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Veröffentlicht am 11.01.2022

Aschenputtel 2.0 und doch super

Bridgerton – Wie verführt man einen Lord?
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„Wie verführt man einen Lord?“ ist bereits der dritte Streich in der Bridgerton-Reihe von Julia Quinn, die große Bekanntheit erlangt hat, weil das Produktionslabel Shondaland sich der Vorlage für eine ...

„Wie verführt man einen Lord?“ ist bereits der dritte Streich in der Bridgerton-Reihe von Julia Quinn, die große Bekanntheit erlangt hat, weil das Produktionslabel Shondaland sich der Vorlage für eine Adaption bei Streamingdienst Netflix angenommen hat. Während die ersten beiden Bände von der Art her doch sehr ähnlich aufgebaut waren, setzt sich der dritte Band erfreulich deutlich davon ab. Auch wenn gegen das bislang gewählte Muster von früher Heirat und dann erst richtige Liebesgeschichte per se nichts einzuwenden ist, so hätte ich es doch eintönig gefunden, immer nur ein Muster literarisch verarbeitet zu sehen. Dafür wurde sich für das erste Drittel aber bei etwas anderem einiges abgeguckt: Aschenputtel.

Als Protagonistin haben wir Sophie, die unehelich geboren wurde, aber von ihrem Vater nach dem Tod der Mutter wenigstens bei sich aufgenommen wurde, wenn sie auch nicht als leibliches Kind anerkannt worden ist. Das wird zum großen Problem, als Achtung die Stiefmutter mit den zwei Stiefschwester auftauchen. Während die eine Tochter, Posy, noch etwas auszunehmen ist, sich aber nur spärlich gegen den Einfluss von Mutter und Schwester wehren kann, sind die anderen beiden wirklich zwei Figuren, die man aus den Seiten streichen würde, weil sie so unerträglich sind. Als der Vater dann auch noch stirbt, fängt das Schlimmste gerade erst an. Schließlich kommt dann noch das letzte Aschenputtel-Motiv, denn Sophie schleicht sich – unterstützt vom anderen Hauspersonal – auf einen Maskenball der Bridgertons und lernt dort den zweiten Bruder, Benedict, kennen. Es ist eine wirklich schön erzählte erste Begegnung, denn man merkt, dass es wirklich Liebe auf den ersten Blick ist. Von gesellschaftlichen Standards ist da erstmal keine Spur, weswegen diese Begegnung auch so rein ist. Auch wenn gerade Sophie natürlich Geheimnisse ohne Ende hat, so begegnen sie sich dennoch charakterlich ehrlich, was diesen Moment in der Magie noch verstärkt.

Zwar kommt hinterher nicht raus, dass Sophie auf dem Ball war, aber ihre Stiefmutter findet heraus, dass sie ihre Schuhe benutzt hat und setzt sie auf die Straße. Hier beginnt nun das zweite Drittel des Buchs, das sich dann doch endgültig von der Aschenputtel-Nacherzählung löst. Nach einem zweijährigen Zeitsprung treffen Sophie und Benedict wieder aufeinander, er erkennt sie natürlich nicht, aber wo Liebe ist, da ist eben die Liebe, so dass sie sich so oder so zueinander hingezogen fühlen. Während mir bei den anderen beiden Bänden der Auslöser für die dramatische Stolperstelle des Liebesglücks immer etwas zu künstlich aufgebauscht wurde, passt hier alles wunderbar. Denn dass Sophie sich so heftig wehrt, Benedicts Mätresse zu werden, ist aus ihrer Sicht völlig nachzuvollziehen. Sie will sich nicht zu einem Leben verpflichten, das ihre Mutter schon geführt hat und dass sie als ihre Tochter letztlich ins Unglück gestürzt hat. Dadurch ergibt sich zwischen den beiden als Figuren natürlich ein stetiges Spielchen, das auch zu überzeugen weiß, denn die Chemie stimmt nach wie vor überirdisch.

Es ist auch ein toller Schachzug, dass Sophie auf Benedicts Intervention hin bei seiner Mutter Violet angestellt wird. Denn in den ersten beiden Bänden sind die Bridgertons geballt nur sehr rar zusammen aufgetreten, aber hier haben bis auf Gregory alle ihre Auftritte und gerade die Teenachmittage mit den Damen des Hauses hat ein gutes Gefühl für diese gegeben, was wir schon längst durch die Serie vermittelt bekommen haben, aber nun auch endlich in Buchform präsentiert bekommen. Hier haben die einzelnen Bestandteile also diesmal echt gut zusammengepasst. Natürlich wird der Konflikt zwischen Benedict und Sophie am Ende aufgelöst, aber der Weg dahin ist nicht einfach. Ich finde es wirklich überzeugend, wie hier die damalige Ständegesellschaft konsequent übertragen wurde.

