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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.10.2018

Der tote Büttel

Hammeltanz
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„...Wir hatten das schon, dass manche erst geheiratet haben, als sie gewonnen haben. Völlig überzogen, wenn ihr mich fragt...“
In Hohenlohe zieht der Büttel durch den Ort. Er lädt ein zur Oonzamer Kärwe ...

„...Wir hatten das schon, dass manche erst geheiratet haben, als sie gewonnen haben. Völlig überzogen, wenn ihr mich fragt...“
In Hohenlohe zieht der Büttel durch den Ort. Er lädt ein zur Oonzamer Kärwe mit dem traditionellen Hammeltanz. In diesen Jahr ist Sichlers Andi erstmalig der Büttel. Er ahnt nicht, dass es auch sein letzter Auftritt sein wird, denn am Hammelmontag findet man ihn erstochen am Festzelt.
Die Autorin hat eine historische Feierlichkeit gekonnt mit einer spannenden Mordermittlung verbunden.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen, auch wenn der Dialekt stellenweise eine Herausforderung ist. Gerade dadurch aber wirkt die Geschichte sehr authentisch.
Exakt werden die einzelnen Tage der Veranstaltung beschrieben. Ein sorgfältig ausgewählter Hammel wird für das Fest vorbereitet. Der empfindet das so:

„...Das Schaf blökte leise und verzückt, noch nie in seinem Leben war es ihm so gut ergangen wie in der Onolzheimer Zinkwanne im warmen Wasser. Es genoss die Prozedur sichtlich...“

Am Hammeltanz dürfen nur unverheiratete Paare teilnehmen. Wer gewinnt, bestimmt bis zu einem gewissen Teil der Zufall. Der Büttel hat nur marginal Einfluss darauf, wer am Ende den Degen erhält und das Hammelessen ausrichten darf. Welche Auswüchse das Ganze annehmen kann, zeigt das Eingangszitat.
Nach dem Mord gehen die Feierlichkeiten weiter. Nebenbei aber darf ich Heiko und Lisa von der Kripo bei ihren Ermittlungen begleiten. Die Anzahl der möglichen Täter ist ziemlich hoch. Jeder, der im Festzelt war, kommt vermutlich infrage. Und Andreas Sichler hatte sich etliche Feinde gemacht. Zum einen hat er seine Rechte als Büttel recht großzügig ausgelegt, zum anderen konnte er im Festzelt weder seine Blicke noch seine Finger von jungen Frauen weghalten.
Gleichzeitig diskutiert der Stammtisch, wen sie für den Mörder halten. Diese Stammtischgespräche lockern die Atmosphäre auf und erlauben einen Einblick in das Denken der Einheimischen. Gekonnt erlaubt die Autorin, die Gedanken der Tänzer vor, während und nach Ende des Hammeltanzes kennenzulernen.
Gut geführte Verhöre schließen nach und nach fast jeden Verdächtigen als wirklichen Täter aus. So wird die Spannung hoch gehalten und das Mitraten befeuert, denn bei fast jeden Verhör kommen neue Namen ins Spiel.
Und dann ist noch Sina Sichler verschwunden, die Tochter des Toten, nachdem ihre Mutter ihr eine gescheuert hat. Wer den Grund wissen will, sollte die Geschichte lesen. Als Heiko die Frau fragt, ob Sina labil ist, lautet die Antwort.

„.. .Weiß ich doch nicht. Sind die in dem Alter nicht alle labil? Scheiß Pubertät...“

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Spannende Handlung, Lokalkolorit und die Beschreibung des Hammelfestes mit seinen Feinheiten bilden eine ausgewogene Mischung.

Veröffentlicht am 28.10.2018

Gefühlvolle Geschichte

Schlittenfahrt ins Glück
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„...Das war es, was ihre Freunde so an ihr liebten. Trotz ihrer vielen Schicksalsschläge hatte sie sich ihre Freude bewahrt. Sie wusste, dass gute Freundschaften mehr wert waren als alles andere auf der ...

