Mitreißende Verflechtung von Fiktion und Realität
Never DoubtDas Verhältnis von mir zu Autorin Emma Scott ist noch etwas zwiespältig. Mit „All In“ hat sie ohne Frage bewiesen, dass sie emotionale NA-Lektüre großartig kann. Klar habe ich danach alles von ihr gelesen, ...
Das Verhältnis von mir zu Autorin Emma Scott ist noch etwas zwiespältig. Mit „All In“ hat sie ohne Frage bewiesen, dass sie emotionale NA-Lektüre großartig kann. Klar habe ich danach alles von ihr gelesen, aber gerade in ihren Dilogien hat sich immer wieder gezeigt, dass sie die Qualität nicht durchgängig halten kann. Dann sind die Bücher wahrlich nicht schlecht, aber wenn man „All In“ im Hinterkopf hat, dann sind Vergleiche auch einfach fies. Deswegen lese ich auch immer weiter, denn man kann ja schlecht anhand des Covers beurteilen, ob es jetzt „All In“ 2.0 oder doch eher Durchschnitt ist. Wie sieht es nun mit „Never Doubt“ aus?
Ich fand schon den Einstieg unheimlich einnehmend. Zuerst den Prolog, wo Willow von dem weisen Rat ihrer Oma berichtet, der für sie und ihre Erfahrungen jedoch kaum noch umzusetzen ist. Je mehr wir dann in ihr Leben eintauchen, desto mehr hat es mich geschüttelt, weil die Erfahrungen der Vergewaltigung so realistisch bei Willow dargestellt wurden. Man konnte sich daher vom ersten Augenblick an in die Protagonistin hineinversetzen, was definitiv das größte Geschenk in so einer Geschichte ist. Ich habe es mit den männlichen Protagonisten oft einfach als mit den weiblichen, aber zwischen mir und Willow passte es von Anfang an und ich habe durchgängig mit ihr gelitten, geliebt und gelebt.
Isaac stand Willow natürlich in nichts nach. Er war genau der sensible, tiefgründige, empathische Gegenpart, den sie so dringend brauchte, aber umgekehrt hat er sie genauso gebraucht, wie sie ihn. Ich fand die Chemie der beiden also von Anfang an gut und vor allem während der Theaterproben war ein richtiges Funken zu spüren. Was ich ebenfalls positiv festhalten möchte, ist, dass ich es sehr angenehm fand, in welchem Maße hier die sexuellen Aspekte gesteuert worden sind. Scotts Art mit Sexszenen ist mir manchmal etwas zu derb und übertrieben für solch emotionalen Geschichten, aber hier fand ich es wunderbar gesteuert, denn nach einer Vergewaltigung braucht es einfach Fingerspitzengefühl.
Neben dieser tollen Paarung war mein eigentliches Highlight für mich aber diese wunderbare Verflechtung von Fiktion und Realität (die natürlich für uns Leser auch wiederum Fiktion ist). Es war richtig passend, wie sehr die ausgewählten Theaterstücke und auch der Vorsprechtext von Willow auf die Handlung passte, weswegen aufgesagte Zeilen und Erfahrungen in der eigenen persönlichen Welt sich auch jeweils die Hand geben konnten. Das war eine besondere Erfahrung für mich, weil es auch zeigt, wie gut Scott ihre Geschichte durchdacht hat. Es unterstreicht aber auch, dass Klassiker zeitlos sein können und noch so fern von unserer Realität wirken können, um dann doch wie die Faust aufs Auge zu passen.
Mit der erzwungenen Trennung von Willow und Isaac war leider ein Punkt in der Geschichte erreicht, wo ich die Entwicklungen etwas übertrieben fand. Das Drama wurde hier in einem Maße auf die Spitze getrieben, dass es sich eher von der Realität entfernte. Es wirkte leider zu gekünstelt, zumal mir spontan zig Wege eingefallen wären, wie man die Teilhandlungen viel natürlicher zum selben Ende hätte bringen können. Aber das Ende war dennoch perfekt für diese Geschichte und das zählt.
Fazit: „Never Doubt“ gehört in meinen Augen zu den stärkeren Werken von Emma Scott, denn das Paar hat eine besondere Chemie, Willows Geschichte ist extrem einnehmend und die Verwebung von Theaterstück und Lebenswelt war exzellent. Nur am Ende wurde es etwas zu dramatisch, das hat nicht zu dem sonstigen Ton der Erzählung gepasst.