Profilbild von luisa_loves_literature

luisa_loves_literature

Lesejury Star
offline

luisa_loves_literature ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit luisa_loves_literature über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.12.2024

Trockene Biographie eines schillernden Lebens

Maria Callas
0

Eva Gesine Baurs große Biographie über Maria Callas ist zweifelsohne ausgezeichnet und gründlich recherchiert. Bei der Lektüre bekommt man als Leser den Eindruck, dass die Autorin wirklich jeden Stein ...

Eva Gesine Baurs große Biographie über Maria Callas ist zweifelsohne ausgezeichnet und gründlich recherchiert. Bei der Lektüre bekommt man als Leser den Eindruck, dass die Autorin wirklich jeden Stein umgedreht, jeder Spur nachgegangen, jede verfügbare Tonaufnahme gehört und jedes Foto betrachtet hat. Das allein ist eine sehr beachtliche Leistung, denn so bekannt Maria Callas war, so ist ihr Leben dennoch auch von zahlreichen Geheimnissen und Mythen, Unwahrheiten und Gerüchten umgeben. Auch diese versucht Eva Gesine Baur so gut wie möglich aufzulösen, ohne sich jemals in Spekulationen oder weiteren Theorien zu verstricken. So weit, so gut.

Leider ist die Biographie nicht so schillernd und begeisternd geschrieben, wie Maria Callas es mit ihrem Glamour und ihrer Strahlkraft vielleicht erwarten liesse. So ist der Text im typisch trockenen deutschen Sachbuchstil geschrieben (es bleibt zu hoffen, dass auch deutsche non-fiction Autoren endlich einmal den englischen Schreibstil für sich entdecken, der Fakten spannend zu präsentieren vermag) und so wird die Callas-Biographie trotz all der Arbeit, die in dieses Werk offenkundig hineingeflossen ist für den Leser zu einer mehr als zähen Lektüre. Fakt folgt auf Fakt, Opernaufführung auf Opernaufführung, Datum auf Datum - das Weiterlesen wird so leider mitunter zur Herausforderung, zumal der Text nicht sonderlich abwechslungsreich geschrieben ist und das Grundkonzept der Biographie auch etwas hölzern ist. So liegt der Charakterisierung von Callas eine Ringvorlesung zur antiken Tragödie zugrunde, die vielleicht passen mag, aber nicht sonderlich überzeugend eingebunden wird. Diese im Verbund zu der immer wieder erwähnten Spaltung der Operndiva in die private Maria und die öffentliche Callas wirkt schon sehr schwerfällig, als ob es zu Callas nicht noch etwas mehr zu sagen gegeben hätte. Ebenso holprig und völlig unpassend sind die ebenfalls oftmals an Kapitelanfängen vorgenommenen historischen Kontextualisierungen, in denen die Autorin weltpolitische Ereignisse referiert. Das wäre sinnvoll, wenn diese einschneidenden Vorkommnisse in irgendeiner Form etwas mit Maria Callas zu tun gehabt hätten. Meist enden diese Passagen jedoch mit Sätzen à la "davon bemerkte Callas nichts" - da frage ich mich dann schon, warum ich etwas zu diesen Themen lesen muss.

Insgesamt eignet sich die Biographie sicherlich für passionierte Opern- und Maria-Callas-Fans, für alle anderen, die einfach nur einmal einen Einblick in das Leben eines Jahrhundertphänomens werfen möchten, bietet das Buch zu wenig Privates und zu wenig angenehme Lesbarkeit.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.12.2024

Gute Gründe für diesen Roman gibt es viele

Gute Gründe
1

Und schon wieder eine sehr positive Überraschung aus dem neuen pola-Verlag! Obwohl "Gute Gründe" inhaltlich ein Roman ist, der es dem Leser durchaus schwer macht - mir fällt gerade eigentlich kein gängiges ...

Und schon wieder eine sehr positive Überraschung aus dem neuen pola-Verlag! Obwohl "Gute Gründe" inhaltlich ein Roman ist, der es dem Leser durchaus schwer macht - mir fällt gerade eigentlich kein gängiges belastendes Thema ein, das dieses Buch aussparen würde, denn von Suizid über Krebs, Demenz, Depression und toxischer Liebe ist alles dabei - bedrückt der Text nicht bzw. nicht in dem Ausmaß, in dem man es erwarten würde.

