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Veröffentlicht am 25.08.2020

Mitreißende Verflechtung von Fiktion und Realität

Never Doubt
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Das Verhältnis von mir zu Autorin Emma Scott ist noch etwas zwiespältig. Mit „All In“ hat sie ohne Frage bewiesen, dass sie emotionale NA-Lektüre großartig kann. Klar habe ich danach alles von ihr gelesen, ...

Das Verhältnis von mir zu Autorin Emma Scott ist noch etwas zwiespältig. Mit „All In“ hat sie ohne Frage bewiesen, dass sie emotionale NA-Lektüre großartig kann. Klar habe ich danach alles von ihr gelesen, aber gerade in ihren Dilogien hat sich immer wieder gezeigt, dass sie die Qualität nicht durchgängig halten kann. Dann sind die Bücher wahrlich nicht schlecht, aber wenn man „All In“ im Hinterkopf hat, dann sind Vergleiche auch einfach fies. Deswegen lese ich auch immer weiter, denn man kann ja schlecht anhand des Covers beurteilen, ob es jetzt „All In“ 2.0 oder doch eher Durchschnitt ist. Wie sieht es nun mit „Never Doubt“ aus?

Ich fand schon den Einstieg unheimlich einnehmend. Zuerst den Prolog, wo Willow von dem weisen Rat ihrer Oma berichtet, der für sie und ihre Erfahrungen jedoch kaum noch umzusetzen ist. Je mehr wir dann in ihr Leben eintauchen, desto mehr hat es mich geschüttelt, weil die Erfahrungen der Vergewaltigung so realistisch bei Willow dargestellt wurden. Man konnte sich daher vom ersten Augenblick an in die Protagonistin hineinversetzen, was definitiv das größte Geschenk in so einer Geschichte ist. Ich habe es mit den männlichen Protagonisten oft einfach als mit den weiblichen, aber zwischen mir und Willow passte es von Anfang an und ich habe durchgängig mit ihr gelitten, geliebt und gelebt.

Isaac stand Willow natürlich in nichts nach. Er war genau der sensible, tiefgründige, empathische Gegenpart, den sie so dringend brauchte, aber umgekehrt hat er sie genauso gebraucht, wie sie ihn. Ich fand die Chemie der beiden also von Anfang an gut und vor allem während der Theaterproben war ein richtiges Funken zu spüren. Was ich ebenfalls positiv festhalten möchte, ist, dass ich es sehr angenehm fand, in welchem Maße hier die sexuellen Aspekte gesteuert worden sind. Scotts Art mit Sexszenen ist mir manchmal etwas zu derb und übertrieben für solch emotionalen Geschichten, aber hier fand ich es wunderbar gesteuert, denn nach einer Vergewaltigung braucht es einfach Fingerspitzengefühl.

Neben dieser tollen Paarung war mein eigentliches Highlight für mich aber diese wunderbare Verflechtung von Fiktion und Realität (die natürlich für uns Leser auch wiederum Fiktion ist). Es war richtig passend, wie sehr die ausgewählten Theaterstücke und auch der Vorsprechtext von Willow auf die Handlung passte, weswegen aufgesagte Zeilen und Erfahrungen in der eigenen persönlichen Welt sich auch jeweils die Hand geben konnten. Das war eine besondere Erfahrung für mich, weil es auch zeigt, wie gut Scott ihre Geschichte durchdacht hat. Es unterstreicht aber auch, dass Klassiker zeitlos sein können und noch so fern von unserer Realität wirken können, um dann doch wie die Faust aufs Auge zu passen.

Mit der erzwungenen Trennung von Willow und Isaac war leider ein Punkt in der Geschichte erreicht, wo ich die Entwicklungen etwas übertrieben fand. Das Drama wurde hier in einem Maße auf die Spitze getrieben, dass es sich eher von der Realität entfernte. Es wirkte leider zu gekünstelt, zumal mir spontan zig Wege eingefallen wären, wie man die Teilhandlungen viel natürlicher zum selben Ende hätte bringen können. Aber das Ende war dennoch perfekt für diese Geschichte und das zählt.

Fazit: „Never Doubt“ gehört in meinen Augen zu den stärkeren Werken von Emma Scott, denn das Paar hat eine besondere Chemie, Willows Geschichte ist extrem einnehmend und die Verwebung von Theaterstück und Lebenswelt war exzellent. Nur am Ende wurde es etwas zu dramatisch, das hat nicht zu dem sonstigen Ton der Erzählung gepasst.