Fazit: „Wie verführe ich einen Lord?“ ist tatsächlich bislang mein liebster Band aus der Bridgerton-Reihe. Zwar wird zunächst Aschenputtel nacherzählt, aber dennoch fand ich das charmant und doch individuell gemacht. Individualität ist sowieso ein gutes Stichwort, da Benedict und Sophies Geschichte sich deutlich von denen davor unterscheidet. Alles wirkt natürlicher und vor allem auch die Bridgertons insgesamt werden in ihrem Miteinander sympathisch dargestellt. Hätte ich mich nicht durch die Serie schon längst in sie als Familie verliebt, dann wäre das in der Buchreihe jetzt der Fall gewesen.

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Veröffentlicht am 09.01.2022

Zu ärgerlich an einigen Stellen

Der Herzgräber
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Bei „Der Herzgräber“ habe ich gerne mal wieder bei einer für mich im Thrillergenre neuen Autorin zugeschlagen. Jen Williams kommt eigentlich aus der Fantasy, hat sich jetzt also in einem für sie neuen ...

Bei „Der Herzgräber“ habe ich gerne mal wieder bei einer für mich im Thrillergenre neuen Autorin zugeschlagen. Jen Williams kommt eigentlich aus der Fantasy, hat sich jetzt also in einem für sie neuen Genre ausprobiert. Ich wiederum lese leider nicht mehr so viele Krimis/Thriller, weswegen ich dann oft eher auf Reihen oder mit bekannte Namen zurückgreife, aber hier hat mich die Beschreibung sowie die Tatsache, dass es ein Standalone ist, sehr gereizt. Aber leider hätte ich mir das Ausprobieren mit Williams vielleicht doch besser gekniffen.

Was ich Williams gleich am Anfang lassen will, das ist das Erschaffen einer perfekten düsteren Atmosphäre. Von Anfang an schwebte etwas über der Geschichte, was gut gepasst hat. Auch der Stil ist gut; man hält sich nicht lange an einzelnen Sätzen auf, gleitet regelrecht durch das Geschehen, so dass es auch ein wirklich flottes Lesevergnügen ist. Bei Thrillern im Prinzip auch ein MUSS. Dazu fand ich auch viele inhaltliche Ansätze wirklich gut. Williams hat auf klassische Ermittlungen verzichtet, stattdessen ihre Protagonistin Heather, die eine ehemalige investigative Journalistin ist, nach Antworten suchen lassen. Auch die Mordmethode und die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, das hat sich alles gut angelesen. Auch nach Abschluss des Buchs finde ich eigentlich, dass es viele gute Ideen gab, die auch zu Ende geführt wurden, aber leider auch nicht alle.

Dennoch kann diese vielversprechenden Anzeichen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es beim Rest sehr viel zu ärgern gibt. Dementsprechend war es eigentlich gut, dass das Lesen so flott ging, denn so hatte ich nicht so viel Zeit, um mich zu ärgern. Spätestens, als ich alles aber dann noch einmal habe rekapitulieren lassen, war dann nicht mehr zu verbergen, was im Argen lag. Leider kann ich nicht endgültig beurteilen, ob es für Williams einfach noch Anlaufschwierigkeiten in einem neuen Genre sind, ob es generell ihre Stilistik ist, die ich nur nicht kenne oder ob ich vielleicht auch einfach einiges nicht so verstanden habe, wie sie es als Erzählerin intendiert hat. Am auffälligsten war sicherlich Heather, denn durch sie haben wir die Geschichte begleitet, doch sie war absolut keine Figur, auf die man sich wirklich einlassen konnte. Kam sie anfangs noch etwas ängstlich rüber, so wurde sie zunehmend zu einer echten Nervensäge. Sie erlebt schaurige Dinge, redet mit niemandem drüber. Sie verführt einen Polizisten und gibt sich dann ständig beleidigt, wenn er nicht so springt, wie sie es gerne hätte. Dazu verhält sich auch der Polizist selten dämlich, so dass ich wirklich an einigen Stellen dachte: wie realistisch ist der Schmarrn hier eigentlich gerade? Später kam noch hinzu, dass Heather durch ihr Schweigen extrem verantwortungslos gehandelt hat. Es gab also wirklich viel mit ihrer Figur zu fluchen und dadurch, dass sie die Geschichte so dominiert hat, konnte vieles vielleicht auch nicht die Wirkung entfalten, weil sie mit ihrem Eindruck alles überschattet hat. Aber insgesamt ist doch auch auffällig, dass richtig sympathische Figuren die extreme Seltenheit waren.