Dies liegt an der durch und durch authentischen, sympathischen und bis ins letzte Detail nachvollziehbaren Erzählerin Yael, die in ihrem Leben bereits durch so manches Tal geschritten ist. Ihr psychisches Leiden und die geschilderten Verletzungen lösen daher keinerlei Verwunderung aus; die große Überraschung indes ist, wie sie mit ihrer Situation umgeht. Auch wenn es innerhalb des Romans immer wieder schmerzhafte Rückblicke und auch gegenwärtige, beängstigende Herausforderungen gibt, die auch den Leser sehr mitnehmen, werden der Erzählton und auch die Handlung von Humor und Optimismus bestimmt. Yaels ein- bis zweizeiligen Kommentare, die treffgenaue Selbstreflexionen oder bissige Perspektivwechsel beinhalten, ziehen sich wie ein roter Faden durch den Roman und sind ein gelungenes Beispiel für gut getimten "Comic Relief". Allerdings braucht es etwas bis man sich in die Erzählstruktur eingefunden hat, gerade zu Beginn sind die Sprünge in die Vergangenheit nicht immer leicht einzuordnen, die Handlung springt nicht chronologisch sondern in Episoden zurück, und in diesem Netz der Erinnerungen muss man sich erst einmal etwas zurecht finden.

Auf der Handlungsebene gelingt es Nadine J. Cohen fast durchgängig Leichtigkeit zu generieren, auch weil sie Yael eingängig konzipierte und außerordentlich sympathische Nebenfiguren an die Seite stellt: von der stylishen Psychologin mit ihrer nicht sonderlich feinfühligen Sprechstundenhilfe über Shirley und die Damen im Frauenschwimmbad bis hin zu ihrer "no-nonsense"-Schwester passen hier alle zusammen und sorgen im Erzählfluß immer wieder für überraschende und lustige Situationen, die Yael mehr und mehr aus ihrer Isolation herauslösen und ihren stetigen und langsamen Heilungsprozess sinnvoll bereichern. Aber nicht nur der Weg aus psychischen Belastungen spielt in "Gute Gründe" eine Rolle, ein wesentlicher Fokus, der mir persönlich sehr gut gefallen hat, ist auch die Auseinandersetzung mit der Frage, was es im heutigen Australien bedeutet, jüdisch zu sein und Traditionen zu leben bzw. zu modifizieren. Gerade wenn es um Yaels Kindheit und ihr Familienleben geht, wird deutlich, wie tief diese Wurzeln reichen und wie schwer es ist, sich von ihnen zu lösen - dabei ist der Roman definitiv kein religiöses Traktat - es geht eher darum, wie man den ein oder anderen Aspekt in das eigene Leben integriert.

"Gute Gründe" ist ein sehr unterhaltendes Buch mit einer wundervollen Erzählerin, das aber beständig die Schattenseiten, Traumata, den Kummer und den Schmerz anspricht. Leser, die die Auseinandersetzung damit nicht scheuen, werden eine stärkende und bereichernde Lektüre vorfinden und sicherlich das ein oder andere Mal lächeln müssen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 24.11.2024

Freunde finden jenseits der 30

Hot Mess
0

"Hot Mess" reiht sich recht nahtlos in die Tradition der jüngeren irischen Unterhaltungsliteratur mit ernstem Twist ein, ist aber die junge, problembewusstere Freundin der Romane von Marian Keyes & Co, ...

"Hot Mess" reiht sich recht nahtlos in die Tradition der jüngeren irischen Unterhaltungsliteratur mit ernstem Twist ein, ist aber die junge, problembewusstere Freundin der Romane von Marian Keyes & Co, da er besonders auch darauf eingeht, wie schwerwiegend und belastend die ständige Social Media-Bereitschaft sein kann. Lexie, Joanne und Claire sind drei junge Frauen um die 30, die sich einsam unter ihren bisherigen Freundinnen durchs Leben in Irlands Hauptstadt Dublin kämpfen und dabei völlig unerwartet einander und sich selbst finden. Während Lexie wegen ihres Berufs als Podcasterin und Influencerin an eine zunehmend lieblose und wenig empathische Freundin gekettet scheint, fühlt sich Claire von ihrer WhatsApp-Freundesgruppe isoliert, während Joanne durch die Geburt ihres Sohnes zur kompletten Außenseiterin geworden ist. Diese drei Einzelschicksale verfolgt der Roman sehr ausführlich (manchmal vielleicht etwas zu umfassend) und verbindet sie schließlich überzeugend.