„...Das war es, was ihre Freunde so an ihr liebten. Trotz ihrer vielen Schicksalsschläge hatte sie sich ihre Freude bewahrt. Sie wusste, dass gute Freundschaften mehr wert waren als alles andere auf der Welt, und sie war ein Mensch, der sich über Kleinigkeiten mehr freuen konnte als über ein riesengroßes, teures Geschenk...“

Nach Antons Tod lebt Laura mit ihrer kleinen Tochter Toni allein. In der letzten Zeit beunruhigen sie gelegentliche Schwindelanfälle. Die könnten auf die überstandene Grippe zurückzuführen sein.
Nachdem sie ihre Tochter Toni zu deren besten Freundin gebracht hat, bei der sie auch übernachten darf, entschließt sich Laura zu einem Bad im Schliersee. Plötzlich wird ihr im Wasser erneut schwindlig. Florian, ein junger Mann, der das vom Sprungturm aus sieht, rettet sie.
Die Autorin hat einen bewegenden Gegenwartsroman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Obwohl ich den ersten Teil nicht kenne, hatte ich kein Problem, der Handlung zu folgen. Alle wichtigen Informationen waren gekonnt in das Geschehen integriert. Gleichzeitig blieb genug Luft, damit mein Interesse am Vorgängerband geweckt wurde.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Personen werden gut charakterisiert. Laura kann Anton, Tonis Vater, nicht vergessen. Trotzdem sorgt sie für einen geregelten Alltag. Sie hat einen Freundeskreis, auf den sie sich in schwierigen Situationen verlassen kann. Obiges Zitat zeigt, wie sie ihre Freunde sehen. Ihre kleine Tochter ist in einem Alter, wo sie gern einmal ihren Kopf durchsetzen will. Das liest sich dann so:

„...Mit in die Hüften gestemmten Fäusten schmollte Toni weiter und sah dabei so niedlich aus, dass Gabi sich beherrschen musste, nicht ihr Handy zu zücken und ein Foto von der kleinen Madame zu machen...“

Gabi, eine Freundin aus Berlin, war an dem Tag für die Betreuung von Toni eingesprungen.
Florian fühlt sich zu Laura hingezogen. Doch es wird dauern, bis er sich getraut, sie anzusprechen. Das liegt unter anderen daran, dass er auch schon den Verlust eines Menschen erlebt hat.
Sehr gekonnt bringt die Autorin immer wieder Lauras Freunde ins Spiel. Sie sind sehr unterschiedlich und jeder ist dann zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Besonders hervorheben möchte ich allerdings Franzi. Sie hat ein aufgeschlossenes Wesen, nimmt gern selbst die Dinge in die Hand und hat kein Problem damit, Fremde anzusprechen. Ohne Franzi wäre die Geschichte sicher nicht so gelaufen, wie sie gelaufen ist.
Das Geschehen zieht sich etwa über ein halbes Jahr. Dadurch bekomme ich als Leser stimmungsvolle Bilder der Alpenwelt aus verschiedenen Jahreszeiten. Hier möchte ich ein Beispiel für die Beschreibung der Winterlandschaft zitieren.

„...Die Stellen, die noch ohne Eis waren, glitzerten im Licht des Monds, der hoch am Himmel stand. Vom Wasser stiegen kleine Nebelwölkchen auf, und die Landschaft wirkte wie verzaubert...“

Es zeigt, das die Autorin das Spiel mit Metaphern gekonnt beherrscht. Zu den stilistischen Höhepunkten gehören auch die vielfältigen Wiedergaben von Emotionen. Vor allem der Spagat zwischen Angst und Zuversicht ist sehr gut gelungen.
Fein ausgearbeitete Gespräche lassen mich einen Blick in die Gedankenwelt der Protagonisten werfen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist eine gelungene Mischung aus ernsten Themen und romantischen Szenen. Nichts kann das Wesentliche besser ausdrücken, wie die Worte auf der Coverrückseite.

„...Manchmal muss das Leben ins Rutschen geraten, damit man in eine neue Liebe schlittert...“

Veröffentlicht am 27.10.2018

Gut gemacht

MadBrickMotion: BrickTube
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Matt möchte ein erfolgreicher BrickTuber werden. Er besorgt sich die nötige Ausrüstung und lädt die ersten Videos hoch. Die aber werden kaum aufgerufen.
Das gesamte Buch ist auf humorvolle Art mit Legofiguren ...

