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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.12.2022

Gelungenes Debüt

Wen die Specht holt
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„...Keiner achtete mehr auf den Kleinsten unter ihnen, als die bucklige Gestalt gemächlich und völlig lautlos, im Vorübergehen, hinter einem der Bäume hervortrat. Ihr gekrümmter Frauenkörper war in alte ...

„...Keiner achtete mehr auf den Kleinsten unter ihnen, als die bucklige Gestalt gemächlich und völlig lautlos, im Vorübergehen, hinter einem der Bäume hervortrat. Ihr gekrümmter Frauenkörper war in alte Frauenkleider gehüllt...“

Die alte Frau ist die Specht. Lange galt sie in de Oberpfalz als Kinderschreck am Heiligabend. Der Prolog zeigt, wie das auf die Kinder wirkte. Mittlerweile aber sind einige Jahre vergangen. Das Kind von damals wurde zum Mann.
Die Autorin hat eine spannenden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Der Schriftstil passt zu den örtlichen Gegebenheiten. Auch mit der Mundart hatte ich kein Problem.
Mitten ins Krippenspiel platzt die Messnerin. Sie behauptet, die Specht habe einen Mann geholt. Die Massen strömen nach draußen. Dort hängt der Bürgermeister und seine Leiche ist so zugerichtet, wie man es die Specht nachsagt. Auch Kriminalhauptkommissar Kranzfelder ist zugegen.

„...Ach, bitte nicht! Nicht heute, nicht am Heiligabend und nicht in meinem Urlaub, dachte er sich mit jedem Schritt, den er dem Baum näher kam...“

Es bleibt ihm nichts übrig. Zusammen mit Klara Stern muss er den Fall lösen. Und das möglichst bis gestern, wenn es nach seinem Vorgesetzten ginge. Der allerdings lässt sich beim Weihnachtsessen nicht stören.
Schnell stellt sich heraus, dass der Bürgermeister nicht sehr beliebt war. Sein Prestigeobjekt, das neue Esoterikzentrum im Dorf, wird nicht von allen befürwortet.
Die Autorin lässt mich an den Ermittlungen teilnehmen, so dass ich immer auf den gleichen Stand bin wie die Kriminalisten. Die Gespräche mit der Ehefrau und weiteren möglichen Verdächtigen bringen aber wenig Licht ins Dunkel.
Ich mag die Sprachbilder, die ab und an mit einem feinen Humor versehen sind:

„...Seine Laune war gerade dabei, sich wie ein trotziges Kind mit Karacho gen Boden zu werfen, als er in der wuchtigen Kirchentür Pfarrer Markus entdeckt...“

Der ist alles andere als begeistert. Nicht nur, dass der Tote auf dem Kirchengrundstück hing, die erwartete Heiligsprechung im Ort kann keinen ungelösten Mord gebrauchen.
Sehr gut werden die Personen charakterisiert. Kranzfelder nimmt seine Arbeit ernst, lässt sich aber nicht gern drängeln. Mit leeren Magen geht schon mal gar nichts. Zugute kommt ihm, dass er alle und jeden im Dorf kennt und gleich die richtigen Worte findet. Seine Kollegin ist jung, engagiert und selbstbewusst.
Beide müssen tief graben, bevor sie die richtige Spur finden.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Dazu hat auch beigetragen, dass das Privatleben von Kranzfelder gekonnt eingebunden wurde.

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Veröffentlicht am 07.12.2022

Sehr lesenswert

Der rote Seidenschal
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„...“Ann, halt dich gerade!“ „Ja, Tante Adele.“ „Leg die Beine nicht übereinander!“ „Ja, Tante Adele.“...“

Mit diesen Worten beginnt ein spannender Roman. Ann ist seit ihrem 11ten Lebensjahr Waise und ...