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Veröffentlicht am 17.08.2020

Bisher bester Band

The Umbrella Academy 3
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Nachdem ich quasi gerade erst Staffel 2 von „The Umbrella Academy“ auf Netflix durchgesuchtet habe und befunden habe, dass sie viel besser als Staffel 1 ist und nun definitiv berechtigtes Kultpotenzial ...

Nachdem ich quasi gerade erst Staffel 2 von „The Umbrella Academy“ auf Netflix durchgesuchtet habe und befunden habe, dass sie viel besser als Staffel 1 ist und nun definitiv berechtigtes Kultpotenzial hat, wollte ich auch bei den Comics aufholen, auch wenn mir natürlich bewusst sind, dass Vorlage und daraus entstandene Serie wenig miteinander gemein haben. Das wird von den Serienmachern auch immer wieder beton und es ist auch logisch, dass zwischen Graphic Novels und Serien regelrechte Welten liegen.

Nachdem ich schnell bei den Graphic Novels begriffen habe, dass man hier höchstens Motive erwarten darf, die dann auch in der Serie zu finden sind, ist auch eine gewisse Enttäuschung gewichen und ich konnte beide Formen der Medien mehr und mehr unabhängig voneinander betrachten. Ich bin zwar wahrlich keine Graphic Novel-Expertin, weil ich in 100% der Fälle einen richtigen Roman vorziehen würde, aber ich habe mich an die verrückte Welt mit den harten und dunklen Zeichnungen gewöhnt. Zwar finde ich weiterhin die Übergänge zwischen einzelnen Szenen nicht eindeutig, was automatisch das Verstehen erschwert, aber ich habe mich an die Stilistik gewöhnt und deswegen, aber nicht nur, würde ich „Hotel Oblivion“ bisher als stärksten Band einschätzen.

Bei Band 3 lief eigentlich alles auf einer geraden Zeitlinie ab und am Ende waren alle Handlungsstränge miteinander verknüpft, so dass sich ein wunderbar rundes Ende ergeben hat. Zudem hatte ich den Eindruck, dass die Bände davor auch viel Vorarbeit für diesen geleistet haben, da z. B. die Handlung rund um Mr. Perseus, die in Band 2 noch sehr mysteriös daherkam, sich aufgelöst hat. Band 3 wirkte insgesamt auch sehr persönlich. Allisons Familienproblematik, der ewige Bruderkampf zwischen Luther und Diego oder auch Vanyas Rückblick auf ihre Kindheit, hier wurde für eine Graphic Novel mit dem höchsten der Gefühle eine gewisse Emotionalität erzeugt, die die Figuren auch hier endlich greifbarer machen.

Fazit: „Hotel Oblivion“ ist bisher mein liebster Band aus der „The Umbrella Academy“-Reihe. Zwar gibt es immer noch ein paar wenige Verständigungsschwierigkeiten, aber trotzdem wirkt dieser Band bisher am stringentesten. Vieles aus vorherigen Bänden wird zusammengeführt, um dann am Ende ein neues Mysterium zu starten, das wir nun auch schon aus der Serie kennen. Aber ansonsten zeigt sich auch weiterhin, dass die Welten von Fernsehen und Graphic Novel nicht viel konträrer sein könnten.

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Veröffentlicht am 14.08.2020

Hier hat logisch leider nicht viel zusammengepasst

Bluthölle (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 11)
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Meine Vorfreude auf „Bluthölle“ war wirklich extrem groß, denn nach den unbefriedigenden Erlebnissen mit Lucien Folter im Jubiläumsband war meine Hoffnung groß, dass wir nun wieder zum Alltagsgeschäft ...

Meine Vorfreude auf „Bluthölle“ war wirklich extrem groß, denn nach den unbefriedigenden Erlebnissen mit Lucien Folter im Jubiläumsband war meine Hoffnung groß, dass wir nun wieder zum Alltagsgeschäft übergehen können. Alltag ist hier nicht automatisch mit Langeweile gleichzusetzen, aber das wir zumindest auch wieder Garcia, Blake und all die anderen erleben und das in einer ganz normalen Ermittlung, aber natürlich so brutal wie eh und je.