Matt möchte ein erfolgreicher BrickTuber werden. Er besorgt sich die nötige Ausrüstung und lädt die ersten Videos hoch. Die aber werden kaum aufgerufen.
Das gesamte Buch ist auf humorvolle Art mit Legofiguren gestaltet.
Ich als Leser erlebe Matts Aufstieg in die Reihen der erfolgreichsten BrickTuber. Dann aber muss er eine Entscheidung fällen.
Das Buch vermittelt auf humorvolle Weise eine ganze Menge an Faktenwissen und technischen Informationen für das Erstellen und Hochladen von Videos. Andererseits werden ziemlich ironisch die Schattenseiten und Geschäftspraktiken auf die Schippe genommen.
Amüsant sind ebenfalls die von Zeit zu Zeit eingeblendeten Kommentare von Followern.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 27.10.2018

Ein Buch, das berührt

Näher als du denkst
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„...Der Sklave wurde frei, stand einen kurzen Moment in der Sonne und kehrte dann wieder in die Sklaverei zurück...“

Die 36jährige Nan Stockton hat ihren Mann durch einen Autounfall verloren. Der Anwalt ...

„...Der Sklave wurde frei, stand einen kurzen Moment in der Sonne und kehrte dann wieder in die Sklaverei zurück...“

Die 36jährige Nan Stockton hat ihren Mann durch einen Autounfall verloren. Der Anwalt kämpfte gegen Mädchenhändler und setzte sich für Sexsklavinnen ein. Ein plötzlicher anruf hatte ihn an jenem Abend aus dem Haus gerufen. Als Nan sechs Monate nach dem Tode ihres Mannes wieder an der Unfallstelle steht, fragt sie sich, was wirklich geschehen ist. Zu viel ist inzwischen passiert.
Die Autorin hat einen fesselnden Roman geschrieben. Sie verknüpft darin die Handlung der Gegenwart mit einer Geschichte aus der Vergangenheit.
Nan hat der Tod ihres Mannes völlig aus der Bahn geworfen. Sie hadert mit Gott, hat ihr Vertrauen verloren und kann nicht mehr beten. Was sie am Leben erhält, sind die Bedürfnisse ihrer drei kleinen Töchter.
Doch dann findet sie im Facebook-Account ihres Mannes die Nachricht eine jungen Frau.namens CeeCee. Es stellt sich heraus, dass es eine Schülerin ist, die ihn um Hilfe gebeten hat. Sie will über eine ihrer Vorfahren einen Zeitungsartikel veröffentlichen. Diese war Sklavin auf der Farm von Stocktons Vorfahren. Deshalb hat er ihr Material versprochen. Die Sklavin hieß Clara, war eine Mulattin und hat ein Tagebuch hinterlassen.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Das Thema des Buches allerdings ist nicht einfach. Einerseits erfahre ich durch das Tagebuch und die Zeitungsausschnitte eine Menge über die letzten Jahre der Sklaverei, andererseits geht es um junge Mädchen der Gegenwart, die in die Hände sogenannter Loverboys gelangen und von ihnen in die Prostitution gedrängt werden. Außerdem darf ich einen tiefen Blick in Nans zerrissene und trauernde Seele werfen. Cee Cee fasst deren Problem gut zusammen:

„...Der Tod lähmt einen. Er lähmt einen total, besonders wenn er plötzlich kommt und jemand noch nicht alt ist...“

Das Tagebuch macht betroffen. Es zeigt die ganze Grausamkeit der Sklavenhalter, die selbst vor der eigenen Familie nicht Halt machte. Nach der Befreiung kam es zu einem kurzen Lichtblick, einer Zeit der Hoffnung, bevor der Ku Klux Klan mit einer Politik aus Angst und Schrecken für neue Versklavung und Ungerechtigkeit sorgte. An Claras persönlichen Schicksal, die eine sehr helle Haut hatte, deren Mutter eine Sklavin, der Vater aber der Besitzer der Farm war, wird in Tagebuchform die Entwicklung sehr genau geschildert. Dass Clara lesen lernen durfte, hat sie der Frau des Farmers zu verdanken, der das nicht wissen durfte. Sie gibt Clara auch eine wichtige Erkenntnis mit auf den Weg.

„...Du bist ein Mensch und du bist in Gottes Augen genauso viel wert wie jeder andere Mensch, ob er schwarz, weiß oder braun ist. Vergiss das nie, Clara!...“

Währenddessen arbeitet CeeCee in einer Bar, um sich das Geld fürs Studium zu verdienen. Erst nach und nach wird ihr persönlicher Hintergrund aufgedeckt. Sie ahnt nicht, dass sie in Gefahr ist und dadurch auch Nan und ihre Familie in Gefahr bringt.
Nan findet in den Hinterlassenschaften ihres Mannes einige Notizzettel, die ihr Hinweise geben, wie sie CeeCee helfen kann. Durch diese neue Aufgabe findet sie nach und nach aus ihrer Trauer. Geduldige Freundinnen beten für sie und hoffen, dass sie zum Glauben zurückfindet. Der Anwalt Travis bietet ihr seine Hilfe an. Sie weiß aber nicht, ob sie ihm trauen kann.
Das Buch hat mich erschüttert und bewegt. Es verknüpft gekonnt unterschiedliche Lebensschicksale und zeigt, wie der Glaube tragen hilft.