„...“Ann, halt dich gerade!“ „Ja, Tante Adele.“ „Leg die Beine nicht übereinander!“ „Ja, Tante Adele.“...“

Mit diesen Worten beginnt ein spannender Roman. Ann ist seit ihrem 11ten Lebensjahr Waise und bei ihrer Tante Adele in Arizona aufgewachsen. Nun sind sie zu einer alten Dame unterwegs, die Tante Adeles Hilfe braucht. Glücklicherweise sitzt im Abteil eine weitere Frau, die Ann ihre Zeitschriften leiht, sehr zum Unmut von Tante Adele. Als diese Frau in Mesilla aussteigt, lässt sie ihren roten Seidenschal unter dem Platz liegen. Ann findet ihn und steigt aus dem Zug, um ihn ihr zu bringen.. Damit beginnt das Abenteuer ihres Lebens.
Die Autorin hat eine spannende Geschichte geschrieben. Es ist eine vorsichtige Neubearbeitung ihres Erstlingswerks. Informationen zu diesem Prozess gibt es im Nachwort.
Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.
Natürlich hat Ann den Zug verpasst. Der nächste fährt erst in drei Wochen. Was nun? Sie will ihre Freiheit genießen, sieht aber noch nicht die Gefahren. Da reitet ihr der Halbindianer Chee über den Weg, gerade als sie in einer kritischen Situation ist. Er will zu seiner Mutter, die zum Stamm der Apachen gehört. Ann überredet ihn, sie mitzunehmen.
Sehr bildhaft beschreibt Chee die Landschaft in den Jahreszeiten, als sich Ann zur Hitze äußert.

„...Der Winter ist sogar rau. Es schneit, es hagelt, eisiger Wind schneidet in die Haut wie mit Messern. Auf den Felsen liegt hoher Schnee...“

Was Ann so auf der Reise erlebt, soll nicht Inhalt dieser Rezension sein. Die Abenteuer sorgen für den hohen Spannungsbogen. Es sind aber die vielen Gespräche und die Emotionen der Protagonisten, die das Buch auszeichnen. So erklärt Chee Ann:

„...Wir sind hier in einer sehr unsicheren Gegend. In diesem Land ist jeder jedem verdächtig. Vorsichtig ist geboten bei jedem Wort, bei jeder Bewegung...“

Man kann es auch anders ausdrücken: Zuerst wird geschossen und dann gefragt, falls das noch möglich ist. Auch in der Tierwelt lauern Gefahren.
Chee ist der Sohn eines Amerikaners und einer Indianerin. Er lebt im Prinzip zwischen den Völkern. Das macht es für ihn nicht einfach. Gerade, wenn es mal wieder Kämpfe gibt, muss er sich entscheiden.
Ann erweist sich als zäh, mutig und entscheidungsfreudig. Doch es ist eine Freiheit auf Zeit. Ihr Zusammensein mit Chee hat keine Zukunft. Das wissen beide.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Neben der fesselnden Handlung macht die Autorin auch deutlich, dass Kriege nie die Lösung für das Zusammenleben von Völkern sind. Es sind nur wenige Gedanken dazu, die aber besonders eindringlich.

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Veröffentlicht am 06.12.2022

Eine etwas andere Familiengeschichte

Goldener Boden
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„...Gustav steht auf dem Platz vor der Halle und hat Angst. Den Koffer hält er in der Hand, das mit dem Federbett verschnürte Paket und die Geige in der anderen. Drei Gepäckstücke sind erlaubt...“

Gustav ...

„...Gustav steht auf dem Platz vor der Halle und hat Angst. Den Koffer hält er in der Hand, das mit dem Federbett verschnürte Paket und die Geige in der anderen. Drei Gepäckstücke sind erlaubt...“

Gustav ist 19 Jahre, als er in Amerika von Bord des Schiffes geht. Er wartet auf Max und Leon, mit denen er an Bord zusammen war. Leon kehrt in seine Heimat zurück, während für die beiden anderen das Abenteuer ihres Lebens beginnt.
Die Autorin hat einen gut recherchierten und spannenden historischen Roman geschrieben. Er geht über drei Generationen.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Er ist gut ausgearbeitet und gibt die historischen Gegebenheiten gekonnt wieder. Dazu gehört auch, dass die Verhältnisse in New York sehr anschaulich beschrieben werden. Die Stadt ist einer laufenden Veränderung unterworfen.
Es ist Eigeninitiative gefragt, um auf die Beine zu kommen. Von Vorteil ist, wenn man weiß, an wen man sich wenden kann. Landsleute halten zusammen. Gustav wird von der Kirche eine Arbeitsstelle ineinem Konfektionsgeschäft. Eine Unterkunft findet er bei einem Friseurmeister. Dort arbeitet Gustav anfangs in den Abendstunden nach seinem eigentlichen Job mit.

