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Veröffentlicht am 02.02.2024

Kanzlei und Liebesgeschichte vereint

In Case We Trust
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Nachdem „Suits“ 2023 große Streamingerfolge gefeiert hat, hat es sich natürlich bestens angeboten, „In Case We Trust“, den Auftaktband einer Reihe von Tess Tjagvad, als Vergleich zu bewerben. Ich musste ...

Nachdem „Suits“ 2023 große Streamingerfolge gefeiert hat, hat es sich natürlich bestens angeboten, „In Case We Trust“, den Auftaktband einer Reihe von Tess Tjagvad, als Vergleich zu bewerben. Ich musste unweigerlich an Ava Reed und ihre Krankenhausreihe denken, die natürlich Vergleiche zu „Grey’s Anatomy“ angeboten hat. Tatsächlich habe ich die Reihe inzwischen abgebrochen, weil für mich die Balance aus Liebesgeschichte und Darstellung des Krankenhausalltags nicht gut genug geklappt hat. Deswegen war mir gleich klar, das könnte die große Gefahr bei „In Case We Trust“ sein, wo ich mir nach der Ansage anwaltlichen Alltag gepaart mit einer Liebesgeschichte wünsche.

Grundsätzlich kann ich sagen, dass mir der Balance bei „In Case We Trust“ gut gefällt. Man bekommt einen Eindruck von einem konstanten Fall, man erlebt das Miteinander Nachwuchskräfte, damit verbundener Konkurrenzkampf. Man erlebt auch die Dynamiken im Büro, dass es gerade für den Nachwuchs auch oft Ausnutzen ist, auch Kaffee holen etc., aber natürlich auch die Arbeitszeiten. Das kommt insgesamt schon gut rüber. Das Privatleben ist da gut eingebunden, denn beispielsweise bei Gracie haben wir den Schwerpunkt, dass sie Verbindungen zu der Konkurrenz-Kanzlei hat, das aber unter allen Umständen verbergen will. Sie und ihr Love Interest Ira werden zusammen dem Fall zugeteilt, so dass sich Fachlichkeit und Liebesgeschichte hier gut ineinander verweben lassen. Vor allem habe ich im Vergleich zu Reeds Krankenhaus-Reihe auch das Gefühl, dass sich hier generell mehr Zeit genommen wird. Ich weiß, dass Langatmigkeit versus Oberflächlichkeit immer eine große Diskussion unter der Leserschaft ist. Ich bin immer Team ausgearbeitet, detailreich und dadurch gerne auch mal langatmiger, wenn ich dadurch genau einfühlen kann. Deswegen passt mir hier der Stil gut. Tjagvad nennt in ihren Dankesworten auch Merit und ich vermute mal stark, dass damit Merit Niemeitz gemeint ist und ich muss sagen, dass ich gewisse Stilelemente von ihr erkannt habe und finde, dass es gut passt.

Dennoch ist es die Ausarbeitung für mich noch nicht ideal. Gerade wenn man schon lange „Suits“-Fan wie ich und auch diverse andere Anwaltsserien gesehen hat, dann ist die Vielfalt der dargestellten Arbeitsfelder in einer Kanzlei für mich noch zu dünn abgearbeitet. Es mag sein, dass Tjagvad sich das für die anderen beiden angekündigten Bände aufbewahren will, um dann die Palette zu zeigen. Ich finde aber, dass so ein Prozess in einer intensiveren Darstellung diesem Band gut gestanden hätte. Gerade weil Gracie ihren Vater auf der Gegnerseite wusste, hätte ich mir gut vorstellen können, wie es zu einem Showdown vor Gericht kommt. Manche Ideen, die sich als großes Potenzial in meinem Kopf manifestiert haben, haben sich leider nicht so ergeben. Ja, es ist nicht meine Geschichte, aber ich neige eigentlich gar nicht so sehr dazu, eigene Handlungsstränge zu erfinden. Dementsprechend glaube ich wirklich, dass gewisse Hürden, die die Geschichte sich selbst aufgebaut hat, nicht einwandfrei übersprungen wurden.

