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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.02.2019

Bewegendes Jugendbuch

Und wo ist dein Herz zu Hause?
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„...In diesem Haus interessierte meine Meinung nicht. Ich wurde geduldet. Das allein war für meine Mutter Grund genug, mir immer wieder aufs Neue zu zeigen, wie dankbar ich ihr sein konnte. Schließlich ...

„...In diesem Haus interessierte meine Meinung nicht. Ich wurde geduldet. Das allein war für meine Mutter Grund genug, mir immer wieder aufs Neue zu zeigen, wie dankbar ich ihr sein konnte. Schließlich bekam ich Verpflegung und einen Schlafplatz...“

Die jetzt 16jährige Ella ging in die dritte Klasse, als sich ihre Eltern scheiden ließen. Der Vater ist als Reisejournalist die meiste Zeit unterwegs. Deshalb erhielt ihre Mutter, eine Anwältin, das alleinige Sorgerecht. Ella hatte zu funktionieren. Liebe und Zuneigung waren dabei nicht inbegriffen.
Wieder ist die Zeit der Sommerferien. Ella fliegt nach Amerika, um dort einige Tage mit ihrem Vater zu verbringen. Keiner ahnt, dass Ella einen ganz anderen Plan hat. Aus den Erzählungen ihres Vaters ist ihr in Erinnerung geblieben, dass er Tofino in Kanada als Ort der Freiheit beschrieben hat.
Deshalb verlässt Ella ihren Vater, um nach Kanada zu gelangen.
Die Autorin hat ein abwechslungsreiches Jugendbuch geschrieben. Die Geschichte lässt sich gut lesen. Ella erzählt ihre Erlebnisse selbst. Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Mal ist er sachlich, an anderen Stellen romantisch.
Schon die Reise über die Grenze wird für Ella zum Abenteuer. Da sie minderjährig ist, darf sie nicht allein reisen. Ein Schreiben der Eltern, das sie für die Einreise in die USA brauchte, hilft nur wenig. Doch sie hat den nötigen Einfallsreichtum und die Energie, um ihr Ziel zu erreichen.
In Tofino erhält Ella Unterkunft und einen Job bei Maja in der Bäckerei. Sie lernt Ben kennen und geht mit ihm auf einem Trail. Aussagekräftige Beschreibungen und passender Metapher lassen mich als Leser gedanklich an der Wanderung teilnehmen und die Schönheiten der Gegend erkennen. Schon als Ella von Tofino aus durch den Wald zum Strand geht, ist sie beeindruckt::

„...Kaum hatte ich den Wald betreten, waren alle anderen Geräusche ausgeblendet, als befände ich mich in einem riesigen Gewächshaus. Vögel zwitscherten und Blätter rauschten, ansonsten herrschte absolute Stille...“

Den eigentlichen Trail, der von Ella und Ben alles verlangt, kommentiert Ella so:

„...Die Natur war rau und der Trail hart, aber im Grunde war es traumhaft...“

Zwischen beiden entwickeln sich tiefgründige Gespräche über Gott und die Welt. Nicht immer sind sie einer Meinung. In den wenigen ruhigen Minuten widmet sich Ella ihrem Hobby. Sie schreibt ihre Gedanken auf. Außerdem träumt sie von einem eigenen Buch. Den Inhalt hat sie gedanklich fertig, weigert sich aber, ihn Ben zu erzählen. Die Begründung kann ich nachvollziehen.
Einige Texte und Gedichte von Ella sind im Buch enthalten. Sie kommt schnell auf den Punkt, sieht das Wesentliche und kann sich gut ausdrücken.
In Tofino fühlt sich Ella frei und geborgen. Doch nicht jeder ist von ihrer Anwesenheit begeistert. Eifersucht spielt dabei eine wesentliche Rolle. Sie muss sich entscheiden, denn sie weiß, dass sich auch Maja strafbar macht, wenn sie sie länger beherbergt.
Zu den sprachlichen und inhaltlichen Höhepunkten gehört für mich die Begegnung von Ella mit Nellys Großvater, einem alten Indianer. Ella ahnt, dass er sie durchschaut. Er verabschiedet sie mit den folgenden Worten:

„...Freiheit beginnt im Kopf. Du musst dir nur überlegen, wo dein Herz zu Hause ist...“

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Ellas Entwicklung wird realistisch wiedergegeben. Ihr Freiheitsdrang, aber auch ihre Verletzlichkeit bestimmen ihr Handeln. Es dauert, bis sie sich öffnet.

