kurzweilig und unterhaltsam. Zudem gelingt es dem Großteil der Autoren mit ihrem anschaulichen Stil sofort Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Damit nehmen sie den Leser mit auf Reisen in so unterschiedliche Länder wie Jordanien, Südkorea oder Kenia.

Neben den vielen Vorteilen des Alleinreisens kommen ab und zu auch Nachteile zur Sprache - Ängste, Einsamkeit, Langeweile. Das Thema wird also nicht glorifiziert, aber auch nicht schlechtgeschrieben. Ich habe das Buch als ausbalanciert empfunden, weshalb ich es sowohl für überzeugte Alleinreisende geeignet finde als auch für Menschen, die es sich bisher noch nicht zugetraut haben allein unterwegs zu sein.