Dennoch bin ich nie abgeneigt, wenn Carter mit seinen Thrillern experimentiert, denn nach zehn Bänden reicht es nämlich nicht mehr zu sagen, der Killer ist jetzt aber nochmal so viel brutaler als der davor, denn Brutalität ist auch immer Ansichtssache. Daher gefiel mir der Einstieg in den elften Band unheimlich gut, denn die Geschichte mit Angela, bei der gleich klar war, dass sie eine größere Rolle spielen würde und auf den Killer, auf den sie zufällig stoßen, wirkten ungewöhnlich. Dazu passend hat mir auch das gesamte erste Drittel des Buches echt gut gefallen, denn Hunter und Garcia mussten richtigen Streifenpolizistentätigkeiten absolvieren. Es wirkte wie "back to the roots", obwohl wir die Anfänge bis dato ja nie miterlebt haben. Aber wie sie nach der Leiche graben, wie sie richtige Zeugenbefragungen machen, Nachverfolgungen wie in der Bar, das waren klassische Aufgaben, die die beiden scheinbar nie nötig hatten. Daher wirkte diese Herangehensweise echt interessant und auch keinesfalls langweilig.

Doch leider hat sich irgendwann ein kleiner Bruch ergeben. Ich würde ihn wahrscheinlich irgendwo dort einordnen, wo das Tagebuch des Killers völlig unbedeutend wird und es nur noch darum geht, dass der Mann Angela nicht tötet. Grundsätzlich will ich die Handlung nicht verurteilen, weil man gleich von Anfang gemerkt hat, dass Hunter eine besondere Beziehung zu der jungen Frau aufgebaut hat, aber ich fand diese Schwerpunktverschiebung einfach nur seltsam. Zwar wurde das Tagebuch noch gebraucht, um anhand der linguistischen Besonderheiten herauszufinden, dass der Täter einen militärischen Hintergrund hat, aber die einzelnen Morde sind völlig untergegangen. Ich hatte ehrlich gesagt eher damit gerechnet, dass wir über die einzelnen Einträge und über die einzelnen Opfer dem Täter langsam auf die Spur kommen, aber die waren irgendwann null von Bedeutung, was mir nicht logisch erschien. Wer geht den Beweisen schon nicht nach?

Spätestens das letzte Drittel konnte ich mir zwar wunderbar als Actionsequenzen im Kino oder im Fernsehen vorstellen, aber für mich fing da im Buch die Zeit an, wo ich einzelne Seiten überblättert habe, besonders bei der Schnitzeljagd. Wie Hunter dann letztlich auch mit dem Killer zusammenkommt, ist auch nicht seinen genialen Momenten zu verdanken, sondern nur der Tatsache, dass dieser es so wollte. Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass Hunter nie das ganzen Ausmaß von den Fähigkeiten des Täters begreift und nachdem er es dann getan hat, hat er seltsam hilflos gewirkt. Insgesamt ist so bei mir der Eindruck entstanden, dass die zunächst guten Rahmenbedingungen irgendwann nicht mehr gut aufeinandergepasst haben. Einzelne Inhaltssequenzen waren immer noch extrem spannend, aber da vieles drum herum mich gestört hat, konnte ich mich daran nicht mehr so erfreuen.

Fazit: „Bluthölle“ ist zwar ein anderer Chris-Carter-Thriller, aber hier kann ich das leider nicht als Kompliment auslegen. Dafür war mir zu vieles unlogisch, zu ungewöhnlich, zuwider der Charaktere und damit war leider kein stimmiges Bild möglich. Das ist doppelt schade, denn die Geschichte des Täters und auch Angela hätten mehr verdient gehabt.

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Veröffentlicht am 08.08.2020

Paar hat leider nicht klick gemacht

Love is Loud – Ich höre nur dich
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Natürlich war mir die „Finde mich“-Reihe von Kathinka Engel ein Begriff, aber es hat leider zeitlich nicht gepasst, dass ich dort zugegriffen habe. Daher fand ich es super, dass mit „Love is Loud“ nun ...

Natürlich war mir die „Finde mich“-Reihe von Kathinka Engel ein Begriff, aber es hat leider zeitlich nicht gepasst, dass ich dort zugegriffen habe. Daher fand ich es super, dass mit „Love is Loud“ nun der Auftakt einer neuen Buchreihe der deutschen Autorin anstand, denn es ist die perfekte Gelegenheit sich ein eigenes Bild zu machen. Dazu auch noch der Schauplatz New Orleans, eine Stadt in den USA, die mich schon ewig fasziniert und auch noch das Thema Musik. Das perfekte Rezept für ein Buch, oder?