Trotz der Längen, die der Text ab und an aufweist, ist er überaus unterhaltsam, was sicherlich auch daran liegt, dass die Figurenkonzeption in höchstem Maße authentisch und überzeugend ist. Sicherlich ist der ein oder andere Charakterzug etwas übertrieben (Joanne bewegt sich beständig am Rande des Überschnappens, was in ihrer Situation aber verständlich ist) oder wird zu oft wiederholt wie in Claires Fall, deren anfängliches, ewiges Kreisen um sich selbst den Leser recht ermüdet, da man zu dem Zeitpunkt einfach zu wenig über die Hintergründe weiß. Letztlich sorgen aber gerade diese Extreme auch dafür, dass man die Figuren besser versteht und sehr viel Empathie für die drei Frauen entwickelt - Identifikationspotenzial mit den Protagonistinnen ist auf die ein oder andere Weise für jeden vorhanden, denn Enttäuschungen in Freundschaften sind ja leider keine Seltenheit. So bietet "Hot Mess" unter all seinem Humor und seiner Leichtigkeit doch auch die weise Aussage, dass nicht alle freundschaftlichen Beziehungen für die Ewigkeit gemacht sind und dass es durchaus sinnvoll und lohnenswert sein kann, sich nach dem 30. Geburtstag nochmal auf neue Menschen einzulassen. Lexie, Joanne und Claire sind auf jeden Fall so lebensecht in ihren Nöten und Krisen, Hoffnungen und Traurigkeiten, dass man sich sehr gern mit ihnen beschäftigt, mit ihnen mitleidet und mitfühlt.

Inhaltlich ist besonders die Auseinandersetzung mit der Einflussgröße Social Media gelungen. Die Abhängigkeit von positiven Kommentaren, Likes und Sichtbarkeit, sowie die negativen Effekte, wenn diese ausbleiben - all das wird sehr ausgewogen und einprägsam dargestellt. Dabei ist der Roman nicht didaktisch ausgerichtet oder überaus kritisch in dieser Hinsicht, das Leben mit Instagram & Co. wird einfach nur überzeugend und nachvollziehbar dargestellt und schärft ein weiteres Mal das Bewusstsein für die Künstlichkeit der virtuellen Welt - denn wahre Freunde, die den Alltag teilen und dafür keinen Filter verwenden, findet man am Ende des Tages eben doch nicht unbedingt online.

"Hot Mess" ist ein Unterhaltungsroman, der viel Nähe zu seinen Protagonistinnen aufbaut, der einen tief in das Leben seiner Figuren hineinzieht und es durchgehend versteht, Interesse für Lexie, Joanne und Claire und ihre jeweiligen Handlungsstränge zu wecken. Man hätte den Roman sicherlich um einige Seiten, Wiederholungen und Spiralen kürzen können, aber die kleinen Langatmigkeiten sind entschuldbar. So bleibt die Geschichte der drei Frauen ein sehr guter Unterhaltungsroman, der auch außerhalb der intendierten Zielgruppe der 25-35jährigen für vergnügliche und nachdenkliche Lesestunden sorgt.



  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 14.11.2024

Leben in der netten WG

Wohnverwandtschaften
0

„Wohnverwandtschaften“ gehen manchmal sehr viel tiefer als echte Verwandtschaft – das zeigt Isabel Bogdahn in ihrem liebevollen und warmherzigen Roman, der mir im Hinblick auf seine innovative Erzählidee ...

„Wohnverwandtschaften“ gehen manchmal sehr viel tiefer als echte Verwandtschaft – das zeigt Isabel Bogdahn in ihrem liebevollen und warmherzigen Roman, der mir im Hinblick auf seine innovative Erzählidee gut gefallen hat.

Über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren folgt der Leser dem Leben in der WG von Jörg, Constanze, Anke und Murat – Einblicke erhält man unmittelbar über die unterschiedlichen Ich-Perspektiven. Unterbrochen werden die einzelnen Reflexionen und Berichte der Figuren über ihr Leben in und außerhalb der WG, über ihre Gemeinschaft, Sorgen, Ängste und ihre Vergangenheit durch Gemeinschaftsszenen, die als dramatischer Text verfasst sind. Diese Erzählstruktur ist sehr gelungen und abwechslungsreich, allerdings hat mir bei der Umsetzung ein bisschen die ureigene Stimme der Figuren gefehlt. So unterschieden sich die Kapitel in ihrer inhaltlichen Ausrichtung natürlich, aber bis zu dem Zeitpunkt, an dem Jörgs Kapitel von der fortschreitenden Demenz gekennzeichnet werden, fehlte mir der klar identifizierbare Ton der jeweiligen Figur – so wie man es z.B. aus Nick Hornbys A Long Way Down kennt, wo man eigentlich gar keine Überschrift braucht, da die Erzählstimme so klar erkennbar dem entsprechenden Charakter zuzuordnen ist.