Gegen die Liebesgeschichte habe ich aber nichts einzuwenden. Ira ist eine ebenso interessante Figur wie Gracie. Vielleicht war es für mich nicht so die Liebesgeschichte, wo direkt die Funken sprühen, aber insgesamt würde ich schon sagen, dass die Figuren gut zusammenpassten und sich auch im angemessenen Maß gegenseitig herausgefordert haben. Es gab für beide auch individuell sehr entscheidende Momente, die perfekt gepasst haben. Auch die anderen eingeführten Figuren machen schon Lust auf mehr. Vielleicht hat mir in diesem Band etwas die Darstellung der Freundschaft von Gracie zu Cassidy gefehlt. Die ist ein gegebener Faktor, wird nicht richtig herausgefordert und sonderlich viel wird davon auch nicht gezeigt. Das war noch etwas schade, dafür wurde mit Otis und Ira bzw. Gracie und Jude auch interessante Momente geschaffen.

Fazit: „In Case We Trust“ beweist, dass Anwaltalltag und Liebesgeschichte zusammenpassen können. Es ist ein interessanter Einblick mit noch viel Luft nach oben und manche Handlungen, die sich angeboten hätten, wurden ausgespart, aber es macht Lust auf. Die erste Liebesgeschichte funktioniert gut, so dass ich die Reihe gerne weiterverfolgen möchte.

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Veröffentlicht am 01.02.2024

Wichtiger sozialer Schwerpunkt in Frankfurt

Wo die Sterne uns sehen
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Die erste Reihe von Justine Pust hatte ich verpasst, aber ich habe durchaus viele positive Stimmen zu ihr gehört. Mein Geschmack bei New Adult hat sich über die vergangenen fünf, sechs Jahre doch deutlich ...

Die erste Reihe von Justine Pust hatte ich verpasst, aber ich habe durchaus viele positive Stimmen zu ihr gehört. Mein Geschmack bei New Adult hat sich über die vergangenen fünf, sechs Jahre doch deutlich gewandelt. Waren es einst die Bad Boy-Geschichten, brauche ich inzwischen Tiefgang und vor allem Figuren, die wirklich etwas zu erzählen haben. Da hatte ich bei anderen positiven Stimmen zu Pust rausgelesen, dass ich genau das bekommen würde. Daher habe ich bei „Wo die Sterne uns sehen“ nun gerne zugegriffen, um mich von der Autorin einmal selbst zu überzeugen.

Ich habe „Wo die Sterne uns sehen“ als Hörbuch konsumiert. Regina Lange und Louis Friedemann Thiele habe ich beide schon gehört und es sind auch beides sehr angenehme Stimmen, denen man gerne lauscht. Dennoch fällt speziell bei Thiele auf, dass er bei der Wiedergabe von Frauenstimmen schnell in die Gefahr rutscht, es lächerlich wirken zu lassen. Beispielsweise wenn Elias Kontakt mit seiner Mutter hatte, fand ich es sehr seltsam, wie aus seiner Perspektive seine Mutter klang, auch Ada und Martha sind nicht so gut weggekommen. Zum Glück war das bei Willa dann nicht so. Das ist immer ein bisschen schade und ich verstehe auch, dass es für eine Männerstimme auch wirklich schwer ist. Vielleicht empfinde ich es auch nur ganz individuell so und andere finden es normal, wenn Frauen so nachgemacht klingen. Mir fällt es öfters auf und je länger das Hörbuch andauert, desto mehr wird es zur Gewöhnung, aber ansprechen will ich es doch auch immer.

Kommen wir nun aber zur eigentlichen Geschichte und ich fand hier vor allem die Themenverbindung sehr gut gemacht. Mir ist es immer wichtig, dass beide Protagonisten ihre Geschichte haben und es ist auch okay, wenn es völlig unabhängig voneinander ist, denn die eigene Geschichte ist nun mal nicht auf alle Personen aus dem eigenen Umfeld angepasst. Hier war es aber schön, dass es sich in der Sozialen Arbeit so sammeln ließ. Auch wenn Willa und Elias völlig unterschiedliche Aspekte davon abdecken, aber es ist gemeinsames Thema und alleine schon die Bereitschaft, anderen etwas zu geben wollen, weil man selbst gewisse Erfahrungen gemacht hat, das teilen sie. Das hat man im Umgang miteinander auch gemerkt. Zwar ist Elias alles in allem weiter als Willa in der Verarbeitung gewesen, aber beide hatten es oft leichter, sich in den anderen hineinzuversetzen bzw. auch in ihre Freunde und die Besucher der Hilfegruppen. Sie haben Empathie bewiesen, weswegen auch früh wichtige Gespräche geführt wurden. Das hat dann schnell eine Atmosphäre geschaffen, wo ich früh wusste, egal, was jetzt noch an Geheimnissen anvertraut werden muss, es wird einen sicheren Hafen brauchen.