Fazit: „Der Herzgräber“ ist leider keine Thrillerlektüre, bei der ich eine Leseempfehlung aussprechen würde. Es gibt zwar spannende inhaltliche Ansätze und der Lesefluss ist auch zufriedenstellend, doch in der Umsetzung, vor allem von der Hauptfigur her, wurden leider viele falsche Entscheidungen getroffen. So wurde es zwischendurch mehr Ärgern als Spekulieren, wie es wohl ausgehen könnte.

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Veröffentlicht am 02.01.2022

Macht Lust auf Staffel 2 mit Anthony und Kate

Bridgerton – Wie bezaubert man einen Viscount?
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Julia Quinn wird bis 2020 nur einer eingeschworenen Fangemeinde ein echter Begriff gewesen sein, aber die Autorin von historischen Liebesromanen ist dank des riesigen Erfolgs von „Bridgerton“ bei Netflix ...

Julia Quinn wird bis 2020 nur einer eingeschworenen Fangemeinde ein echter Begriff gewesen sein, aber die Autorin von historischen Liebesromanen ist dank des riesigen Erfolgs von „Bridgerton“ bei Netflix inzwischen weltweit bekannt. Auch wenn ihre Buchreihe zu den Bridgerton-Geschwistern eine tendenziell losere Vorlage ist, war es spannend, nach der ersten Staffel auch den ersten Roman der Reihe zu lesen, der in Deutschland wieder neu unter „Der Duke und ich“ aufgelegt wurde. Bevor nun für März 2022 die zweite Staffel angekündigt ist, wollte ich den Spieß diesmal umdrehen und zuerst zu Band 2, „Wie bezaubert man einen Viscount?“ greifen. Es war auf jeden Fall auch wieder ein echt anderes Lesevergnügen, denn von den meisten Figuren schon ein Bild vor Augen zu haben, macht es zu einem ganz speziellen Leseprozess.

Was schnell augenscheinlich ist: Quinn hat offenbar eine Art, sehr gekünsteltes Drama sich auszudenken, um dem ausgewählten Liebespaar das ewige Glück nicht gleich zu gönnen. Während es in Band 1 für den Duke das Versprechen an seinen Vater war, von dem er aus Wut nicht abweichen wollte, ist es hier für Anthony die Überzeugung, nicht älter als sein Vater werden zu können. Das sind schon Ausgangslagen, bei denen man vor Staunen mal schlucken muss. Natürlich könnte man noch den historischen Kontext heranziehen, gerade das Verhalten des Dukes lässt sich damit erklären, aber die Überzeugung, kein echtes Glück erfahren zu dürfen, da man eh nicht mehr lange zu leben hat, das ist doch eher an den Haaren herbeigezogen. Auch ansonsten kann man eine sehr ähnliche Struktur zum ersten Buch feststellen, denn es geht um Eheschließung zwischen Liebenden, die aber nicht einfach der Natur nach geschlossen werden, sondern den gesellschaftlichen Zwängen nach. Es ergibt für die generelle Stilistik der Reihe natürlich Sinn, aber ich bin gespannt, ob wir in der Buchreihe noch einmal etwas anderes erleben werden.

