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Veröffentlicht am 22.10.2020

Spannender historischer Roman

Die Gabe der Sattlerin
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„...Aber jetzt gebe ich dir einen wirklich wichtigen Rat: Höre auf dein Herz. Tue das, was es dir empfiehlt, und vertraue deiner Entscheidung. Mit allen Folgen, die sich daraus ergeben mögen...“

Diese ...

„...Aber jetzt gebe ich dir einen wirklich wichtigen Rat: Höre auf dein Herz. Tue das, was es dir empfiehlt, und vertraue deiner Entscheidung. Mit allen Folgen, die sich daraus ergeben mögen...“

Diese Worte hört die 19jährige Sattlerstochter Charlotte am Vorabend ihrer Hochzeit. Und sie trifft eine unerwartete Entscheidung.
Wir befinden uns im Jahre 1781. Der Amtmann Julius Magnus Lenschneider hatte Charlotte vor einiger Zeit um ihre Hand gebeten. Die nahm sich Bedenkzeit, stimmte dann aber zu.
Währenddessen sitzt in Stuttgart der junge Friedrich Schiller in seiner Kammer und überarbeitet sein Schauspiel „Die Räuber“ für die Bühne. Eigentlich ist er als Regimentsarzt bei Herzog Carl Eugen angestellt. Der aber bezahlt seine Militärangehörigen eher sporadisch. Die Schriftstellerei bringt Friedrich momentan auch noch kein Geld, zumal er das Buch anonym veröffentlicht hat.
Der Autor hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Das zeigt sich insbesondere in den vielfältigen Dialogen. Die Gespräche zwischen Charlotte und Friedrich finden auf Augenhöhe statt. Unterhält sich der Herzog mit jemanden, klingt jedes der Worte wie ein Befehl. Eine einzige getraut sich überhaupt, ihm zu widersprechen. Das ist die Hoffaktorin, die mit nicht vorhandenen Finanzen das Herzogtum am Funktionieren halten muss.
In der Nacht vor der Hochzeit verlässt Charlotte mit ihrem Werkzeug und ihrem Pferd den elterlichen Hof. Über den Amtmann sagt sie:

„...Er war kein schlechter Mann, nur eben nicht der Richtige...“

Im Gestüt Marburg wird sie auf Friedrich Schiller treffen, der dort kurzzeitig als Arzt für die Pferde zuständig ist.
Mir gefällt, wie detailliert zum einen die Arbeit auf den Gestüt dargestellt wird, zum anderen Charlottes Handgriffe bei der Herstellung von Sattel und Zaumzeug.
Herzog Carl Eugen wird sehr differenziert charakterisiert. Warum er so wurde, wie er ist, fasst er selbst so zusammen:

„...Ich wurde in einem Alter zum alleinigen Regenten, als eine unnachgiebige, väterliche Hand vonnöten gewesen wäre. [..] Ich war jung und mächtig, fühlte mich als Nabel der Welt und dachte, ich könnte mir alles erlauben. Und meinst du, irgendjemand hätte gewagt, mich in die Schranken zu weisen?...“

Friedrich hat in der Karlsschule in Stuttgart den harten Drill der Ausbildung erlebt. Andererseits baut der Herzog ein Schloss nachdem anderen. Im Gespräch zwischen mit Charlotte kommt Friedrich zu der folgenden Erkenntnis:

„...Vielleicht hat er versucht, eine innere Leere mit all dem Prunk zu füllen. Vielleicht hat er aber auch einfach keinen Gedanken an das Wohl anderer verschwendet...“

Ab und an darf ich an einzelnen Stellen verfolgen, wie Friedrich Schiller in seinem Werk um jedes Wort ringt. Als Rossarzt allerdings ist er denkbar ungeeignet. Er hat es Charlottes praktischer Erfahrung mit Pferden zu verdanken, dass dies nicht auffällt.
Sehr schön finde ich, dass jedes Kapitel mit einem Zitat aus einem von Schillers Werken beginnt.
Ein Nachwort trennt Fiktion von Realität.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 21.10.2020

Spannender Krimi

Schnee vom Gardasee
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„...Dann musste Maurizio Kunden hofieren, die sich nicht entschließen konnten, ob sie einen Maserati kaufen sollten oder doch lieber einen Mercedes […] Und bei dieser schwerwiegende Entscheidung waren ...

