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Veröffentlicht am 07.04.2020

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Die Toten vom Lärchensee
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Zum Inhalt:
Arno Bussi ist nicht nur mit seinem Nachnamen geschlagen, - nein, nach dem Seitensprung mit der Gattin des Innenministers ist er in Wien zur Schreibtischarbeit verdammt. Doch politische Wege ...

Zum Inhalt:
Arno Bussi ist nicht nur mit seinem Nachnamen geschlagen, - nein, nach dem Seitensprung mit der Gattin des Innenministers ist er in Wien zur Schreibtischarbeit verdammt. Doch politische Wege sind manchmal unergründlich und so schickt ihn besagter Innenminister nach Tirol, um dort einen alten Mordfall aufzurollen. Das Wühlen Bussis in den Untiefen des Lärchensees führt sehr bald nicht nur zu neuen Erkenntnissen, sondern auch zum Fund einer Leiche.

Mein Eindruck:
Joe Fischler bewegt sich mit „Die Toten vom Lärchensee“ zwar im Genre des Heimatkrimis, füllt seine Geschichte aber mit einem ganz eigenen Stil aus. Dieser ist zwar gerne humorvoll, hintergründig und zuweilen handfest, jedoch nie krachledern und höchstens in Spuren unglaubwürdig. Dabei bedient sich der Autor der Perspektive seines Protagonisten, obwohl er in der dritten Person schreibt. So ist der Leser immer ganz nah am Geschehen, ohne jedoch mehr als Arno Bussi zu wissen und dementsprechend entweder in die gleichen inhaltlichen Fallgruben zu tappen oder die richtigen Schlüsse zu ziehen. Fischler seziert auf das Trefflichste politische Schlichen und agiert dabei ausgewogen und kein Stück belehrend, - etwas, das gerade in Zeiten von PC jedem Autor hoch anzurechnen ist. Die Charaktere neben Bussi sind zwar überspitzt dargestellt, agieren dennoch glaubhaft und besitzen zum Teil einen gewissen Wiedererkennungswert, der hoffentlich den zweiten Band zu Bussis Abenteuern in der österreichischen Diaspora überdauert. Dazu zählen insbesondere sowohl die Figuren im politischen Wien, als auch die Polizeikräfte aus Tirol.
Die Krimihandlung an sich ist gut durchdacht, verführt zum Mitraten und lässt in ihrer Erklärung nichts zu Wünschen übrig, die Schauplätze sind bildhaft beschrieben. Einzig der exzessive Genuss bewusstseinserweiternder Mittel scheint übertrieben, - aber vielleicht muss das in Ermangelung sonstiger Ablenkungen im ländlichen Österreich einfach so sein.


Mein Fazit:
Hintergründiger Humor und gute Verbrechensaufklärung. Dieser Bussi ist ein Küsschen wert.

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Veröffentlicht am 07.04.2020

Eklig und brutal

Blutgott
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„Blutgott ist Teil einer Reihe“, kann aber auch ohne Vorkenntnisse der anderen Bücher gelesen werden.

Zum Inhalt:
Noch nicht strafmündige Kinder begehen grausame Verbrechen. Clara Vidalis und ihr Team ...

„Blutgott ist Teil einer Reihe“, kann aber auch ohne Vorkenntnisse der anderen Bücher gelesen werden.

Zum Inhalt:
Noch nicht strafmündige Kinder begehen grausame Verbrechen. Clara Vidalis und ihr Team stellen fest, dass diese von einem Mann gelenkt werden, der sich selbst "Blutgott" nennt und immer perversere Morde von seinen Anhängern fordert, - schließlich könnte ihnen ja nichts passieren. Die Polizei versucht, den Mann im Hintergrund mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, doch funktioniert diese List?