Im Verhältnis würde ich dennoch sagen, dass Willa mehr Raum eingenommen hat als Elias. Ich sprach schon an, dass er auf jeden Fall gereifter in seinem Prozess war und das ist auch okay, denn jeder hat sein eigenes Tempo. Dennoch muss man auch sagen, dass Behinderungen in diesem Genre wirklich extrem selten zu finden sind. In dem Sinne war ich sehr gespannt auf Elias‘ Geschichte im Vorfeld und finde, das Potenzial liegen gelassen wurde. Der Schwerpunkt lag mehr darauf, dass er die Rückkehr ins Elternhaus als Versagen empfindet und dass er eben in vielen Aspekten um Hilfe bitten muss, statt einfach selbst loslaufen zu können. Das waren auch jeweils wichtige Momente, aber ich habe selbst eine Freundin mit einer sehr ausgeprägten Behinderung und ich kenne ihre alltäglichen Kämpfe und aus diesem Bezug heraus habe ich dann doch einiges vermisst. Elias musste nicht wie Willa noch durch ein tiefes Tal gehen, aber man hätte inhaltliche Schwerpunkte auch in Rückblenden ansprechen können. Dass Pust diese tiefergehende Ebene drauf hat, habe ich dann deutlich an Willa gesehen, denn ihre Geschichte ist genau auf dem Niveau ausgearbeitet, wo ich es sehen wollte und will. Ihr ganzes Verhalten im Alltag, wie es an ihren dunkelsten Momenten ist und wie es auch ihren Umgang mit Fremden beeinflusst, ich fand es sehr nahbar und es hat mich berührt.

Alles in allem habe ich gesehen, warum Pust eine Stimme ist, die ich nun auch gerne im Auge behalte. Sie schafft sympathische Figuren, mit sehr individuell ausgearbeiteten Eigenschaften. Es ist keine oberflächliche Gruppe. Es gibt Gegensätze, die überwunden werden, interessante Themen, auch Ausbau von sehr alltäglichen Dingen, wie Unialltag etc., wo man merkt, da kennt sich jemand aus und hat es sinnig verarbeitet. Es war insgesamt eine echte Geschichte, was immer ein großes Kompliment ist.

Fazit: „Wo die Sterne uns sehen“ ist ein unterhaltsamer Reihenauftakt, der mich vor allem auf der emotionalen Ebene abgeholt hat, weil man gemerkt hat, hier geht es tief und hier haben die Figuren aufgrund ihrer Autorin etwas zu erzählen. Vielleicht wäre ein noch besserer Ausgleich der Hauptfiguren noch idealer gewesen, aber ich mochte das Buch sehr und bin froh, dass ich es mit Pust jetzt endlich auch gewagt habe.

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Veröffentlicht am 24.01.2024

Kompletter inhaltlicher Umschwung

All Our Golden Dreams
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Als ich die Dankesworte von Mounia Jayawanth am Ende von „All Our Golden Dreams“ gelesen habe, da hat sich mir erklärt, warum diese Dilogie insgesamt leider keinen Funken entwickeln konnte, der mich richtig ...

Als ich die Dankesworte von Mounia Jayawanth am Ende von „All Our Golden Dreams“ gelesen habe, da hat sich mir erklärt, warum diese Dilogie insgesamt leider keinen Funken entwickeln konnte, der mich richtig überzeugt hat. Dort hat sie verraten, dass die Van Day-Reihe eigentlich als Einzelband geplant war, dann aber wegen einer Idee für Ryan doch nochmal ausgebaut wurde. Wie viel letztlich dadurch in Band 1 geändert wurde, für mich natürlich unklar, aber erste Intuitionen sind oftmals die besseren und hier haben die Änderungen vielleicht eher geschadet als funktioniert.