Aber abgesehen von diesen Gemeinsamkeiten entwickelt der zweite Band dennoch seinen ganz eigenen Charakter und das liegt sicherlich auch daran, dass Anthony ein ganz eigener Kopf ist und wir mit Kate und ihrer Familie ganz neue Figuren präsentiert bekommen, die erst charakterlich eingeführt werden müssen. Die Familiendynamik dort ist wirklich herzallerliebst, denn normalerweise lädt das Stiefmutter-Szenario zu gewissen Vorurteilen ein, aber dem ist hier erfreulicherweise nicht so. Aber nicht nur Kate und ihre zweite Mutter sind interessant, sondern auch sie und ihre Schwester, die ein wirklich liebevolles Duo abgeben. Es war zudem erfrischend, dass Edwina nicht gleich als klassisches Dummchen dargestellt wurde, um so Kate in ein besseres Licht zu rücken. Sie mag naiver sein, aber sie ist dennoch vor allem jemand mit einem eigenen Kopf, sie ist sehr gebildet und sie sucht gleichrangige Erquickung. Damit steht sie doch auch für eine moderne Frau. Dennoch steht sie natürlich hinter Kate zurück, wenn auch nicht in Sachen in Schönheit. Ich finde es zwar immer zweifelhaft, wenn immer so sehr die Schönheit betont werden muss, ob sie denn nun da ist oder doch nicht, aber gut, Kate lässt sich davon ja nicht völlig erniedrigen und sie bewahrt sich auch ihr Selbstbewusstsein, obwohl schon oft zurückgewiesen.

Das führt zu einer interessanten Paarung zwischen Anthony und Kate, denn die beiden können sich bis aufs Blut reizen, aber gleichzeitig dabei immer beweisen, dass sie miteinander auf einer Augenhöhe sind. Es ist lustig, in was für unterschiedlichen Situationen sie aufeinandertreffen und wie sehr auch Colin seine Finger im Spiel hat. Ansonsten ist aber auch wieder augenscheinlich, dass es fast nur um die beiden als Paar geht. Die meisten Geschwister werden nur mal kurz erwähnt, Daphne und der Duke haben noch einmal ein etwas längeres Gastspiel, aber ansonsten eigentlich nur Colin. Dementsprechend bin ich jetzt schon wieder sehr auf die zweite Staffel gespannt, denn die Serie hat schon bewiesen, viel breiter die Handlung darzulegen und ich will auch wissen, wie es für die anderen weitergeht. Natürlich bin ich auch speziell auf die Umsetzung einiger Szenen gespannt, hoffend, dass diese auch aus dem Buch übernommen werden, wie beispielsweise die Spielsequenzen, die sooo interessant klangen.

Fazit: Der zweite Band der Bridgerton-Reihe, „Wie bezaubert man einen Viscount?“, ist schematisch sehr ähnlich zum ersten Band, inhaltlich manchmal arg an den Haaren herbeigezogen und dasselbe Hochzeitsschema. Ansonsten entwickeln aber Anthony und Kate eine ganz eigene Liebesgeschichte, die in Erinnerung bleibt. Nun bin ich gespannt, wie das in der Serienadaption alles umgesetzt wird.

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Veröffentlicht am 02.01.2022

Wohlfühlatmosphäre mit durchschnittlicher Liebesgeschichte

All You Wish For
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Mit „All You Wish For“ entführt uns Samantha Young ins beschauliche England und bietet im Gegensatz zu so manch anderer Reihe von ihr oder im Gegensatz zu diversen Standalones diesmal eher eine „biedere“ ...

Mit „All You Wish For“ entführt uns Samantha Young ins beschauliche England und bietet im Gegensatz zu so manch anderer Reihe von ihr oder im Gegensatz zu diversen Standalones diesmal eher eine „biedere“ und süße Liebesgeschichte. Ich finde es immer wieder schön, dass Young beides kann, denn so ist für jeden Geschmack oder je nach Laune etwas dabei, denn die Autorin kann auch beides gleichermaßen. Zudem ist diese Art von Liebesgeschichte auch passend für das Setting der Geschichte sowie auch den ganzen Handlungen drum herum.

Die Ausgangslage des Buchs finde ich spannend, denn für einige Monate einen Buchladen zu übernehmen, das klingt wirklich reizvoll, wahrscheinlich würde ich mit einem solchen Gedanken tatsächlich länger spielen. Aus dem Nachwort von Young kann man auch entnehmen, dass sie eine solche Annonce tatsächlich gesehen hat und ich kann verstehen, dass das gleich die Inspirationen fließen lässt. Aber auch abseits davon fand ich es nachvollziehbar dargelegt, warum Evie sich von Chicago abwendet, um gen England zu reisen. Wer kennt es in einem gewissen Alter nicht, wo die Erwartungen der Gesellschaft Überhand nehmen und man den Eindruck hat, man müsste schon längst das und das das erreicht haben und verliert sich dabei aber selbst. Deswegen fand ich es toll, dass Evie die Reißleine gezogen hat, um woanders sich selbst zu finden. Zwar war es manchmal anstrengend, wie sehr sie sich in England in die Angelegenheiten anderer eingemischt hat und ich dadurch stellenweise das Gefühl hatte, dass ihre eigene Geschichte irgendwie auf der Strecke bleibt, aber in der Gesamtsicht hat sich auch erklärt, wie sehr das eben ihre Persönlichkeit ausgemacht hat und was sie daraus lernen konnte.

