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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.04.2021

Brillant

Die Neue
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Zum Inhalt:
Margot ist schwanger und wählt - gemeinsam mit ihrer Chefin - Maggie als Vertretung für ihren Job in der Redaktion einer Zeitschrift aus. Als Margot bemerkt, wie gut sich Maggie in das Team ...

Zum Inhalt:
Margot ist schwanger und wählt - gemeinsam mit ihrer Chefin - Maggie als Vertretung für ihren Job in der Redaktion einer Zeitschrift aus. Als Margot bemerkt, wie gut sich Maggie in das Team einfügt, werden bei ihr Verlustängste geweckt. Ihre Freundin Winnie ist dabei keine Hilfe, denn deren Sohn Jack ist im Kindbett gestorben. Als Winnie sich nicht nur abweisend, sondern sogar feindselig verhält und Maggie sich immer breiter in Margots Leben macht, bekommt diese Angst: Wollen diese beiden Frauen ihr Leben? Die eine das Kind, die andere den Job?

Mein Eindruck:
Ein Psychothriller, der es in sich hat. Von der Autorin in drei Abschnitte eingeteilt, berichtet er jeweils aus einer weiblichen Perspektive den Fortgang der Ereignisse. Dieses Stilmittel wird vor allen Dingen zum Ende hin grandios ausgenutzt, wenn die Kapitel immer kürzer werden und die Spannung dadurch immer größer.
Und noch etwas gelingt Harriet Walker: Zweifel zu schüren. Wer handelt warum wie? Zwar deckt sie Stückchen für Stückchen die erste große Zäsur in der Freundschaft von Winnie und Margot auf; doch auch dann bleibt Vieles im Dunkeln. Denn die Leserschaft fragt sich, ob die Frauen, deren Gedanken sie serviert bekommt, wirklich so sind, wie Walker es schreibt, oder ob sie sich – und damit auch den Leser/innen – nur etwas vormachen.
Es macht absolut Spaß, genauso seine Gedanken und Eindrücke zu hinterfragen, wie es die Charaktere im Buch tun.
Der Höhepunkt zum Ende wird perfekt in Szene gesetzt und – das ist vielleicht sogar das Beste an der Geschichte – die Rolle der Frauen wird klar, alle Vorgänge sind im Nachhinein logisch und lösen sich auf.

Mein Fazit:
Eine wirklich gut gemachte Geschichte mit ein bisschen Glamour und viel Mutterliebe

Veröffentlicht am 16.04.2021

Zweigeteilt

New York Ghost
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Zum Inhalt:
Candace, Tochter eines chinesischen Einwandererpaares, bekommt eine Stelle, bei der sie viel mit Produzenten in aller Welt - besonders in China - verhandeln muss. Als von dort nicht nur Bibeln, ...

Zum Inhalt:
Candace, Tochter eines chinesischen Einwandererpaares, bekommt eine Stelle, bei der sie viel mit Produzenten in aller Welt - besonders in China - verhandeln muss. Als von dort nicht nur Bibeln, sondern auch ein neuartiges Virus exportiert wird, erkranken die Menschen an einem Fieber, welches sie zu dementen Wesen mutieren lässt, die Verhalten immer wieder wiederholen. Glücklicherweise wird sie von einer Gruppe Überlebender in New York gefunden und reist mit ihnen weiter. Aber auch diese Gemeinschaft erweist sich als fragil.

Mein Eindruck:
Ohne Corona - ja, der Roman wurde davor geschrieben und wird jetzt schon als fast prophetisch gehypt - wäre das Buch eine von vielen Dystopien geblieben, - noch dazu eine mit einer unsympathischen Protagonistin. Denn Candace tut vor allen Dingen eins: Sie kreist um sich. Zuerst lebt sie ziellos vor sich hin (der Eltern Geld sei Dank), dann verschweigt sie ihrer Beziehung, dass sie ein Kind erwartet und bemerkt schließlich fast nur nebenbei, dass ihre Umgebung vor die Hunde geht. Und auch als Dystopie kann man viele - sagen wir einmal "Anleihen" - bei ähnlichen Werken finden: Die Gottesfurcht bei "Das letzte Gefecht", die Herkunft des Virus bei "Contagion", die absolut tödlichen Folgen bei "28 Days Later", der Schutz der Schwangeren bei "Children of Men".
Keine Frage hat der Roman Stärken, die vor allen Dingen in den Teilen in China bzw. in den Erinnerungen an die verstorbenen Eltern liegen. Es ist spannend zu lesen, wie zerrissen vor allen Dingen die Mutter in ihrer Gefühlswelt war. Einerseits die kapitalistischen Verlockungen mit Kosmetika und schnellen Autos, andererseits der Wunsch, wieder eine wichtige, angesehene Person zu sein, - was sie in China war. Doch das Leben von Candace in New York streift nur manchmal diese Zerrissenheit, - fast hat man das Gefühl, die Autorin versucht sie vorzuspielen. Einerseits wird das fotografische Talent Candaces betont, andererseits sollte doch gerade eine Person mit einem suchenden (und sehenden) Auge schneller merken, dass die Auslagen der Geschäfte mit verschimmelten Lebensmitteln gefüllt sind, weil die Leute dem Fieber zum Opfer gefallen sind. Ein Kuriosum am Rande: Trotz fehlender Körperteile (z.B.: Unterkiefer) und ohne Nahrungsaufnahme leben die Virus-Opfer weiter und können sogar Auto fahren.
So bleibt der Eindruck eines Buches, das zwar durch die eine Hälfte (Virus und Folgen) Aufmerksamkeit erregt, seine Stärken jedoch in der anderen Hälfte, dem Teil der Vergangenheit hat.