Veröffentlicht am 01.02.2019

Jugendbuch mit Tiefgang

Dönerröschen
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„...Dok liebte Werkzeuge. Je mehr er damit kaputt machen kann, umso besser...“

Jonas, der Ich-Erzähler, ist 16 Jahre alt. Er zieht mit seinen Eltern in den Münchner Stadtteil Neuperlach. Sein Vater, den ...

„...Dok liebte Werkzeuge. Je mehr er damit kaputt machen kann, umso besser...“

Jonas, der Ich-Erzähler, ist 16 Jahre alt. Er zieht mit seinen Eltern in den Münchner Stadtteil Neuperlach. Sein Vater, den er Dok nennt, arbeitet als Nachtwächter in einem Supermarkt. Durch seinen neuen Freund Schnauze lernt Jonas nicht nur türkische Jungen kennen, sondern auch deren Schwestern. In dem Moment ahnt er nicht, dass er auf seine Vergangenheit trifft.
Der Autor hat einen humorvollen Jugendroman geschrieben. An die leicht flapsige Jugendsprache der ersten Seiten musste ich mich erst gewöhnen. Doch schnell wird der Schriftstil abwechslungsreicher. Es gibt eine Menge romantischer Elemente.
Jonas` Vater hat zwei linke Hände, wie das Eingangszitat zeigt. Seine Mutter Anne dagegen hat eine Menge Vorurteile, díe sich Jonas zu eigen gemacht hat. Hier kommt seine Reaktion darauf, dass Sibels Cousin aus der Türkei Student ist:

„...Wie bitte? Gab`s in der Türkei auch Unis?...“

Besonders gefallen haben mir die starken Mädchen. Dazu gehört nicht nur Lena, die die Jungen beim Fußballspiel aufmischt, sondern auch die junge Türkin Sibel. Jonas braucht eine Weile, bis er begreift, dass er Sibel mag. Allerdings hindern ihn seine Vorurteile, sich vorbehaltlos diesem Gefühl hinzugeben. Erst befürchtet er die Reaktion von Sibels Vater, später die von Sibels Oma, die aus der Türkei angereist ist. Es scheint auch so, als hätte die Oma die Familie voll im Griff. Plötzlich kleidet man sich anders und ist vorsichtig, mit dem, was man sagt oder tut.
Ein besonderer Protagonist ist der Hund Napoleon. Er sorgt häufig für ein herzhaftes Lachen. Ab und an gelingt das auch Jonas, denn der nimmt jedes Fettnäpfchen mit. Dem Jungen fehlt es eindeutig an Selbstbewusstsein.
Sehr gefühlvoll wird die Zuneigung zwischen Jonas und Sibel beschrieben. Zu den sprachlichen Höhepunkten der Geschichte gehört für mich das Gespräch zwischen Jonas und Sibel, wo es um Vorurteile und kulturelle Unterschiede geht. Sibel bringt es mit den folgendem Zitat auf den Punkt.

„...In Niederbayern gibt`s Dörfer, wo alle Leute auch nur das machen, was der Pfarrer sagt...“

Als besonderes Stilmittel verwendet der Autor Jonas` Erinnerungen an eine Zeit, wo er etwa sechs Jahre alt war. Es sind Jahre einer behüteten Kindheit, die er lange aus seinem Gedächtnis verbannt hatte. Wer wissen will, warum das so war und was es mit der gegenwärtigen Geschichte zu tun hat, sollte das Buch lesen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Der Autor zeigt auf leicht zugespitzte Art, dass wir alle Menschen sind mit Stärken, aber auch Fehlern und Schwächen und ein gedeihliches Nebeneinander bei Toleranz und einem Aufeinanderzugehen möglich ist.

Veröffentlicht am 31.01.2019

Hat die Liebe eine Chance?

Die Klosterbraut
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„...Danke, Maria, dass du mir in höchster Not Hilfe geschickt hast., aber musste es ausgerechnet der künftige Gemahl meiner Schwester sein? Manieren scheint er keine zu besitzen, doch ich nehme mal an, ...