Schon bei „All My Golden Memories“ hatte ich den Eindruck, dass die Handlung unnötig gestreckt wird und das passt recht gut zu der Enthüllung, dass es ein Einzelband sein sollte, denn man hat einfach gemerkt, dass nicht genug Inhalt zur Verfügung war. Vielleicht hat sich Jayawanth dann letztlich auch mit der Neuerung (ob nun eigene Idee oder Lektorat etc., mal völlig egal) etwas selbst verloren. Während es im ersten Band vor allem um die neuerliche Annäherung von Ellis und Ryan ging sowie das Mysterium mit den Gerüchten über das Hotel, schlägt Band 2 dann wieder eine ganz andere Richtung ein. Und das Thema ist eigentlich so wichtig, dass es mich doppelt und dreifach ärgert, dass es für mich hier nicht funktioniert hat. Jayawanth selbst hat ihre Essstörung bekannt gemacht, sie ist also eine Autorin, die in der Thematik aus eigenen Erfahrungen schöpfen kann. Das finde ich immer besonders authentisch, auch weil man die Unterschiede in der Erzählung oft doch merken kann. Deswegen fand ich Ryans inneren Kampf an sich sicherlich gut und nachvollziehbar dargestellt, aber es kam für mich in dieser Reihe einfach so unerwartet und hat alles auf den Kopf gestellt. Ellis ist in diesem Band kaum noch von eigener Bedeutung und auch ansonsten hat die Erzählung bis auf die Erkrankung keinen roten Faden mehr. Das Hotel war irgendwann völlig unwichtig, da lief man nur noch ein paarmal ein und aus, das war es. Das war alles nicht mehr das, warum ich ursprünglich überhaupt zu der Reihe gegriffen haben. Von daher wäre es angesichts des Potenzials der Handlung vielleicht cleverer gewesen, wenn Jayawanth sie in einer ganz anderen Geschichte verbaut hätte. Wo sie eben nicht eine Idee über die Hintertür ist, sondern das Zentrum, wo sie dann ihre eigenen Erfahrungen auch ganz anders hätte ausspielen können.

Auch wenn Murder Mystery für Band 1 etwas übertrieben war, weil es ja gar nicht wirklich einen Mord gab, so gab es doch einige Rätsel und ein großes betraf noch Riley. Das wurde in Band 2 als völlig harmlos aufgelöst und auch ansonsten waren die Rätsel gar nicht mehr von Bedeutung. Vielleicht war es noch spannend, was genau zwischen Emory und Deb gelaufen ist, aber ansonsten war die ganze Stilistik so anders und wie gesagt, es hat mich geärgert, dass nach dem Anfangsviertel, wo Ellis noch gleichberechtigt war, sie dann völlig als Nebenfigur abgetaucht ist. Ja, sie war für Ryan wichtig, aber nachdem sich für sie alle Probleme einfach in Wohlgefallen aufgelöst haben, ist Jayawanth für sie offenbar nichts mehr groß eingefallen. Das ist einfach schade, denn wenn ich Liebesgeschichten erzähle, dann sollte es doch am Ende ausgeglichen sein. Es muss kein Wettkampf sein, wer hat es schlimmer, aber dass doch beide weiter kontinuierlich ihren Weg mit ihren eigenen Steinen im Weg gehen. Hier kam wirklich einiges sehr ungünstig zusammen, weswegen ich den zweiten Band leider nochmal schwächer als den ersten fand. Es ärgert mich wirklich, zumal es die zweite Reihe war und ich mir da nochmal einen Sprung in der Qualität gewünscht hätte. Bessere Qualität heißt zwar auch nicht, dass mich die Geschichte dadurch auch auf jeden Fall einfängt, aber ich kann sie dennoch festmachen und hier ist mit dem erzählerischen Chaos vor allem in der Stilistik ein Rückschritt gemacht worden. Die Darstellung von Ryan wiederum hat gezeigt, was wirklich drin ist. Das ist der Maßstab, der aber nicht in diesen Band gepasst hat.

Fazit: Insgesamt habe ich mir unter der Van-Day-Dilogie wirklich etwas anderes vorgestellt. Die zwei Bände passen nicht so recht zusammen, weil die Stilistik des ersten Bandes (die schon ausbauwürdig war) einem sehr sensiblen Thema gewichen ist, das in einer Reihe viel besser untergebracht gewesen wäre. Ich bin leider etwas enttäuscht, weil das Potenzial war da.

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Veröffentlicht am 23.01.2024

Redeeming at its best

Starling Nights 2
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Den ersten Band der „Starling Nights“ von Merit Niemeitz fand ich insgesamt sehr gelungen, auch weil ich es toll fand, dass die Autorin nach der „Mulberry Mansion“-Reihe eine so andere Seite von sich gezeigt ...