Mein Fazit:
Die Vergangenheit von Candace und ihren Eltern ist lesenswert und preiswürdig, die Gegenwart auf Effekt gebürstet

Veröffentlicht am 11.04.2021

Gelungene Mischung aus Spannung und Grusel

Sommernacht
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Zum Inhalt:
Eine Hochzeitsgesellschaft findet sich auf einer einsamen Insel ein, um dem Brautpaar zu huldigen. Sie - erfolgreiche Managerin - und er - erfolgreicher Fernsehstar - sehen zudem auch noch ...

Zum Inhalt:
Eine Hochzeitsgesellschaft findet sich auf einer einsamen Insel ein, um dem Brautpaar zu huldigen. Sie - erfolgreiche Managerin - und er - erfolgreicher Fernsehstar - sehen zudem auch noch äußerst gut aus und bilden das perfekte Paar vor dem perfekten Hintergrund. Doch dann zieht ein Sturm auf und die perfekte Kulisse bröckelt in jeder Hinsicht

Mein Eindruck:
Lucy Foley hat den Stil ihres Erstlings „Neuschnee“ übernommen, aber verbessert. Auch hier bringt sie eine Gesellschaft von relativ, aber nicht ganz jungen Leuten zusammen, die sich teilweise schon sehr lange kennen und dementsprechend auch die Tiefen und schlechteren Charakterzüge voneinander wissen. Dazu bedient sie sich der Erzählung aus unterschiedlichen Sichten, jeweils nur wenige Seiten lang, und treibt damit ihre Geschichte auf einen Höhepunkt zu, der zwar früh bekannt ist, sich jedoch über die Person des Opfers lange ausschweigt. Ihr/e jeweilige/r Protagonist/in bedient sich dabei der Ich-Form und erreicht damit Herz und Kopf der Leserschaft, welche sich wunderbar in Gedanken und Gefühlen suhlen kann; manches Mal sogar mit einer Situation aus zwei Blickwinkeln. Stück für Stück werden die Geschehnisse von der Ankunft der engen Gruppe bis zum Höhepunkt enthüllt, während Foley immer wieder Teile der Gegenwart ab dem Auffinden der Leiche einstreut. Dabei stellt sich heraus, dass in der Vergangenheit viel passiert ist, was Menschen zu krassen Reaktionen darauf verführen kann, - leider schießt dabei die Autorin mit einem Zufall über das Ziel hinaus. Das ist deshalb schade, weil die Konstruktion der übrigen Zusammenhänge wirklich meisterhaft komponiert ist und sogar außerhalb von Buchdeckeln glaubhaft wäre. Doch was bleibt ist ein ungemein spannender Page-Turner mit absolut (alb-)traumhaften Ortsbeschreibungen und Charakterstudien, die einen mitfiebern lassen.

Mein Fazit:
Absolut gute Unterhaltung im Thriller-Bereich

Veröffentlicht am 10.04.2021

Großer Anspruch, leider vorhersehbar

Fair Play
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Zum Inhalt:
Für einen Schülerwettbewerb des Berliner Senats entwickelt der Klassennerd Leonard die App "Fair Play". Damit wird der Verbrauch der Teilnehmenden aufgezeichnet und simuliert , wie sich das ...

Zum Inhalt:
Für einen Schülerwettbewerb des Berliner Senats entwickelt der Klassennerd Leonard die App "Fair Play". Damit wird der Verbrauch der Teilnehmenden aufgezeichnet und simuliert , wie sich das Verhalten sämtlicher Mitspielender hochgerechnet auf die Weltbevölkerung auf die Rettung des Klimas auswirken könnte: Grün rettet den Planeten, rot führt in die Verdammnis. Das über drei Monate angelegte Experiment führt nicht nur untereinander zu unerwarteten oder aufgekündigten Freundschaften, - auch von außen wird Druck aufgebaut.