„...Gustav reinigt die Rasierpinsel und -schalen, schüttelt Servietten und Umhänge aus, putzt die Spiegel und kriegt dafür einen Dollar...“

Gustav erweist sich als findiger Kopf. Das nützt seinem Arbeitgeber, ihm weniger. Bald steht Gustav auch im Laden.
Nach dem Tode seines Bruders muss Gustav nach Deutschland zurückkehren, um seine Mutter zu unterstützen.
Jetzt macht die Geschichte einen großen zeitlichen Sprung. Als Leser erfahre ich, dass sich Gustav als Friseurmeister in Pommern selbstständig gemacht hat. Im Jahre 1935 aber hat seine Tochter Clara das Zepter in der Hand. Nun stehen die Kriegsjahre im Mittelpunkt. Clara hat vier Töchter. Ihr Mann Rudolf ist in das neue Regime eingebunden.

„...Dass Rudolf nicht in der SA mit marschiert, liegt an seiner Frau. Clara bremst ihn: „Zweimal die Woche Appell? Hast du nichts besseres zu tun?“...“

Clara gelingt mit ihren Töchtern rechtzeitig die Flucht nach Bad Bibra. Jetzt werden die Nachkriegsjahre lebendig. Rudolf bleibt erst einmal verschwunden. Clara, ganz Geschäftsfrau, hält sich mit Frisieren über Wasser. Ihr Vater geht ihr zur Hand, bleibt aber ansonsten im Hintergrund.
Dann kehrt Rudolf zurück. Ein Nachbar bekommt mit, dass er bei der SS war. Jetzt hilft nur die Flucht.
Wieder ist ein Neuanfang angesagt, dieses Mal in Kiel. Zunehmend bekommt das Handwerk goldenen Boden. Alle vier Töchter müssen Friseuse lernen. Ihre eigenen Träume zählen nicht. Und Gustav ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Clara hat das Sagen. Seine Erinnerungen an Amerika aber kann ihn niemand nehmen.
Beide Teile des Romans enthalten eine passende Karte und ein Personenverzeichnis.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeichnet anhand einer Familie wichtige Etappen der Geschichte des letzten Jahrhunderts nach.

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Veröffentlicht am 06.12.2022

Erlebnisse einer Schulanfängerin

Valentina Wiedehopf – Endlich Schulkind
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„...Es ist ihr erster richtiger Schultag. Sie war zwar schon im Schulgebäude mit ihren Eltern, Großeltern und ihrer Schultüte in den Händen, aber das war nur zur Probe...“

Valentina freut sich auf die ...

„...Es ist ihr erster richtiger Schultag. Sie war zwar schon im Schulgebäude mit ihren Eltern, Großeltern und ihrer Schultüte in den Händen, aber das war nur zur Probe...“

Valentina freut sich auf die Schule. Leider geht dort nicht alles glatt.
Die Autorin hat eine humorvolle Geschichte geschrieben. Große Schrift und kurze Sätze sowie klar gegliederte Absätze passen zur Zielgruppe.
Valemtina hat einen größeren Bruder. Der hat ihr zwar schon von der Schule erzählt, vieles ist ihr aber trotzdem neu. Valentina ist ein aufgewecktes Kind, kann aber schlecht mit Niederlagen umgehen. Ab und an hat sie ausgefallenen Ideen und einen Umgangston, mit dem ich mich nicht so anfreunden kann.
Schnell findet Valentina eine Freundin. Nur mit Tommy kommt sie nicht zurecht. Die beiden sind wie Hund und Katz.
Gut gefällt mir, wie die Lehrerin agiert. Sie versteht es, gekonnt mit Lob zu arbeiten und auch kleine Erfolge zu bewerten. Anfangs allerdings gilt es, Streitigkeiten in den Griff zu bekommen..