Insgesamt gab es einige Stellen in dem Buch, wo ich merkte, dass ich etwas zur Weißglut getrieben werde, zum Beispiel, wenn Evie immer wieder dasselbe Gespräch mit ihrer besten Freundin führt, zwischen Vorwürfen, Eifersüchteleien und dann doch wieder Liebesbekundungen oder aber wenn Evie eigentlich immer darüber hinwegging, dass Roane das Gespräch gesucht hat. Andererseits fand ich es am Ende wieder extrem gut gemacht, dass die Geschichte viel Selbstreflexion beweist. Nach dem großen Knall liegt zwar zunächst alles in Trümmern, aber die werden auch wieder aufgehoben und neu verarbeitet und Evie stellt sich dann auch den Fehlern, die sie gemacht hat und nicht nur die der anderen. Das hat am Ende das Ruder wieder nötigerweise rumgerissen, denn ja, gewisse Strukturen nerven mich schneller schon mal, vor allem wenn sie wiederholt auftauchen und man am liebsten schreien würde, dass doch alles auf dem Silbertablett bereitliegt.

Zudem ist es leider nicht so, dass die Liebesgeschichte zwischen Evie und Roane mich vollends mitgerissen hat. Durch diese anfängliche Freundschaftsbarriere ist zu lange alles auf Sparflamme, was bedeutet, dass die Liebesgeschichte nicht richtig in Gang kommen wird. Zwar mochte ich beide für sich gerne und auch zusammen hatten sie vor allem später natürlich etwas sehr süßes, aber dennoch war es nicht so ein Wow-Paar, wie ich es von Young aber oft genug bekommen habe. Dennoch hat mich die Offenbarung rund um Roane am Ende überrascht. Trotz gestreuter Hinweise, dass es ein Geheimnis gibt, ist es doch gelungen, das ganze Ausmaß lange geheim zu halten, das war wieder ein Pluspunkt.

Fazit: „All You Wish For“ ist eine durchschnittliche Liebesgeschichte von Young geworden, die in einer tollen Kulisse in England spielt und schnell ein Gefühl von Heimat verbreitet. Auch die sich dort ereignenden Geschichten verstärken dieses Gefühl. Insgesamt ist vieles wirklich sehr gut gestaltet worden, aber gewisse inhaltliche Wiederholungen und leider keine Wow-Liebesgeschichte haben es mir nicht möglich gemacht, höher als eine Durchschnittsbewertung zu gehen. Dennoch eine Geschichte, bei der man wunderbar abschalten kann.

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Veröffentlicht am 27.12.2021

Erneut mutig mit außergewöhnlichem Thema

Still With You
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Morgane Moncomble hat sich in den letzten Jahren bei mir als Muss-Autorin etabliert, auch weil ich finde, dass sie sehr wandelbar in ihren Erzählungen ist, was Handlungsorte geht, inhaltliche Schwerpunkte, ...

Morgane Moncomble hat sich in den letzten Jahren bei mir als Muss-Autorin etabliert, auch weil ich finde, dass sie sehr wandelbar in ihren Erzählungen ist, was Handlungsorte geht, inhaltliche Schwerpunkte, aber auch die Bereitschaft, dorthin emotional hinzugehen, wo es schon mal wehtun kann. Mit „Still With You“ ist ihr neustes Werk erschienen, das gleich zwei Aspekte in sich vereint hatte, die ich doch sehr, sehr spannend fand.