„...Dann musste Maurizio Kunden hofieren, die sich nicht entschließen konnten, ob sie einen Maserati kaufen sollten oder doch lieber einen Mercedes […] Und bei dieser schwerwiegende Entscheidung waren Italiener wie Deutsche gleichermaßen unentschieden und emotional aufgeladen. […] Autokauf war eine spezielle Angelegenheit...“

Greta van Holsten macht sich in Lazise Gedanken um ihren Verlobten Maurizio Bosco. Er war offiziell mit einer Lieferung ihrer hochwertigen Kosmetik und den Espressobohnen seines Vaters Romano Bosco auf den Weg zu Heinrich van Holsten an den Chiemsee. Dass in beiden Produkten außerdem ein feines weißes Pulver steckte, war ein gut gehütetes Geheimnis. Doch das erwartete Lebenszeichen fehlt. Greta kann nicht wissen, dass Maurizio in eine Falle getappt ist und erschossen wurde.
Die Autorin hat einen spannenden Krimi geschrieben, der sowohl in Italien als auch in Deutschland spielt. Er wird Commissario Antonio Fontanaro und seinen Freund Hauptkommissar Georg Breitwieser alles abverlangen.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Wie schon das Eingangszitat zeigt, schwingt ab und an eine Spur Sarkasmus mit.
Der Tote in Deutschland hat keinerlei Papiere bei sich. Auch ein Fahrzeug ist nicht zu entdecken. Greta hat zwar Maurizio als vermisst gemeldet, doch bei der italienischen Polizei nimmt sie keiner für voll. Auch Romano scheint sich um seinen Sohn keine Sorgen zu machen und lässt Greta kalt abfahren.

„...Wenn du nicht weißt, wo dein fidanzato steckt, wie sollen wir das dann wissen? War`s das?...“

Als es in Italien den nächsten Toten gibt, werden plötzlich Verbindungen klar. Bei Antonio und Georg kommt außerdem ein alter Fall wieder auf den Tisch, der nie aufgeklärt wurde. Es gibt Parallelen zur aktuellen Geschichte.
Ein besonderes Highlight ist das damalige Verhör mit einer Wirtin.

„...“Meldung ist gesetzlich vorgeschrieben!“ „Ja mei, vorgeschrieben! Was steht nicht alles im Gesetz. Da steht auch drin, dass Mord verboten ist! Und ihr Täter hat sich auch nicht dran gehalten, sonst hätten S` jetzt keine Arbeit.“...“

Zu beiden Seiten der Grenze wird eifrig ermittelt. Dabei haben es die Italiener schwerer. Ihnen scheint jemand Steine zwischen die Füße zu werfen und gekonnt über die Schulter zu gucken. Wer wird von wem bezahlt? Welche Rolle spielt der Staatsanwalt? Dass im Drogendezernat ein neuer und ehrgeiziger Ermittler arbeitet, der das Wort Zusammenarbeit nicht kennt, ist auch nicht gerade hilfreich. Und Ostern rückt immer näher. Da hätten die Kommissare gern mal Zeit für die Familie.
Währenddessen sind die Familienverhältnisse sowohl im Hause Bosco als auch bei van Holsten alles andere als gut. Romano lässt sich nur von einer wirklich was sagen, seiner Mutter Maddalena. Maurizio hatte sie einst so charakterisiert:

„...Sie ist stur wie ein Maulesel und hart wie Granit. Wer die Familienehre befleckt, hat nichts zu lachen...“

Die Autorin versteht es, mir einen tiefen Blick in die Psyche ihrer Protagonisten zu ermöglichen. Insbesondere Gretas Verzweiflung wird wiederholt deutlich. Doch auch andere haben ihr Päckchen zu tragen.
Am Ende werden alle losen Fäden zusammengeführt und eine überraschende Lösung präsentiert.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wozu Rache fähig ist.

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Veröffentlicht am 20.10.2020

Tolle Fortsetzung

Alea Aquarius 6. Der Fluss des Vergessens
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„...“Sag mal...“, Sammy musterte Alea, „hattest du gestern nicht hellere Augen? So ein krasses Grün?“...“

Es ist einer der Momente des Morgens auf dem Schiff, an dem die Crew ahnt, dass irgendetwas nicht ...

