Kanzlei und Liebesgeschichte vereint
In Case We TrustNachdem „Suits“ 2023 große Streamingerfolge gefeiert hat, hat es sich natürlich bestens angeboten, „In Case We Trust“, den Auftaktband einer Reihe von Tess Tjagvad, als Vergleich zu bewerben. Ich musste ...
Nachdem „Suits“ 2023 große Streamingerfolge gefeiert hat, hat es sich natürlich bestens angeboten, „In Case We Trust“, den Auftaktband einer Reihe von Tess Tjagvad, als Vergleich zu bewerben. Ich musste unweigerlich an Ava Reed und ihre Krankenhausreihe denken, die natürlich Vergleiche zu „Grey’s Anatomy“ angeboten hat. Tatsächlich habe ich die Reihe inzwischen abgebrochen, weil für mich die Balance aus Liebesgeschichte und Darstellung des Krankenhausalltags nicht gut genug geklappt hat. Deswegen war mir gleich klar, das könnte die große Gefahr bei „In Case We Trust“ sein, wo ich mir nach der Ansage anwaltlichen Alltag gepaart mit einer Liebesgeschichte wünsche.
Grundsätzlich kann ich sagen, dass mir der Balance bei „In Case We Trust“ gut gefällt. Man bekommt einen Eindruck von einem konstanten Fall, man erlebt das Miteinander Nachwuchskräfte, damit verbundener Konkurrenzkampf. Man erlebt auch die Dynamiken im Büro, dass es gerade für den Nachwuchs auch oft Ausnutzen ist, auch Kaffee holen etc., aber natürlich auch die Arbeitszeiten. Das kommt insgesamt schon gut rüber. Das Privatleben ist da gut eingebunden, denn beispielsweise bei Gracie haben wir den Schwerpunkt, dass sie Verbindungen zu der Konkurrenz-Kanzlei hat, das aber unter allen Umständen verbergen will. Sie und ihr Love Interest Ira werden zusammen dem Fall zugeteilt, so dass sich Fachlichkeit und Liebesgeschichte hier gut ineinander verweben lassen. Vor allem habe ich im Vergleich zu Reeds Krankenhaus-Reihe auch das Gefühl, dass sich hier generell mehr Zeit genommen wird. Ich weiß, dass Langatmigkeit versus Oberflächlichkeit immer eine große Diskussion unter der Leserschaft ist. Ich bin immer Team ausgearbeitet, detailreich und dadurch gerne auch mal langatmiger, wenn ich dadurch genau einfühlen kann. Deswegen passt mir hier der Stil gut. Tjagvad nennt in ihren Dankesworten auch Merit und ich vermute mal stark, dass damit Merit Niemeitz gemeint ist und ich muss sagen, dass ich gewisse Stilelemente von ihr erkannt habe und finde, dass es gut passt.
Dennoch ist es die Ausarbeitung für mich noch nicht ideal. Gerade wenn man schon lange „Suits“-Fan wie ich und auch diverse andere Anwaltsserien gesehen hat, dann ist die Vielfalt der dargestellten Arbeitsfelder in einer Kanzlei für mich noch zu dünn abgearbeitet. Es mag sein, dass Tjagvad sich das für die anderen beiden angekündigten Bände aufbewahren will, um dann die Palette zu zeigen. Ich finde aber, dass so ein Prozess in einer intensiveren Darstellung diesem Band gut gestanden hätte. Gerade weil Gracie ihren Vater auf der Gegnerseite wusste, hätte ich mir gut vorstellen können, wie es zu einem Showdown vor Gericht kommt. Manche Ideen, die sich als großes Potenzial in meinem Kopf manifestiert haben, haben sich leider nicht so ergeben. Ja, es ist nicht meine Geschichte, aber ich neige eigentlich gar nicht so sehr dazu, eigene Handlungsstränge zu erfinden. Dementsprechend glaube ich wirklich, dass gewisse Hürden, die die Geschichte sich selbst aufgebaut hat, nicht einwandfrei übersprungen wurden.
Gegen die Liebesgeschichte habe ich aber nichts einzuwenden. Ira ist eine ebenso interessante Figur wie Gracie. Vielleicht war es für mich nicht so die Liebesgeschichte, wo direkt die Funken sprühen, aber insgesamt würde ich schon sagen, dass die Figuren gut zusammenpassten und sich auch im angemessenen Maß gegenseitig herausgefordert haben. Es gab für beide auch individuell sehr entscheidende Momente, die perfekt gepasst haben. Auch die anderen eingeführten Figuren machen schon Lust auf mehr. Vielleicht hat mir in diesem Band etwas die Darstellung der Freundschaft von Gracie zu Cassidy gefehlt. Die ist ein gegebener Faktor, wird nicht richtig herausgefordert und sonderlich viel wird davon auch nicht gezeigt. Das war noch etwas schade, dafür wurde mit Otis und Ira bzw. Gracie und Jude auch interessante Momente geschaffen.
Fazit: „In Case We Trust“ beweist, dass Anwaltalltag und Liebesgeschichte zusammenpassen können. Es ist ein interessanter Einblick mit noch viel Luft nach oben und manche Handlungen, die sich angeboten hätten, wurden ausgespart, aber es macht Lust auf. Die erste Liebesgeschichte funktioniert gut, so dass ich die Reihe gerne weiterverfolgen möchte.