Mein Eindruck:
Spiegel-Bestseller, - schon klar. Aber was hohe Verkaufszahlen hat, ist noch lange nicht gut. Dieser Thriller ist es auf gar keinen Fall. Weder sprachlich noch inhaltlich auf besonders hohem Niveau (wenn man einmal von den ausführlich geschilderten Brutalitäten absieht), gestaltet sich der Text sogar stellenweise richtig langweilig. Zeitweise überlegt man sich, ob die Schar von Ermittlern überhaupt ihr Handwerk versteht, so oft, wie sie sich gegenseitig erklären müssen, wovon sie reden (zum Beispiel muss Claras Chef fragen, was das Dark Web ist). Dann denkt Clara an ihre Tochter als "die kleine Victoria", so dass man sich fragt: Gibt es die auch in groß? Dafür heißt ihr Mann nur "MacDeath", - nein, was für ein amüsantes Wortspiel.
Seiten werden gefüllt, in denen Etzold seine Charaktere von echten Serienmördern erzählen lässt (so bekommt man eine Verlagsvorgabe auch voll) und auch hier strotzen die Gespräche von „war das nicht der, der“ und „da ging es doch um“. Die inhaltlichen Löcher einmal ganz außen vor, - einer der jugendlichen Täter ist zuerst verschreckt und wird durch den Blutgott erpresst, mutiert dann aber innerhalb von Tagen zu einem mordlustigen, unempathischen Wesen? Stellenweise bekommt man den Eindruck, der Thriller soll durch Presseschelte und Überlegungen zum Umgang mit Tätern (Täterschutz vor Opferschutz, Geiseldrama Gladbeck, andere Länder haben andere Strafmaße und Altersgrenzen) legitimiert werden, doch das wirkt nur wie ein Feigenblatt und nicht wie echte Kritik.
Richtig schaurig schlussendlich das Versagen der so intelligenten, großartigen und allwissenden Vertreter von Recht und Gesetz in der Einschätzung der beteiligten Personen, welches in einem vorhersehbaren Ende mündet.

Mein Fazit:
Verstümmelungen und Morde als Selbstzweck, ansonsten nur heiße Luft und dilettantisches Handeln

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Veröffentlicht am 04.04.2020

Perfektes Road-Movie

Das kann uns keiner nehmen
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Zum Inhalt:
Der Norddeutsche Hansi trifft am Krater des Kilimandscharos nicht etwa auf die erwartete (und erhoffte) Ruhe und Stille, sondern auf das genaue Gegenteil: Tscharli, seines Zeichens Bayer, und ...

Zum Inhalt:
Der Norddeutsche Hansi trifft am Krater des Kilimandscharos nicht etwa auf die erwartete (und erhoffte) Ruhe und Stille, sondern auf das genaue Gegenteil: Tscharli, seines Zeichens Bayer, und zwar einer der despektierlichen, lauten, politisch inkorrekten und damit absolut untragbaren Sorte. Aber manchmal geht das Schicksal seltsame Wege und was als Schock beginnt entpuppt sich schnell als ein Abenteuer von der Sorte, die man nie wieder vergisst.

Mein Eindruck:
In seinem Vorwort thematisiert Politycki, dass er von selbst Erlebtem inspiriert wurde, im Nachwort, dass ihm bekannte Personen nur ihre Namen gaben, die Begebenheiten mit ihnen jedoch frei erfunden sind. Daraus fabuliert der Autor eine Geschichte, die höchstwahrscheinlich auf eigenem Glück (oder Unglück – je nach Sichtweise) fußt und damit genau das kleine Quäntchen Wahrheit beinhaltet, die eine wirklich gute Geschichte braucht. Dazu ist Politycki ein brillanter Erzähler. Afrika in all seiner Schönheit erscheint so deutlich, dass man am liebsten direkt dorthin reisen möchte, bevor all seine Grausamkeit die Leser genauso schnell wieder auf den Boden der Tatsachen (und bekanntes Terrain) zurückholt.
Kein Kontinent für Weicheier, es wird Stärke benötigt. Und was macht – wie schon Chuck Norris immer wieder beweist – besonders stark? Humor! Neben Afrika ist das zweite große Pfund des Romans sein Humor, der immer wieder aufblitzt, wenn der Tscharli sich wieder einmal daneben benimmt und trotzdem weiser ist als so mancher braver Bürger, der nur nicht anecken will. Dieser Humor ist ansteckend, - nicht nur für den Ich-Erzähler Hans, sondern auch für alle anderen Charaktere und letztendlich für die Genießer des Buchs. Doch bei allem Humor, der sich in absurden Abenteuern und Dialogen entspinnt, besitzt „Das kann uns keiner nehmen“ eine sehr ernste Seite, die Krankheit, Tod und zerbrochene Beziehungen beinhaltet.
Und so hat man permanent Tränen in den Augen, - manchmal vom Weinen, manchmal vom Lachen und zum Schluss bei aller Trauer ein gutes Gefühl.

Mein Fazit:
Ganz großes Kino

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Veröffentlicht am 28.03.2020

Kleine Sünden werden sofort bestraft, große brauchen länger

The Escape Game – Wer wird überleben?
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Zum Inhalt:
Vier Börsenmakler sind zwar verwundert, als sie an einem Freitagabend einbestellt werden, zieren tun sie sich trotzdem nicht: Die Geschäfte liefen nicht gut, eine Stelle wird frei und die Bonuszahlungen ...