Mein Eindruck:
Inspiriert von Fridays for Future baut Kerstin Gulden ihre Geschichte auf und unterfüttert sie mit der Macht von Social Media, Influencern und dem Einfluss von Politik und Wirtschaft. Ihre vier Protagonisten sind dabei höchst unterschiedlich: Der Sonnyboy, der computerbegabte Außenseiter, die Intelligenzbestie und die Influencerin. Doch nach einiger Zeit stellt man fest, dass zwar alle vier Probleme haben, drei von ihnen aber eine materiell sorgenfreie Kindheit auf dem Silbertablett serviert bekommen. Damit verkörpern sie jedoch genau das Bild, das von Gegnern der Umweltbewegung zu deren Diskreditierung beschworen wird: Kids, denen es dank der Arbeit der Elterngeneration hervorragend geht und die sorglos Avocados und Champagner verschlingen, sich aber dann über genau dieses Verhalten echauffieren und – von den drei Monaten abgesehen – die Älteren beschimpfen und von ihnen Einschränkung einfordern, um selber die Jugend ohne Abstriche genießen zu können. Ungeachtet der Tatsache, dass die Vorgängergeneration keine Jugend mit Billigflug, dauernd erneuerter Unterhaltungselektronik und kulinarischen Genüssen von sonst wo hatte. Wenn sich die Autorin den moralischen Zeigefinger zum Schluss hätte verkneifen können, hätte ihre Idee mehr Beachtung erreicht: Eine Gemeinschaft, die sich selbst – gegen die Einflüsterungen der Politik und die Verlockungen der Wirtschaft – beweist und mit ihrem Zusammenhalt großes Grünes bewirkt. Dass alle jugendlichen Charaktere ambivalent sind, ist ein großes Plus der Geschichte und es gefällt, dass man sich durch die Erzählung aus den vier Sichten ein gutes, differenziertes Bild zu ihnen machen kann – jede Kommunikation hat eben zwei Seiten und hier bekommt man beide zu sehen bzw. – beim Hörbuch – zu hören. Ein Kompliment dabei an die Sprecher/innen, die ihren Charakteren genau die Wärme, Verzweiflung, Standhaftigkeit, Fröhlichkeit und Stärke geben, die notwendig sind.

Mein Fazit:
Sehr gut gesprochen, ein wichtiges Thema, stellenweise jedoch zu sehr Schlag mit der Holzpalette als Wink mit dem Zaunpfahl

Veröffentlicht am 10.04.2021

Herausforderungen

Doggerland. Fester Grund (Ein Doggerland-Krimi 3)
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Zum Inhalt:
Erst verschwindet die Sängerin Luna, dann schlägt ein brutaler Serienvergewaltiger zu und zu allem Überfluss fühlt sich Karen alles andere als gesund. Doch Karen wäre nicht Eiken Hornby, wenn ...

Zum Inhalt:
Erst verschwindet die Sängerin Luna, dann schlägt ein brutaler Serienvergewaltiger zu und zu allem Überfluss fühlt sich Karen alles andere als gesund. Doch Karen wäre nicht Eiken Hornby, wenn sie sich nicht trotz aller Widrigkeiten durchsetzt – gegen ihren Körper, die Umstände und zum guten Schluss auch noch gegen ihre Vorgesetzte. Denn alle drei Herausforderungen haben ihre tieferen Gründe, und alle drei setzen Karen zu, - auf die eine oder die andere Weise, aber letztendlich alle sehr schwer.

Mein Eindruck:
Die Autorin Maria Adolfsson geht zwar nach dem typischen Prinzip skandinavischer Autoren vor, ihre Protagonistin schier mit Problemen zu überhäufen, sie bietet jedoch wenigstens einige Lösungsmöglichkeiten und Silberstreifen am Horizont.
Richtig gut gefallen die Interaktionen auf der beruflichen Ebene: Eifersüchteleien, Protektionismus, Eitelkeit und Solidarität: Fast wie im richtigen Leben zeigt die Autorin diesen Mikrokosmos schonungslos, jedoch auch mit Humor.
Überhaupt kann sie gut schildern: Ob die Ängste und Verwundbarkeit der Vergewaltigungsopfer oder auch ihre Stärke, wenn sie – um den Täter hinter Schloss und Riegel zu bringen – diese Ängste überwinden, - Maria Adolfsson beweist ihr Einfühlungsvermögen genauso bei den Gedanken Karens, die sich um ihren Körper und ihre Gefühle bewegen.
Leider vernachlässigt die Autorin zugunsten des Kreisens um ihre Protagonistin die beiden Fälle ein bisschen, - insbesondere der Vermisstenfall gerät nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der Leserschaft ein bisschen unter die Räder.
Das Ende ist thrillertypisch sehr spannend, wie die Autorin einen nächsten Krimi gestalten will, lässt einen jetzt schon grübeln.

Mein Fazit:
Gelungen, trotz sehr viel Privatleben