„...“Sag mal...“, Sammy musterte Alea, „hattest du gestern nicht hellere Augen? So ein krasses Grün?“...“

Es ist einer der Momente des Morgens auf dem Schiff, an dem die Crew ahnt, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie können nicht wissen, dass ihn Dr. Orion am Ende von Band 6 die Erinnerung an die letzten zwei Monate genommen hat. Alea wundert sich allerdings, dass sie nicht mehr weiß, was sie für eine Augenfarbe hatte.
Die Autorin hat erneut ein spannendes und abwechslungsreiches Abenteuer geschrieben.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er passt sich gekonnt den Gegebenheiten an.
Es sind unklare Gedanken und Gefühle, die sich nicht zuordnen lassen, die der Crew zeigen, dass eine Menge nicht stimmt. Sammy, der Jüngste, bringt es gekonnt auf den Punkt:

„...Gestern...ist ganz schön weit weg...“

Der Handyempfang ist gestört. An Land können sie nicht, Dort wartet auf Alea das Jugendamt. Es fällt ihnen auf, dass ihr Schiff ab und an von einem geheimnisvollen Mann beobachtet wird. Eine Kontaktaufnahme aber kommt lange nicht zustande.
Als sie begreifen, wie viel Zeit ihnen in ihren Gedanken fehlt, suchen sie nach Möglichkeiten, ihre Erinnerungen zurück zu holen. Als erstes gilt es, die Handys wieder in Gang zu bekommen. Dadurch erfährt Alea, dass sie einen Teil ihrer früheren Fähigkeiten verloren hat.
Es ist spannend zu lesen, wie die Crew zusammensteht und Alea immer mehr über sich hinauswächst. Sie nutzt die Möglichkeiten, die ihr bleiben, um ihren Auftrag zu erfüllen. Natürlich kommt die Vermüllung der Meere erneut zur Sprache.

„...Das Müllproblem in den Flüssen dort ist gigantisch! Vor allem, weil westliche Staaten ihren eigenen Abfall in Länder wie Malaysia verschiffen und diese Länder dann am Dreck der anderen regelrecht ersticken...“

Ich darf die Reise auf den Rhein und weiteren Flüssen von Hamburg bis ins Mittelmeer begleiten und erlebe, wie die Crew sich über jede neue Erkenntnis und jedes magische Wesen, was wieder auftaucht, freut.
Den ersten Höhepunkt gibt es, als Sammys Bandentagebuch auftaucht. Es sind Sammys unnachahmliche Worte, die Erinnerungen zurück bringen.

„...Die Geschichte beginnt damit, wie alles begann. […] Denn nur am Anfang beginnt eine Geschichte, und wer den Anfang nicht kennt, weiß nichts von ihrem Beginn...“

Verschiedene Liedtexte der Crew spielen in der Handlung eine besondere Rolle. Sie stehen für Neubeginn, Zusammenhalt und das Vertrauen in die eigene Kraft.
In Köln trauen sie sich in die Stadt und geben vor dem Dom ein Konzert. Es wird ein grandioser Erfolg.

„...Die Leute tanzten, sangen, stampften mit den Füßen und klatschten lärmend den Rhythmus mit. Es war ein wahrer Straßenbandtraum...“

Natürlich spielt bei der Durchfahrt auch die Loreleysage eine Rolle. Könnte die Loreley eine verbannte Magische gewesen sein? Gute Frage! Darum entspinnt sich zwischen Alea und einer Unbekannten ein spannendes Gespräch am Handy.
Mittlerweile kann ich als Leser das folgende Zitat bewusst unterstreichen:

„...Zudem war Alea jetzt stärker als zu Beginn der Flussreise. Mehr und mehr verstand sie, dass es ihre eigene Entscheidung war, ob sie sich von Niederlagen zurückwerfen ließ oder nicht...“

Angekommen im Mittelmeer passiert eine Menge gleichzeitig. Es gibt heftige Kämpfe, aber auch sehr berührende und persönliche Momente.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Inhalt des nächsten Bandes klingt am Schluss schon an. Ich bin gespannt darauf. Mit einem Zitat möchte ich meine Rezension beenden:

„...Die Welt ist voller Wunder, aber die sind in riesiger Gefahr! Und das, was jetzt noch da ist, kommt nie wieder zurück, wenn es erst einmal verschwunden ist...“

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Klasse Kinderbuch

Kurt, Einhorn wider Willen 2. EinHorn kommt selten allein
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„...“Darf ich ein Kurtogramm haben?“, quiekt das Eichhörnchen. „Du bist der größte Held, den ich kenne!“...“

Das Einhorn Kurt wäre alles andere lieber als ein Held. Aber seine Geschichte aus Band I hat ...