Den ersten Band der „Starling Nights“ von Merit Niemeitz fand ich insgesamt sehr gelungen, auch weil ich es toll fand, dass die Autorin nach der „Mulberry Mansion“-Reihe eine so andere Seite von sich gezeigt hat, denn der Bund der Stare ist mit einer wirklich düsteren Geschichte verbunden, die auch echte Spannung zugelassen hat. Auf den zweiten Band war ich nun wirklich extrem gespannt und das aus einem zentralen Grund heraus. Bad Boys als Trope sind sehr häufig weit vorne, aber Ashton ist auf eine Art ein Bad Boy, wo es mir schwer fiel nachzuvollziehen, wie man ihn sinnig zum Helden einer eigenen Liebesgeschichte machen kann. Aber das fand ich reizvoll, denn wie macht man es als Autorin, wie kommt es an? Und wie löst man generell auf, dass das Seelenspringen nun nicht mehr funktioniert und eigentlich alle dem schnellen Tod verdammt sind?

Ashton war im ersten Band wirklich eine Hausnummer. Er war natürlich nicht schwarz-weiß-denkend rein böse, denn seine Liebesgeschichte mit Heaven und seine Freundschaft zu Cliff haben doch deutlich gezeigt, welcher Kern von Menschlichkeit durchaus in ihm steckt. Dennoch hat er eben Dinge getan und generell eine Einstellung zum Seelenspringen, die extrem problematisch sind und die man nicht einfach wegbügeln kann. Niemeitz war sich dessen durchaus bewusst, das habe ich gemerkt. Denn die ersten Kapitel gehören ganz alleine Ashton, so dass wir tief in sein Denken einsteigen können. Das war sehr hilfreich, weil es so möglich war, einige Gedankengänge besser zu verstehen. Dann kommt Zoe schließlich auch ins Bild. Sie haben wir im ersten Band noch gar nicht so wirklich kennengelernt, obwohl sie viel präsent war. Aber durch die Beeinflussung von Ashton und dass sie so irgendwann mehr Hülle als Mensch war, war es schwierig, sie als Mensch vollumfänglich kennenzulernen. Auch das wurde nachgeholt und bei ihr haben wir eben den Zwiespalt der großen Erwartungen durch die Familie, die sich vor allem auf das eigene Körperbild auswirken. Im Gesamtsinn war es aber echt passend, dass wir im Grunde zwei Figuren nochmal ganz neu kennenlernen, aber vor allem auch durch ihre gemeinsamen Interaktionen.

Auffällig war auch, dass die Geschichte viel mehr Liebesgeschichte ist als der erste Band. Auch wenn es so weniger Spannungsmomente gibt und vor allem der Murder-Mystery-Aspekt wegfällt, so hat es zu dieser Geschichte gepasst, weil viel mehr an dem Miteinander des Paares gearbeitet werden musste. Auch wenn zwischen Mabel und Cliff im ersten Band auch nicht sofort alles einfach und glasklar war, aber da alles noch ein Geheimnis war, hat an dieser Stelle besser zusammengewirkt, dass Mystery und Liebe eine Symbiose ergeben haben. Das war für den zweiten Band so nicht mehr nötig, auch wenn es durch Henrys Plan und die Wahrheit rund um Flemming natürlich auch zwei große offene Fragen gab. So war mehr Platz für die Liebesgeschichte, denn es musste einfach rüberkommen, wie Zoe einerseits Ashton so verzeihen kann, dass ihre Gefühle nicht mehr durch die Vergangenheit bedeckt sind und wie andererseits er Zoe und nicht nur ihre Seele sieht. In meinen Augen ist diese Herausforderung gut gemeistert worden und das eben auch speziell dadurch, dass Niemeitz diesen besonderen Schreibstil mit seinen poetischen Neigungen hat, der zu so einer Geschichte passt. Eine alte Seele wie Ashton, der auf Zoe trifft und wie sich dann einfach etwas ergibt, was so richtig füreinander erscheint. Es gab viele tolle Zitate, viel zum Mitleiden und eben irgendwann auch keine Zweifel, dass alles genau so richtig ist.

Ich finde den zweiten Band so nochmal ein Stück besser als den ersten. Das ist natürlich auch möglich, weil Mabel für mich etwas schwierig war und Zoe mir besser entgegenkommt. Auch wenn es weniger die spannenden Momente gab und auch das Düstere reduzierter ist, aber es war alles in sich sinnig und ich finde auch, dass ein sehr passendes Ende gefunden wurde.

Fazit: „Starling Nights 2“ legt den Fokus mehr auf die Liebesgeschichte, was hier aber passend war, da Ashton eine großartige Redeeming-Arc brauchte, die hier gelungen ist und auch wunderbar in den poetischen Schreibstil der Autorin passt. Die ganze Art ist anders als in Band 1 und dennoch werden die Kernelemente auch bedient und zu einem sinnigen Ende gebracht. Insgesamt eine löbliche Verbesserung und definitiv der Gedanke, dass ich von Merit Niemeitz nichts verpassen darf!