„...Danke, Maria, dass du mir in höchster Not Hilfe geschickt hast., aber musste es ausgerechnet der künftige Gemahl meiner Schwester sein? Manieren scheint er keine zu besitzen, doch ich nehme mal an, er war der einzige, den du so schnell finden konntest...“

Wir schreiben das Jahr 1226. Die 17jährige Franka wird in wenigen Wochen in ein Kloster eintreten. Darauf wurde sie vorbereitet. Sie will nur noch die Hochzeit ihrer Schwester Melinda abwarten. Heute entschließt sie sich zu einem Ausritt in den Wald. Als sie vor einem Wildschwein flieht, kommt ihr ein Ritter zu Hilfe. Näheres steht im Eingangszitat.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Franka ist eine selbstbewusste junge Dame. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt, was sie denkt. Für Putz und Tand hat sie nichts übrig. Sie ist es gewohnt, übersehen zu werden, sobald ein Mann ihrer Schwester begegnet.
Melinda wurde für die Hochzeit mit einem Ritter vorbereitet. Sie ist sich ihrer Schönheit bewusst. Dass andere Menschen auch Gefühle haben, kann sie nicht nachvollziehen. Sie liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Gegenüber ihrer Schwester äußert sie:

„...Jetzt sag mal ehrlich: welcher Mann wird schon dich heiraten wollen, wenn er mich haben kann?...“

Wulfgar, der junge Ritter, mag Frankas erfrischende und zupackende Art. Doch das Leben fragt nicht nach den Wünschen der Protagonisten.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Ab und an blitzt Frankas feiner Humor auf, so auch in dem folgenden Zitat:

„...Wisst Ihr, was ich am Klosterleben am meisten genießen werde? […] Nicht mehr mit Männern zusammen zu sein, die besser gucken können als denken....“

Sie äußert es gegenüber Anselm, Wulfgars Freund, der Melinda mit den Augen verschlingt.
Gut dargestellt wird das Leben im Kloster. Auch dort ist nicht alles eitel Sonnenschein. Missgunst, Neid und das Streben nach Posten wirken unterschwellig mit. Die Informationen über die Wirkung gewisser Pflanzen zeigen das Können der Nonnen.
Nach seiner Heirat entschließt sich Wulfgar, am Kreuzzug unter Ludwig von Thüringen teilzunehmen. An seiner Seite darf ich die Strapazen und Probleme der Kreuzfahrer erleben. Viele werden die Heimat nie wiedersehen. Gut dargestellt werden die politischen Verhältnisse. Dazu gehören auch die Spannungen zwischen Kaiser und Papst.
Zu den sprachlichen Höhepunkten gehören die fein ausgearbeiteten Dialoge. Sie passen sich gekonnt der jeweiligen Situation an. Heftig wird es, als Wulfgar seiner Frau Melinda die Meinung zu ihrem unprofessionellen Verhalten sagt. Bewegend dagegen ist das Gespräch von Wulfgar mit seiner Mutter Alvara. Sie hat von Anfang an geahnt, wem Wulfgars Herz wirklich gehört. Bei den Dialogen mit Isburga, der Äbtissin des Kloster, ist in jedem Wort ihre Menschenkenntnis spürbar.
Ein ausführliches Personenverzeichnis, die Übersetzung der Städte- und Flussnamen in die heutige Form und ein Glossar ergänzen das Buch.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeichnet sich durch einen hohen Spannungsbogen aus und hat Elemente eines historischen Krimis.

Veröffentlicht am 29.01.2019

Fesselnder Krimi

Tiefe Stille
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„...Es dauerte keine fünf Minuten, und sie hatte sich, obwohl sie noch keinen Fuß auf oberbayrischen Boden gesetzt hatte, schon bis über beide Ohren in die Gegend verliebt...“

Maria ist Witwe und Mitglied ...