„...“Darf ich ein Kurtogramm haben?“, quiekt das Eichhörnchen. „Du bist der größte Held, den ich kenne!“...“

Das Einhorn Kurt wäre alles andere lieber als ein Held. Aber seine Geschichte aus Band I hat sich schnell herumgesprochen. Das ändert aber nichts daran, dass Kurt mit seiner Aufgabe noch nicht fertig ist. Der kleine Bruder seines Begleiters, des Vogels Trill, befindet sich genau wie das Schwein noch in der Gewalt des Prinzen. Die Prinzessin Floh, die am liebsten Hosen trägt, erinnert ihn daran.
Die Autorin hat erneut ein humorvolles und inhaltsreiches Kinderbuch geschrieben.
Zum einen begeistern mich die ungewöhnlichen Einfälle, zum anderen werden wichtige Themen des Zusammenlebens angesprochenen.
Der Schriftstil ist kindgerecht.Das gilt auch für Satzbau und Schriftgröße.
Im Laufe der Geschichte begegne ich weiten alten Bekannten, so den Ninja – Goldfischen. Der kleine Ninja – Goldfisch muss sich vom Oberfisch anhören:

„…Wir sichern Sir Einhorn unsree Unterstützung zu, aber wir setzen ihn nicht ungebührlich unter Druck...“

Beim Pilze sammeln hat das Einhorn dann einen genialen Einfall. Zuvor erzählt das Einhorn seinen Begleitern, woher er sich mit Heilpflanzen auskennt. Dabei erfahre ich eine völlig neue Deutung zweier bekannter Märchen.

„...Ehrlich jetzt, eine Prinzessin, die sich mit sieben Jungs anfreundet, die alle viel kleiner sind als sie ...wer könnte sich so was Albernes ausdenken?...“

Das ist die Antwort auf die Frage, ob Schneewittchen wirklich der Wahrheit entspricht und nicht nur ein Märchen ist.
Mit exakter Planung wird Trill auf die erste Etappe der Befreiung seines jüngeren Vogelbruders geschickt. Aber wer weiß es nicht: Pläne gehen gern schief.
Und dann gibt es ein zweites Problem. Vogel und Schwein wurden zu Riesen mutiert. Selbst wenn sie frei sind, wie bekommt man sie klein? Und welche Rolle spielt ein Zweihorn, dass über seine eigenen magischen Fähigkeiten stolpert? Dem muss erst einmal das nötige Selbstbewusstsein vermittelt werden.
Am Ende wartet eine besondere Überraschung. Die Protagonisten einigen sich, den Dingen ihren Lauf zu lassen.

„...Ich schätze, ihn gegen seinen Willen zu entzaubern, ist genauso wenig nett, wie ihn gegen seinen Willen zu verzaubern...“

Mit einem bunten Blumenkranz im Sonnenlicht beginnt jedes Kapitel. Die farbigen Illustrationen sind humorvoll und sehr schön und detailgenau ausgearbeitet. Sie geben nicht nur den Protagonisten ein Gesicht, sondern veranschaulichen wichtige Punkte der Handlung.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es bekommt von mir eine unbedingte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 17.10.2020

Großartiger Nachkriegsroman

Wunderjahre
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„...Aber es war nun nichts mehr zu ändern. Wahrscheinlich musste Gras über die Sache wachsen. So wie immer Gras über Dinge wachsen musste, an denen es nichts mehr zu drehen gab...“

Es sind die Worte ihrer ...

„...Aber es war nun nichts mehr zu ändern. Wahrscheinlich musste Gras über die Sache wachsen. So wie immer Gras über Dinge wachsen musste, an denen es nichts mehr zu drehen gab...“

