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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.12.2020

Interessante Einblicke

Unter Ultras. Eine Reise zu den extremsten Fans der Welt.
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In „Unter Ultras“ nimmt James Montague den Leser oder die Leserin mit in die Welt der Ultras. Dafür hat er einige Kontinente bereist und seine persönlichen Erfahrungen und Einblicke mit historischen und ...

In „Unter Ultras“ nimmt James Montague den Leser oder die Leserin mit in die Welt der Ultras. Dafür hat er einige Kontinente bereist und seine persönlichen Erfahrungen und Einblicke mit historischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen kombiniert. Herausgekommen ist ein gut geschriebenes, sehr informatives Buch, das sich zu lesen lohnt. Allerdings ist es eher „nichts für zwischendurch“, zu komplex sind häufig die gesellschaftlichen, historischen und politischen Spannungsfelder.

Das Buch beginnt thematisch bei den Wurzeln der Ultraszene in Südamerika, beschäftigt sich mit den Entwicklungen in europäischen Staaten wie zum Beispiel in Griechenland, Serbien, Albanien, Deutschland und Schweden, aber auch mit der indonesischen Ultrakultur und den relativ neu entstandenen Ultragruppen in den USA.

James Montague beschreibt tatsächlich das gesamte Spektrum an Aktivitäten und politischer Ausrichtung von Ultragruppen. Rechtsextreme Überzeugungen und offenen Faschismus, brutale Gewalt, mafiaähnliche Strukturen, aber auch Projekte gegen Homophobie, soziales Engagement und die Rolle der Ultras beispielsweise bei den Maidan-Protesten in der Ukraine und den Protesten um den Gezi-Park in der Türkei. So erschreckend und abstoßend einige Schilderungen auch sind, es hat sich bei mir das Gefühl verstärkt, dass eine Differenzierung nötig ist. Dies versucht James Montague auf den 400 Seiten.

Als für mich sehr positiven Punkt ist die Auswahl der Länderbeispiele hervorzuheben. So habe ich beispielsweise das Kapitel über Indonesien als ausgesprochen informativ und spannend empfunden. Gut gelingt es dem Buch die Unterschiede zwischen den Ultragruppen hervorzuheben, aber auch Gemeinsamkeiten zu finden. Insgesamt habe ich einen guten Überblick über die sehr komplexen Beziehungen zwischen Ultras und befreundeten und verfeindeten Ultragruppen, den Vereinen und der Politik gewinnen können.

Ich muss zugeben, dass einige Kapitel für mich anstrengender zu lesen waren als andere. Das mag viel damit zu tun haben, wie groß das Vorwissen um Konflikte und Geschichte der betreffenden Region ist. Immerhin hat bei mir das Bewusstwerden einiger Wissenslücken zu einer Recherche im Nachhinein geführt. Alles in allem habe ich also sehr viel gelernt und das Buch hat Anstoß gegeben, mich noch weiter mit einigen Themen zu befassen.

Ich glaube, dass es beim Lesen des Buches von Vorteil ist, sich sowohl ein bisschen für Fußball als auch für Politik und Geschichte zu interessieren. Sicherlich lässt sich das Sachbuch auch ohne Detailkenntnisse über sämtliche Spieler der Klubhistorie eines Vereins lesen, dennoch hat es mir geholfen, wenn mir zumindest die Vereinsnamen geläufig waren. Es gibt auch so schon genügend neue Namen und Begriffe, die sich während eines Kapitels zu merken sind. Ansonsten ist das Buch allen zu empfehlen, die Lust haben, sich jeweils über etwa dreißig Seiten recht intensiv mit der Ultraszene in einem bestimmten Land bzw. eines ausgewählten Vereins zu beschäftigen. So ist es auch möglich nur einzelne Kapitel oder unchronologisch zu lesen.

Veröffentlicht am 14.12.2020

Großartige Charakterzeichnungen

Bären füttern verboten
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Schon mal vorweg: dieser Roman besticht durch seine starken Charakterbeschreibungen.

Dreißig Jahre nach einem schweren Unglück in einem Familienurlaub kehrt Sidney zurück nach St. Ives. Jahrelang hatte ...

Schon mal vorweg: dieser Roman besticht durch seine starken Charakterbeschreibungen.

Dreißig Jahre nach einem schweren Unglück in einem Familienurlaub kehrt Sidney zurück nach St. Ives. Jahrelang hatte sie einen großen Bogen um die Stadt gemacht, in der sie in ihrer Kindheit einige Sommerwochen mit ihren Eltern und ihrem Bruder verbracht hatte.