Ich habe wirklich wunderbar in das Buch hineingefunden, was an gleich mehreren Aspekten gelegen hat. Zum einen ist der Erzählstil sehr flüssig, prägnant und flott. Man liest sich also einfach so durch, ohne irgendwo hängen zu bleiben. Das andere, was ich direkt gefeiert habe, ist, dass die Perspektive von Lincoln und Franziska absolut gleichwertig behandelt wurde. Oft ist doch die weibliche Perspektive dominant und der Mann kommt nur zu Wort, wenn es gerade eben passt, aber hier konnte man das definitiv nicht bemängeln. Das war gerade zu Beginn des Buchs auch ein doppelter Gewinn, denn die erste Begegnung der beiden geschieht lange Zeit nicht, aber dafür hat man als Leser die ideale Gelegenheit, beide Figuren ausführlich kennenzulernen. Dabei hat Engel auch zwei sehr eindeutige Erzählstimmen gefunden, denn ich konnte Franzi und Linc immer sofort auseinanderhalten.

Auch wenn ich also so einen guten Einstieg mit Franzi und Linc hatte und beide für sich auch wunderbar nachvollziehen konnte, leider haben die beiden mich als Paar nur wenig überzeugen können. Ich habe zwar kein Problem damit, dass Linc vor Franzi so ein Frauenheld war, der keinen flüchtigen Moment der Zweisamkeit ausgelassen hat, aber ich fand es überhaupt nicht überzeugend, wie er von jetzt auf gleich von Franzi fasziniert war. Dafür waren die ersten Begegnungen der beiden auch völlig unspektakulär. Es entstand kein Kribbeln, es entstand wirklich nichts. Wenn die beiden dann innerhalb kürzester Zeit die große Liebe füreinander bilden, dann finde ich es schade, dass ich das nicht nachvollziehen kann. Zudem fand ich es fragwürdig, dass es doch sehr viele Sexszenen gab. Ich hätte das in der Masse nicht gebraucht, zumal dafür natürlich Erzählzeit für emotionalere Momente auf der Strecke geblieben sind, die ich lieber gesehen hätte.

Großartig fand ich aber auf jeden Fall – wie erwartet – die musikalische Thematik und New Orleans als Setting. Ich habe mich in das Bandgeschehen wunderbar einfühlen kann, sei es bei den Auftritten, seien es aber auch Lincs Straßenmusikantenauftritte oder auch die Arbeit an den Texten. Eng verknüpft war damit natürlich auch New Orleans, das für Musik durch und durch steht. Ich kenne die Stadt schon sehr gut aus Film und Fernsehen, von daher wage ich behaupten zu können, dass Engel eine unheimlich authentische Darstellung der Südstaatenstadt gelungen ist. Auch die ganzen Hintergründe zu Katrina etc. waren wunderbar natürlich eingebunden, ohne dass es allzu belehrend wirkte. Zumal dann Franzi als Neuling in der Stadt ideal war, um alle Leser mitzunehmen, da ja nicht alle den besonderen Flair von NOLA kennen müssen.

Fazit: Nach „Love is Loud“ von Kathinka Engel komme ich zum Fazit, dass sie definitiv eine gute Erzählerin ist. Die ganzen äußeren Bedingungen, die man niemals unterschätzen darf, also Stil, Setting und Thematik, waren wunderbar umgesetzt. Leider hat es bei der zentralen Liebesgeschichte überhaupt nicht klick für mich gemacht. Das will ich Engel aber gar nicht groß vorwerfen, da es schon immer so war, dass einen einige Liebespaare mehr überzeugen als andere. Linc und Franzi waren jetzt nichts meins, aber warum nicht die nächsten Paare?

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Veröffentlicht am 03.08.2020

Durch kontroverse Darstellung zum Nachdenken anregend

Wings of Silver. Die Rache einer Frau ist schön und brutal (Golden Cage 2)
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Camilla Läckberg war mir immer als Krimiautorin ein Begriff, doch da ihre Reihe schon soweit fortgeschritten war, habe ich nie den Einstieg geschafft. Daher hat sich „Golden Cage“ als perfekte Gelegenheit ...