Es sind die Worte ihrer Urgroßmutter Charlotte, die Eva wieder einmal durch den Kopf gehen. Es ist nicht das erste und sicher nicht das letzte Mal in der Geschichte der Familie.
Anfangs stand alles auf Neuanfang. Im Jahre 1949 hatte Constanze ihren Mann für tot erklären lassen. Mit Gordon und Eva war ein letzter Abschiedsbesuch in Berlin geplant. Während Constanze schon in der alten Wohnung war, kamen Gordon und Eva später. Es sollte für Eva ein Schock sein, als sie plötzlich ihrem Vater gegenüber stand. Das neue Leben zerplatzte wie eine Seifenblase. Für Constanze war die Entscheidung klar. Sie gehörte an Clemens` Seite. Und um Clemens zu schonen, wurde ein Lügengebäude aufgebaut, dass fortan ihr Leben prägen sollte.
Die Autorin hat einen fesselnden historischen Roman geschrieben. Sie lässt die Jahre 1949 bis 1961 in ihrer Geschichte am Beispiel von Evas Leben lebendig werden, denn in diesem Band steht Eva im Mittelpunkt.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er passt sich gekonnt der Situation an. Sehr berührend sind die Momente der ersten Begegnung von Eva mit ihrem Vater. Er ist nicht mehr der Mann, der mit ihr als Kind gespielt hat. Es ist erst seine Stimme, die alte Erinnerungen wach ruft und sie in seine Arme treibt. Sophie, Evas Freundin, stellt fest:

„...Wir sind alle nicht mehr so, wie wir vor dem Krieg waren. Aber wir kommen wieder auf die Füße und müssen jetzt vergessen und nur noch nach vorn schauen...“

Das Leben im Osten Berlins ist nicht einfach. Trotz eines guten Abiturs wird Eva das Studium verweigert. Die Mutter kümmert sich um eine Lehrstelle in der Charitè. Selbst Charlotte ist der Meinung, dass Eva diese Ausbildung machen soll.
Währenddessen geht es für Charlotte und ihren Sohn Justus im Westen aufwärts. Natürlich hat ihr Leben auch Schattenseiten. Charlotte wird deutlich:

„...Dieser Geier! Ärgert sich schwarz, dass nicht die Kirche das Gut geerbt hat, sondern wir Parasiten aus dem Osten...“

Der nächste Einschnitt ist Charlottes Tod. Sehr berührend werden Evas Erinnerungen an die Kinderzeit in Ostpreußen wiedergegeben. Und für Eva beginnt nun ein neuer Lebensanschnitt. Sie bleibt im Westen und geht zum Studium nach Braunschweig. Die Eltern gehen zurück nach Berlin. Muss Eva das verstehen? Ihr Cousine sieht dies pragmatisch:

„...Die wollen nicht reden. Die wollen nur vergessen...“

Als sich Eva einer Gruppe Studenten anschließt, die sich im Segelflug ausbilden lassen, lernt sie den Fluglehrer Wilhelm kennen. Der wird ihr in ihrer schwersten Stunde zur Seite stehen. Auch über seine Vergangenheit erfahre ich einiges.
Es wechseln Zeiten des Wohlstandes und der Zufriedenheit mit Niederlagen und Neuanfang. Immer wieder gibt es Situationen, über die Gras wachsen muss. Vieles bleibt im Dunkeln der Familiengeschichte. Im Heute und Jetzt von Eva gibt es noch keine Antworten. Dafür ist die Zeit nicht reif. Der kalte Krieg überlagert alles. Wilhelm, der etliche Jahre älter ist und als Flieger im Krieg war, fasst das Dilemma seiner Generation so zusammen:

„...Es waren zum größten Teil keine Berufssoldaten, die da zigtausend Menschen auf dem Gewissen haben. Es waren Schneider, Beamte, Lehrer, Landwirte, Schuhmacher, Künstler […] Du kannst mir glauben, ich danke Gott jeden verdammten Tag, dass ich wenigstens nicht direkte Schuld auf mich geladen habe. Es muss furchtbar sein für ihr Gewissen, heute so tun zu müssen, als sei nichts gewesen...“

Deutlich wird, wie sich die Lebensverhältnisse im Westen bessern. Es beginnen die Jahre des Wohlstands. Unterschwellig aber zeigt sich, in wie vielen noch die alten Denkmuster schlummern. Auch Eva fragt sich, wie die Frauen, die im Krieg und danach das Leben in die eigene Hand nehmen mussten, sich nun erneut widerspruchslos den Männern unterordnen. Das dies bei ihr anders läuft, hat sie nicht zuletzt ihrer Schwiegermutter zu verdanken.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist ein vielschichtiger Roman und gleichzeitig ein großartiges Zeitgemälde, das Platz ließ für all die Verletzungen der Vergangenheit, mit denen nicht nur die Kriegsgeneration leben musste.

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