Sidney ist Freerunnerin und erregt durch ihre Anwesenheit auf den Dächern von St. Ives einige Aufmerksamkeit. So entsteht eine lose Verbindung zu den BewohnerInnen des Ortes. Entsprechend gibt es Kapitel, die aus sehr unterschiedlichen Blickwickeln erzählen: da sind die junge Buchhändlerin und ihre Mutter, die die Frau auf den Dächern aus der Ferne sehen, Sidney selbst und ihr Vater, aber auch noch weitere Charaktere.

Obwohl es in „Bären füttern verboten“ zu einem nicht geringen Anteil um Trauer und Verarbeitung geht, habe ich das Lesen nicht als „schwer“ empfunden. Viel mehr habe ich die unterschiedlichen wertfreien Weisen des Umgangs wahrgenommen, die ich als sehr spannend empfunden habe. Eigentlich sind sämtliche ProtagonistInnen verloren in ihren Erinnerungen an ein anderes Leben oftmals mit einem Menschen, der nicht mehr da ist. Und trotzdem schafft es der Roman, ein Gefühl von Hoffnung und Aufbruch zu vermitteln – auf einfühlsame und gleichermaßen skurrile Art.

Der Titel ist spannend und auch die Kapitelüberschriften sind – wie das ganze Buch – im positivsten Sinn ungewöhnlich. Vielleicht braucht es etwas Zeit, um in den Roman hineinzufinden. Spannung hat sich aber durchaus entwickelt, indem Stück für Stück aufgelöst wird, wie es zu dem tödlichen Unfall im Familienurlaub kam und wie Sidney, ihr Bruder und ihr Vater damit umgegangen sind. Die Charaktere sind sehr liebevoll und detailreich beschrieben, sodass ich das Gefühl hatte, einige der ProtagonistInnen schon ewig zu kennen. Der Ort St. Ives ist ebenfalls so bildhaft beschrieben, dass ich mich selbst am rauen Strand in St. Ives gewähnt habe.

In „Bären füttern verboten“ hat für mich alles zusammengepasst. Schreibstil, Charaktere und Handlung sind eine Einheit, die mir einige schöne Lesestunden beschert haben.

Veröffentlicht am 13.12.2020

Sehr lesenswert!

Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete
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Stefania, die auch Fusia genannt wird, beschließt als junges Mädchen nicht mehr auf dem Bauernhof ihrer Familie auf dem Land leben zu wollen, sondern in die Stadt Przemysl zu gehen und dort zu arbeiten. ...

Stefania, die auch Fusia genannt wird, beschließt als junges Mädchen nicht mehr auf dem Bauernhof ihrer Familie auf dem Land leben zu wollen, sondern in die Stadt Przemysl zu gehen und dort zu arbeiten. Sie bekommt einen Ausbildungsplatz in einem Lebensmittelladen und ist schon bald fast wie ein Familienmitglied für die jüdische Ladenbesitzerin Frau Diamant und deren Familie. 1939 verschärft sich die Situation für die jüdische Bevölkerung, die gezwungen wird, ins Ghetto zu ziehen. So auch Fusias Freund Izio Diamant, seine Brüder und Eltern. Fusia versucht, so gut sie ohne Einkommen kann, zu helfen, zum Beispiel indem sie Lebensmittel beschafft und diese ins Ghetto bringt. Als die Deportationen beginnen, versteckt sie zunächst einen der Söhne der Familie. Schon bald versteckt sie noch weitere Menschen, um sie vor den Nazis und Deportationen zu schützen.

Ich bin sehr froh, dieses Buch gelesen zu haben. Dieser Roman hat mich tief beeindruckt und berührt. Die wahre Geschichte von Stefania werde ich wohl nicht vergessen. Besonders eindrücklich habe ich auch Fusias Abwägungen empfunden, die sich der Gefahr, der sie sich, und vor allem auch ihre kleine Schwester aussetzt, bewusst ist. Manchmal habe ich beim Lesen vergessen, dass Fusia selbst noch sehr jung ist. Erinnert hat mich daran dann die Naivität, mit der Fusia sich in bestimmte Situationen begeben hat und, trotz ihrer Erfahrungen die Tendenz hat, zu vertrauen.

Der Schreibstil lässt sich gut lesen. Einige Passagen sind thematisch wirklich schwer zu ertragen, sodass ich beim Lesen Pausen einlegen musste. Sie bleiben mir sicher lange im Gedächtnis.

Bücher wie „Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete“ sind unfassbar wichtig und lesenswert. Ich denke, dass der Roman für jugendliche LeserInnen genauso geeignet sein kann wie für Erwachsene.

Veröffentlicht am 13.12.2020

Sherlock und Watson in modern

Mord in Highgate
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Wie bei Sherlock Holmes und Dr. Watson geht es auch hier um einen Privatermittler, der von der Polizei bei besonders kniffligen Fällen hinzugezogen wird, und einen Schriftsteller, der die Fälle zu Papier ...