Inhaltlich haben mich sowohl die Darstellung tiefer erwachsener Freundschaft als auch die des sich entwickelnden Gemeinschaftsgefühls überzeugt, der schmerzhafte allmähliche Verlust eines Freundes an die Demenz wird von Isabel Bogdahn ebenfalls sehr eindrücklich dargestellt, zumal sie das Abgleiten in das Vergessen nicht nur aus der Perspektive der Umgebung, sondern auch aus dem Blickwinkel des Betroffenen selbst schildert.

Dennoch hat mich der Roman insgesamt nicht wirklich mitreißen und begeistern können. Mir war insgesamt alles ein wenig zu niedlich, oftmals auch hinsichtlich der Figurenkonzeption zu verspielt und kindlich, die Figuren denken und fühlen häufig nicht unbedingt erwachsen, auch wiederholt sich so einiges – das mag authentisch und unterhaltsam sein, aber es verleiht diesem in Thema und Erzählstruktur durchaus ambitioniertem Roman eine zu oberflächliche Note. So habe ich den Roman durchaus mit einigem Interesse und auch Vergnügen gelesen, aber er wird in mein Lesetagebuch als „nettes Buch“ eingehen – unterhaltsam und voller Wärme, aber ohne nachhaltigen Effekt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.10.2024

Wer ist Grace Turner?

Das Comeback
0

Grace Turner, Teenie-Star, dessen Ruhm nach Ansicht von Able Yorke, der sie entdeckte, einzig und allein auf seiner Arbeit mit ihr beruht, kämpft sich nach einer einjährigen Auszeit zurück in die Glitzerwelt ...

Grace Turner, Teenie-Star, dessen Ruhm nach Ansicht von Able Yorke, der sie entdeckte, einzig und allein auf seiner Arbeit mit ihr beruht, kämpft sich nach einer einjährigen Auszeit zurück in die Glitzerwelt Hollywoods, wird dabei aber von ihren Dämonen, die im Missbrauch ihres Gönners wurzeln, immer wieder heimgesucht. Trotz der erlittenen Erniedrigungen und Verunsicherungen gibt sie nicht auf und erkennt dabei mehr und mehr, wer sie eigentlich ist.

Ella Bermans Roman berichtet in klaren und präzisen Worten von Graces Leiden in der Vergangenheit und von ihrem beschwerlichen Weg zu einer stärkeren, selbstbewussteren jungen Frau. Dies gelingt ihr ohne einen Hauch von Gefühlsduselei, der Stil ist sachlich und zurückgenommen und beeinflusst auch sehr nachhaltig, wie der Leser Grace wahrnimmt. Denn bei aller Sympathielenkung zugunsten der Protagonistin, bleibt das Mitleid glücklicherweise doch auf der Strecke – Grace selbst verfällt ebenfalls nicht in passive Schuldzuweisung (obwohl dies absolut verständlich wäre), sondern übernimmt die Kontrolle und geht ihre Situation und die Bewältigung ihres Traumas aktiv und überlegt an – dies ist sehr mitreißend, überzeugend und inspirierend dargestellt. Graces Entwicklung liest sich fast wie ein Krimi, zumal die Autorin es versteht quasi mittendrin zu sein, wie Grace ist sich auch der Leser nicht immer sicher, was der nächste Schritt sein wird, welche Optionen ihr offen stehen. Gleichzeitig ist es beeindruckend zu erkennen, wie weltfremd jemand sein kann, der zu früh in den Ruhm gedrängt wurde.

In der Konzeption seiner Protagonistin ist der Roman sehr stark, aber auch in der Auswahl seiner feinen Bilder und Metaphern hat er mir sehr gut gefallen, weil er Subtexte ermöglichte und Interpretationen zuließ, die sich nicht aufdrängten, bei genauer Betrachtung aber Graces Geschichte ergänzten. Auch auf der literarischen Ebene hat der Roman also etwas zu bieten.

Eine weitere Stärke des Textes ist darüber hinaus sicherlich auch der Umstand, dass er, trotz der Tatsache, dass es sich um ein sehr aktuelles und präsentes Thema handelt, sich eines didaktischen Ansatzes entzieht, was wiederum auch dem genannten reduzierten Stil und der Nüchternheit mit der Emotionen beschrieben werden, zu verdanken ist.

Ich habe den Roman sehr gerne und mit viel Spannung gelesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema