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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.06.2024

Sommerroman vor einer herrlichen Kulisse

Sommermeisen
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Hanni macht sich von Köln aus auf ins Grandhotel Gruber in Berchtesgaden. Dort fängt sie als Sommermeise an, als Zimmermädchen, das nur für einen Sommer bleibt. Ihre Zimmergenossin, Annamirl, nimmt sie ...

Hanni macht sich von Köln aus auf ins Grandhotel Gruber in Berchtesgaden. Dort fängt sie als Sommermeise an, als Zimmermädchen, das nur für einen Sommer bleibt. Ihre Zimmergenossin, Annamirl, nimmt sie mit auf den Hof, auf dem ihr Vater und ihr Bruder Andreas leben und zeigt ihr die Schönheit der Berge.

"Sommermeisen" ist ein Sommerroman vor einer herrlichen Kulisse. Bettina Seidl hat die grandiose Landschaft und die Atmosphäre der 1950er Jahre wunderbar eingefangen. Sie beschreibt die Rolle der Frauen in der damaligen Zeit überzeugend und bettet diese gekonnt in eine Handlung ein, die ein stimmiges Verhältnis aus eitel Sonnenschein und Gewitterwolken bildet. Die Geschichte ist locker und leicht, ohne ins Seichte abzugleiten. Ob sie sich wirklich so zugetragen haben könnte? Eher nicht - aber das ist völlig unerheblich, Das Buch macht einfach Spaß und ist die perfekte Lektüre, um unbeschwert in den Sommer einzutauchen.

Veröffentlicht am 14.06.2024

Viel Raum für Interpretation

Vom Krähenjungen
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Man weiß nicht viel vom Krähenjungen in Moosbruck, einem kleinen Dorf in der Nähe von München, aber eines weiß man auf jeden Fall: Man hält sich am besten von ihm fern. Warum? Das weiß man nicht so recht.

Durch ...

Man weiß nicht viel vom Krähenjungen in Moosbruck, einem kleinen Dorf in der Nähe von München, aber eines weiß man auf jeden Fall: Man hält sich am besten von ihm fern. Warum? Das weiß man nicht so recht.

Durch die Geschichte "Vom Krähenjungen" fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt, in eine düstere, eine in der es noch üblich war, abergläubisch zu sein und Menschen nach ihrer Herkunft zu be- und verurteilen. Und genau so ergeht es Sam, der plötzlich wieder da ist, zurückgekehrt, um - was eigentlich?

Sonja Ketterings Schreibstil ist sehr besonders und - für meinen Geschmack etwas zu gewollt - ungewöhnlich. Einerseits kann ich mich nicht wirklicht damit anfreunden, andererseits passt er hervorragend zur Geschichte und erzeugt gemeinsam mit der Handlung einen Sog, dem ich mich kaum widersetzen kann. Die Autorin macht Andeutungen, spricht kaum etwas konkret aus und lässt so ganz viel Raum für Interpretation. Immer wieder frage ich mich, ob ich verstehe, was die Autorin sagen möchte. Das lässt mich etwas ratlos zurück.

Veröffentlicht am 02.06.2024

Ausschweifende Geschichte über die Französische Revolution

Die Frauen von Notre Dame
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Josie, eine junge Deutsche, ist zufällig in Paris als im April 2019 Notre Dame brennt. Als Restauratorin hilft sie beim Wiederaufbau und findet einen Ring und einen Brief. Gemeinsam mit Antoine, einem ...

Josie, eine junge Deutsche, ist zufällig in Paris als im April 2019 Notre Dame brennt. Als Restauratorin hilft sie beim Wiederaufbau und findet einen Ring und einen Brief. Gemeinsam mit Antoine, einem Historiker, macht sie sich auf die Suche nach dem Geheimnis, das sich hinter den Fundstücken verbirgt. Dabei finden sie Spuren, die sie mitten in die Französische Revolution und zu bekannten Persönlichkeiten führen.

"Die Frauen von Notre Dame" ist ein sehr gut recherchierter historischer Roman, der die Geschehnisse rund um die Französische Revolution ausführlich beleuchtet vor dem Hintergrund der Liebesgeschichte von Lucile und Camille Desmoulins. Ausgehend von Josies Fund beschreibt Eva-Maria Bast abwechselnd das große historische Ereignis in Rückblenden in die Zeit ab 1789 und verbindet sie mit dem Brand der Kathedrale in der Gegenwart.