„...Das ist unsere zweite Regel! Wir lösen Konflikte nie mit Gewalt! Wir reden darüber...“

Schöne Illustrationen veranschaulichen die Geschichte. Positiv empfinde ich das Lesebändchen im Kinderbuch.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 05.12.2022

Wenn alte Wunden aufbrechen...

Weltfrieden
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„...Und mit den Erinnerungen war auch wieder etwas von damals zu spüren, etwas, womit sie nicht mehr gerechnet hatte: die Angst der Ohnmacht...“

Wir befinden uns 10 Jahre nach der Wende in einem kleinen ...

„...Und mit den Erinnerungen war auch wieder etwas von damals zu spüren, etwas, womit sie nicht mehr gerechnet hatte: die Angst der Ohnmacht...“

Wir befinden uns 10 Jahre nach der Wende in einem kleinen Dorf in Brandenburg. Das Grundstück des ehemaligen Kindergartens soll verkauft werden. Erika und Hermann kümmern sich seit einiger Zeit um die Ferienhäuser am See. Ihnen wird angeboten, auch den Kindergarten und dessen Umfeld in Ordnung zu bringen. Und plötzlich ist die Vergangenheit wieder lebendig, eine Vergangenheit, die tiefe Wunden geschlagen hat.
Die Autorin hat einen sehr stimmigen Roman geschrieben. Sie lässt dabei verschiedene Genrationen zu Wort kommen und zeigt auf, was damals alles schief gelaufen ist.
Der Schriftstil gibt die Gefühle der Protagonisten sehr gut wieder.

„...Systeme kamen und gingen. Sie kannte Menschen, die in der DDR glücklich gewesen waren, und sie kannte welche, die das System erdrückt hatte. Wozu darin rumwühlen?...“

Joppe gehörte zu den Menschen, die auch in der DDR den Finger in die Wunde legten. Trotzdem stand er seinen Mann im Betrieb. Doch nach der Wende sprach er kaum noch. Dafür gab es mehrere Gründe.
Die Protagonisten haben im alten Laborwerk gearbeitet. Das wurde von heute auf morgen geschlossen. Die Leute standen auf der Straße, egal, ob Arbeiter oder Wissenschaftler. Erika und Hermann gehören zu denen, die geblieben sind und sich eine neue Existenz aufgebaut haben. Els war gegangen – und ist zurückgekommen, um andere zurück zu holen. Ihr Kiosk ist Anlaufpunkt für alle, die reden wollen. Ihre Maxime lautet:

„...Wo nüscht is, kann immer noch viel entstehen!...“

Heike, die Tochter von Erika und Hermann, ist nach Berlin gegangen.
Beim Aufräumen des Grundstücks entdecken sie eine alte Grube. Dort kommen Dokumente zutage, die ein völlig neues Bild ergeben. Das Ende des Werkes hat einigen Leuten viel Geld in die Taschen gespült. Es wurde betrogen und getrickst.
Diejenigen, die von der alten Belegschaft noch da sind, setzen sich zusammen. Als einer der damaligen Gewinner vor dem Haus steht, nimmt der Fall eine unerwartete Wendung. Wieder bringt es Els auf den Punkt:

„...Wer über Leichen geht, muss auch damit rechnen, dass sie einen eines Tages am Knöchel packen...“

Die Geschichte über weite Strecken sehr realistisch erzählt. Deutlich wird, dass auch diejenigen, die gegangen sind, ihre Probleme hatten. Jeder Neuanfang wird auf seine Art von der Vergangenheit geprägt. Bei Joppe klingt das so:

„...Wir wollten keinen Wohlstand geschenkt. Wir wollten eine Chance...“

Und die haben sie sich nun genommen. Plötzlich ist der alte Stolz wieder da. Sie sehen ihre Zukunft mit neuen Augen. Äußerlich hat sich nicht viel geändert, aber im Innern eines jeden.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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