Wie bei Sherlock Holmes und Dr. Watson geht es auch hier um einen Privatermittler, der von der Polizei bei besonders kniffligen Fällen hinzugezogen wird, und einen Schriftsteller, der die Fälle zu Papier bringt. Die beiden Protagonisten sind sehr unterschiedlich und eine richtige Freundschaft besteht zwischen den beiden auch nicht. Dennoch ist es sehr interessant, wie die Interaktionen ablaufen und wie vorsichtig sie agieren, um ja nicht zu viel von sich preiszugeben.

Hawthorne wird zu einem Mord an einem Scheidungsanwalt gerufen, der in seinem Haus ermordet wurde. Während die Ex-Frau eines seiner Mandanten ihn in der Öffentlichkeit angegangen hat, rückt auch ein einige Jahre zurückliegendes Unglück eines Höhlenkletterers in den Fokus von Hawthorne und Horowitz. Neben dem Fall geht es auch immer um den Stolz des Protagonisten Horowitz, der unbedingt den Fall vor seinem Kompagnon Hawthorne lösen und nicht immer nur ratlos hinterherlaufen möchte. Da auch die eigentlich ermittelnden Polizeibeamten den Fall nur zu gern ohne Hawthornes Hilfe lösen möchten, entwickelt sich ein eigenartiges, aber unterhaltsames Wettrennen um die Lösung des Falls.

Dies ist schon der zweite Teil um den Ermittler Hawthorne und den Schriftsteller Horowitz. Nachdem ich den ersten Band mit viel Freude gelesen haben, war ich sehr gespannt auf „Mord in Highgate“. Enttäuscht hat mich der Roman nicht, obgleich er mich nicht ganz so begeistern konnte wie Teil 1. Mir hat wieder gut gefallen, wie der Autor die Beziehung zwischen den Protagonisten und auch andere Charaktere beschreibt. Allerdings habe ich den Plot des Kriminalfalles diesmal als weniger spannend empfunden. Dennoch werde ich den nächsten Krimi sicher auch lesen wollen.

Insgesamt ist „Mord in Highgate“ für mich ein unterhaltsamer Roman, der nicht von der Spannung lebt, sondern von der Art des Beschreibens und den zwischenmenschlichen Episoden. Er kommt eher locker und leicht daher, befasst sich aber auch mit Themen wie Schuld und Vergebung. Ein schönes Buch für ein entspanntes Wochenende!

Veröffentlicht am 28.11.2020

Über weite Strecken überzeugend

Ada
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Ada wird Ende des zweiten Weltkriegs geboren und wächst zunächst in Argentinien bei ihrer Mutter und später mit beiden Elternteilen in Berlin auf. Ihre Kindheit und Jugend wurden durch das Schweigen ihrer ...

Ada wird Ende des zweiten Weltkriegs geboren und wächst zunächst in Argentinien bei ihrer Mutter und später mit beiden Elternteilen in Berlin auf. Ihre Kindheit und Jugend wurden durch das Schweigen ihrer Eltern und Adas Unsicherheit und Unverständnis geprägt. Nachdem Ada viele Jahre keinen Kontakt zu ihrer Familie hatte, kommen anlässlich des Mauerfalls viele Erinnerungen und ungeklärte Konflikte wieder hoch und sie sucht sich Hilfe durch eine Gesprächstherapie. Episodenhaft wird Adas Leben aus ihrer Sicht erzählt.

Christian Berkel schreibt sehr fesselnd und durchaus literarisch. Die erste Phase in Adas Leben hat mich besonders beeindruckt und mir den Einstieg in den Roman sehr leicht gemacht. Besonders eindrücklich ist das Unverständnis und die Unsicherheit Adas der Generation ihrer Eltern und im speziellen ihren Eltern gegenüber geschildert.
Allerdings habe ich mich streckenweise mit der Protagonistin Ada schwergetan. Während ich ihr Handeln, Denken und Fühlen in den ersten beschriebenen Lebensjahren noch nachvollziehbar und sie als Charakter durchaus sympathisch fand, hat sich das zunehmend verändert. An einigen Stellen hatte ich erhebliche Probleme, Ada zu verstehen und ihr für mich widersprüchlich wirkendes Handeln nachzuvollziehen. Die Naivität, die sie als Protagonistin durchaus sympathisch macht, war für mich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr glaubwürdig.

Insgesamt habe ich „Ada“ gerne gelesen, mit einigen Abstrichen im Laufe des Romans bezüglich der mich manchmal irritierenden Protagonistin. Da ich zur beschriebenen Zeit noch längst nicht geboren war, habe ich viel gelernt und einige Passagen als sehr intensiv und eindrücklich empfunden. Das es einen Vorgängerroman gibt, den ich bisher nicht kenne, war kein Hindernis für das Verständnis. Den ersten Roman werde ich vermutlich demnächst noch lesen.