Veröffentlicht am 26.10.2018

Ein Kind der Erde

Ich, Santa
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„...Ein seltsames Gefühl beschlich mich. Wir sind alle Zeitreisende. Das Dumme ist, dass wir immer nur in eine Richtung reisen können, voran und das Tempo können wir auch nicht bestimmen...“

Der Ich-Erzähler ...

„...Ein seltsames Gefühl beschlich mich. Wir sind alle Zeitreisende. Das Dumme ist, dass wir immer nur in eine Richtung reisen können, voran und das Tempo können wir auch nicht bestimmen...“

Der Ich-Erzähler ist 16 Jahre alt, als er am Grab seiner Mutter steht. Er wird ab sofort bei seinem Onkel Frank und den Cousins Bastian und Tobias wohnen. Bastian ist einige Jahre jünger als er, nett und hilfbereit. Tobias ist älter. Er gibt sich cool. Die Jungen haben viel Freiheit, müssen aber drei Regeln beachten: Pünktlichkeit, Sauberkeit, Verschwiegenheit. Auf der Kirmes beobachten sie Jules bei einem Motorradstunt. Der junge Mann lädt sie ein, ihn zu besuchen. Ab diesem Moment vermischen sich Realität und Fantasy.
Der Autor hat einen spannenden und abwechslungsreichen Roman geschrieben. Besonders den zweiten Hälfte des Buches sollte man mit Bedacht lesen, damit sich die komplexen Handlungsabläufe erschließen.
Der Schriftstil des Buches ist gehoben und ausgefeilt. Eingeflochten in die Handlung sind häufig fast philosophische Gedanken. Dazu gehört das Eingangszitat. Auch in einem tiefgreifenden Gespräch mit Jules geht es um solche Themen.

„...Vieles ist wichtig, Liebe, Freude, Glück, was auch immer du erfährst. Doch sie stehen alle draußen im Regen, wenn die Hoffnung dich verlässt. So lange noch da letzte Fünkchen da ist, wirst du leben und weitermachen...“

Anfangs ist der Ich-Erzähler ein ganz normaler Junge. Er versteht sich gut mit seinen Cousins. Sie unternehmen viel gemeinsam und bringen sich dabei selbst in Gefahr. Ihr Onkel wirkt seit Beginn eigenartig. Er sammelt alte Artefakte und benimmt sich wie ein Einzelgänger, der nur mit Seinesgleichen verkehrt. Dem Jungen gibt er eine Warnung mit auf den Weg:

„...Sollte jemals etwas von den Dingen in diesem Haus nach außen dringen und ich davon erfahren, dann werden die Folgen gravierend sein...“

Lange Zeit laufen Realität und Fantasy fast nebeneinander. Dann aber verschwimmt die Realität. Die Jahreszeiten wechseln unerwartet, Bilder aus der Vergangenheit werden lebendig. Immer weiter dringt der Erzähler in den Bereich der Kinder der Erde vor. Und dann muss er eine Entscheidung treffen, die sein Leben für immer verändern wird.
Häufig kurze Sätze, die Wahl prägnanter und passender Adjektive und die gekonnte Wiedergabe von Empfindungen und Stimmungen wie Angst, Dunkelheit, Hoffnung kennzeichnen den besonderen Stil des Buches. Hinzu kommen sehr exakte Ortsbeschreibungen.
Jedes Kapitel wird durch drei Worte beschrieben, die wie Schlagworte in das Geschehen einführen und den Kern des Abschnitts charakterisieren.
Die Handlung beginnt mit einem Gedicht. Am Ende erscheint das gleiche Gedicht auf Englisch.
Dann folgt das Hierarchiemodell der Kongregation der Zeit. In diese Fantasywelt führt mich der Autor hinein.
Anschließend darf ich noch eine Vignette lesen, die die Handlung in gewisser Weise fortsetzt, aber auch Ansätze für ein Danach enthält.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Der Autor versteht es, auf unnachahmliche Art eine komplexe Geschichte zu erzählen.