„...Es dauerte keine fünf Minuten, und sie hatte sich, obwohl sie noch keinen Fuß auf oberbayrischen Boden gesetzt hatte, schon bis über beide Ohren in die Gegend verliebt...“

Maria ist Witwe und Mitglied in einem Krimiclub. Als Gewinnerin eines Krimiwettbewerb darf sie an spielerischen Ermittlungen in Oberbayern teilnehmen. Dort trifft sie als zweiten Teilnehmer den 18jährigen Leon. Christof, der dritte Mann, wird erst einen Tag später erwartet. Allerdings ist wegen des Wetters die Unterkunft abgesoffen. Sie kommen in einem Notbehelf unter. Bei ihren ersten Exkurs in der Gegend finden sie in einem Schuppen einen Toten und sichern die ersten Spuren. Sie glauben, dass der Tote nur ein Schauspieler ist und ahnen nicht, dass sie mittlerweile in einen echten Fall geschlittert sind.
Kriminalhauptkommissar Lukas Zieringer ist an seinem neuen Arbeitsplatz in Miesbach angekommen. Der letzte Fall in München ging ihm an die Nieren. Deshalb hat er um eine Versetzung in die Provinz nachgesucht. Hier muss er als erstes die Hinterlassenschaften seines Vorgängers lesen. Der vermutete in einer Saftfabrik gleichzeitig ein Drogenlabor, konnte es aber dem Besitzer nie nachweisen. Dafür hat er all seine Erkenntnisse akribisch aufgeschrieben.
Die Autorin hat einen fesselnden und abwechslungsreichen Krimi geschrieben. Die beiden unterschiedlichen Handlungsstränge, die nach einer gewissen Zeit zusammengeführt werden, geben der Geschichte ein besonders Flair. Die Handlung hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Das Eingangszitat bezieht sich auf Maria, die bewusst ihren Witwenstand genießt. Die Autorin lässt mich kurz einen Blick in Marias Vergangenheit werfen. Das erklärt alles, wie das folgende Zitat beweist:

„...Gunter war gegen alles Moderne gewesen; er erlaubte ihr auch nur, genau eine stunde am Tag fernzusehen. Immer um achtzehn Uhr, wenn eine Heimatdokumentation gezeigt wurde...“

Das Zusammentreffen mit Leon bringt Maria völlig neue Erkenntnisse. Der junge Mann stärkt ihr Selbstbewusstsein und führt sie in den Umgang mit moderner Technik ein. Ihm wurden einige Einschränkungen auferlegt, da er als Hacker gearbeitet hat und erwischt wurde.
Christof, der Dritte im Bunde, wird von Maria mit kritischen Augen betrachtet. Sein Verhalten macht sie mehr als misstrauisch.
Als es zu einer Einführung kommt, laufen Lukas und sein Chef zu großer Form auf. Sie wissen, dass ihnen die Zeit davonläuft. Der Obersteiger Schmiedl bietet der Polizei seine Hilfe an. Die Autorin versteht es ausgezeichnet, durch gut geführte Gespräche darzulegen, dass der alte Herr noch einmal zeigen will, was er weiß und kann. Als ihm ein Mitglied des SEK dumm kommt, kontert er:

„...Jetzt hören Sie mir mal zu, mein Junge. Sie trauen sich sowieso nur hier herunter, weil Sie von Ihren bis an die Zähne bewaffneten Männern beschützt werden. Von dem, was wir damals hier unten geleistet haben, hätten sie sicher schon beim Gedanken daran die Hosen voll...“

Dabei erhalte ich vielfältige Informationen über die Arbeit in einem Steinkohlenbergwerk, aber auch die sichtbaren und für Laien kaum sichtbaren Veränderungen, die mehrere Jahre nach der Stilllegung im Schacht feststellbar sind.
Diese Informationen sind so geschickt in die Handlung integriert, dass der hohe Spannungsbogen erhalten bleibt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 27.01.2019

Bewegende Geschichte

Ich gab ihm mein Wort
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„...Wenn Männer beschlossen, zu den Waffen zu greifen, zogen sie damit auch ihre Frau und jedes Kind in diesen Konflikt hinein. Die Frauen kämpften zwar an eine anderen Front, aber trotzdem kämpften sie...“

Wir ...