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Veröffentlicht am 17.01.2024

Bessere Verpackung des Übernatürlichen

The Peace That Is You
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Die Dreamcatcher-Dilogie von Emma Scott gehört zu ihren älteren Werken, die nun für den deutschen Buchmarkt auch übersetzt wurden. „A Whisper Around Your Name“ war der erste Band und es war nicht wirklich ...

Die Dreamcatcher-Dilogie von Emma Scott gehört zu ihren älteren Werken, die nun für den deutschen Buchmarkt auch übersetzt wurden. „A Whisper Around Your Name“ war der erste Band und es war nicht wirklich meins. Ich habe zwar nichts gegen Übersinnliches, aber es war auf eine Weise eingebunden, die der Liebesgeschichte viel genommen, aber anderen Schwerpunkten dadurch nichts geschenkt hat. Da es eine Reihe ist, ist nun wenig verwunderlich, dass „The Peace That Is You“ sich der Stilistik anschließt. Ob mich der zweite Band besser unterhalten hat?

Ich hatte zu Beginn von „The Peace That Is You“ die Wahrnehmung, ich lese wieder „Bet On You“ von Morgane Moncomble, weil die Parallelen mit dem Pokern schon sehr evident waren. Dennoch bekomme ich letztlich sehr verschiedene Geschichten, wobei ich dennoch unter dem Strich sagen würde, dass Scott und Moncamble in meinen Augen eine sehr ähnliche Stilistik haben, was als Kompliment gemeint ist. Zurück aber zu diesem Buch, ich hatte gleich etwas Bauchschmerzen, denn das Eintauchen in Niks Gedankenwelt war so düster, wie ich „A Whisper Around Your Name“ verlassen habe und gleich mit so einer Stimmung zu starten, ist extrem beschwerlich. Gleichzeitig erleben wir aber auch erste Eindrücke dazu, was Niks besondere Gabe ist, sein ‚Gesicht‘, wie er es nennt. Natürlich kann man mit diesem Ausgeschlossen worden von den eigenen Eltern gut begründen, warum Nik nicht gleich als Sonnenschein daherkommt und dennoch ist es so schwer, Zugang zu ihm finden. Er saugt auch von mir als Leserin mehr weg als dass er mir gibt und das fand ich interessant, weil er genau so seine Fähigkeit auch bezeichnet. In dem Moment, wo er und Fiona dann aufeinandertreffen, da wurde es entschieden besser, weil sie für ihn Hoffnung verkörpert. Er öffnet sich innerlich sofort erheblich und das lässt mehr Blicke darauf zu, wer er hinter diesem Gesicht ist.

Fionas Geschichte ist wahrlich auch keine schöne und durch ihre Gedankenfetzen, in denen sie stets die kritisierende Stimme ihres Exmannes hört, haben wir einen guten Einblick in das, was sie erleiden musste. Dennoch hat sie eine ganz andere Aura an sich als Nik. Sie hat eine Hoffnung in sich, die ansteckt. Deswegen ist das mit ihr verbundene Figurenrepertoire mit den Nachbarn und der Arbeitskollegin aus dem Gartencenter auch so angenehm. Weil Fiona diese netten Menschen gefunden hat, weil sie ist, wer sie ist. Sie balanciert für mich die Geschichte aus und macht auch Nik besser, so dass er in der zweiten Hälfte dann die Geschichte tragen kann. Weil das Zusammenspiel der beiden Protagonisten so gut aufeinander abgestimmt ist, habe ich „The Peace That Is You“ als besseren Band aus der Dreamcatcher-Dilogie empfunden. Die übersinnliche Gabe von Nik ist eine interessante Ergänzung, aber nimmt nicht der Liebesgeschichte seinen Kern. In erster Linie bleibt es um die Liebe gehend und beide Figuren können auf dem gemeinsamen Weg sich selbst finden. Insgesamt mag die Handlung für mich nicht die emotionale Wucht haben, die Scott durchaus erzeugen kann, aber ich fand es in sich wirklich schlüssig und hat mich gut unterhalten.

Fazit: „The Peace That Is You” rettet die Dreamcatcher-Dilogie von Emma Scott erfreulicherweise, den Übersinnliches kann offenbar doch so eingebaut werden, dass es der Liebesgeschichte nicht völlig ihren Kern nimmt. Auch wenn es sicherlich nicht mein Liebling wird, aber es war eine gute Unterhaltung.

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