Zum einen spielt „Still With You“ in einem Akrobatik-Setting, was ich so noch nicht gelesen habe. Man hat richtig herausgelesen, dass auch die Autorin selbst eine Leidenschaft für dieses Thema hat, denn die Beschreibungen, wie Lara und wie schließlich Lara und Casey trainieren, sehr bildlich waren. Die Akrobatik war also nicht nur eine nette Verpackung, sondern tatsächlich fein herausgearbeitet. Damit verbunden war schließlich auch das Thema Body Positivity, denn Lara ist kurvig, etwas übergewichtig und schwankt zwischen horrendem Selbstbewusstsein und tiefer Scham für ihr Äußeres, was immer wieder durch ihre Mutter und deren Kommentare ausgelöst wird. Auch wenn es inzwischen immer mehr Bücher zu diesem Thema gibt, so ist es alles in allem doch sehr ausbaufähig. Die weiblichen Hauptfiguren, aber auch die männlichen (hier ist es wegen NA und eher weiblichen Zielgruppe noch völlig unterentwickelt) müssen nicht immer Gardemaß haben, weswegen es doch immer sofort ins Auge fällt, wenn abseits von einem schlanken Aussehen etwas betont wird. Doch nicht jeder Autorin oder jedem Autor gelingt die Darstellung auch überzeugend. Moncomble hat aber einen guten Weg gefunden, den inneren Kampf von Lara gut darzulegen.

Schließlich haben wir auch noch das Thema von mentaler Gesundheit, das Moncomble schon auf vielfältige Art und Weise dargelegt hat. Das Buch ist in diese Richtung lange versteckt geschrieben. Es geht für Lara lange erstmal nur darum, dass sie eben von ihrer Mutter vermittelt bekommt, nicht schlank genug zu sein, dass sie sich immer gegenüber ihrer Zwillingsschwester etwas zurückgesetzt gefühlt hat. Natürlich gibt es den Prolog, der sehr mysteriös geschrieben ist, aber sie wirkte mindestens die Hälfte des Buchs doch sehr mit sich im Lot. Irgendwann kommt dann der Bruch, wo man deutlich merkt, hier stimmt etwas nicht. Autismus, Depressionen, all solche Themen habe ich literarisch schon mal verpackt gesehen, aber Laras Krankheitsbild war doch völlig neu für mich, weswegen das gemeinsame Erlebnis mit ihr natürlich umso heftiger war. Ich fand es daher sehr mutig von Moncomble, so eine Thematik zu wählen. Ich habe zwar gemerkt, was übrigens für die Autorin schon ein wenig typisch ist, dass das Gewichtung der Dramatik sehr extrem war. Während der erste Teil doch etwas vor sich hinplätscherte, dafür aber mehr für die Liebesgeschichte tat, die wirklich als süß zu bezeichnen ist, war die zwar Hälfte schon fast zuschnürend. Auch wenn das das Lesevergnügen nicht „kaputt macht“, so ist es doch etwas ungünstig, wenn der Spannungsbogen so ungleichmäßig auf die Erzählung verteilt ist.

Das Krankheitsbild von Lara ist aus ihrer Sicht extrem beeindruckend dargestellt worden, weil wir ja durch ihre Perspektive ein Teil davon waren. Wir haben nicht nur auf sie geguckt, sondern in sie. Was dabei aber etwas vernachlässigt wurde, waren schließlich die Perspektiven der anderen. Casey hat hinter Lara irgendwann deutlich zurückstecken müssen, obwohl seine Zukunftssorgen genauso ein interessantes Thema waren. Die Eltern sind sogar teilweise regelrecht stereotyp und ignorant dargestellt worden. Selbst als Lara für alle deutlich sichtbar die Abwärtsspirale genommen hat, war kaum bis gar kein Verständnis davon zu erwarten. Das ist zwar nicht unrealistisch, das gibt es wirklich, das ist mir bewusst, es hat mich aber dennoch extrem geärgert. Aber selbst Zwillingsschwester Amelia, die zwar das Gespür hatte, irgendetwas stimmt nicht, wirkte doch lange viel zu passiv. Das war schade, weil ich mir bei so einem speziellen Krankheitsbild doch mehr Auseinandersetzung aus unterschiedlichen Perspektiven gewünscht hätte. Alles in allem ist das aber Klagen auf hohem Niveau.

Fazit: „Still With You“ ist erneut ein zufriedenstellendes Endergebnis aus der Feder der Französin Moncomble. Sie wagt sich an außergewöhnliche Themen, oft vielleicht eine Spur zu dramatisch, was der Geschichte dann ein Ungleichgewicht gibt, aber dafür akribisch, so dass wirklich alle auf eine Reise mitgenommen werden. Die Geschichte von Lara sowie die Einbettung in die Zirkusakrobatik wird mir jedenfalls noch lange in Erinnerung bleiben.

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