Die Beschreibung der Französischen Revolution und der Beziehung von Lucile und Camille ist sehr detailreich und ausschweifend - für mich zu ausschweifend und hätte deshalb eine inhaltliche Straffung vertragen. Die Sprünge zwischen den Erzählsträngen der Gegenwart und der Vergangenheit kommen in sehr kurzen Intervallen und bilden dazu einen Gegensatz, stören aber den Lesefluss.

Wer sich für französische Geschichte interessiert und sich nicht an meinen Kritikpunkten stört, könnte aber durchaus Spaß an dem Buch haben.

Veröffentlicht am 02.06.2024

Was für eine großartige Idee und fantastische Geschichte

Das andere Tal
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Die Geschichte um die Odile Ozanne handelt in einem Tal, das man nicht verlassen darf, es sei denn man kann überzeugend darlegen, dass der Schmerz über den Tod eines geliebten Menschen so groß ist, dass ...

Die Geschichte um die Odile Ozanne handelt in einem Tal, das man nicht verlassen darf, es sei denn man kann überzeugend darlegen, dass der Schmerz über den Tod eines geliebten Menschen so groß ist, dass es nötig ist, ihn in der Zukunft oder Vergangenheit zu besuchen, um diesen zu mildern. Denn das Tal ist ein ganz besonderes, es existiert zu mehreren Zeiten - in der einen Richtung ist es genau 20 Jahre früher, in der anderen 20 Jahre später. Eines Tages sieht Odile die Eltern ihres Freundes Edme, die aus der Zukunft zu Besuch sind und weiß, er wird bald sterben. Ein Wissen, das großen Einfluss auf die schüchterne 16-Jährige hat.

Was für eine großartige Idee und fantastische Geschichte, die Scott Alexander Howard in seinem Debütroman "Das andere Tal" erzählt. Zeitreiseromane gibt es eine ganze Menge, aber für mich ist diese Idee neu und wirft noch einmal ein ganz anderes Licht auf Reisen in die Zukunft oder Vergangenheit. Manchmal würde man sich vielleicht wünschen, dass es möglich wäre. Aber wenn man genauer darüber nachdenkt, können die Konsequenzen fatal sein. Deshalb wird in Odiles Tal auch so genau darauf geachtet, dass niemand versucht, das Tal zu verlassen, zum Teil mit Methoden, die an die ehemalige DDR erinnern.

Beschäftigt man sich auch nur ein bisschen mit dem Thema, wird sehr schnell klar, dass das Erzählen der Geschichte die große Schwierigkeit birgt, die Konsistenz auch über die Zeiten hinweg zu wahren. Diese Herausforderung meistert der Autor virtuos. "Das andere Tal" ist aber nicht nur ein Zeitreiseroman, es beschäftigt sich auch mit dem Thema "Schmerz und Trauer".

Scott Alexander Howard zeichnet ein sehr detailiertes Bild von Odile und den weiteren Figuren. Er schafft eine ganz besondere Atmosphäre, in der ich mich das ganze Buch über nicht wohl fühle, sie löst vielmehr Beklemmung in mir aus. Trotzdem fasziniert und begeistert mich die Geschichte. Mein erstes Lesehighlight im neuen Jahr, das schwer zu übertrumpfen sein wird.

Veröffentlicht am 02.06.2024

Wortgewaltig

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Im Jahr 1943 sind die Brüder Konrad und Sverre mit einem Handelsschiff unterwegs nach Australien, als sie von einem japanischen U-Boot angegriffen werden. Konrad lernt im Krankenhaus auf Java die Krankenschwester ...

Im Jahr 1943 sind die Brüder Konrad und Sverre mit einem Handelsschiff unterwegs nach Australien, als sie von einem japanischen U-Boot angegriffen werden. Konrad lernt im Krankenhaus auf Java die Krankenschwester Sigrid kennen und verliebt sich in sie. Beide werden getrennt und geraten in japanische Gefangenschaft.

Wortgewaltig erzählt Trude Teige von den Erlebnissen der Gefangenen. Sie nimmt ihre Leserinnen und Leser mit in eine Welt, wie man sie sich kaum vorstellen kann. Während des Lesens war ich hin und her gerissen. Einerseits war ich schockiert von der Brutalität, die in den Lagern herrschte und musste das Buch immer wieder weglegen, andererseits war ich aber auch fasziniert von Trude Teiges Erzählstil und konnte kaum aufhören weiterzulesen.

"Und Großvater atmete mit den Wellen" ist ein großartiges Buch, das sich den Abgründen der Menschheit stellt. Es zeigt aber auch, dass es trotzdem immer wieder Menschen gibt, die sich ihre Humanität bewahren.