Camilla Läckberg war mir immer als Krimiautorin ein Begriff, doch da ihre Reihe schon soweit fortgeschritten war, habe ich nie den Einstieg geschafft. Daher hat sich „Golden Cage“ als perfekte Gelegenheit angeboten, die Autorin einmal kennenzulernen. Nun war „Golden Cage“ wahrscheinlich nicht typisch für sie, aber nun ist mit „Wings of Silver“ der zweite Band erschienen und zum Thema Rache der Frau hat sie auch bereits noch eine Novelle geschrieben, vielleicht ist es also die neue typische Läckberg. Auch wenn ich das Buch ganz gut fand, so hat es mich doch gestört, dass das Thema Feminismus mit der Keule angegangen worden ist und die Protagonistin selbst kein unschuldiges Blatt ist, also wer ist sie, dass sie so urteilt? Dennoch habe ich trotz dieses starken Kritikpunkts auch beim zweiten Band noch einmal zugegriffen.

Wenn ich nun also den dargestellten Feminismus im ersten Band kritisiere und dennoch wieder zum zweiten Band greife, dann darf ich es an dieser Stelle natürlich nicht kritisieren, denn ich habe schließlich etwas bekommen, was ich schon im Vorfeld wusste. Insgesamt hat es mich diesmal aber auch nicht so gestört, da auch deutlich positivere Seiten von Feminismus abgebildet wurden. Revenge ist natürlich eine Firma von betrogenen Frauen für betrogene Frauen, hier stand der Zusammenhalt also immer schon im Vordergrund. Aber ein wichtiger Aspekt diesmal war, dass auch Faye selbst ihren Frieden mit vielen Frauen gemacht hat, wo man eigentlich denken könnte, dass sie ihr zu viel angetan haben, als dass sie ihnen verzeihen könnte. Aber Faye ist definitiv ein empathischer Mensch, der sich in andere reinversetzen kann und sie hat selbst genug Fehler gemacht, warum nicht also Verständnis für die anderer haben?

Dagegen fand ich aber schade, dass der neue Mann in Fayes Leben wieder ein Reinfall war. Er hätte auch vollkommen unschuldig sein können, aber direkt von der ersten Seite an hat man als Leser eine enorme Portion Skepsis ihm gegenüber gespürt. Das ist einfach der Tatsache geschuldet, dass nette Männer in dieser Reihe keinen Raum bekommen. Jetzt ist David am Ende tatsächlich der Fiesling, als den man ihn vermutet hat, aber es war keinerlei Überraschungseffekt dabei, was schade ist. Ich hätte es mir viel raffinierter vorgestellt, wenn Faye ihre Beziehung selbst torpediert hätte durch ihre Erfahrungen der Vergangenheit, um dann zu erkennen, dass David einer der Guten ist, aber dann wäre es zu spät gewesen. So würde man sie am liebsten von der ersten Begegnung an schütteln, weil man als Leser überall Anzeichen und Beweise für Davids wahres Ich sieht. Und man fragt sich, warum zur Hölle sie so naiv ist?

Ein anderer wichtiger Aspekt des Bandes ist die Vergangenheit von Faye. Dabei kommt wirklich Erschütterndes zum Vorschein, was mich sehr mitgenommen hat. Ich habe mit der jugendlichen Faye, die damals noch einen anderen Namen trug, wirklich gelitten. Dennoch kann man eben verurteilen, was ihre Konsequenz daraus ist. Mir ist bewusst, dass es nicht einfach ist, sich aus gewalttätigen Beziehung zu befreien, aber zur Straftäterin zu werden und das gleich mehrfach, soll das wirklich die Lösung sein?

Das ganze Buch soll darstellen, wie Faye ihr Leben zurückerobert und sich das holt, was sie verdient hat. Zwar habe ich ihre Empathie schon hervorgehoben, aber manchmal erinnert mich ihre strategisches Verhalten dabei doch oft eher an Männer. Dann wiederum ist Faye sofort wieder sehr verletzlich. Ich hätte mir daher insgesamt ein stärkeres, in sich schlüssiges Bild von ihr gewünscht, wo man als Frau selbst Bewunderung entwickelt. Ich mag ihre Reise durchaus, aber an vielen Stellen hätte ich es mir noch besser gewünscht.

Fazit: „Wings of Silver“ ist haargenau in derselben Tonart von „Golden Cage“ erzählt. Daher muss nun jeder Leser selbst bestimmen, ob diese bei einem ankam oder eher nicht. Ich habe das Lesen des zweiten Bandes trotz einiger Kritikpunkte nicht bereut, denn Faye und ihre Darstellung reizen etwas in mir, auch wenn sie nicht perfekt ist. Es regt mich an, mich selbst zu reflektieren und das, was ich als Feminismus ansehe. So ist wahrscheinlich auch schon was erreicht.

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