„...Wenn Männer beschlossen, zu den Waffen zu greifen, zogen sie damit auch ihre Frau und jedes Kind in diesen Konflikt hinein. Die Frauen kämpften zwar an eine anderen Front, aber trotzdem kämpften sie...“

Wir schreiben das Jahr 1864. In Franklin auf der Carnton Plantage arbeitet Lizzie Clouston als Gouvernante. Sie unterrichtet Hattie und Winder, die Kinder der Familie McGavock, sowie deren Cousine Sally. Wegen des Bürgerkrieges lebt nur noch Tempy, die Haussklavin, auf der Plantage.
Lizzie lehnt die Sklaverei ab. Das aber weiß ihr Dienstherr nicht. Dabei gehen Lizzies Gedanken noch weiter, wie das folgende Zitat zeigt:

„...Sie war sich sicher, dass Tempy die Gelegenheit, lesen zu lernen, sofort ergreifen würde. Aber es verstieß gegen das Gesetz, einer Sklavin lesen und schreiben zu lehren...“

Von einem Moment zum anderen aber ändert sich die Situation. In der Nähe der Plantage kommt es zu einer schweren Schlacht zwischen den Unionssoldaten und der Armee des Südens. Ins Haus der Familie McGavock werden die verletzten Offiziere und Soldaten gebracht. Dazu gehört auch Hauptmann Roland Jones. Gleichzeitig bangt Lizzie um das Leben ihres Freundes Towny, der auch zur Südstaatenarmee gehört.
Die Autorin hat einen fesselnden und bewegenden historischen Roman geschrieben. Es ist keine leichte Lektüre, denn die Folgen von Krieg und Kampf sind unmittelbar Inhalt der Geschichte.
Der Schriftstil ist ausgefeilt und dem Ernst der Situation angepasst. Lizzie stellt sich dem Militärarzt zur Verfügung und übernimmt bei den Operationen die Narkose. Alles, was sie dabei sieht, lässt in ihr die Frage aufkommen:

„...Wie viele Arten, sich gegenseitig zu töten, würden die Menschen noch erfinden?...“

Hauptmann Jonas hat selbst Sklaven. Es wird deutlich, dass er menschlich mit ihnen umgeht. Das ändert aber nichts daran, dass sie unfrei sind. George, sein Sklave, mit dem er aufgewachsen ist und der nun zu ihm gekommen ist, macht das gegenüber Lizzie deutlich. Aussagekräftige Gespräche zwischen Lizzie und Roland thematisieren die Sklavenhaltung. Sie gehen in die Tiefe. Der Hauptmann steht auf den Standpunkt, dass es ohne die Sklaven im Süden keinen Fortschritt gibt. Gekonnt gelingt es der Autorin allerdings, ihn nach und nach zum Nachdenken zu bringen. Dazu tragen zum einen Lizzies Argumente bei. Die klingen so:

„...Ich bezweifle, dass einer von uns freundlich darauf reagieren würde,wenn ein anderer Mensch für uns entscheidet, was wir können und was nicht oder wohin wir gehen können und wohin nicht...“

Zum anderen erlebt Roland auf Grund seiner Verletzung, was es heißt, plötzlich nur noch begrenzt frei und selbst auf Entscheidung und Wohlwollen anderer angewiesen zu sein.
Im Haus der Familie sind Tod und Sterben allgegenwärtig. Für viele Verletzte ist es eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Auch die Kinder der Familie werden damit konfrontiert. Dass es trotz aller Hilfsbereitschaft selbst in der Situation Kranke gibt, die ausfallend werden, ist schwer nachvollziehbar. Hier sorgt vor allem die Nonne Catherine schnell für klare Fronten. Sie weiß sich selbst gegen die Forderungen der Unionsoffiziere durchzusetzen.
Als besondere Stilmittel hat die Autorin verschiedene Briefe ins Geschehen integriert. Ein Junge von 14 Jahren stirbt und hinterlässt eine Nachricht an seine Mutter. Ein Offizier trägt einen Brief bei sich, der an sein Kind gerichtet ist, dass er nie gesehen hat. In dem Zusammenhang bekommt das Eingangszitat eine ganz neue Bedeutung.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist nicht ein Plädoyer gegen Sklaverei und für die Freiheit eines jeden Menschen. Es öffnet die Augen, für die Grausamkeiten des Krieges.
Das Buch beruht auf Tatsachen. Es erzählt eine Familiengeschichte nach, die ähnlich stattgefunden hat und zeugt von der umfangreichen Recherche der Autorin.
Roland hat im Laufe des Geschehens die Sklaverei und seine Zukunft zunehmend unter der Sicht des Glaubens betrachtet. Dabei hört er in Gedanken eine Frage, mit der ich meine Rezension beenden möchte, weil sie für jeden von uns in vielen Situationen aktuell ist:

„...Wovor hast du Angst, geliebtes Kind?...“