Zum Inhalt:
Vier Börsenmakler sind zwar verwundert, als sie an einem Freitagabend einbestellt werden, zieren tun sie sich trotzdem nicht: Die Geschäfte liefen nicht gut, eine Stelle wird frei und die Bonuszahlungen stehen an, - wer will da schon private Gründe für ein Nicht-Kommen vorschützen? Doch dann stecken sie gemeinsam in dem dunklen Aufzug fest und bekommen Hinweise, die auf ein Spiel schließen lassen. Erst gibt man sich amüsiert, dann verärgert und schließlich wird aus dem Spiel blutiger Ernst, als der unsichtbare Spielleiter sie aneinander zweifeln lässt.

Mein Eindruck:
Bis kurz vor Schluss liefert Megan Goldin einen perfekten Thriller ab. Dazu nutzt sie einen zweigeteilten Aufbau: Die eine Seite befasst sich mit dem Geschehen im Aufzug, welches immer weiter aus dem Ruder läuft und dadurch so spannend wird, dass man sich anfangs den Teil um die Ich-Erzählerin Sara am liebsten sparen würde. Hier begibt sich die Autorin einige Zeit in die Vergangenheit und beschreibt die Arbeitsumstände in der renommierten Firma, die Sara als Anfängerin wie der Inbegriff des Paradieses vorkommt. Doch dann zieht Goldin auch dort das Tempo an und lässt ihre Leser Theorien zum Urheber des Geschehens im Aufzug entwickeln, die sie ihnen nach kurzer Zeit wieder um die Ohren haut. Dazu erhält man einen Einblick in die Szene, die ebenso brutal wie oberflächlich agiert, - dass es in diesem Milliardengeschäft nicht nur um bildliche, sondern um buchstäbliche Leichen geht und Gefühle nur stören, macht die Autorin sehr schnell und fundiert klar. Und so hechelt der geneigte Leser auf beiden Spuren dahin um am Schluss vollständig aufgeklärt Genugtuung zu erfahren. Leider begleitet von einem dicken Logikloch, - doch wen kümmert schon die Logik, wenn das Ende gefällt?

Mein Fazit:
Man bangt, hofft und lässt strafen, - das Leserleben kann schön sein

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Veröffentlicht am 22.03.2020

Trau, schau, wem

Charming Boy
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Zum Inhalt:
Sebastian Heiter ist ein Meister der Manipulation. Der neue Mitarbeiter einer Berliner Zeitung nutzt nicht nur seine Fähigkeiten in Bezug auf moderne Technologien, um seine Kollegen auszuspähen. ...

Zum Inhalt:
Sebastian Heiter ist ein Meister der Manipulation. Der neue Mitarbeiter einer Berliner Zeitung nutzt nicht nur seine Fähigkeiten in Bezug auf moderne Technologien, um seine Kollegen auszuspähen. Mit dem gewonnenen Wissen wendet er die Technik des „Spiegelns“ an und gaukelt vollstes Verständnis und einen Gleichklang der Seelen vor, - vorzugsweise bei der weiblichen Belegschaft. Doch auch er ist nur eine Marionette, an deren Fäden gezupft wird.

Mein Eindruck:
Leider gibt der Klappentext ein verfälschtes Bild des vielschichtigen Inhalts wieder. Heiter verhält sich eher großkotzig und anmaßend als charmant, seine Hackerqualitäten lässt er im Hintergrund spielen und seine Affäre kommt ihm nicht wirklich auf die Schliche. Dieses Manko lässt sich jedoch gut verschmerzen, denn: Was nützt ein guter Klappentext, wenn er ein schlechtes Buch bewirbt? Dann doch lieber umgekehrt!
Charming Boy ist ein perfektes Buch für Verschwörungstheoretiker, die in den neuen Techniken vor allen Dingen Möglichkeiten des Ausspionierens auf allen Ebenen sehen. Dass sich der Protagonist zusätzlich als Psychopath entpuppt, der seine Fähigkeiten nicht nur für den Auftrag, sondern auch für sein Privatvergnügen nutzt, sorgt für eine noch mulmigere Stimmung, in die Eckert seine Leserschaft versetzt. Die eingesetzten technischen Spielereien und die perfiden Machenschaften überraschen nicht nur die Gegenspieler Heiters, - etwas, das einen guten Krimi belebt und von der Masse abhebt.
Der Stil Eckerts ist zumeist fesselnd und seine Story lässt fiebern. Zwar gibt es kleine Löcher in der Abfolge (die einfach nicht thematisiert werden), doch Eckert erzählt so charmant über diese Löcher hinweg, dass sie einem erst drei Seiten später auffallen, um dann achselzuckend vergessen zu werden.
Besonders kunstvoll das Ende: Passgenau zur Figur des Hauptcharakters. Und mit der offenen Frage nach einem Nachfolge-Roman.

Mein Fazit:
Böse. Sehr, sehr böse

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